Nach viereinhalb Monaten weitere Antworten vom Nds. Landespolizeipräsidium: Entscheidung zur Ausweitung des Polizeidrohnenfuhrparks durch ehem. Innenminister Pistorius. Niedersächsischer Landtag wurde darüber nicht informiert, deswegen auch keine Debatte zur Sache im Parlament.

Im Mai 2023 haben wir umfangreich über wichtige Neuigkeiten der Praxis von Polizeidrohnen in Niedersachsen berichtet. Es ging u.a. um die Entwicklung zum nunmehr regelmäßigen Einsatz von Polizeidrohnen bei Fußballspielen, um die öffentlich bis dato unbeachtet gebliebene massive Ausweitung des Polizeidrohnen-Fuhrparks in Niedersachsen und um ungenügende Kennzeichnung von Drohneneinsätzen. Um an die Informationen für diesen Beitrag zu gelangen hatten wir uns einen monatelang dauernden Telefon- und Mailverkehr mit dem Innenministerium geliefert.

Damals haben wir weitere Nachfragen an das zuständige niedersächsische Landespolizeipräsidium (LPP) im Niedersäschsischen Innenministerium gestellt, um Beantwortung bis zum 9.5.2023 gebeten und in unserem Beitrag noch geflachst:

„Noch in diesem Monat (Mai 2023) schafft das Innenministerium weitere 12 Drohnen an: „Die Polizei Niedersachsen plant alle Flächenbehörden mit ULS auszustatten.“ Was das genau bedeutet, welche Drohnentypen angeschafft werden und welche „Flächenbehörden“ mit jeweils wie vielen Polizeidrohnen ausgerüstet werden, das hat uns das Innenministerium bislang trotz Fristsetzung leider noch nicht beantwortet. Wenn die Antwortzeiten wie bei der letzten Presseanfrage liegen, können wir vielleicht im Juli 2023 mit Antworten rechnen …

Daraus ist jetzt traurige Wahrheit geworden. Mehr als viereinhalb Monate hat sich das LPP Zeit gelassen, um uns unsere Nachfragen zu beantworten. Das Wichtigste daraus möchten wir hier als Ergänzung zum Mai-Blogbeitrag stichpunktartig zusammenfassen und der daran interessierten Öffentlichkeit weitergeben:

  • Das „Landeskonzept zum Einsatz von unbemannten Luftfahrtsystemen (ULS)“ ist vom 31.1.2022, also noch zu den Zeiten der rot-schwarzen Nds. Landesregierung unter dem ehemaligen Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD), jetzt Bundes“verteidigungs“minister entstanden.
  • Darin heißt es angeblich wortgetreu – und das wäre eine der wenigen guten Nachrichten am Komplex: „Bei Versammlungen sind ULS nicht einzusetzen.“ Wobei dann dennoch die im Mai-Beitrag bereits skizzierte Problematik weiterhin bleibt, dass die Polizei selber definieren kann, wann sie als Versammlung wertet und was nicht. Uneindeutig ist diese Entscheidung zum Beispiel bei Fußballspiel-An- und Abreisesituationen.
  • Das Landeskonzept ist nicht öffentlich und soll es auch nicht werden, denn es sei „polizeiintern“.
  • Niedersachsen hat zuletzt 12 Stück DJI Mavic 3T eingekauft, jeweils ausgestattet mit einer fest verbauten Kamera mit Weitwinkel-, Digitalzoom- und Wärmebildfunktion. Die haben alle zusammen 88.086,83 € gekostet. Diese neue Drohnen werden auf die sechs Flächendirektionen der Polizei Niedersachsen verteilt.
  • Die Entscheidung zu dieser Aufrüstung mit Polizeidrohnen wurde 2021 vom von Boris Pistorius geleiteten Innenministerium getroffen.
  • Zu dieser Anschaffung wurde das Niedersächsische Parlament weder informiert noch wurde dort darüber debattiert.
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Zeitzeichen, 27

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

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Alltag Deutschlandticket: Kontrolleur der NordWestBahn droht bei ausgedrucketem Ticket mit Polizei und Rausschmiss aus der Bahn [Update]

Über das als „Deutschlandticket“ bezeichnete 49-Euro-Ticket, dem mehr als fünfmal teureren und mit Digitalzwang verknüpften Nachfolger des 9-Euro-Tickets haben wir berichtet und recherchieren weiter zu den bislang unbekannten und unbeleuchteten Datenerhebungsstrukturen dahinter.

Nun erreichte uns folgendes Gedächtnisprotokoll zur Lebenspraxis eines Bahnreisenden mit diesem Ticket, das wir gerne mit der Öffentlichkeit teilen möchten:

Ich weiß nicht, ob das bei der NWB [NWB steht für „NordWestBahn„, deren Motto: „Fahr am besten in den NordWesten“, Anm. d. Red.] oder sonstwo typisch ist, aber nun ist es passiert.

Ich habe das „Deutschlandticket“ vom HVV, denn mein Jobticket hat sich automatisch umgewandelt. Das Ticket ist rein virtuell („digital“) und in dieser Variante anscheinend nicht als Chipkarte erhältlich.

Auf der Website des HVV fehlt ein Hinweis, wie es ohne „Smartphone“ verwendet werden kann.

Ich dachte also „einfach jeden Monat ausdrucken, halb so wild“. Mehrere Kontrollen verliefen normal. Da hatte ich mir wohl umsonst Sorgen gemacht. Auch wenn es da nicht stand – so würde es wohl klappen.

Am 14.9., NWB, RS3 um 07:31, Bremen nach Oldenburg. Ich bin auf dem Weg zu einer kleinen Konferenz zum Anlass des Ruhestands eines Professors. Zum Glück bin ich mit einem Zeugen unterwegs.

„Die Fahrkarten bitte!“

Ich krame meinen sorgfältig ausgedruckten Zettel mit dem aktuellen Code hervor und reiche ihm den.

Ich habe den Zettel diesmal so gefaltet, dass nur der Code (knickfrei) sichtbar ist. Rechne damit, wie vorher im „Metronom“ und manchmal beim HVV noch nach dem Ausweis gefragt zu werden, mehr nicht.

Er guckt komisch, scannt ihn aber zunächst ohne zu murren.

Dann: „Und das Original bitte“.

Ich bleibe ruhig. Sage einfach: „Aber das ist das Original“.

Er entfaltet den Zettel ohne zu fragen und studiert ihn. „Ihren Ausweis bitte“.

„Hier“.

„Das Original ist auf Ihrem Handy“.

Boah, was für eine uferlose Anmaßung in der neuen digitalvermurksten Ignoranz. Und schöne neue Welt. Und ich frage mich, was die für verquere Vorgaben bekommen haben könnten. Ich bleibe ruhig, aber bestimmt:

„Das Original ist genau diese digitale Information, weiter nichts“.

„Haben Sie das ausgedruckt? Sie dürfen das nicht ausdrucken. Das ist Urkundenfälschung“, versucht er mir Angst zu machen.

„Bitte was? So einen Quatsch habe ich noch nie gehört. Die Information ist genau die Gleiche. Das ist genau der gleiche Code. Hier, sehen Sie!“ (gestikuliere zum Handy meines Kollegen).

„Sie erzählen Bullshit“ (ER zu MIR).

„Nein, was Sie erzählen, ist Bullshit. Und ich hätte gern auch Ihren Namen“.

„Den kriegen Sie nicht.“ – „Wegen Datenschutz“ fügt er hinzu (und grinst).

Ja, jeder Depp weiß heute, dass er sich hinter so einem Nebel verstecken kann. Bloß ist er in einer offiziellen Position unterwegs und übt diese gerade gegen mich aus – egal, jedenfalls habe ich die Zugnummer und Uhrzeit.

Dann will er nochmal meinen Ausweis sehen. „Geben Sie mir nochmal Ihren Ausweis“.

„Haben Sie sich den Namen nicht gemerkt? Sie haben gerade Ihre Kontrolle schon durchgeführt. Es gibt keinen Grund, warum ich Ihnen den jetzt nochmal geben sollte.“

„Doch, aber ich habe auf den Zettel geschaut.“

Ich lasse ihn das gewinnen. Ich merke, er ist zwar vorlaut, aber bereit zu gehen. Und ich will ankommen.

„Und jetzt Ihren Namen“, frage ich ihn nochmals.

„Den geb ich Ihnen nicht. Datenschutz“.

Und:

„Wenn Sie weiter diskutieren wollen, dann nur an der nächsten Station mit der Polizei. Und dann sind Sie dran, wegen Urkundenfälschung“.

Aber er will wohl nur noch recht behalten, merkt dass er mir nichts kann.

Ich schaffe es, nichts zu erwidern.

So gesehen ist nichts passiert. Aber wer bei der Vergooglung des Lebens nicht mitgeht, darf wohl mit REIBUNG rechnen.

Eine Minute später: Mein Kollege schaut in die AGB. Davon abgesehen dass es unsinnig und falsch wäre, steht da natürlich zwar etwas von „Ihrem Smartphone“, aber nichts von „nicht drucken“. Nicht auszudenken, was ohne Zeugen passiert wäre.

Ich habe eine Stunde mit dem Schreiben dieses Gedächtnisprotokolls verbracht und mein Genuss der lang erwarteten Konferenz ist durch das Verhalten der NWB empfindlich beeinträchtigt. Außerdem mache ich mir Sorgen wegen der Rückreise. Wieder NWB, um zu sehen ob das ein systematisches Problem bei denen ist? Und riskieren, auf der Strecke zu landen? Oder lieber mit den Profis von der DB? Muss ich in Zukunft öfter damit rechnen? Unbeschwertes Reisen geht anders.

PS:

Auch die Kameras im Zug, die jede Regung aufnehmen, tragen zu dieser Verunsicherung bei. Meine Beschwerde an die NWB ist raus, aber wird man es sich womöglich bequem machen, das Bildmaterial sichten und mich mit Maske und Kapuze (die ich auch gerade wegen dieser Vorratsdatenspeicherung trage), als offensichtlichen Querulanten abstempeln?

.

[UPDATE]

Die Nordwestbahn hat auf eine Beschwerde des Betroffenen umgehend reagiert und sich ausdrücklich dafür entschuldigt. Die Situation würde mit den betroffenen Mitarbeitern besprochen und ausgewertet werden. Kein Wort dazu, dass ein ausgedrucktes QR-Code-Ticket in irgendeiner Weise unzulässig sein könnte.

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freiheitsfoo weiter Partner von Tails

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Eskalation im Niger – Wie in Mali: Beteiligung von auch durch die „Bundeswehr“ ausgebildete Soldaten und Armeeeinheiten am Militärputsch wahrscheinlich.

Am 26.7.2023 fand im Niger ein Militärputsch statt. Derzeit droht die Lage zu eskalieren, eine militärisch-kriegerische Eskalation scheint möglich. Niger wurde bis zuletzt von „Bundeswehr“ und „Verteidigungs“minister als „Stabilitätsanker“ in der Sahel-Zone gepriesen.

Auch Mali galt bis zum Militärputsch am 18.8.2020 als so ein Stabilitätsanker.

In beiden Ländern hat sich die deutsche Armee in unterschiedlicher Weise, zumeist eingebettet in EU-Missionen engagiert.

Und auch darin ähneln beide Länder: Nachdem bekannt ist, dass zwei der in Mali putschenden Offiziere in Deutschland von der „Bundeswehr“ ausgebildet worden sind mehren sich auch jetzt die Anzeichen dafür, dass von deutschem Militär in Kriegs- und Waffentechnik ausgebildete (Neusprech: „ertüchtigte“) nigrische Militärs entscheidende Rollen beim Militärputsch in Niger gespielt haben.

Klar ist auf jeden Fall: Die „Bundeswehr“ und ihre „Spezialkräfte“ haben seit 2021 die nigrischen „Spezialkräfte“ ausgebildet und ausgerüstet. „Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung“ heißt das auf militärdeutsch, „Joint Special Operations Task Force Gazelle“ der Einsatzname. Die deutsche Armee schreibt dazu (Hervorhebungen durch uns):

„Der Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle verfolgt zwei Handlungslinien: Zum einen wurde der Partnerverband 41. Bataillon Special d’Intervention seit 2018, zunächst im Rahmen der Mission Gazelle, ausgebildet. Auch wurde er unter anderem mit Schutzausstattung, Geländewagen, Funk- und Nachtsichtgeräten materiell ausgestattet sowie die erforderliche Infrastruktur am nigrischen Heimatstandort in Tillia mitfinanziert. Nach einer Ausbildungsphase begleiten die Kampfschwimmer wechselweise je eine der drei Kampfkompanien des 41. Bataillon Special d’Intervention und evaluieren den Ausbildungsstand dieser Einheit während ihrer Operationen.

Zum anderen wurde zusammen mit den nigrischen Partnern mitten in der Dornstrauchsavanne eine Ausbildungseinrichtung für Spezialkräfte aufgebaut – das Centre d’Entrainement des Forces Speciales. Hier werden, derzeit noch mit Hilfe von Mentoren westlicher Partnernationen, alle nigrischen Spezialkräfte ausgebildet, evaluiert und durch mobile Ausbilderteams an den landesweiten Standorten unterstützt. (…)

Am Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle waren bisher die Spezialkräfte der Marine, der Luftwaffe und des Heeres sowie über 50 verschiedene Dienststellen und Truppenteile aus nahezu allen Organisationsbereichen der Bundeswehr beteiligt.

Von Anfang war das Kommando Spezialkräfte der Marine der Leitverband für die Mission und später den Einsatz Gazelle und stellt mit seinen Kampfschwimmern den Kern der Ausbilder. Zahlreiche Kampfschwimmer aus Eckernförde waren wiederholt in Niger.

Gemeinsam mit Spezialkräften westlicher Partnernationen wie den USA, Belgien und Italien beraten deutsche Ausbilder die nigrischen Spezialkräfte. Den Schwerpunkt des Einsatzes der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle bildet auch in der letzten Phase des Einsatzes die Ausbildung und Evaluierung nigrischer Spezialkräfte, einschließlich nigrischer Ausbilder.

Einzelpersonal aus dem Kommando Spezialkräfte ist ebenfalls Teil der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle. So arbeiten Kommandosoldaten mit ihren Marinekameraden als Ausbilder und Berater an der Spezialkräfteschule oder in mobilen Evaluierungs- und Trainingsteams zusammen.

Zur direkten Unterstützung der Kampfschwimmer sind als schnelle Eingreifkräfte Quick Reaction Force Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung in Tillia. Sie werden durch eine hochwertige und intensive Ausbildung gesondert befähigt, eng mit Spezialkräften zu operieren. Als Angehörige der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle übernehmen auch die Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung eigene Ausbildungsaufgaben für nigrische Partner oder unterstützen als Ausbilder in Kursen der nigrischen Spezialkräfteschule.

Die Spezialkräfte der Luftwaffe sind mit dem Waffensystem Leichter Unterstützungshubschrauber Spezialkräfte H145M und rund 25 Frauen und Männern vor Ort. Im Kleinen bilden sie alle Fähigkeiten ab, die sonst auf mehrere Einheiten verteilt sind: Technikpersonal, Piloten, Luftumschlag, Munitions-, Rettungsmittel- oder Betriebsstoffspezialisten. Oft übernehmen die Kameraden mehrere Aufgaben, um jederzeit einsatzbereit zu sein. Im Ernstfall werden die bewaffneten LUH SOFLight Utility Helicopter – Special Operation Forces zur Feuerunterstützung der deutschen Soldatinnen und Soldaten aus der Luft eingesetzt. Behelfsmäßiger Verwundetentransport sowie Nachversorgung sind ebenfalls Teil ihres Auftrages. (…)“

Das Auswärtige Amt äußert sich auf eine Beteiligung von durch die „Bundeswehr“ ausgebildete nigrische Militärs am Putsch nicht eindeutig und das Bundes“verteidigungs“ministerium wollte auf eine Presseanfrage zu dieser Frage und zu Fragen, inwiefern durch Deutschland geliefertes Material, Fahrzeuge oder Waffen am Putsch beteiligt sind oder sein könnten bislang noch gar nicht antworten …

In einem „Interview“ teilte der Chef der Gazelle-Mission mit (Auszüge, Hervorhebungen durch uns):

„Der Einsatz der Joint Special Operations Task Force Gazelle ist eine Kombination aus einem Spezialkräfte Military Assistance Ansatz und der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Dadurch war es möglich, mit einem vergleichsweise geringen Kräfteansatz nigrische Spezialkräfte flexibel auszubilden und zu beraten sowie die materielle Ausstattung unserer Partnereinheit zu verbessern sowie die erforderliche Infrastruktur zu finanzieren. Das aufeinander aufbauende Zusammenspiel dieser Aspekte ist im Vergleich zu anderen Einsätzen einzigartig. (…) Grundlage für den Erfolg: klar formulierte Ziele, zeitlich befristetes Engagement und maximale Teilhabe der Partnernation. Ausgangspunkt für die Unterstützung unseres nigrischen Partners war die gemeinsame Definition der zu erreichenden Ziele. Dabei ging es darum, konkret festzuschreiben, was wir bis zu einem bestimmten und ebenfalls festgeschriebenen Zeitpunkt erreichen wollten. Die Ziele sollten messbar, erreichbar und damit nicht überambitioniert sein, gleichzeitig aber einen Beitrag zur Stärkung der Sicherheitsstrukturen in dem afrikanischen Staat leisten. Gerade mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte haben wir einen Partner, der mit einem klaren Konzept und eigenen Vorstellungen, ausgerichtet an dem Machbaren, sich in den Prozess eingebracht hat. Auch die Ausbildung unseres Partnerverbandes wurde von ihm begleitet, Fortschritte gewürdigt. Es wurde auch von nigrischer Seite nachgesteuert, wo es erforderlich war. (…) Die Partnerschaft hat sich als loyale und respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe dargestellt. Stets den Bedarf der nigrischen Spezialkräfte im Fokus wurde sich gegenseitig abgestimmt und das weitere Vorgehen erarbeitet. Ausgeprägte Motivation beiderseits diente als Grundlage für die zügige Umsetzung des Auftrages. Der Erfolg dieses Military Assistance Engagements beruht auf einer über Jahre hinweg gemeinsam gewachsenen Vertrauensbasis. (…) Gazelle verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen die Befähigung eines nigrischen Spezialkräfte-Bataillons im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Zum anderen die Unterstützung zum Aufbau und Betrieb der nigrischen Spezialkräfteschule. Der Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte erwähnt gerne, dass das in Tillia ausgebildete Bataillon zur Spitze der nigrischen Streitkräfte gehört. Die Kompanien unseres Partnerbataillons werden neben den besonderen Aufgaben in der Region um Tillia, aber auch für Operationen in anderen Sicherheitszonen, so an der Grenze zu Mali und Burkina Faso sowie an der Grenze zu Nigeria, eingesetzt. Dies unterstreicht die hohe Leistungsfähigkeit der ausgebildeten Sicherheitskräfte. (…) Zusammenfassend kann ich sagen, dass durch Gazelle die nigrischen Sicherheitsstrukturen gestärkt und eine signifikante Steigerung der Sicherheit in der Grenzregion zu Mali erreicht werden konnte. Mit Betrieb der Spezialkräfteschule wurden darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen, nachhaltig positive Effekte auf die Sicherheitslage in Niger zu erzielen. (…)“

Klar ist: Der bisherige Chef der durch Deutsche aus- und fortgebildeten (ist Kriegsführung „Bildung“?) nigrischen Spezialkräfte – der wohl eben mehrfach erwähnte Kommandeur Barmou – wurde von den Putschenden inzwischen zum neuen Oberbefehlshaber der nigrischen Armee befördert, ist also ein Teil des Spitzenpersonals des Militärputsches. Die Phrasen von der „gemeinsamen Vertrauensbasis“ und den „nachhaltig positiven Effekten auf die Sicherheitslage“ wirken im Nachhinein bitter und ernüchternd.

Auch andere Portale haben darüber schon berichtet, die Tagesschau schreibt gar pointiert:

Jetzt aber sieht es so aus, als sei die Bundeswehr zu erfolgreich mit ihrer Ausbildung gewesen: Brigadegeneral Batoure, der Chef der nigrischen Spezialkräfte soll auf Fotos der Putschisten zu sehen sein. Das Grundproblem, dass westliches Training nicht nur im Anti-Terrorkampf erfolgreich eingesetzt werden kann, hatte die Bundeswehr übrigens schon im Nachbarland Mali, wo man auch einige Teilnehmer der verschiedenen Putsche der vergangenen Jahre militärisch ausgebildet hatte. „

Und heute nun haben die Militärputschenden im Niger den Luftraum über dem Land in Erwartung eines Angriffes von anderen westafrikanischen Staaten und durch Frankreich für geschlossen erklärt. Es stinkt nach Krieg.

Niger war bis zu seiner formellen Unabhängigkeit in 1960 eine Kolonie Frankreichs. Wieweit diese Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht tatsächlich erreicht wurde bleibt diskutabel.

Und auch gut zu wissen: „Frankreich bezieht den größten Teil seines Urans, das für seine Nuklearindustrie benötigt wird, aus Niger.“ (Quelle)

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Niedersachsen: Zahlen ohne wissenschaftliche Grundlage dienen der Nds. Innenministerin Behrens zur Verbreitung populistischer Äußerungen bzw. werden von dieser dazu ausgenutzt

Offensichtlich in Abstimmung mit dem Nds. Innenministerium hat die „Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen (FUK NDS)“ am 30.5.2023 Ergebnisse einer von ihr organisierten Umfrage zu deren „Erfahrungen mit Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffen“ veröffentlicht. Dabei geht es nicht um die Berufsfeuerwehren, sondern um die Freiwilligen Feuerwehren des Bundeslands.

Noch am gleichen Tag korrespondierte das Nds. Innenministerium unter der polizeifreundlichen Innenministerin Behrens mit einer Pressemitteilung und schlug damit heftig in die Kerbe:

„Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, sagt: „Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte, Polizistinnen und Polizisten sowie Feuerwehrleute sind völlig inakzeptabel. Diese Gewalt dürfen wir nicht hinnehmen – denn wer Einsatzkräfte daran hindert, ihre Pflicht zu tun, der greift uns alle an. Wir werden alles dafür tun, um die Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtlich für unsere Sicherheit engagieren, zu schützen.“

Das ist der seit einigen Jahren bekannte einseitig polarisierende Chorus populistischer Parteipolitiker, der die andere Seite der Medaille staatlichen Gewaltmonopols, die unterbelichtete Polizeigewalt an Nicht-Polizist*innen und Rassismus in der Polizei totschweigt oder gar leugnet (Seehofer/Pistorius), einhergehend mit der Schaffung neuer Sonderstrafrechte für Polizei, Bundes“wehr“ und andere staatliche Akteure.

Wir haben bei der FUK nachgefragt, wie sich die Details zu der Umfrage gestalten, die nun als geeigneter Anlaß für die einhämmernde Wiederholung populistischer Debattenbeiträge hergehalten hat.

Die FUK hat uns schnell, freundlich und umfassend geantwortet, im Ergebnis kommen wir bei der Betrachtung der Umstände der Befragung jedoch zu dem Urteil, dass die genannten Umfrageergebnisse keiner sachlichen Betrachtung standhalten, mindestens aber nicht den Anforderungen einer nüchternen und objektiven, wissenschaftlichen Standards entsprechenden Umfrage genügen.

Die Kritik dazu im Einzelnen:

  • Es handelt sich nach Angaben der FUK um eine „anonyme Online-Umfrage“, wobei der „Zugang zu der Umfrage an alle Kreis- und an alle Stadtbrandmeister in Niedersachsen versendet“ wurde. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass diese Brandmeister (gibt es auch Brandmeisterinnen?) die Umfrage nicht oder nicht an alle Feuerwehrmenschen weitergereicht werden. Eine Steuerung oder Kontrolle dazu gab es nicht. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Feuerwehrmenschen mehrfach an der Online-Umfrage teilgenommen haben.
  • Bei der Online-Umfrage heißt es dann: „Bitte nehmen Sie auch an der Umfrage teil, wenn Sie noch keine Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffe erfahren haben!“ Inwiefern dieser Bitte nachgekommen wurde lässt sich in keinster Weise nachvollziehen. Insofern kann die Umfrage nicht für sich in Anspruch nehmen, repräsentativ zu sein. Vielmehr ist anzunehmen, dass diejenigen Feuerwehrmenschen, die solche negativen Erfahrungen nicht gemacht haben eben erst gar nicht an der Umfrage teilnehmen. Um eine „Stichprobe“ im wissenschaftlichen Sinn handelt es sich bei den an der Umfrage Teilnehmenden auf jeden Fall nicht, auch wenn die FUK genau diesen Begriff verwendet und damit Wissenschaftlichkeit suggeriert.

Was bleibt?

Zurück bleibt der – aus unserer Sicht falsche, mindestens aber fragwürdige – Eindruck, den die FUK und vielmehr nachfolgend das Nds. Innenministerium und die Medienberichterstattung in öffentlichen Bewusstsein geschaffen haben. Ein erneut eingeschlagener Pflock einseitiger Sichtweise auf fraglos vorhandene Gewalt oder Gewaltandrohungen an Feuerwehrmenschen, ohne die dafür zugrundegelegten Daten im Detail hinterfragt zu haben.

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„Wer sind wir? Wer wollen wir sein und was für ein Leben wollen wir führen?“ – Das Gegenteil von Luxus, sich solche Fragen zu stellen. Von der Bedeutung dieser Fragen und Fluchten und Ausbrüchen als Ausdruck der Suche nach Antworten. Eine Erinnerung an Peter Bieri.

Der Philosoph und Geschichtenschreiber Peter Bieri ist tot, schon vor gut einem Monat verstorben.

Hier als kleine Erinnerung an Peter Bieri ein knapp 8minütiges DLF-Interview mit dem Verstorbenen aus dem Frühling 2015, das unter dem Titel „Mut zum Risiko in den Zeiten der Armut“ veröffentlicht worden ist.

Außerdem einige – fast beliebig ausgwählte – Auszüge aus einem seiner lesenswerten Bücher, dem 2013 erschienenen Buch „Eine Art zu leben“, in dem es um Vielfalt menschlicher Würde geht (Hervorhebung in fett durch uns):

[S. 39f.]
Doch natürlich ist nicht jeder staatliche Eingriff in unser Leben eine Bevormundung, die unsere Würde verletzt. Parlamente erlassen Gesetze, und solche Gesetze sind oft Gebote und Verbote, die unseren Freiheitsspielraum einengen. Unsere individuelle Autorität wird dadurch verkleinert, und in diesem Sinne stellen Gesetze eine Bevormundung dar. Wir können jetzt nicht mehr alles, was wir vielleicht möchten. Das reicht vom Verkehr über das Eigentum und den Handel bis zu den Gesetzen, die uns Straftaten verbieten. Man schreibt uns vor, was wir zu tun haben: Helme tragen und Sicherheitsgurte anlegen, an bestimmten Orten nicht rauchen, nicht mit Drogen handeln, fremde Grundstücke nicht betreten, Eigentum nicht antasten, Leute nicht absichtlich verletzen oder aus dem Weg räumen. Wenn wir diese Dinge akzeptieren, dann deshalb, weil sie insgesamt das Ziel haben, unsere Würde zu schützen. Es geht nicht um die Unterwerfung unter despotische Macht, sondern um Verzicht auf Freiheit zum gesellschaftlichen Nutzen. Die Formel ist: Freiheit opfern für das Gemeinwohl, das auch gut für den Einzelnen ist. Das ist die Logik, mit der man uns die Bevormundung zumutet. Entscheidend ist, daß sie uns in jedem einzelnen Fall erklärt wird und wir sie nachvollziehen können. Das respektiert unsere Würde als Subjekte: als denkende, verstehende Wesen, die sich gegen unverständliche, blinde Zumutungen wehren. Wir können es im Einzelfall anders sehen, wir können die angeblichen Belege anzweifeln und die Beweiskraft der Argumente in Frage stellen. Solange wir die Freiheit haben, uns damit Gehör zu verschaffen und uns in die Diskussion einzumischen, wird die Würde nicht beschädigt. Das geschieht erst, wenn wir mundtot gemacht werden. Erst dann ist die Bevormundung eine Erfahrung der Ohnmacht und der Demütigung.

[S.67f.]
Was also ist der Unterschied zwischen Selbständigkeit und einer inneren Unselbständigkeit, die ein Problem für die Würde bedeutet? Der Unterschied hat mit dem zu tun, was uns zu Subjekten macht: Wir brauchen unser Leben, auch unser inneres Leben, nicht nur einfach geschehen zu lassen und brauchen uns von dem, was in unserem Inneren geschieht, nicht nur treiben zu lassen. Wir können das innere Geschehen zum Thema machen, es befragen und uns darum kümmern.
Was wir dabei tun können, und wie die erreichte Selbständigkeit aussieht, hängt von der Art des inneren Geschehens ab. Eine erste Form der Selbständigkeit ist die Selbständigkeit im Denken. Vieles, was wir denken, meinen und sagen, ist zunächst durch Nachahmung und Gewohnheit entstanden: Man hat es uns vorgesagt, und wir haben es nachgeplappert. Es funktioniert: es paßt zu dem, was die anderen plappern. Eine gedankliche Selbständigkeit, wie sie zur Lebensform der Würde gehört, zeigt sich in einer besonderen Wachheit gegenüber dem, was man denkt und sagt. »Was genau bedeutet das?« und »Woher eigentlich weiß ich das?«, sind die beiden Fragen, in denen sich diese Wachheit ausdrückt. Zur Selbständigkeit gehört, daß diese Fragen zur zweiten Natur werden. Sie sind geleitet von der Einsicht, daß vieles, was bedeutungsvoll klingt, ohne Bedeutung ist. Daß vieles, was wie ein Gedanke aussieht, keiner ist. Daß wir von vielem, was wir zu denken und zu glauben gewohnt sind, gar nicht wissen, warum wir es eigentlich denken und glauben. Und daß etwas, was wie ein teurer Gedanke aussieht, vielleicht nur ein billiger Spruch ist. Selbständig zu sein, heißt, skeptisch zu sein gegenüber leeren Worten und glatten Sprüchen. Es heißt, unnachgiebig und leidenschaftlich zu sein in der Suche nach Klarheit und gedanklicher Übersicht. Wer in diesem Sinne selbständig ist, hat das Bedürfnis, sich im eigenen Denken zu orientieren und seine Überzeugungen auf den Prüfstand zu stellen. Er hat in diesem umfassenden Sinn das Bedürfnis, sich seine eigene Meinung zu bilden. Er wird auf der Hut sein, wenn man ihn durch Sprüche und leere Worthülsen zu verführen und zu übertölpeln versucht. Er wird sich nicht bevormunden lassen in dem, was er für bedeutungsvoll und wahr hält. Er wird sich nichts vormachen lassen — nicht vom Stammtisch, nicht von Zeitungen, von Politikern, von der Familie, vom Clan. Er wird dem eigenen Verstand trauen. Den eigenen Begründungen und Beweisen. Den eigenen Erfahrungen. Er wird selbst Regie führen über das, was er denkt.

[S. 71]
In dem Maße, in dem wir durch selbständiges Denken Regie führen können über unser Wollen und Tun, haben wir eine offene Zukunft, und diese Offenheit ist ein wichtiger Aspekt an der Erfahrung der inneren Selbständigkeit. Natürlich entscheiden oft andere darüber, was um uns herum und mit uns geschieht, und in diesem Sinne sind wir abhängig, nicht selbständig. Und die anderen können uns durch ihr tyrannisches Tun die Zukunft verbauen, durch eine Mauer oder auf andere Weise. Aber wenn es darum geht, was wir unter gegebenen Umständen wollen und wozu wir uns entscheiden, gibt es diese Offenheit der Zukunft: Wir können Verschiedenes wollen und uns für Verschiedenes entscheiden. Es ist nicht so, daß uns die Vergangenheit unwiderruflich festlegt und einschnürt. Wir müssen unter ihrem Einfluß nicht versteinern. Wir können uns von der Vergangenheit des Erlebens und Wollens distanzieren. Wir können uns verändern. Diese erlebte Offenheit der Zukunft ist die zeitliche Erscheinungsform der inneren Selbständigkeit.

Die „Offenheit der Zukunft“ korrespondiert dabei mit dem Motto „keep the future unwritten“ des capulcu-Kollektivs, etwas, um das mensch sich zurecht Sorgen machen darf …

Nachrufe, weitaus klügere, gibt es viele, an dieser Stelle nur beispielhaft genannt einer von der Freien Universität in Berlin.

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FDP-Justizminister Buschmann erfolgreich: Kultur kritischer Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften mit neuem Gesetz ein für allemal vernichtet

Wir waren besorgt, wir haben gewarnt, wir haben dagegen schriftlich Einwand erhoben und es hat alles nichts genutzt.

Der Parteipolitiker und derzeitige Bundesjustizminister Marco Buschmann von der „FDP“ hat in 2016 seine Dissertation zum Thema „EuGH und Eigentumsgarantie“ verfasst und war in 2021 gerichtlich erfolgreich gegen den Berliner „Mietendeckel“ unterwegs.

Sein neuestes Erfolgserlebnis: Die dauerhafte Abschaffung der in Deutschland bis zur Corona-Pandemie etablierten „Real-Life“-Hauptversammlungen (HV) von Aktiengesellschaften (AG), bei denen jede*r Aktionär*in – unabhängig von Stand und Anzahl der in Besitz befindlichen Aktien – das Recht hatte, den Vorständen und Aufsichtsräten der Konzerne in die Augen blicken zu können und kritische Fragen (und Nachfragen!) zu stellen.

Das hat er erreicht, indem er im letzten Jahr mittels Änderung des Aktiengesetzes (AktG) dafür sorgte, dass den Aktiengesellschaften das Recht eingeräumt wurde, auch in den Nach-Corona-Zeiten so genannte „virtuelle Hauptversammlungen“ durchzuführen.

Das nutz(t)en die Großunternehmen sogleich weitreichend und haben sich nun in diesem Jahr zudem von ihren (Groß-)Aktionären das pauschale Recht erteilen lassen, den Vorstand allein und eigenmächtig darüber urteilen zu lassen, ob der Weg irgendwann zurück zu Präsenz- oder Hybrid-Versammlungen führten wird oder nicht.

Dass man damit aber nicht rechnen kann, das ist bereits jetzt schon absehbar.

Wir haben 27 AGs mit der Bitte um Stellungnahme zum Thema angeschrieben und die Rückmeldungen der 17 antwortenden Konzerne ausgewertet. Erstaunlicherweise erscheint uns gerade die Antwort des Rüstungskonzerns Rheinmetall mit Abstand am ehrlichsten, wenn dieser uns schreibt:

„Die Rheinmetall AG macht von ihren gesetzlichen Möglichkeiten zur Einberufung einer virtuellen Hauptversammlung Gebrauch. Unter Berücksichtigung der Aktionärs- und Unternehmensinteressen ist es das Anliegen der Unternehmensführung, eine rechtssichere und störungsfreie Veranstaltung zu ermöglichen und dabei etwaige Risiken – insbesondere mit Blick auf die sicherheitspolitischen Zusammenhänge – von vornherein auszuschließen.

Auf gut deutsch: Man freut sich, mittels virtueller Versammlungen ungeliebter Kritik und unerwünschten Protesten und Demonstrationen entziehen zu können.

Die Konzerne antworteten uns mit großer Mehrheit, dass man sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nur rein virtuelle Aktionär*innentreffen durchführen würde. Von einer Offenheit zu hybriden Hauptversammlungen, die die Vorteile virtueller und Präsenzveranstaltungen ideal kombinieren würden ist in den Antworten an uns nichts zu spüren.

Als Gründe für diese Einstellung wurden uns hauptsächlich vorgetragen, dass eine virtuelle HV mehr Aktionär*innen als sonst die Teilnahme ermöglichen würde und auch billiger sei. Ebenso wurde oft argumentiert, dass eine virtuelle Hauptversammlung nachhaltiger sei. Wer einen Blick auf die Liste der Konzerne wirft, die mit diesem Grund eine direkte Konfrontation mit ihren Anteilseignern ablehnen, der mag sich die Augen reiben, wer nun auf einmal die Umwelt als Argumentationskanone für sich entdeckt hat, aber nun gut …

Das Kind scheint in den Brunnen gefallen zu sein. Die Bedeutung echter, in Präsenz ausgeführter Hauptversammlungen und der dadurch gepflegten zivilgesellschaftlichen Konzernkritik hat keine Lobby, weder in der Öffentlichkeit und erst recht nicht bei Herrn Buschmann oder anderen Parteikolleg*innen von der FDP, mag sie sich auch noch so als „Bürgerrechtspartei“ zu verkaufen versuchen.

Abschließend – wenn auch vergebens – hier noch der Ausschnitt aus der am 16.3.2022 an das Bundesjustizministerium gerichteten Eingabe mit Bedenken und Kritik an der nun umgesetzten Gesetzesänderung. Eine Stellungnahme, die übrigens bis dato ohne jegliche Reaktion oder Rückmeldung seitens des Ministeriums geblieben ist.

„Die Kritik in groben Zügen wie folgt:

  • Rein „virtuell“ abgehaltene HV können nicht die Praxis, Lebendigkeit und Wirksamkeit echter Begegnungen und persönlichen Anreden phyischer oder hybrider HV ersetzen. Ebendiese Lebendigkeit in Form eines echten Dialogs zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und Aktienhalter*innen andererseits macht den besonderen Wert des deutschen Aktienrechts und der deutschen Aktionärskultur aus, die erst mit Beginn der rein virtuellen HV mit Beginn der Corona-Pandemie ein jähes Ende fand. Es ist ein großer Unterschied, ob sich die Verantwortlichen einer AG Auge in Auge der Kritik von Aktionär*innen stellen müssen oder ob Sie sich diese lediglich auf einem Bildschirm gefallen lassen müssen. Eine zwischenmenschliche Interaktion in Worten, Gesten und mittels Stimmungen ist in letzterem Fall nicht möglich.
  • Bei ausschließlich virtuellen HV werden die Menschen ausgeschlossen, die aus technischen Gründen, aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen oder aus Gründen der persönlichen Befähigung nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich der Online-Beteiligung zu stellen.
  • Die in § 130a (4) des Entwurfs der Gesellschaft bzw. dem Versammlungsleiter erteilten Befugnisse, Redezeiten zu beschränken und über die Reihenfolge der Redebeiträge (unabhängig vom chronologischen Eingang der Redebeitraganträge) geben den AG’s einen erheblichen Einfluss, den diese in ihrem Sinne nutzen könnten, um unliebsame Beiträge inhaltlich zu beschneiden oder durch Verschiebung an das Ende der Beiträge in ihrer Beachtung und Wirkung benachteiligen zu können. Etwaige gleichgerichtete Versuche bei nicht-virtuellen HV konnte bislang durch Interventionen von Ationär*innen Einhalt geboten werden. Das wäre bei virtuellen HV dann aus technischen Gründen nicht mehr möglich.
  • Der § 130a (6) beinhaltet ein großes Missbrauchspotential, das zum Ausschluss potentiell missliebiger Redebeiträge ausgenutzt werden könnte. Rechtsschutz hiergegen wurde nicht vorgesehen.
  • Der § 130a (7) und vor allem der § 131 (1d) beschränken das Nachfragerecht auf Nachfragen zu Antworten selbst gestellter Fragen. Das ist eine massive Einschränkung der Aktionärsrechte, denn sachlich substantielle Nachfragen zu Antworten von Fragen anderer Aktionär*innen werden so pauschal und ohne ersichtlichen Grund unterbunden. Es ist bzw. war gelebte Praxis und Ausdruck einer HV-Debattenkultur, dass man als Aktionär*innen sinnvolle und begründete Nachfragen zu erst während der laufenden HV erhaltenen Informationen/Auskünfte stellen kann/konnte, stammten diese aus Bemerkungen oder Antworten von Vorstand oder Aufsichtsrat.
  • Der § 131 (1b) des Entwurfs ist inhaltlich unbestimmt, wenn von einer „angemessenen Beschränkung“ des Umfangs eingereichter Fragen die Rede ist. Auch das birgt ein erhebliches Missbrauchspotential.
  • Der § 131 (1d) lässt offen und unbestimmt, in welcher Form Nachfragen gestellt werden können. Als Textnachricht im Online-Portal oder per Videoschalte?
  • Grundsätzlich ist die Trennung von Redebeitrag und Fragestellung ein schwerwiegender Eingriff in die Praktizierung einer lebendigen Debatten- und Gesprächskultur. Viele Fragestellungen ergeben nur im Kontext eines zuvor im Redebeitrag erläuterten Kontextes einen Sinn. Die Aufspaltung von Redebeitrag und Fragestellung würde zu einer Entwertung der Aktionärsrechte führen.“

Danke für nichts, Herr Buschmann!

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Bericht von der Hauptversammlung der Rheinmetall AG: Schwelgen in Zeiten maximaler Gewinne und einem „Zeitenwende“-Imagewandel. Und jetzt auch endlich Kamikazedrohnen und neue autonom tötende Waffen für die „Bundeswehr“.

Wie auch den vergangenen Jahren hier ein Bericht von der Hauptversammlung des in diesem Jahr in den DAX aufgestiegenen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Ohne wirklich nachvollziehbaren Grund hat die in Düsseldorf ansässige und in Deutschland hauptsächlich im fernab jeder größeren Stadt liegenden niedersächsischen Unterlüss produzierende AG die Hauptversammlung „virtuell“ abgehalten, nachdem der FDP-Justizminister Buschmann diese Variante auch nach dem Ende der Corona-Pandemie per Gesetzesänderung als zulässig deklariert und den Großunternehmen, die sich sonst viel kritische Fragen und Vorhaltungen ausgesetzt sehen würden, ein schönes Geschenk gemacht hat. Die virtuelle Hauptversammlung lief übrigens nicht für alle Teilnehmer reibungslos ab, so gab es Aussetzer des Live-Streams nach Beendigung von Wortbeiträgen die das Weiterverfolgen des Streams mit wichtigen Informationen für die Aktionär*innen in Teilen verunmöglichten.

Wie auch immer: Die seitens eines Mitglieds unserer Redaktion gestellten fast 70 Fragen samt Antworten und Nicht-Beauskunftungen vom 9.5.2023 haben wir im vollständigen Umfang in unserem Wiki dokumentiert.

Nachfolgend lediglich eine Zusammenfassung einiger Details aus den so gewonnenen Informationen, die uns – rein subjektiv – als besonders erwähnenswert erscheinen. Das alles ohne Rang oder besondere Sortierung:

Der Polizeipanzerwagen „Survivor R“, den die Rheinmetall AG derzeit als neuen Standard bundesweit einzuführen versucht. Bild von Rheinmetall, unter Creative Commons Lizenz CC-BY-SA 4.0

Bundespolizei und Bereitschaftspolizeien haben bei Rheinmetall 55 Stück Panzerwagen bestellt („Survivor R“). Neu zu wissen: Es gibt eine Option auf 35 weitere dieser Fahrzeuge für den Einsatz im Inneren.

Rheinmetall ist alleine im Frühjahr 2023 zwei mal erfolgreich gehackt worden. Ob dabei wichtige Daten geklaut oder manipuliert worden sind kann man heute noch nicht sagen.

Rheinmetall bereitet gerade gemeinsam mit der israelischen Firma UVision einen Großvertrag über die Lieferung von Kamikazedrohnen (Neusprech: „Loitering Munition“, Typ HERO) vor.

Auch die Niederlande und UK haben Intereses an den HERO-Kamikaze-Drohnen. Und – besonders wichtig – auch Deutschland! Rheinmetall-Chef Papperger: „Ich denke, dass auch Deutschland die HERO irgendwann kaufen wird.“ Dazu passt die frische Nachricht aus dem Bundestag via heise.de/Stefan Krempl:
Die Bundesregierung hat erstmals eingeräumt, sich praxisnah mit dem Einsatz von Kamikazedrohnen auseinanderzusetzen. „Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr führt derzeit eine Studie zur Erstellung einer Strategie für Loitering Munition mit dem Auftragnehmer AMDC GmbH durch“, erklärte der parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Thomas Hitschler (SPD) vor Kurzem auf eine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. (…) In diesem Rahmen seien „drei Systemen unterschiedlicher Hersteller“ aus Israel – Rafael Advanced Defense Systems, Israel Aerospace Industries (IAI) und Uvision Air – „zur weiteren Begutachtung“ bereits beschafft worden. (…) Im September 2022 hatte die Regierung in einer Antwort auf Anfrage der Linksfraktion noch betont: „Die globale Proliferation von ‚Loitering Munition‘, die durch vergangene und aktuelle Konflikte und Kriege forciert wird“, stelle aus sicherheitspolitischer Perspektive „unabhängig vom Automatisierungsgrad der Systeme eine besorgniserregende Entwicklung dar.“ Dies gelte vor allem auch mit Blick „auf die Bedrohungspotenziale gegenüber der Bundeswehr und den Streitkräften verbündeter Staaten“. Damals seien noch keine Projekte zur Beschaffung solcher smarten Waffen verfolgt worden.
Die Zeiten ändern sich flugs. Rheinmetall und deren Aktienbesitzer freuts, die Zukunft unserer Welt verdüstert sich dagegen.

Rheinmetall entwickelt weitere Kamikazedrohnen-Systeme, zum Teil in Eigenregie, zum Teil zusammen mit UVision auf deren HERO basierend.

Und auch die von Rheinmetall hergestellt Luna-NG-Drohne soll „an aktuellen Bedürfnissen angepasst“ fortentwickelt werden.

Neu ist ebenfalls, dass Rheinmetall nun im Auftrag der Bundeswehr die von der (Achtung: Neusprech in Reinstform) „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme mbH“ hergestellte SMART-155-Artillerie-Munition weiterentwickelt und zukünftig an die Bundeswehr wieder liefern wird. Die SMART-155 ist eine – soweit bislang hergestellt und genutzt – Fire-and-forget-Munition z.B. für die Panzerhaubitze 2000. Einmal in das Zielgebiet abgeschossen wirft sie dort zwei an Fallschirmen taumelnde Hohlgeschoss-Waffen ab, die jeweils für sich selber die Umgebung abscannen und anhand eines Algorithmus selbständig und ohne weitere Freigabe durch das Militär entscheidet, ob es sich am Boden bspw. um ein Militärfahrzeug oder um ein Zivilfahrzeug handelt, das es dann im ersteren Fall (sofern nicht falsch erkannt!) abschießt. Wohl u.a. deshalb, weil die Bundeswehr einiges an SMART-155 an die Ukraine ausgeliefert hat (die dort derzeit eingesetzt wird!) will die Bundeswehr zukünftig die autonom tötende Munition neu produzieren lassen. Alleine für die Weiterentwicklung gibt es fast 100 Millionen € und die „Bundeswehr“ bezeichnet den autonomen Killer verniedlichend als „präzise, intelligente Artilleriemunition“.

Rheinmetall ist guter Dinge, bald Aufträge für die Lieferung von Hochenergie-Laser-Waffen auf deutschen Schiffen zu erhalten.

Der Umsatz von Rheinmetall mit dem Bundes“verteidigungs“ministerium betrug 2022 ca. 1,5 Milliarden €, weitere 60 Millionen erhielt der Konzern alleine als Unterstützung für Fertigung und Entwicklung von Waffen.

In 2022 gönnte sich Rheinmetall ca. 15.000 € Spenden an die CDU, weitere ca. 15.000 € Spenden an die SPD und auch ca. 15.000 € Spenden an die FDP.

Weiterhin erhielten folgende politische „Institutionen und Formate“ Geldspenden von Rheinmetall:
Arbeitskreis der Seeheimer der SPD: 10.000 €
– Grüner Wirtschaftsdialog der Grünen-Partei: 15.000 €
– Wirtschaftsrat der CDU: 15.000 €
– Wirtschaftsrat der SPD: 15.000 €

Dann gab es noch weitere 9.500 € Spenden an den CDU-Kreisverband Celle. Das ist der Kreisverband von Herrn Hennig Otte von der CDU, Mitglied im Bundestags-Verteidigungsausschuss und verteidigungspolitischer Sprecher von CDU/CSU mit sehr guten Kontakten und Beziehungen zu Rheinmetall.

Für weiteres Lobbying gibt Rheinmetall ebenfalls viel aus. Beispiels- bzw. auszugsweise seien genannt 500.000 € für die AUSA-Rüstungsmesse 2022 in Washington, ebenfalls 500.000 € Kosten in 2022 für ein Lobby-Büro mit drei Mitarbeitern in Brüssel oder auch 339.040 € Mitgliedsbeitrag in 2022 für den deutschen Rüstungs-Lobbyverband BDSV, dessen Vorsitzender der Rheinmetall-Chef Papperger in Personalunion ist.

Anstelle einer eigenen Panzerfabrik für den neuen Rheinmetall-Panzer „Panther“ KF 51 in der Ukraine will Rheinmetall nun „in den nächsten Wochen Kooperationen und Joint Ventures mit ukrainischen Unternehmen eingehen.“ Bei den Joint Ventures wird Rheinmetall eine Mehrheit besitzen.

[Update zu diesem Punkt vom 13.5.2023. Dazu passt eine ebenfalls heute veröffentlichte Pressemitteilung der Rheinmetall (Link). Auszug daraus: „Der deutsche Rüstungshersteller Rheinmetall gründet ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom. Auftakt zunächst im Bereich der militärischen Fahrzeuge. (…) Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung wurde jetzt von Vertretern beider Seiten unterzeichnet. Als Einstieg in die Kooperation soll in einem ersten Schritt – vorbehaltlich der erforderlichen behördlichen Genehmigungen – ein Joint Venture gegründet werden, das die Brücke zwischen Rheinmetall und der existierenden staatlichen Verteidigungsindustrie der Ukraine schlägt. Das Closing ist für Ende Juni 2023 vorgesehen, ab Mitte Juli 2023 soll das Joint Venture operativ sein. (…) In einem ersten gemeinsamen Schritt mit Ukroboronprom sollen Aktivitäten im Bereich der Instandsetzung solcher militärischen Fahrzeuge, die der Ukraine über Ringtausch-Projekte der deutschen Bundesregierung sowie durch Direktlieferungen bereitgestellt wurden, den Grundstein dieser Zusammenarbeit bilden. In späteren Phasen soll sich die Kooperation auf Basis eines umfassenden Technologietransfers der gemeinsamen Herstellung ausgewählter Rheinmetall Produkte in der Ukraine widmen. Zukünftig können im Zuge der Zusammenarbeit zwischen Rheinmetall und Ukroboronprom außerdem unter Beteiligung ukrainischer und deutscher Spezialisten gemeinsam neue militärische Systeme entwickelt und aus der Ukraine heraus exportiert werden.„]

Rheinmetall hat weltweit bislang ca. 50 Stück Gefechtsübungszentren und Gefechts-Simulationsanlagen „unterschiedlicher Art“ geliefert.

Rheinmetall hat Wandelanleihen in Höhe von 1 Milliarde € aufgenommen und damit den spanischen Rüstungskonzern EXPAL aufgekauft und damit weitere Kapazitäten in Munitions- und Sprengstoffproduktion erworben.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Der Rheinmetall-Chef Armin Papperger mit seinen Mitarbeitern Franz-Josef Jung (CDU, ehem. Verteidigungsminister) und Dirk Niebel (Ex-Generalsekretär der FDP und ehem. Entwicklungshilfeminister) bei der Rheinmetall-Hauptversammlung 2018.

Rheinmetall wird einer von fünf Hauptlieferanten für die europäische Fertigung des US-amerikanischen F-35-Kampfflugzeugs, der von der Bundeswehr als Atombomben-Träger (Büchel!) eingekauft werden soll. Rheinmetall ist damit „einer der großen fünf Lieferanten für die F-35“. Herr Papperger geht sogar davon aus, weitere Flugzeugkomponenten darüber hinaus bauen zu können und insofern in das Flugzeugbaugeschäft einzusteigen, man will allerdings bei Rheinmetall keine kompletten Flugzeuge bauen.

Der ehemalige Bundesverteidungsminister Franz Josef Jung (CSU) ist übrigens seit gut einem Jahr nicht mehr im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns. Hintergründe dazu liegen leider nicht vor.

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Zeitzeichen, 26

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