Dokumentiert: Ungleiche Behandlung von Demonstrationen unter Coronakrisen-Bedingungen durch die Polizei Hannover. Einseitige polizeiliche Bevorteilung von Rechtspopulisten und Faktenleugnern?

Am letzten Samstag, den 2.5.2020, fand in Hannover wie in anderen Städten auch eine Demonstration statt, die sich eine Protesthaltung gegen aus ihrer Sicht pauschal unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkungen im Zuge der Corona-Verordnungen auf die Fahnen schreibt.

Tatsächlich handelt es sich bei den Versammlungsteilnehmer*innen dieser Proteste meistens – und so auch an diesem Samstag am Nordufer des hannoverschen Maschsees – um eine bunt schillernde Mischung von Rechten, Rechtspopulisten, „Verschwörungstheoretikern“, Impfkritischen und zudem anderen Menschen, denen die räumliche und zum Teil sogar inhaltliche Nähe ihrer eigenen persönlichen Protesthaltung zu den vorgenannten Gruppierungen nicht immer klar zu sein scheint.

Die Versammlung in Hannover begann um 15 Uhr und endete rund drei Stunden später, wobei wir im Folgenden kurz die Eindrücke und Erfahrungen dokumentieren wollen, die wir in unserer Anwesenheit der (grob) ersten eineinhalb bis zwei Stunden mitgenommen haben. Dabei wollen wir versuchen, möglichst sachlich festzuhalten:

  • Es haben sich einige wenig Hundert Menschen versammelt. Die Polizei Hannover spricht von ca. 500 Demoteilnehmern in Spitzenzeiten.
  • Nur ein deutlich kleinerer Anteil der Versammelten trug Mundschutz, obwohl dieses zum Auflagenkatalog der Versamlungsbehörde/Polizei Hannover gehört hat.
  • Der ebenfalls von der Versammlungsbehörde/Polizei vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 m untereinander wurde durchgängig und von fast allen Versammlungsteilnehmern nicht eingehalten, sondern deutlich unterschritten.
  • Durchsagen der Versammlungsleitung, Mundschutz- und Mindestabstand-Vorgaben doch bitte einzuhalten wurden von den Versammelten augenscheinlich ausdrücklich nicht umgesetzt, wenn nicht gar verhöhnt. Im Gesamtkontext erschienen uns diese Durchsagen wie ein nicht ernst gemeintes Lippenbekenntnis.
  • Auch die Polizeibeamt*innen vor Ort legten selbst auf Nachfrage hin kein ernst gemeintes Interesse an den Tag, diese „Hygienevorschriften“ umzusetzen oder anzuwenden. Die Polizist*innen gaben sich launisch abweisend und eher desinteressiert.
  • Selbst bei einem Gespräch mit Polizisten der Einsatzleitergruppe rund 1,5 Stunden nach Versammlungsbeginn zeigten sich diese nicht sonderlich beunruhigt, dass sich die Versammlung um die Gesundheitsauflagen nicht scherte. In einer gut zehn Minuten danach (15:42 Uhr) von der Polizeieinsatzleitung durchgeführten Lautsprecheransage an die Demonstration klang die Aufforderung zur Einhaltung der Auflagen ähnlich lapidar und lustlos wie die der Versammlungsleitung. Die Polizeiansprache endete mit: „Sollten sie dem nicht nachkommen, behält sich die Polizei weitere Schritte vor.“ Also kein Wort von einer drohenden Auflösung der Versammlung, keine Ankündigung oder Drohung mit Anwendung unmittelbaren Zwangs, wie sonst in Fällen, in denen Demonstrationsauflagen nicht eingehalten werden sehr wohl bekannt und üblich.
  • Auch eine weitere Auflage, wie das Verbot des Verteilens von Flyern, ist möglicherweise unbeachtet geblieben.
  • „Funfact“: Einen Kontakt zur Pressestelle der Polizeidirektion Hannover konnten oder wollten die Polizeikräfte vor Ort nicht herstellen. Zur Pressestelle habe man kein Kontakt bzw. nichts zu tun mit dieser. Und niemandem vor Ort sei die Telefonnnummer der Pressestelle bekannt … o_O

Aus unserer Sicht geht die Polizei Hannover mit Demonstrationen in Zeiten der Corona-Pandemie ganz unterschiedlich, vielleicht sogar nicht ganz unparteiisch um:

  • Eine Demonstration mit fünf bis 15 Teilnehmern (!) gegen das absolute Corona-Demonstrationsverbot wird trotz vorab angekündigter Einhaltung von Corona-Gesundheitsvorschriften strikt verboten – selbst das Verwaltungsgericht Hannover traute sich nicht, dem Versammlungsgrundrecht einen Stab zu brechen.
  • Proteste gegen die EU-Flüchtlingspolitik werden seitens der hannoverschen und niedersächsischen Polizei mit Gewalt und Einkesselung begegnet. Maßnahmen, die selber erst ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Protestierende und Polizeimenschen erzeugen und deutlich unverhältnismäßig erscheinen. (Beispiele: 1a / 1b / 2 / 3)
  • Demonstrationen gegen Corona-Grundrechtseinschränkungen, die Rechtspopulisten und Falschnachrichten-Verbreitern einen breiten Rede- und Vortragsraum bieten und die sämtliche Gesundheitsauflagen beispiellos mit den Füßen treten, lässt die Polizei Hannover – wie hier dokumentiert – hingegen fast sang- und klanglos gewähren.

Diese gespaltene und uneinheitliche Umgang kann erst mit Blick auf die weiteren Entwicklungen der Corona-Demonstrationspraxis in und um Hannover bewertet werden. Bis dahin kann sich aber jede*r eine eigene Meinung bilden …

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