GFF und AK Zensus stellen Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Zusammenziehung nicht-anonymisierter Meldeamtsdaten aller Einwohner Deutschland zu „Testzwecken“

Heute haben fünf Menschen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen Eilantrag vorgelegt, nach dem zu prüfen ist, ob der eiligst zum Gesetz gemachte neuen § 9a des Zensusvorbereitungsgesetz 2021 (ZensVorbG2021) verfassungswidrig ist oder nicht. Der Antrag wurde in Zusammenarbeit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit dem Arbeitskreis Zensus (AK Zensus) organisiert und vorbereitet.

Das BVerfG muss sich in dieser Sache sehr sputen, denn schon beginnend mit dem kommenden Sonntag, den 13.1.2019 sollen zu nicht weiter definierten „Testzwecken“ zahlreiche Meldeamtsdaten aller in Deutschland gemeldeten Menschen zentral zusammengeführt, „aufbereitet“ und verarbeitet werden. Eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten, auf die alle Landes- und Bundesstatistikämter Deutschlands Zugriff erhalten sollen (möglicherweise auch externe Dritte – auch das ist nicht ausgeschlossen!) ist ausdrücklich nicht vorgesehen, obwohl dieses eigentlich der Mindeststandard in der Praxis aller Volkszählungen ist oder nach dem Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 zumindest sein sollte.

Es ist also gut, dass dieser von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Vorgang nun eine höchstrichterliche Prüfung erfährt – wer die GFF für die dabei entstehenden Anwaltskosten unterstützen möchte, kann das gerne hier tun.

Die GFF hat zahlreiche rechtliche Bedenken in ihrer lesenswerten Pressemitteilung von heute gut zusammengefasst und der 54 Seiten starke Eilantrag kann hier im Detail eingesehen oder heruntergeladen werden.

Dieses alles ergänzend hier nun noch ein paar Zahlen, die möglicherweise zur Verdeutlichung des Umfangs und des Vorgehens der Erzeugung dieser bis dato noch nie dagewesenen Einwohner-Datenbank dienen kann – eine Datenbank, die für viele Behörden, Unternehmen und Geheimdienste sicherlich von großem Interesse ist:

 

Die ca. 6000 Meldeämter/Bürgerämter Deutschlands versenden je einen Melde-Datensatz für jede bei ihnen erfasste Person an das jeweils zuständige Landesstatistikamt.

Das betrifft alle in Deutschland gemeldeten Personen (ca. 82,9 Millionen Menschen). Menschen mit Zweitwohnsitzen werden entsprechend öfters erfasst bzw. erzeugen dementsprechend mehr als einen Melde-Datensatz für ihre Person für die Bevölkerungsdatenbank.

Jedes der 14 Landesstatistikämter verarbeitet die angelieferten Bevölkerungs-Melde-Datensätze des eigenen Bundeslandes und versendet diese anschließend an das Bundesstatistikamt (Destatis), die diese Daten dann weiter verarbeitet und daraus eine einzelne, bevölkerungsumfassende Datenbank erzeugt.

Aufgrund dieser Umfänglichkeit ist der Begriff der Totalerfassung nicht zu hoch gegriffen.

Alle genannten Statistikämter sollen Zugriff auf die Bevölkerungsdatenbank erhalten. Ob und inwieweit Dritte (IT-Dienstleister, Universitäten, Forschungsinstitute oder weitere Stellen im Rahmen von Outsource-Vorgängen) ebenfalls an diese Daten gelangen dürfen (oder können!) lassen weder Gesetz noch parlamentarische Gesetzesbegründung erahnen.

Jeder Melde-Datensatz umfasst entsprechend der Vorgaben des neuen § 9a ZensVorbG2021 folgende Informationen (je nach Zählweise zwischen 29 und 46 Einzeldaten):

  1. Personenbezogene Meldeamt-ID-Nummer
  2. Familienname
  3. frühere Namen
  4. Vornamen
  5. Doktorgrad
  6. Straße mit Hausnummer und Anschriftenzusätze
  7. Vorname und Name des Wohnungsinhabers
  8. Wohnort mit Postleitzahl
  9. Geburtsdatum
  10. Geburtsort
  11. bei im Ausland Geborenen: Geburtsstaat,
  12. Geschlecht
  13. Staatsangehörigkeiten
  14. Familienstand
  15. Wohnungsstatus (alleinige Wohnung, Haupt- oder Nebenwohnung)
  16. Datum des Beziehens der Wohnung
  17. Datum des Zuzugs in die Gemeinde
  18. Datum der Anmeldung
  19. Datum des Wohnungsstatuswechsels
  20. Datum der letzten Eheschließung oder Begründung der letzten Lebenspartnerschaft
  21. Datum der Auflösung der letzten Ehe oder der letzten Lebenspartnerschaft
  22. Information über freiwillige Anmeldung im Melderegister
  23. Datum des Zuzugs aus dem Ausland
  24. rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft
  25. Anschrift in der Gemeinde, aus der die Person zugezogen ist
  26. Herkunftsstaat bei Zuzug aus dem Ausland
    Folgende Daten des Ehegatten oder des Lebenspartners:
  27.    Familienname
  28.    Vornamen
  29.    Geburtsdatum
  30.    Geschlecht
  31.    Meldeamt-ID-Nummer
    Folgende Daten minderjähriger Kinder der betreffenden Person:
  32.    Familienname
  33.    Vornamen
  34.    Geburtsdatum
  35.    Geschlecht
  36.    Meldeamt-ID-Nummer
    Folgende Daten eines etwaigen gesetzlichen Vertreters:
  37.    Familienname
  38.    Vornamen
  39.    Geburtsdatum
  40.    Geschlecht
  41.    Meldeamt-ID-Nummer
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