Zeitzeichen, 19

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

 

Der „CDU“-Mensch und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am 2.9.2019 nach einer „CDU-Zukunftsveranstaltung“ in Düren: Laschet: … der Wald wird seit Jahren illegal geschädigt. Und es schadet dem Wald… Laschet-Gegenüber: Das sind die ganz offiziellen Sachen, aber wir haben ja auch die Ingewahrsamsnahme. Laschet: Deswegen haben wir gesagt, wir lassen durch Gutachten mal prüfen, welche Rechte … Laschet-Gegenüber: Und diese Gutachten sagen, diese Gutachten haben hervorgehoben, dass sie einen Vorwand gesucht haben. Laschet: Ja, ich brauche auch einen Vorwand. Sonst kann man ja nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen. Ich wollte den Wald räumen. Laschet-Gegenüber: Das sagen sie einfach so. Laschet: Die Leute sind da illegal. Wenn die Bäume geschädigt werden. [Unverständlich] und haben Baumhäuser. Das ist nicht erlaubt.“ Herr Laschet als Liebhaber des Hambacher Forstes auf der Suche nach einem Vorwand, um Protestierende wegsperren zu können. Lügner und Menschenrechtsbrecher.

 

Tollhaus FDP. DLF-Kurznachricht vom 22.2.2020: „Als Reaktion auf den Anschlag von Hanau fordert FDP-Generalsekretärin Teuteberg eine Reform der Verfassungschutzämter. Sie schlug vor, kleinere Landesämter zusammenzulegen. Auch eine Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern gehöre dazu.“ Und aus einem Interview mit der FDP-EU-Abgeordneten Beer vom 24.2.2020: Beer (FDP): Die Freien Demokraten mussten insgesamt ihren Kompass da nicht suchen. Wir haben die Situation in Thüringen, die ein Fehler war, sehr schnell geklärt. Auch Christian Lindner hat schon an dem Abend deutlich gemacht, dass er seinen Bundesvorsitz nicht weiter führen würde, wenn diese Situation nicht sofort geklärt wird. (…) wir haben kein Problem in der Abgrenzung zur AfD, zum rechten Rand. Wir sind immer gegen Extremismen aufgestanden, egal, ob sie als Rassismus, Faschismus oder wie auch immer daherkamen. May (DLF): Frau Beer, sowohl Christian Lindner als auch Sie haben nach der Wahl von Thomas Kemmerich durch die AfD eben nicht sofort gesagt, ganz klar, das verurteilen wir, anders zum Beispiel als Markus Söder. Sie haben erst einmal die anderen Parteien der Mitte zur konstruktiven Zusammenarbeit aufgerufen mit Thomas Kemmerich. Also mit Verlaub, es hat ein bisschen gedauert, bis Sie gemerkt haben, dass da etwas für die große Mehrheit der Menschen in Deutschland Inakzeptables stattgefunden hat. Aus Ihnen selbst heraus kam der Impuls offenbar erst mal nicht. (…) Beer: (…) Wir sind die Partei des Aufstiegs in der Gesellschaft. Wir wollen auch den Zusammenhalt wieder stärken. Es macht mich schon betroffen, und das ist vielleicht ein positiver Aspekt an der Hamburgwahl, wenn man es so sehen will, dass immer stärker die Ränder auch in den Wahlen bestärkt werden, rechts wie links. (…) Es werden immer stärker die aggressiven Ränder gestärkt. Wer von Aufstieg redet, lässt immer auch Andere hinter bzw. unter sich …

„CSU“-Politiker zum Kriegszustand an der EU-Grenze Griechenland/Türkei – das „C“ im Parteinamen gehört gestrichen. Manfred Weber in einem Interview vom 2.3.2020 mit einem absurdem Vergleich (und einer Lüge bei der eigenwilligen Interpretation eines Gerichtsurteils): Büüsker (DLF): Genau diese Prüfung an den Außengrenzen, die Sie gerade gefordert haben, die hat Griechenland jetzt aber für den kommenden Monat ausgesetzt. Es werden keine Asylverfahren durchgeführt. Ich möchte gerne noch mal mit Ihnen an dieser Stelle festhalten: Im Moment sehen Sie Tränengas [und Blendgranaten, Anm. d. Red.] gegen Individuen an der europäischen Außengrenze für vollkommen gerechtfertigt? Weber: Wenn der Staat an der Außengrenze dafür sorgt, dass die Grenzen gesichert werden und dass das Recht durchgesetzt wird, dann muss er auch in der Lage sein, wie übrigens auch bei Demonstrationen in Deutschland, in Frankreich, wenn Gewalttätige gegen Polizisten vorgehen, hat der Staat das Recht, auch Tränengas einzusetzen. Das machen wir Deutsche auch, wenn Gewalt auf der Straße herrscht. Und einen Tag später sein Parteikollege Dobrindt: Die Union weist Forderungen der Grünen zurück, Flüchtlinge von der türkisch-griechischen Grenze in Deutschland aufzunehmen. „Es ist verantwortungslos, weil es vollkommen falsche Hoffnungen in die Welt setzt“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag.“ Was bleibt? Glaube, Liebe, Hoffnung? Wohl eher nicht …

Aus einem Bericht des „Pforzheimer Kurier“ vom 5.3.2020: „„Linksradikale Parolen“ sollen im Stadion im Brötzinger Tal verboten werden. Das sieht eine geplante Polizeiordnung für das neue Stadion vor. (…) „Linksradikal wäre für uns Kritik an der Polizei, Kritik an der polizeilichen Überwachung“, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Pforzheim auf Nachfrage. Als konkrete Beispiele nannte er „Willkür nimmt freien Lauf“ oder „Gemeinsam gegen Polizeigesetze“. (…) Also geht es doch um mehr als Polizeikritik? Michael Schwarz (FW) jedenfalls möchte den Fußball unpolitisch lassen: „Ich persönlich halte Kommerzkritik nicht für ein Thema im Stadion.“ (…) Ähnlich argumentiert Stadtratskollege Jörg Augenstein (CDU): „Wenn ich heute zum Sport gehe, dann möchte ich nur Sport erleben.“ Wer den DFB kritisieren wolle, der könne andere Plattformen finden.Protestieren gerne, aber bloß nicht dort, wo er die Öffentlichkeit erreicht … was eine krude und autoritäre Definition von Meinungsfreiheit.

Aus einem Beitrag der „HAZ“ vom 7.3.2020: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Ermittlungen im Fall des auf der A2 getöteten Flüchtlings eingestellt – nach nur einem Monat. Der Mann war Anfang Februar aus der Wache der Autobahnpolizei bei Garbsen auf die Fahrbahn gerannt, ein Auto erfasste den 26-Jährigen. Die Beamten hatten den Algerier erst kurz zuvor festgenommen, er sollte abgeschoben werden. Wie die Staatsanwaltschaft auf HAZ-Anfrage mitteilte, sei die Flucht des Mannes komplett unvorhersehbar gewesen. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass im strafrechtlichen Bereich etwas zu beanstanden wäre“, sagt Behördensprecher Thomas Klinge. Die einmonatigen Untersuchungen und alle Zeugenbefragungen hätten ergeben, dass der Polizei keine Fehler im Umgang mit dem 26-Jährigen vorzuwerfen seien. Die Aussagen ergaben laut Klinge, dass der Gefasste im Revier die gesamte Zeit über „völlig ruhig gewesen und mitgeholfen“ habe. Die Polizei hatte den Mann am 6. Februar gegen 17 Uhr auf dem Rastplatz Varrelheide festgenommen, da er zwecks Abschiebung gesucht wurde. Die gesamten vier Stunden in der Wache, als seine Identität und die Richtigkeit des Haftbefehls überprüft wurden, sei der Festgenommene in jeder Hinsicht kooperativ gewesen. Erst, als der Algerier nach Stunden um 21 Uhr zum Abtransport zum Polizeigewahrsam nach Hannover gebracht werden solle, habe er „plötzlich und völlig überraschend“ die Flucht ergriffen. „Das kam für die beiden Beamten an seiner Seite absolut unerwartet“, sagt Oberstaatsanwalt Klinge. Vom Flur der Wache sei der 26-Jährige direkt zur nur 45 Meter entfernten A2 geflohen und noch kurze Zeit parallel zur Autobahn gelaufen. Die Polizisten nahmen sofort die Verfolgung auf, doch der Algerier hatte bereits zu viel Vorsprung. „Dann bog er schlagartig auf die Fahrbahn ab und wurde vom Auto der 29-jährigen Zeugin erfasst“, sagt Klinge. „Ob es sich aber um einen Unfall oder einen Suizid handelt, können wir nicht mehr klären.“ (…) Die Polizei stand nach dem Vorfall in der Kritik, nicht richtig auf den 26-Jährigen aufgepasst zu haben. Immerhin sei er per Haftbefehl gesucht worden und daher ein Fluchtversuch im Bereich des Denkbaren gewesen. Allerdings stellt das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsgesetz hohe Hürden auf, um Menschen Handschellen anzulegen. Dies ist nur gestattet, wenn sie „Personen angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen“ könnten. Gleiches gilt, sofern der jeweilige sich etwas antun könnte oder Fluchtgefahr besteht. Dies alles sei in diesem Fall laut Staatsanwaltschaft aber nicht zu erkennen gewesen.“ Nein, wie denn auch! Ein Mensch, der gegen seinen Willen abgeschoben werden soll könnte fliehen, anstatt sich freiwillig diesem behördlich verordneten Schicksal zu ergeben und sich dazu ins Gefängnis werfen zu lassen? Und: Es müssen ja nicht gleich Handschellen sein. Ein am-Ärmel-Festhalten ginge ja auch.

Corona-Fieber. Aus einer DLF-Kurznachricht vom 12.3.2020: „Bundeskanzlerin Merkel hat die Bevölkerung wegen der Ausbreitung des Coronavirus aufgefordert, wo immer möglich auf Sozialkontakte zu verzichten.“ Sie meinte wohl eher „körpernahe“ denn Sozialkontakte. Coronakrise als Hochzeit der Sprachverrohung.

Röslein, jetzt EU-Chefin von der Leyen in einem DLF-Interview vom 20.3.2020 angesichts der Corona-Virus-Krise in erschreckend menschenverachtender, euphemistischer Lese- und Redeart: „Die Außengrenzen haben wir gemeinsam jetzt geschützt, damit nicht mehr Menschen nach Europa kommen, die sich infizieren können und dann das Gesundheitssystem weiter belasten, aber innerhalb Europas muss der Warenfluss aufrecht erhalten sein.“ Ach so, deswegen der Frontex-Grenzkrieg an griechisch-türkischer Grenze, dann ist ja jetzt alles gut und klar.

Es geht auch anders. Aus einem taz-Bericht vom 29.3.2020: „Die [portugisische] Regierung hat nun verkündet, dass angesichts der Corona-Epidemie wenigstens bis zum Sommer alle Geflüchteten im Land bleiben dürfen. Alle Ausländer bekommen bis Juli automatisch eine Aufenthaltserlaubnis und Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen – unabhängig davon, ob sie gerade auf dem Acker gebraucht werden oder nicht.“

Der DLF-Journalist Frank Capellan im „Interview der Woche“ mit dem SPD-Politiker Mützenich am 29.3.2020:Capellan (DLF): Warum ist der Datenschutz gerade in Deutschland, gerade in diesen Zeiten immer noch so heilig? Denn wir wissen doch, die meisten Menschen geben freiwillig ihre Daten in großem Umfang frei und wer es partout nicht will, dass jetzt Bewegungsprofile erstellt werden in dieser Extremsituation, der könnte ja immer noch sein Handy zu Hause lassen.“ Na klar, Herr Capellan. So einfach ist das. o_O

Die Polizeigewerkschaft, deine Politikflüsterin und Notstands-Herbeibeschwörerin. Aus einem Corona-Beitrag der „Berliner Zeitung“ vom 1.4.2020: „Schon jetzt stellten die Einschränkungen einen massiven Eingriff in die Grundrechte dar. Cioma befürchtet einen noch stärkeren Anstieg der Gewalttaten im häuslichen Raum und ein steigendes Gewaltpotenzial gegenüber den Beamten die die Anordnungen umsetzen müssen. „Wir können schon jetzt davon ausgehen, dass sich die Stimmung in den nächsten Wochen aufheizen wird“, so Cioma [Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Berlin]. Die Polizisten würden auf kurz oder lang an ihre Grenzen stoßen. „Dann ist der Weg zur Bundeswehr im Innern nicht mehr weit. Kontrollposten an jeder Ecke. Reihenweise Menschen, die abgeführt und nach Hause eskortiert und bei erneutem Verstoß gegen die Auflagen inhaftiert werden“, so der Landesvorsitzende. „Das sind Bilder, die einen überzeugten Demokraten erschaudern lassen.“ Ja, ja – ein „überzeugter Demokrat“, der Herr Cioma, der hier unverhohlen mit der widerrechtlichen Ausrufung des „Notstands“ droht. Ein (umstrittener) Notstand, der „nur“ für den militärischen Verteidigungsfall vorgesehen ist.

Dazu passend: Niedersachsens Polizei/Innenministerium will auf Teufel-komm-raus weiter die ärztliche Schweigepflicht aufbrechen. Notfalls auch mittels Berufung auf den „rechtfertigenden Notstand“. Aus der Veröffentlichung einer Argumentationsschrift vom 6.4.2020: „Schließlich kommt als Rechtfertigungsgrund für die Behörde, die die Quarantäne anordnet und den Quarantänestatus an die Polizei meldet, der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB in Betracht, und zwar deshalb, weil das Offenbaren des Geheimnisses einziges Mittel zum Schutz erheblich höherwertiger Interessen ist. Die Zwecksetzung der Meldung liegt in der Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus. Dies betrifft auch den Zweck des Eigenschutzes der Polizeibediensteten, um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus auf die Polizeibediensteten zu verhindern. Diese Interessen sind damit eindeutig höher zu bewerten als das Privatgeheimnis des Patienten. Niedersachsen. Klar. Polizei geht über alles.

Der – nach Belieben gerne rechte – österreichische Bundeskanzler Kurz in einer nach Obrigstaatlichkeit triefenden Ansprache an seine Nation am 6.4.2020, in der er Esel-Möhre-like eine Aufhebung von Corona-Grundrechts-Beschneidungen andeutet: „Die Osterwoche wird eine entscheidende Woche für uns sein. Es wird eine Woche sein, die ausschlaggebend dafür sein wird, ob die Wiederauferstehung nach Ostern, die wir uns alle wünschen, auch so stattfinden kann.“ Hosianna.

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