Groteske Auflösungen von Demonstrationen, Polizisten gefährden die Gesundheit von Versammlungsteilnehmern

Corona-Ausnahmezustand: Einkaufen in Blumenläden erlaubt, Demonstrieren verboten. (Unterstes Bild von Jannis Große, entnommen einem lesenswerten Bericht einer polizeilich verhinderten Demo in Hamburg)

Bundesweit mehrt sich der Widerstand gegen die zumeist vollständigen und ausnahmslosen Versammlungsverbote im Zuge der Corona-Verordnungen. Während die meisten Richter und Richterinnen noch immer nicht die fatalen Folgewirkungen ihrer Eilentscheidungen zu verstehen scheinen, gibt es hier und da erfolgreiche Akte des Wiederbelebens des Versammlungsgrundrechts (Beispiele Flensburg, Lüneburg, Münster). Einen Überblick zu behalten fällt schwer und von daher zitieren wir lediglich beispielhaft nachfolgend eine Nachschau der Göttinger „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ zu dem polizeilichen Vorgehen gegen eine Versammlung am 5.4.2020 in Göttingen:

Nachschau auf die polizeilichen Auflösungen der Aktion „Spuren hinterlassen“ am 5. 4. 2020 in Göttingen und bundesweit

Die Ereignisse am 5. 4. 2020 in Göttingen, machen uns mit zunehmendem zeitlichem Abstand immer fassungsloser: Zum Zeitpunkt der Anordnung zur Auflösung der Demonstration befanden sich auf der gesamtem Fläche zwischen der Bushaltestelle vor dem Neuen Rathaus und dem Bauzaun an den Wasserspielen 8 Polizisten und 20 weitere Personen. Auf dem gegenüberliegenden Gehweg bis zum Fußgängerüberweg an der Keplerstraße befanden sich 5 Polizisten und ca. 15 weitere Personen (in jedem Supermarkt ist aktuell die Personendichte weitaus höher). Zu den wenigen Situationen mit geringeren Abständen als 1,5 m, z.B. am Fußgängerüberweg zum Neuen Rathaus, kam es erst durch die Räumungsanordnung der Polizei.

Diese argumentierte in der Presse und auch gegenüber unserem von der ersten Personalienfeststellung dieses Tages betroffenem Mitglied, es sei für sie selbst ungefährlich, einen geringeren Abstand einzuhalten, da sie im Moment in festen Besetzungen im Einsatz seien. Abgesehen von einer offenkundig völlig falschen Einschätzung des Infektionsrisikos innerhalb des Polizeipersonals offenbart dies, dass sie den Kern der Kritik nicht verstanden haben: Durch das drastische Unterschreiten des Mindestabstandes zu einigen, gegen die sie Maßnahmen durchführten, gefährdeten sie diese Personen und ihre Angehörigen. Die wiederholt deutlich ausgesprochene Aufforderung unseres Mitglieds auf den Mindestabstand zu achten, wurde ignoriert – selbst nach dem Hinweis, dass er in einem Haushalt mit einer Risikoperson lebe.

Dieses Personen gefährdende Verhalten ist im Hinblick auf die Begründung der Räumungsanordnung, der Mindestabstand sei nicht eingehalten worden, völlig unangemessen.

In der Gesamtschau wirft das die Frage auf, worum es bei der Auflösung der gestrigen Aktion tatsächlich ging. Stellt man die grotesken Vorgänge in Göttingen in einen bundesweiten Zusammenhang, stellt sich die Frage noch drängender: Von der Kleinstadt bis zur Hauptstadt wurden jedwede Versammlungen in diesem Kontext entweder von vorherein oder im weiteren Ablauf unterbunden.

Wir sehen auch einen starken Zusammenhang zwischen der aktuellen de-facto-Abschaffung des Grundrechts auf Versammlung und der extrem menschenrechtsmissachtenden Abschottungspolitik der EU. Wir alle erleben in diesen Tagen, dass Grund- und Menschenrechte über Bord geworfen werden. Die Begründungen für das Außerkraftsetzen der Versammlungsfreiheit sind hochgradig demokratiefeindlich. Die Abschottungspolitik ist rassistisch bzw. nationalistisch motiviert.

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