ÖPNV Hannover – Privater „Sicherheitsdienst“ jetzt mit Teleskop-Stahl-Schlagstöcken: „Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit“

Juni 2019: Eine Protec-Mitarbeiterin mit Schäferhund vertreibt einen Obdachlosen vom Hauptbahnhof Hannover: „Aufstehen! Jetzt aber!“

Die „Protec Service GmbH“ ist ein „Sicherheitsunternehmen“ in Hannover, indirekt über den ÖPNV-Hauptdienstleister, die üstra AG mehrheitlich im Besitz der Stadt/Region Hannover befindlich. Die Protec patroulliert in Bussen und Bahnen und ihren Haltestellen in der Landeshauptstadt, hat aber auch noch andere „Kunden“. (Um die intransparente und sehr merkwürdige ehemalige Teilauslagerung der Protec an die neue „Primetec“ unter dem Hannover-96-Chef Martin Kind in 2012 soll es hier nicht gehen. Dazu mehr hier (Frage 14) und hier.)

Nun teilt die üstra in einem Blogbeitrag (Achtung: Der Link ist via Tor nicht abrufbar!) mit, dass die „U-Bahn-Wachen“ nun anstelle eines Tonfa-Schlagstocks nun mit einem Teleskop-Schlagstock aus Stahl ausgerüstet werden. Wenig objektiv wirbt der üstra-Beitrag für den Wechsel und begründet den Wechsel zum Stahl-Schlagstock auf frag- und merkwürdige bis widersprüchliche Weise. Vor allem verharmlost und verniedlicht der Autor diese Waffe mehrfach, auch die Verwendung des euphemistischen Begriffs „Einsatzstock, kurz, ausziehbar“ samt Abkürzung „EKA“ trägt zur Verschleierung der Gefährlichkeit des Teleskop-Schlagstocks bei.

Dazu ein Auszug aus dem üstra-Beitrag (Hervorhebungen durch uns):

„Der neue „EKA“: Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit bei der protec. Seit über 20 Jahren sorgen sie 24/7 für Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz: Die protec U-Bahnwachen. Und seit dem Jahr 2000 je her ihr Begleitutensil im Arbeitsalltag: Der Einsatzmehrzweckstock mit dem offiziellen Namen Tonfa. Doch da nicht nur der fünfsilbige Begriff – Ein-Satz-Mehr-Zweck-Stock – ziemlich sperrig ist, sondern auch das Gerät an und für sich, gibt’s für die U-Bahnwachen ab sofort ein neues Einsatzmittel: Den EKA. Das steht für: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Und der Name ist Programm. (…) Mit einer Länge von 60 Zentimetern baumelte der Stock überpräsent, wenn nicht sogar etwas martialisch, an der Hüfte der Wachen. Während der Patrouille muss der Einsatzmehrzweckstock wahrscheinlich tausendfach gegen die Oberschenkel der U-Bahnwachen geprallt sein. (…) Doch damit ist jetzt Schluss! Denn, der neue EKA ist da. Der knackige Name ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Charakteristika: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Das bedeutet: Der Stock stört null Komma null im Streifendienst, ist im Ernstfall trotzdem im Handumdrehen einsatzbereit und wirkt deeskalierend auf alle Fahrgäste, da er schlichtweg kaum zu sehen ist. (…) Mehr Sicherheit für alle (…) Und so werden die protec U-Bahnwachen, wie bereits seit über 20 Jahren, auch weiterhin für Sicherheit und Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz sorgen. Allerdings gehen die Streifen jetzt nicht mehr „am Stock“, sondern patrouillieren mit dem handlichen EKA – inklusive deeskalierender Wirkung.

Die Begründung für den Wechsel auf den Stahl-Schlagstock: Er sei weniger sperrig. o_O

Und anders als sonst vorgehalten, soll plötzlich das Tragen einer sichtbaren Waffe (Tonfa) einschüchternd und präventiv wirken sondern nun die Unauffälligkeit des Teleskop-Schlagstocks „deeskalierend“ wirken. Die Erklärung für diese Behauptung bleibt uns der Autor schuldig. Dass die „Unauffälligkeit“ der Waffe solche eine Wirkung entfaltet ist jedenfalls blanker Unsinn.

Eine nüchternere Darstellung wäre wünschenswert gewesen. So muss sich die üstra den Vorwurf gefallen lassen, der Aufrüstung privater „Sicherheitskräfte“ unnötig Vorschub zu leisten.

August 2016: „Festhalten“ eines Menschen durch zwei Protec-Mitarbeiter am Hauptbahnhof Hannover. Man beachte die kleine Blutlache rechts vom am Boden „fixierten“ Menschen …

Die zunehmende Übertragung hoheitlicher Aufgaben an private „Sicherheitunternehmen“ ist eine seit vielen Jahren andauernde bedenkliche Entwicklung. Weil Bahnhöfe und Haltestellen sowie die Straßenbahnen und Busse selber formell als Privatbesitz und somit als „halb-öffentlicher Raum“ gelten (auch wenn bei genauerem Hinsehen die Kommune der „Besitzer des Raums“ ist) meint man, dort mit privaten, häufig schlecht bezahlten „Sicherheitspersonal“ ausgedehnte Interpretationen des Jedermann-Rechts praktizieren zu können. Nach außen hin ist für den Durchschnitts-Passanten eine Unterscheidung zwischen privatem Sicherheitspersonal und Polizei nicht mehr möglich. Und Erfahrungen aus Hannover belegen, dass Teile des Protec-Personals das gesamte Repertoire von racial profiling bis zum Missbrauch des ihm anvertrauten Monopols zur „Umsetzung des Hausrechts“ beherrschen. Nun mit erweitertem Waffenarsenal.

Auch scheint es so (das aber ist sachlich unklar), dass anders als zuvor nun alle oder fast alle protec-Mitarbeiter*innen mit dem Schlagstock ausgerüstet werden, wohingegen der Tonfa zuvor nur punktuell mitgeführt wurde.

Alles in allem: Keine gute Entwicklung.

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