ÖPNV Hannover – Privater „Sicherheitsdienst“ jetzt mit Teleskop-Stahl-Schlagstöcken: „Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit“

Juni 2019: Eine Protec-Mitarbeiterin mit Schäferhund vertreibt einen Obdachlosen vom Hauptbahnhof Hannover: „Aufstehen! Jetzt aber!“

Die „Protec Service GmbH“ ist ein „Sicherheitsunternehmen“ in Hannover, indirekt über den ÖPNV-Hauptdienstleister, die üstra AG mehrheitlich im Besitz der Stadt/Region Hannover befindlich. Die Protec patroulliert in Bussen und Bahnen und ihren Haltestellen in der Landeshauptstadt, hat aber auch noch andere „Kunden“. (Um die intransparente und sehr merkwürdige ehemalige Teilauslagerung der Protec an die neue „Primetec“ unter dem Hannover-96-Chef Martin Kind in 2012 soll es hier nicht gehen. Dazu mehr hier (Frage 14) und hier.)

Nun teilt die üstra in einem Blogbeitrag (Achtung: Der Link ist via Tor nicht abrufbar!) mit, dass die „U-Bahn-Wachen“ nun anstelle eines Tonfa-Schlagstocks nun mit einem Teleskop-Schlagstock aus Stahl ausgerüstet werden. Wenig objektiv wirbt der üstra-Beitrag für den Wechsel und begründet den Wechsel zum Stahl-Schlagstock auf frag- und merkwürdige bis widersprüchliche Weise. Vor allem verharmlost und verniedlicht der Autor diese Waffe mehrfach, auch die Verwendung des euphemistischen Begriffs „Einsatzstock, kurz, ausziehbar“ samt Abkürzung „EKA“ trägt zur Verschleierung der Gefährlichkeit des Teleskop-Schlagstocks bei.

Dazu ein Auszug aus dem üstra-Beitrag (Hervorhebungen durch uns):

„Der neue „EKA“: Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit bei der protec. Seit über 20 Jahren sorgen sie 24/7 für Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz: Die protec U-Bahnwachen. Und seit dem Jahr 2000 je her ihr Begleitutensil im Arbeitsalltag: Der Einsatzmehrzweckstock mit dem offiziellen Namen Tonfa. Doch da nicht nur der fünfsilbige Begriff – Ein-Satz-Mehr-Zweck-Stock – ziemlich sperrig ist, sondern auch das Gerät an und für sich, gibt’s für die U-Bahnwachen ab sofort ein neues Einsatzmittel: Den EKA. Das steht für: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Und der Name ist Programm. (…) Mit einer Länge von 60 Zentimetern baumelte der Stock überpräsent, wenn nicht sogar etwas martialisch, an der Hüfte der Wachen. Während der Patrouille muss der Einsatzmehrzweckstock wahrscheinlich tausendfach gegen die Oberschenkel der U-Bahnwachen geprallt sein. (…) Doch damit ist jetzt Schluss! Denn, der neue EKA ist da. Der knackige Name ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Charakteristika: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Das bedeutet: Der Stock stört null Komma null im Streifendienst, ist im Ernstfall trotzdem im Handumdrehen einsatzbereit und wirkt deeskalierend auf alle Fahrgäste, da er schlichtweg kaum zu sehen ist. (…) Mehr Sicherheit für alle (…) Und so werden die protec U-Bahnwachen, wie bereits seit über 20 Jahren, auch weiterhin für Sicherheit und Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz sorgen. Allerdings gehen die Streifen jetzt nicht mehr „am Stock“, sondern patrouillieren mit dem handlichen EKA – inklusive deeskalierender Wirkung.

Die Begründung für den Wechsel auf den Stahl-Schlagstock: Er sei weniger sperrig. o_O

Und anders als sonst vorgehalten, soll plötzlich das Tragen einer sichtbaren Waffe (Tonfa) einschüchternd und präventiv wirken sondern nun die Unauffälligkeit des Teleskop-Schlagstocks „deeskalierend“ wirken. Die Erklärung für diese Behauptung bleibt uns der Autor schuldig. Dass die „Unauffälligkeit“ der Waffe solche eine Wirkung entfaltet ist jedenfalls blanker Unsinn.

Eine nüchternere Darstellung wäre wünschenswert gewesen. So muss sich die üstra den Vorwurf gefallen lassen, der Aufrüstung privater „Sicherheitskräfte“ unnötig Vorschub zu leisten.

August 2016: „Festhalten“ eines Menschen durch zwei Protec-Mitarbeiter am Hauptbahnhof Hannover. Man beachte die kleine Blutlache rechts vom am Boden „fixierten“ Menschen …

Die zunehmende Übertragung hoheitlicher Aufgaben an private „Sicherheitunternehmen“ ist eine seit vielen Jahren andauernde bedenkliche Entwicklung. Weil Bahnhöfe und Haltestellen sowie die Straßenbahnen und Busse selber formell als Privatbesitz und somit als „halb-öffentlicher Raum“ gelten (auch wenn bei genauerem Hinsehen die Kommune der „Besitzer des Raums“ ist) meint man, dort mit privaten, häufig schlecht bezahlten „Sicherheitspersonal“ ausgedehnte Interpretationen des Jedermann-Rechts praktizieren zu können. Nach außen hin ist für den Durchschnitts-Passanten eine Unterscheidung zwischen privatem Sicherheitspersonal und Polizei nicht mehr möglich. Und Erfahrungen aus Hannover belegen, dass Teile des Protec-Personals das gesamte Repertoire von racial profiling bis zum Missbrauch des ihm anvertrauten Monopols zur „Umsetzung des Hausrechts“ beherrschen. Nun mit erweitertem Waffenarsenal.

Auch scheint es so (das aber ist sachlich unklar), dass anders als zuvor nun alle oder fast alle protec-Mitarbeiter*innen mit dem Schlagstock ausgerüstet werden, wohingegen der Tonfa zuvor nur punktuell mitgeführt wurde.

Alles in allem: Keine gute Entwicklung.

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Thyssenkrupp als großer Gewinner der von der letzten Bundesregierung auf letzten Drücker genehmigten Rüstungsexporte

Die Thyssen Krupp AG hielt am vergangenen Freitag ihre diesjährige Hauptversammlung ab. Wie seit Corona gewohnt: Ohne zugelassene Präsenz der Aktionär*innen, während in Fußballstadien inzwischen wieder tausendweise Menschen strömen dürfen … Auch die Live-Zuschaltung von Fragen oder Redebeiträgen kritischer Aktionär*innen wurde untersagt. Doch

das nur nebenbei.

Im Zuge der Beantwortung der von 150 von 14 Aktionär*innen zuvor eingereichten Fragen kam unter anderem heraus:

  • Thyssen Krupp ist der große Profiteur der kurz vor Amtsübergabe der alten CDU/CSU-SPD-Bundesregierung am 8.12.2021 noch genehmigten Rüstungsexporte. Diese erlaubte sich, noch schnell den Export von „drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen“ freizugeben. Thyssen Kruppp Marine Systems (TKMS) darf deswegen drei Fregatten für Ägypten (!) bauen und liefern. (Mutmasslich ging der Auftrag der Luftabwehrsysteme an die Rheinmetall AG.)
  • Für Brasilien werden vier Fregatten gefertigt. Dafür hat man eigens eine Werft in Brasilien aufgekauft, modernisiert diese und will dort dann auch „Dienstleistungen für benachbarte Länder“ anbieten.
  • Thyssen Krupp kann oder will nicht ausschließen, dass die neuen für Israel, Norwegen und Deutschland zu bauenden U-Boote mit atomaren Waffen bestückt werden können.
  • Thyssen Krupp baut derzeit (unter anderem!) vier U-Boote der Klasse 218 „für ein Land in Asien, dessen Name nicht genannt werden darf“. (Vermutlich Singapur)
  • Auch stellt der Konzern derzeit sechs (!) U-Boote der Klasse 214 für die Türkei her, wobei diese „nur“ als „Bausätze“ geliefert und in türkischen Werften zusammengebaut werden.
  • Man stelle Unterwasserdrohnen her, die aber hauptsächlich zur gegen Seeminen und zur „Informationsgewinnung“ eingesetzt werden.
  • Die neue modulare Drohnenbaureihe „MUM“, mit 13,2 Millionen Euro durch die Bundesregierung gefördert, soll angeblich nicht militärische Nutzung erfahren. Die MUM-Drohnen sollen mit der aus der U-Boot-Fertigung bekannten Brennstoffzellen-Antriebs-Technologie ausgestattet werden.
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Kritik an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit „vorsorglicher Demonstrationsverbote“

Am 31.1.2022 hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag abgelehnt, mit dem ein „präventives Demonstrationsverbot“ der Stadt Freiburg gekippt werden sollte. Juristischer Ausgangspunkt war das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.1.2022, das die Sachlage wie folgt beschreibt:

„Die Stadt Freiburg hatte mit der genannten Allgemeinverfügung „alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen auf der Gemarkung der Stadt Freiburg i. Br. unabhängig vom Wochentag und unabhängig davon, ob einmalig oder wiederkehrend stattfindend“ untersagt, diesbezüglich die sofortige Vollziehung angeordnet und bei Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang angedroht.“

Wie schon geschrieben: Die Richter*innen des Bundesverfassungsgericht bestätigten die Haltung, dass ein solches Versammlungsverbot zulässig sei und verweisen dabei insbesondere auf die Erfahrungen, die mit den Antragstellern und den Akteuren aus der Bewegung der Corona-Maßnahmen-Kritiker und der Corona-Leugner rund um die als „Spaziergänge“ verklärten Versammlungen gesammelt worden sind (Originaltext siehe Randnummer 9 des Eilverfahrens-Beschlusses):

  • Es sei „naheliegend, dass die Nichtanmeldung der „Montagsspaziergänge“ offensichtlich den Zweck hätte, vorbeugende Auflagen zu umgehen und zu vermeiden, Verantwortliche und eine hinreichende Anzahl von Ordnern zu benennen, die dann für die Einhaltung zuvor erlassenen Auflagen“ zu sorgen hätten.
  • Man könne weiter „annehmen, dass diejenigen Personen, die zu solchen „Spaziergängen“ aufriefen oder daran teilzunehmen würden, überwiegend nicht dazu bereit seien, die dem Infektionsschutz dienenden Auflagen, wie insbesondere das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abständen, zu beachten.“
  • Das alles beruhe auf Erfahrungen, die man in Freiburg zuvor mit den „Montagsspaziergängen“ gewonnen habe.

Das ist soweit nachvollziehbar. Doch davon unabhängig halten wir das Versammlungsverbot in seiner oben beschriebenen Form für zu pauschal und für zu unbestimmt und damit für unverhältnismäßig.

Zur Unbestimmtheit:

Das Verbot betrifft „alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen“. Das ist unbestimmt, weil das „Im-Zusammenhang-Stehen“ eine sehr weit reichende Auslegung durch die Versammlungs- und Polizeibehörden ermöglicht. So ist denkbar, dass diese Behörden mit Verweis auf diese Formulierung auch sämtlichen Gegenprotest, der sich – gut vorstellbar – viel eher als echte Spontanversammlung im Sinne des Brokdorf-Beschlusses erweist, darunter verstehen oder meinen verstehen zu dürfen und diese mit Verweis auf den Beschluss auflösen und ein Nichtbefolgen der Auflösung entsprechend verfolgen und ahnden.

Zur Pauschalität:

Es scheint der Verwaltung Freiburg wie auch der bisher bemühten Gerichtsbareit egal zu sein, ob sich an einer solchen Versammlung zwei oder zweitausend Menschen beteiligen. Das ist aber von Relevanz, wenn es um die Abwägung Versammlungsfreiheit und „Bevölkerungsschutz“ im Zuge der Pandemie-Bekämpfung geht. Das Versammlungsverbot der Freiburger Allgemeinverfügung sieht hier keine Differenzierungen und auch keine Ausnahmetatbestände vor, es ist pauschal, um nicht von „total“ zu sprechen. Einer der konkreten Situation angemessenen Anforderung zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Versammlungsverbots wird die Regelung nicht gerecht.

Mit der – aus unserer Sicht – so beschriebenen Grobheit der richterlichen Urteilssprüche besteht die Gefahr, dass sich der vorgestrige Beschluss des Eilverfahrens zu einem Knüppel in der Hand der Polizeibehörden entwickelt, der Spontanversammlungen – möglicherweise über alle Corona-Themen hinaus! – erschweren, wenn nicht gar verunmöglichen könnte.

Die Entscheidung aus Karlsruhe fällen die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts einer Entscheidung zur Hauptsache (irgendwann) vorbehaltlich. Daszu heißt es in der Randnummer 7 des Beschlusses:

„Ob es mit Bedeutung und Tragweite des Art. 8 GG unter bestimmten Voraussetzungen vereinbar sein kann, präventiv ein Versammlungsverbot durch Allgemeinverfügung für eine prinzipiell unbestimmte Vielzahl von Versammlungen im Stadtgebiet zu erlassen, die mit Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ im Zusammenhang stehen, ist eine verfassungsrechtlich offene Frage, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.“

Das Problem dabei: Das Hauptsacheverfahren mag in weiter zeitlicher Ferne liegen (siehe Beispiel Hannover). Alle bis dahin verfügten Demonstrationsverbote lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Die Verwehrung der Versammlungsfreiheit und ihr Schaden sind irreparabel.

Und doch tragen auch diejenigen, die bislang unter Nichtbeachtung bzw. Nicht-Respektierung der Schutzmaßnahmen die – wenn auch untragbare – Allgemeinverfügung in Freiburg begründet haben, eine Mitverantwortung, boten sie den Behörden und der Gerichtsbarkeit mit ihrem intoleranten und unsolidarischen Verhalten eine Steilvorlage, die nun entsprechend ausgenutzt wurde.

Alle Akteure zusammen haben der Versammlungsfreiheit und -praxis in ganz Deutschland und über die Corona-Thematik weit hinaus einen Bärendienst erwiesen.

Dieser jüngste Beschluss aus Karlsruhe stellt einen weiteren Meilenstein in der Corona-Geschichte der Verwässerung des Versammlungsgrundrechts dar. Clemens Arzt hat diese junge Entwicklung in seinem lesenswerten Beitrag „Versammlungsfreiheit unter Druck – Verwaltungsgerichtlicher Schutz des Art. 8 GG in der Corona-Pandemie“ vom 12.1.2022 aufgearbeitet und fasst sie wie folgt treffend zusammen:

„Die durch Art. 8 GG garantierte Versammlungsfreiheit steht in Deutschland seit Beginn der Pandemie unter erheblichem Druck. Versammlungsbehörden und Polizei haben neue Maßstäbe für Beschränkungen des Grundrechts entwickelt, die in anderen gesellschaftlichen Krisen aus dem Baukasten geholt und erneut angewandt werden könnten. Die Exekutive schuf sich durch Verordnungen und Allgemeinverfügungen rechtliche Instrumente, um Versammlungen grundsätzlich und nicht nur im Einzelfall zu verbieten. Das über Jahrzehnte gefestigte Prinzip der Versammlungsfreundlichkeit wurde durch vielfältige Akte der Verwaltung beseitigt und über Monate hinweg die Versammlungsfreiheit – entgegen dem verfassungsrechtlich geforderten Grundsatz „in dubio pro libertate“ – durch Totalverbote oder einen im Versammlungsrecht nicht vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt suspendiert. Dies alles ohne verfassungsmäßige und parlamentarisch abgesicherte Rechtsgrundlage. Die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht brauchten Wochen und Monate, um sich in der Pandemie ihrer Rolle zu vergegenwärtigen und stellten insbesondere zu Beginn der Pandemie die staatliche Schutzpflicht für die Gesundheit fast ausnahmslos über die Versammlungsfreiheit. Wie die Exekutive hier durch selbst geschaffenes materielles Gesetz die Versammlungsfreiheit zum Teil vollständig ausgehebelt oder einem Genehmigungserfordernis unterworfen hat, steht der Wesensgehaltsgarantie und dem grundrechtlichen Anspruch auf Erlaubnisfreiheit im Versammlungsrecht diametral entgegen.“

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Corona-Impfstatus Polizei Niedersachsen: Angeblich rund 10 Prozent der Polizist*innen möchten sich vermutlich nicht impfen lassen

Anfang Januar 2022 gewährte die Hannoversche Tageszeitung „HAZ“ dem Polizeigewerkschaftler Dietmar Schilff ein Gefälligkeitsinterview, zu dem wir bereits ausführlich berichtet haben.

Herr Schilff äußerte sich in diesem Zusammenhang zum Impfstatus von Polizist*innen ganz allgemein wie folgt:

„Bei der Polizei ist übrigens die Bereitschaft, sich impfen und auch boostern zu lassen, sehr groß.“

Nun, für diese Behauptung scheint es zumindest keine Tatsachengrundlage zu geben.

Wir haben beim Nds. Innenministerium umfangreich nachgefragt und folgende Antwort (hier auszugsweise wiedergegeben) erhalten:

„Das Land Niedersachsen hat als Dienstherr – wie andere Arbeitgeber auch – kein ausdrückliches Fragerecht nach dem Impfstatus Ihrer Mitarbeitenden hat. Auf Basis der Annahmequote des priorisierten, freiwilligen Impfangebots im Frühjahr 2021 und der derzeitigen Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahme „3G am Arbeitsplatz“ gehen wir jedoch aktuell davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Niedersachsen vollständig geimpft sind. (…) Wir werben seit Beginn der Möglichkeit, sich impfen zu lassen, intensiv darum und bieten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv Impfungen während der Dienstzeit durch den Medizinischen Dienst der Polizei an.“

Man kann es mit der Impfbereitschaft so oder so herum sehen. Es bleibt festzuhalten:

  • Zur Impfquote bei Polizist*innen in Niedersachsen gibt es keine verlässlichen Zahlen.
  • Man gibt an, dass sich (mutmasslicherweise!) rund 10% der Polizist*innen nicht impfen lassen möchten.
  • Polizist*innen erhalten die besondere Gelegenheit, sich während der Dienstzeit impfen zu lassen und sind diesbezüglich privilegiert. (Sie sind übrigens auch zu Beginn der Impfkampagne besonders privilegiert worden, indem ihnen – politisch befördert – besonders früh die Chance zum „priorisierten“ Impfen gegeben wurde. Siehe hier und hier und hier.)
  • Ungeimpfte Polizist*innen werden genau wie andere eingesetzt, es gibt also kein Konzept oder Angebot, diese in Arbeitsbereichen mit weniger intensivem Kontakt zu anderen Menschen einzusetzen.

Darüber hinaus:

Das Innenministerium in Hannover schreibt ganz selbstbewusst bzw. setzt sich und die Rolle der Polizei in der Pandemie in ein besonders strahlendes Licht, wenn dessen Pressestelle uns schreibt:

„Die Polizei ist beim Thema Impfen sehr verantwortungsbewusst und vorbildlich aufgestellt. (…) Dazu Minister Pistorius: „Ich begrüße es, wenn sich so viele Menschen impfen lassen wie möglich, das gilt natürlich auch und insbesondere für Angehörige der Polizei, die eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft einnehmen.““

Und weiter:

„Da es sich bei dem Impfstatus von Personen um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten handelt, erfolgt diesbezüglich keine namentliche Erfassung. (…) Die [Maßnahmen der Polizei gegen die Ausbreitung von Corona innerhalb der Behörde] (z.B. das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, regelmäßige Testungen, Beschränkung der Kontakte zu anderen auf ein dienstlich notwendiges Maß) tragen auch dazu bei, das Infektionsrisiko gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zu reduzieren.“

Klingt gut. Doch sei angesichts dieses massiven Eigenlobs auch daran erinnert, dass:

  1. die Polizei es mit dem Schutz „besonders schützenswerter Gesundheitsdaten“ bei Nicht-Polizist*innen nicht immer so ganz genau genommen hat und dass
  2. es zumindest am Anfang der Pandemie die Polizei selber war, essentiellen Corona-Bestimmungen zuwider gehandelt und z.B. Demonstrierende (Beispiel Hannover) aktiv erst in Gefahr gebracht hat – mal ganz davon abgesehen, dass Proteste in Corona-Zeiten zudem – je nach politischer Ausrichtung – ganz unterschiedlich von der Polizei „behandelt“ worden sind

Das gehört unserer Ansicht nach zur vollständigen Abbildung der Rolle der Polizei in den Zeiten der Corona-Pandemie dazu und sollte nicht einfach verschwiegen werden.

 

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Für die Akten: Nds. Gesundheitsministerium beteuert, dass die Gesundheitsämter keine Daten an die Polizeien (mehr) weitergeben

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Kurz notiert. Verwaltungsgericht Hannover: Nicht absehbar, wann die Klage gegen pauschales Demonstrationsverbot aus dem März 2020 behandelt wird

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Kinderspiele zur Ausweitung der Ströer-Werbemaßnahmen im öffentlichen Raum Hannovers: Stadt Hannover spielt „Schwarzer Peter“, der Ströer-Konzern „Verstecken“ [Update]

Logo "Hannover Werbefrei"

Hoffentlich keine Utopie: „HANNOVER WERBEFREI“

Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover (LHH) braucht Geld. Mehr Geld als bisher. Das, so die Verwaltung, läge insbesondere an Corona. Anfang 2021 entwarf man dazu in der Verwaltung der Stadt das so genannte „Haushaltssicherungskonzepts X (HSK X)“ und darin heißt es in der Begründung unter anderem:

1. Der Jahresabschluss 2020 wird nach jetzigen Erkenntnissen mit einem Defizit von bis zu 250 Mio. € abschließen. [Es wurde] beschlossen, (…) für die unmittelbaren Folgen der weltweiten Pandemie COVID 19 auf ein Haushaltssicherungskonzept für 2020 zu verzichten. (…)
2. Der Verwaltungsentwurf des Doppelhaushaltes 2021/2022 weist für 2021 derzeit ein Defizit von rd. 200 Mio. € aus. Von diesem Defizit
entfällt ein Anteil von 111 Mio. € auf die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie. Es bleibt ein struktureller Fehlbetrag von rd. 90 Mio. € in 2021. Für 2022 wird ein coronabedingter Fehlbetrag von 103 Mio. € und ein darüber hinaus gehendes Defizit von 62 Mio. € ausgewiesen. Für die coronabedingten Anteile der Fehlbeträge schlägt die Verwaltung vor, das Defizit wie unter Ziffer 1 ausgeführt abzubauen.
3. In der mittelfristigen Finanzplanung sinkt das Gesamtdefizit von 135 Mio. € in 2023 auf 86 Mio. € in 2024 und in 2025 auf 36 Mio. €. Diese Entwicklung setzt aber die Umsetzung eines HSK X im genannten Volumen voraus. (…)“

Zusammengefasst: Es fehlt jede Menge Geld. 90 Millionen Euro jährlich will man mittels fünf Einzelmaßnahmen einsparen bzw. „erwirtschaften“. Eine der Maßnahmen (betitelt als „Einzelprojekte“) beinhaltet dabei den Ausbau des Finanzrahmens der Kooperation der Stadt Hannover mit dem Werbe- und Mediengiganten Ströer. (Über dessen zum Teil schattenhaftes Wirken und Einfluß-Nehmen hatten wir zuletzt berichtet.) So heißt es im Abschnitt „IV.4.5 Werberechtsverträge“ des „HSK X“ im vollen Wortlaut:

„Die Digitalisierung wirkt sich verstärkt auch auf die Darstellung entsprechender Werbeträger aus und macht sie als Werbefläche deutlich attraktiver. Im Rahmen von Neuverhandlungen mit den Werberechtsnehmer*innen soll sich die Attraktivitätssteigerung auch in der Summe der Entgelte für die Bereitstellung diverser Flächen im Stadtgebiet für digitale Werbung niederschlagen.“

Eine neue „Public Video Roadside“ Riesenglotze von Ströer ragt in den Himmel. Noch dunkel, noch umweltfreundlich …

Was hier neusprechverdächtig als „Attraktivitätssteigerung“ verklausuliert daherkommt ist nichts anderes als der Ausbau der Werbemaßnahmen durch Ströer im öffentlichen Raum Hannovers. Der „Effekt“ dieser und der anderen „Einzelmaßnahmen“ zusammen sollen Mehreinnahmen für die Stadt pro Jahr in Höhe von insgesamt 4 Millionen Euro sein.

Was genau die Stadt mit Ströer vereinbart hat? Das soll ein Geheimnis bleiben, obwohl doch alle Einwohner und Besucher Hannovers unmittelbar und massiv davon betroffen sind. Immerhin ließ uns der Pressesprecher der Stadt folgendes wissen:

„Die Verhandlungen wurden nach folgenden internen Grundsätzen geführt:

  • Keine Ausweitung der Werbeträgeranzahlen im Stadtgebiet
  • Keine grundsätzliche Größenänderung der Anlagen
  • Keine Bewegtbilder und Animationen

Die Verhandlungen wurden in 2021 abgeschlossen.“

Bild einer neuen Ströer-Megaglotze neben einer im Abbau befindlichen Riesenplakatanlage.

Eine der neuen „Public Video Roadside“ von Ströer. Hier gut zu sehen, wie eine vorherige „Megalight“-Anlage dafür abgebaut wird. Doch hier handelt es sich um eine Ausnahme. Bei den meisten anderen neuen Standorten ist nicht ersichtlich, dass dort (sondern anderswo?) eine andere Werbeanlage von Ströer demontiert worden ist …

Diese Grundsätze finden sich in den öffentlichen Dokumenten der Stadt Hannover allerdings nicht wieder. Im guten Glauben muss man davon ausgehen, dass es sich hierbei um vertraglich handfeste Regelungen bzw. Vereinbarungen handelt. Und übrigens hat sich keiner der zahlreichen, in die Entscheidung eingebundenen Ausschüsse und Stadtbezirksräte gegen die Ausweitung der Werbung im öffentlichen Raum ausgesprochen oder spürbar dagegen aufgelehnt. Lediglich ein einziger Stadtbezirksrat war fähig oder traute sich, eine klitzekleine Einschränkung zu erwirken. So brachte die Fraktion der Bündnis90/Grünen des Rats in Hannover-Südstadt/Bult einen Antrag ein, in dem es ergänzend hieß:

„Die Verwaltung wird im Rahmen ihrer beabsichtigten Neuverhandlungen mit den Werberechtsnehmer*innen aufgefordert, keine neuen Flächen im Stadtbezirk Südstadt-Bult für Werbeflächen zur Verfügung zu stellen.“

Doch selbst das war wohl zuviel verlangt. Es wurde (zunächst handschriftlich) dann noch der folgende, das alles gänzlich entschärfende Konditional-Nebensatz angehängt:

„,ohne das diese dem Bezirksrat Südstadt-Bult zur Entscheidung vorgelegt werden.“

Wir haben mindestens 10 neue Riesen-Digital-Screens an vielbefahrenen Straßen Hannovers identifiziert, die möglicherweise kurz vor der Inbetriebnahme stehen. Damit erlangt der Ströer-Konzern eine Verdoppelung bis Verdreifachung seiner bisherigen Werbemöglichkeiten mittels der von ihm als „Public Video Roadside“ titulierten, hell leuchtenden und eine Unmenge an Energie verbrauchenden Leuchtreklame-Displays.

Die Stadt Hannover möchte uns keinerlei Auskunft über den tatsächlichen Umfang des Werbeanzeigen-Ausbaus erteilen und verweist mehrfach wortgleich auf den Vertragspartner Ströer:

„Zu Fragen der Detailplanungen und den bautechnischen Umsetzungsstand bitten wir Sie, die Fa. Ströer/ DSM GmbH/ X-City Marketing GmbH zu kontaktieren.“

Ströer antwortete auf unsere mehrfachen Presseanfragen allerdings bislang gar nicht. Und das ist nichts neues für den sonst gar nicht so öffentlichkeitsscheuen Konzern. Eine Bitte an die Stadt Hannover, bei ihrem Vertragspartner um die Beantwortung unserer Presseanfrage anzufragen/bitten wird abgeschlagen:

„Gern beantworten wir die Nachfragen (…), sofern sie in unserem Zuständigkeitsbereich liegen. [Einige] Fragen (…) beziehen sich auf das unternehmerische Handeln von Ströer. Dazu können wir keine Aussagen machen und kann sich allein das Unternehmen selbst äußern. Eine Vermittlung/Anweisung durch die Stadtverwaltung ist nicht möglich.“

Das ist nun offensichtlicher Unsinn, des bei der Frage, wie viele neue Mega-Displays künftig wo in Hannover stehen werden geht es nicht zjm „unternehmerisches Handeln von Ströer“ sondern um vertragliche Vereinbarungen als Ergebnis der abgeschlossenen Verhandlungen zwischen Ströer und der Stadt Hannover.

Unklar und unbeanwortet bleibt auch die Frage, zu wann die neuen Riesenanzeigen in Betrieb genommen werden und ob darüber hinaus weitere Werbeschilder durch neuartige „Public Video“-Werbebildschirme ersetzt worden sind oder ersetzt werden.

Mittels dieser Kombination aus Schwarzer-Peter- und Versteck-Spiel schaffen es die Vertragspartner, also die Stadt Hannover und der Ströer-Konzern erfolgreich, eine öffentliche Debatte über den Sinn und Zweck der in Zahl, Art und Inhalt be- und erdrückenden Werbeanlagen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich auch in Hannover irgendwann ein zivilgesellschaftliches Werbefrei-Bündnis findet und dieses dann erfolgreich wirkt. Jede Werbetafel, jeden Mega-Bildschirm durch einen Baum oder einen Busch zu ersetzen würde Hannover lebenswerter und schöner werden lassen.

[Redaktionelle Anmerkung: Wir versuchen seit 21.12.2021, von Ströer eine Auskunft bzw. die Beantwortung einer Presseanfrage zu erhalten. Bislang ohne Ergebnis, der Konzern hat sich inhaltlich (noch?) nicht geäußert. Beim Eintreffen einer Rückmeldung von Ströer wird sie an dieser Stelle hier nachgetragen.]

 

Update 22.1.2022

Auch bis dato gab es noch immer keinerlei Rückmeldung von Ströer.

Dafür haben wir eine Karte erzeugt, auf der ersichtlich ist, an welchen Standorten alte und neue Megascreens dem Straßenverkehr die Aufmerksamkeit entziehen. Vermutlich ist die Karte unvollständig, die Liste der von uns identifizierten neuen Anlagen mehr als lückenhaft, denn leider will uns die Stadt ja nicht verraten, wie viele neue Ströer-Riesendisplays installiert werden geschweige denn, wo sich diese befinden.

Worauf wir noch hinweisen möchten: Der Versuch des Stadtbezirksrats Hannover-Südstadt-Bult, sich zu wehren, scheint gewirkt zu haben. In diesem Stadtteil konnten wir bislang keine Ausweitung der Ströer-Werbeanlagen feststellen. Zurecht hatten die Grünen im Rat geschrieben:

Werbeflächen bringen Gelder in die Stadtkasse ein, verschandeln auf der anderen Seite gleichwohl das Stadtbild und sind in vielen Fällen auch noch Gefahrenquellen für Fußgänger*innen und Radfahrende. (…) Eine weitere Ausdehnung der Anzahl an Werbeträgern im öffentlichen Raum ist daher nicht mehr vertretbar.“

Stimmt. Vertretbar wäre nur ein massiver Rückbau der „Werbeträger“.

 

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Medienkritik: Wie die „HAZ“ ein „Interview“ zur Rolle der Polizei bei Corona-„Spaziergängen“ zur unhinterfragten und einseitigten Werbeveranstaltung für Wünsche und Ansichten eines Polizeilobbyisten werden lässt

Die hannoversche Zeitung „HAZ“ lädt einen Polizeigewerkschaftler aus Anlaß zur Diskussion um die Rolle der Polizei bei den „Corona-Spaziergängen“ zum Interview ein und lässt diesen dann bei der Verbreitung von Populismen, Polizeiwünschen und einseitigen Thesen offen gewähren (HAZ-Beitrag vom 8.1.2022). Es gibt kein Nachfragen und kein Nachbohren, zumindest kein ernst zu nehmendes Hinterfragen oder Ausleuchten bei der Ausbreitung einseitiger Polizeiperspektiven durch den Polizeivertreter. So wird das „Interview“ zur kritikbefreiten Bühne, zu einer reinen PR-Maßnahme der Polizei-Interessen.

Im Folgenden ein paar Kritikpunkte an den Aussagen des Polizeigewerkschaftlers Dietmar Schilff und der Nicht-Intervention durch den HAZ-Interviewer Michael B. Berger.

In chronologischer Reihenfolge:

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Ströer rüstet auf – zum medialen, politischen und Kommerz-Influencer unter dem Radar der Öffentlichkeit und ohne gesellschaftliche Kontrolle

Die Georgstraße in der Innenstadt-Fußgängerzone von Hannover, mitunter auch als „Ströer-Schilder-Allee“ bezeichnet …

Inwiefern Werbekonzerne wie Ströer und JCDecaux den öffentlichen Raum beherrschen, deren Anblick und Charakter vermarkten und verschandeln, darüber haben wir schon umfangreich berichtet (1/2/3). Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um eine ganz besondere und für Menschen und weitere Umwelt schwerwiegende Umweltverschmutzung und -zerstörung, die bislang keine bis wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Eine öffentliche Diskussion dazu fehlt gänzlich.

Derzeit rüstet der Ströer-Konzern bundesweit auf – und das in mehrfacher, noch ganz anderer Hinsicht. Diesen Entwicklungsaspekt möchten wir in diesem Beitrag bruchstückhaft zu beleuchten versuchen.

1. Beherrschung des öffentlichen Raums
2. Gewinner der Corona-Krise und Ausbau des Einflusses auf die Gesellschaft via neuer Medien
3. Aufbau einer Influencer-Szene
4. Installierung politischer Beeinflussungsmechanismen
5. Umgang mit Kritik
6. Fazit

Im Detail:

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Exemplarisch: Über mangelnde Transparenz und Ausgewogenheit polizeilicher Pressearbeit

Symbolbild: „Sicherung“ eines Demonstranten durch die Polizei im Zuge der Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag in Hannover im Dezember 2019

Zwei Tage vor dem diesjährigen Nikolaus besetzen im hannoverschen Stadtteil Nordstadt Aktivisten einen seit längerer Zeit leerstehenden und ungenutzten Bau. Die Polizei – aufgrund anderer Umstände in der Nähe – rückt sogleich mit drei (!) WaWe10000-Wasserwerfern und zwei Hundertschaften an.

Es kommt zu Auseinandersetzungen, über die zunächst nur auf der Pressemitteilung der Polizeidirektion Hannover beruhend berichtet wird. Darin heißt es auszugsweise (Hervorhebungen durch uns):

„Die Polizei rückte mit einem erhöhten Kräfteaufgebot inklusive Wasserwerfer an, da sie bereits ohnehin bei diversen Versammlungslagen in der Innenstadt anwesend war. Als die Einsatzkräfte vor Ort eintrafen, stellten sie Rauchentwicklung aus dem Gebäude fest. Um den Weg für die alarmierte Feuerwehr freizumachen, räumte die Polizei den Platz vor dem Haus von Personen. Dabei kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen der Personenansammlung und den Einsatzkräften. Des Weiteren wurde versucht Straßenbarrikaden zu errichten. Als die Einsatzkräfte vor das Objekt zogen, wurden auch Steine geworfen. Eine Person wurde nach Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leicht verletzt und wurde für eine weitere medizinische Abklärung in ein Krankenhaus gebracht. (…) Bei dem Einsatz wurde ein Polizeibeamter schwer verletzt und kam für eine weitere medizinische Versorgung in ein Krankenhaus.

Erst aufgrund der Recherchen der taz kamen weitere, ganz andere Details zutage. Einiges am Sachverhalt stellt sich demnach deutlich anders dar. Auszüge dem taz-Beitrag vom 7.12.2021 (Hervorhebungen durch uns):

„Nach einer Dreiviertelstunde kommen zwei Hundertschaften und drei Wasserwerfer der Polizei zum Bumke-Gelände. Etwa 50 Po­li­zis­t*in­nen laufen mit gezogenem Schlagstock auf die Kundgebung vor dem Gebäude zu. Man habe eine Rauchentwicklung aus dem Inneren des Gebäude wahrgenommen und wollte den Weg für die anrückende Feuerwehr freimachen, heißt es später im Pressebericht der Polizei. Vor Ort habe sich herausgestellt, dass es sich um Pyrotechnik handelte.

Einzelne Vermummte beginnen vor der anrückenden Polizei Warnbaken und Steine auf die Straße zu werfen. Zwanzig Ak­ti­vis­t*in­nen stellen sich vor das große Eingangstor. An einer Tür des Hauses kommt es zu einem Handgemenge. Eine Person wird zu Boden gebracht, dabei stolpert ein Polizist und die Situation eskaliert. Zwei Beamte fixieren einen Aktivisten. Einer kniet erst auf dessen Genick, dann minutenlang auf dessen Kopf. Als der Verhaftete in Handschellen aufgesetzt wird, sackt sein Körper zusammen und er verliert das Bewusstsein. Mit leichten Verletzungen wird er in ein Krankenhaus gebracht. (…)

Ein Beamter sei schwer verletzt worden, heißt es im Pressebericht der Polizei. Details will die Pressestelle nicht nennen.

Eine Polizeisprecherin bestätigt der taz telefonisch, dass ein Polizist bei einer Verhaftung auf dem Kopf eines Aktivisten gelehnt habe. „Die Maßnahme war verhältnismäßig“, so die Sprecherin.

In – aus unserer Sicht – recht geduldigen Pressean- und Nachfragen haben wir versucht, etwas mehr Licht in das Dunkel der Frage zu bringen, was es mit dem „schwer verletzten Polizeibeamten“ im Detail auf sich hat. Das ganz ungeachtet der Frage, warum der kollabierte Demonstrierende in diesem Maße keine Erwähnung bzw. „Würdigung“ in der polizeilichen Pressemitteilung erfuhr.

Doch die Polizei will uns zur „Schwerverletzung“ des Beamten nichts mitteilen. Trotz mehrfachen höflichen Nachhakens erfahren wir nur:

„Der Polizeibeamte wurde am Samstag, 04.12.2021, stationär in einem Krankenhaus aufgenommen. Zu seinen Verletzungen werden aus persönlichen und Datenschutzrechtlichen Gründen keine weiteren Angaben getätigt. Der Polizeibeamte erlitt die Verletzung im Rahmen der Einsatzbewältigung.

Dann noch:

Die Verletzung entstand durch das Einschreiten gegen die Aktivisten, aber ohne Körperkontakt.

Wir verweisen auf das öffentliche Interesse an weiteren Informationen:

„Wir bitten dann zumindest insoweit um presserechtliche Beauskunftung, ob die Verletzung des Beamten „im Rahmen der Einsatzbewältigung“ aus der Sicht der PDH von der Besetzung bzw. von den Aktivisten zu verantworten ist oder ob es von diesen unabhängig dazu kam.

Die Beantwortung dieser Frage bzw. die Klärung dieses Sachverhalts ist von öffentlichem Interesse, weil mittelbar der Eindruck entsteht oder entstehen kann, die Verletzung des Beamten sei den Hausbesetzer*innen zuzuschreiben.

Doch dazu will sich die Polizei auch auf mehrfache Nachfrage ausdrücklich nicht äußern.

So kann nur der Eindruck entstehen, dass die Polizei in ihrer medialen Öffentlichkeitsarbeit (die vielfach weitgehend unhinterfragt wiedergegeben wird) möglicherweise die Verletzung eigener Beamter hervorzuheben, die Verletzungen der Demonstrierenden dagegen herunterzuspielen.

Mehr Transparenz und Ehrlichkeit wäre wünschenswert. Das ginge, auch ohne die berechtigten Persönlichkeitsinteressen von Polizisten und Polizistinnen beeinträchtigen zu müssen. Der Datenschutzaspekt dient der Behörde in diesem Zusammenhang nur als schlechte Ausrede.

Veröffentlicht unter Bericht | Kommentare deaktiviert für Exemplarisch: Über mangelnde Transparenz und Ausgewogenheit polizeilicher Pressearbeit