Klage gegen die Section Control geht in die Berufung zum OVG Lüneburg … und ein paar kleine Widersprüchlichkeiten seitens der Polizei und des Innenministeriums

Nordbrücke der Section-Control-Pilotanlage bei Hannover

Gegen die in Niedersachsen bei Hannover befindliche Pilotanlage zur „Section Control“-Durchschnittsgeschwindigkeits-Messanlage waren zwei Klagen eingelegt worden. Bei der Behandlung der ersten Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover verfügte dieses am 12.3.2019 die sofortige Abschaltung der Erfassungs- und Überwachungsanlage mangels Rechtsgrundlage.

Wie zu erwarten hat die Polizeidirektion Hannover nun Berufung gegen das Urteil eingelegt, so dass (vermutlich allerdings erst nach erfolgter Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes inklusive der Verankerung einer Rechtsgrundlage für die Section Control) die Zulässigkeit einer Section-Control-Verkehrsüberwachung in der zweiten Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erneut be- und verhandelt wird.

Das alles geht sowohl aus den Gerichtsakten des zweiten Verfahrens als auch aus einer (erneut zäh und nur in Teilen beantworteten) Presseanfrage an das niedersächsische Innenministerium hervor.

Daraus ergeben sich allerdings auch ein paar Merkwürdigkeiten bzw. Widersprüche:

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25 Jahre nach dem Ruanda-Genozid: Deutschland verweigert sich weiterhin der Aufarbeitung der eigenen Mit-Schuld – Bundeswehr bildete Völkermord-Organisatoren an deutscher „Führungsakademie“ aus und lieferte 40 Militärfahrzeuge, die zur Durchführung des Genozids eingesetzt worden sind

Bild aus einem Screenshot des verlinkten MDR-Beitrags aus 2014

In diesen Tagen wird viel über den 25. Jahrestags des Beginns des Ruanda-Genozids von 1994 berichtet und diesem gedacht:

„Bundesaußenminister Maas hat den Völkermord vor 25 Jahren in Ruanda als eine „Mahnung für zukünftige Generationen“ bezeichnet. Die Ermordung hunderttausender Tutsi und gemäßigter Hutu sei ein Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes gewesen, erklärte Maas in Berlin. Die Weltgemeinschaft habe damals die Warnzeichen nicht rechtzeitig wahrgenommen.“ (DLF-Kurznachricht vom 6.4.2019)

Nebenbei und gut zu wissen: Derzeit führt Deutschland den Vorsitz des UN-Sicherheitsrats, der 1994 die zahlreichen und fundierten Warnungen u.a. von Romeo Dallaire ausdrücklich ignoriert hat.

Aber solche Äußerungen und Gedenktagsreden wie die von Herrn Maas wirken in Teilen zynisch bis verachtend wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung im Vorfeld von den Genozid-Vorbereitungen eindeutige Kenntnis darüber hatte. Denn in den Jahren zuvor gab es eine 6köpfige Bundeswehrgruppe in Ruanda, die erst kurz vor dem Genozid abgezogen wurde bzw. „bis in den Völkermord hinein präsent war“. Im Zuge dieser „Militärberatermission“ lieferte die Bundesrepublik knapp 40 Militär-Lastkraftwagen und -Pionierfahrzeuge an Ruanda, die bei der Interahamwe beliebt waren und zur Durchführung des unvorstellbaren Massenmords eingesetzt worden sind. Und: Die Hamburger Militärakademie bildete noch bis kurz vor Beginn des Menschenschlachtens hochrangige Ruanda-Militärs an ihrer Hamburger Führungsakademie aus – spätere hochrangige Organisatoren und Logistiker des Völkermords!

Wir tragen (keineswegs neue) Informationen dazu zusammen und geben einen kurzen Überblick:

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Dürfen sich zivile Polizeispitzel in und an Demonstrationen verleugnen und andere Demonstranten belügen? Ja, vermutlich. Die Polizei Hannover druckst um eine klare ehrliche Antwort herum.

Am 8.12.2018 fand in Hannover die zweite große Demonstration gegen das geplante neue Polizeigesetz für Niedersachsen statt. Daran anknüpfend haben wir der Polizeidirektion Hannover eine Reihe von Fragen gestellt, die nicht oder nur äußerst zäh von der Polizei beantwortet worden sind – unsere erste Anfrage vom Dezember 2018 endete mit einer letzten (Nicht-)Beantwortung seitens der Polizei vom März 2019.

Unter anderem ging es bei unseren Presseanfragen um die Frage, ob zivile gekleidete Polizeibeamte (verdeckt arbeitende Polizisten bzw. Polizeispitzel), die an der Demo teilnehmen oder diese am Rande begleiten (was nicht immer voneinander zu unterscheiden ist!) sich als Polizisten zu erkennen geben müssen oder nicht.

Die Rechtslage in Niedersachsen ist insofern klar, als dass das dort seit 2010 herrschende Versammlungsgesetz (§ 11 NVersG) klarstellt, dass sich solche Polizeispitzel dem/der Versammlungsleiter*in zu Beginn der Demo zu erkennen bzw. „vorstellen“ müssen. Das scheint in diesem konkreten Fall immerhin auch passiert zu sein.

Doch das bedeutet ja nicht, dass der „normale“ Demonstrierende weiß oder erfährt, ob die neben ihm mit-demonstrierende Person möglicherweise im Dienste der Polizei steht oder nicht.

Wir haben auf der Demo am 8.12.2018 im Rahmen unserer Demonstrationsbeobachtung mehrfach Personen ausgemacht, bei denen vermutet werden kann, dass Sie dort als Polizisten „auf Arbeit“ waren, auch wenn man das ansonsten mangels Uniformierung oder anderer Kenntlichmachung nicht unbedingt erahnen konnte. Auch haben wir beobachtet, wie eine Polizistin in Polizeiuniform in einen zivilen PKW mit zivil bekleideten Männern besetzt eingestiegen ist.

Naheliegenderweise haben wir seinerzeit also einen der sich merkwürdig an der Demo aufhaltenden Mann konkret angesprochen und höflich nachgefragt, ob er für die Polizei oder einen Geheimdienst arbeite. Das verneinte dieser ausdrücklich, der Duktus und die Art der Beantwortung ließen uns aber Zweifel an der Wahrhaftigkeit bzw. Ehrlichkeit dieses Menschen aufkommen.

Wie ist das also nun? Dürfen Demonstranten, die einen zivil gekleideten Polizeibeamten fragen, ob dieser von der Polizei sei oder nicht von diesem belogen werden oder nicht?

Diese einfache und klar formulierte Frage will uns die Polizeidirektion Hannover partout nicht beantworten. In ihrer letzten Rückmeldung auf unsere erneute Nachfrage schreibt uns deren Pressestelle am 8.3.2019 wörtlich:

„Zu [dieser Frage] wiederhole ich, dass es keine Verpflichtung zu einer Vorstellung gegenüber Dritten gibt. Wir werden dieses nicht weiter erörtern.“

Wir interpretieren das nun (mangels einer klaren Stellungnahme der Polizei) so, dass diese Beamten auf so eine Frage hin lügen dürfen. Das ist/wäre aus unserer Sicht dann allerdings auf keinen Fall mit den Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit vereinbar!

Von der Polizei (nicht nur in Hannover) erwarten wir sowohl eine klare Beantwortung klar gestellter Fragen als auch die Einstellung einer solchen Praxis die Bevölkerung belügender Polizeibeamter und -beamtinnen, falls wir mit unserer Interpretation insofern richtig liegen sollten!

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Kommentar: Polizeiliche Kriminalstatistik mit niedrigster Kriminalitätsrate passt dem Bund Deutscher Kriminalbeamter nicht in den Kram

Zum zweiten mal in Folge präsentierte gestern das nicht unbedingt als freiheitsfreundlich bekannte Bundesinnenministerium die neueste jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2018, die die niedrigste Kriminalitätsrate seit der Erstellung einer gesamtdeutschen PKS überhaupt feststellt. Gegenüber der rekord-niedrigen PKS für 2017 sank die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten für 2018 nochmals um 3,4%.

Das passt denjenigen nicht in den Kram, die dieser Entwicklung völlig zuwider der Polizei und den Geheimdiensten ohne Unterlass und sich ständig überbietend neue oder weiter reichende Befugnisse zur Verletzung von Privatsphäre und anderen Freiheitsrechten der Menschen in diesem Land verlangen und auch erfolgreich durchsetzen.

Gut ins Bild passt dagegen, dass am gleichen Tag der PKS-Veröffentlichung (welch ein Wunder) der „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK) mittels seines Vorsitzenden Sebastian Fiedler kundtut, dass die PKS eigentlich gar keine Aussagekraft habe, sie sei doch nur „ein kleiner Mosaikstein der gesamten Darstellung der [Sicherheits-]Situation.“ In diesem Kontext wird seitens des BDK plötzlich die Dunkelfeldforschung entdeckt und deren Ausweitung propagiert.

Keine unbedingt schlechte Forderung. Aber warum wird diese ausgerechnet am Tag der Veröffentlichung der eigentlich angst-nehmenden PKS erhoben? Sollte sich der BDK zusammen mit allen anderen Politikern und Sicherheitsfanatikern nicht die Frage stellen, wie es denn kommt, dass das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Menschen allen nüchternen Zahlen zum Trotz weiter auf völlig unrealistisch niedrigem Niveau stagniert bzw. welchen Anteil deren populistische und seit vielen Jahren andauernde Stimmungsmache daran hat? Oder anstelle darüber zu klagen, dass Deutchland derzeit „von Rauschgift überschwemmt“ werde die Frage stellen, warum Menschen derlei Waren konsumieren, welche gesellschaftlichen Mißstände damit zu tun haben könnten?

Doch mit so einer selbstkritischen Ehrlichkeit würde Herr Fiedler dann der Aufgabenerfüllung seiner beruflichen Position wohl sicher nicht gerecht werden …

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Wir veröffentlichen den dritten Teil des Verhandlungsergebnisses zwischen GBD und Innenministerium zum neuen Nds. Polizeigesetz

Vor drei Tagen noch von uns kritisiert hat das Nds. Innenministerium (MI) nun datiert auf den gestrigen Tag den dritten Teil der Kritik des landtagseigenen Gesetzgebungs- und Beratungsdienst (GBD) am Polizeigesetz-Entwurf für Niedersachsen bzw. das Ergebnis der Verhandlungen und Diskussionen des GBD mit dem MI an die Landtagsverwaltung und den Innenausschuss ausgehändigt.

Die Landtagsverwaltung hat uns das Dokument freundlicherweise weitergereicht und wir veröffentlichen die 48 Seiten nun hiermit zur Ermöglichung einer weiteren öffentlichen, sachorientierten und kritischen Diskussion um das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“).

Wir danken der Landtagsverwaltung für die zügige Weiterleitung!

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Bundesverkehrsministerium will nichts wissen von den Fehlerraten der Toll-Collect-Überwachungs-Brücken und -Säulen

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Neues Polizeigesetz für Niedersachsen – Wie das SPD-Innenministerium eine öffentliche kritische Diskussion effektiv be- und verhindert

Eine geschlossene Tür im Niedersächsischen Landtag, Bild von Ralf Roletschek, CC-BY-SA 3.0

Eine geschlossene Tür im Niedersächsischen Landtag, Bild von Ralf Roletschek, CC-BY-SA 3.0

Im seit 2018 andauernden Streit um das von SPD und CDU zu verantwortende neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) meint die große Koalition nun auf die Zielgerade einbiegen zu können, während das SPD-geführte Innenministerium den letzten Teil von Bewertung, Kritik und Verhandlungsergebnissen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) offensichtlich so lange wie möglich der Öffentlichkeit vorzuenthalten versucht.

Etwas genauer:

Aktuellen Medienberichten zufolge will die Nds. Landesregierung das neue Polizeigesetz im Mai 2019 endgültig verabschieden, obwohl der dritte Teil des GBD-Gutachtens zwar bereits dem Innenministerium vorliegt, bis dato dem Innenausschuss noch gar nicht zugestellt worden ist:

„Der Zeitplan zur Verabschiedung des umstrittenen niedersächsische Polizeigesetzes nimmt Gestalt an. Vertreter von SPD und CDU im Landtag gehen davon aus, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags dem Innenausschuss spätestens bis Anfang April seine Anmerkungen zum letzten Teil des Gesetzentwurfs vorlegen wird. „Wir werden zeitnah die Endabstimmung angehen und das Polizeigesetz in der Mai-Sitzung des Landtags verabschieden können“, sagte der Innenpolitik-Experte der CDU-Landtagsfraktion, Uwe Schünemann, der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Ähnlich äußerte sich der SPD-Fraktionschef Wiard Siebels. Laut Siebels birgt der noch zur Beratung ausstehende Teil des Polizeigesetzes auch keinen Konfliktstoff für die Koalitionäre: „Die Kuh ist vom Eis.“ (…) Ein Teil des Gesetzentwurfs steht noch zur Beratung aus und wird vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags geprüft. Diese Paragrafen befassen sich auch mit den Regeln des Waffengebrauchs für die Polizei. Dabei geht es auch um den Einsatz der als Taser bezeichneten Elektroschockpistolen, der bislang noch mit einem Erlass geregelt wird. Der Gesetzentwurf stuft das Gerät als Waffe ein, der Einsatz soll außerdem – wie schon bisher – Polizeibeamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) vorbehalten bleiben. „In diesem Themenbereich erwarte ich keine politische Brisanz“, sagte der SPD-Sicherheitsexperte Carsten Becker.

Das lässt sich in mindestens zwei Punkten kritisieren:

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Zur gerichtlich verfügten Abschaltung des Section-Control-Pilotbetriebs in Niedersachsen: Updates und Erläuterungen (Update)

Die „‚Section Control“ Pilotanlage am Tag fünf nach der Abschaltung

Am vorletzten Dienstag (12.3.2019) hat das Verwaltungsgericht in einem medial vielbeachteten Urteil dafür gesorgt, dass der am südlichen Rande Hannovers verortete und seit Jahren seitens der SPD vorangetriebene Probebetrieb einer Abschnittsgeschwindigkeits-Überwachungsanlage („Section Control“) mit sofortiger Wirkung beendet werden musste.

Der einfache Grund für diesen harten Schnitt: Es gibt aktuell weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzebene eine Rechtsgrundlage für die damit immanent verbundenen Grundrechtseingriffe. Das wusste die SPD-CDU-Landesregierung zwar schon von Anfang an und wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, doch meinte sie es mit dem Argument, dass es sich „doch nur um einen 18 Monate lang dauernden Pilotbetrieb“ handele wegwischen zu können.

Es ist gut, dass das Verwaltungsgericht diese haarsträubende Begründung nicht anerkannt hat:

„Da es sich um eine „Pilotphase“ von 18 Monaten handle, sei es noch nicht nötig, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen[, so die Vertreter der Polizeidirektion Hannover vor Gericht.] Richter Ufer erwiderte, dass mache für den Bürger keinen Unterschied, ob man das „Pilotphase“ nenne oder nicht.“

Mit dieser „Nur-ein-Pilotbetrieb“-Argumentation ließen sich sonst auch beliebige andere Grundrechtseingriffe rechtfertigen und das ist selbstverständlich hanebüchender Quatsch.

Nachfolgend ein paar weitere Erläuterungen, Hinweise und Updates zum ganzen Thema:

1. Häufig durcheinandergebracht: Zwei Klagen und ein Eilantrag
2. Ebenfalls rechtswidrig: Die vorherige, jahrelange der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegene heimliche Probebetrieb der PTB
3. Beschilderungsfragen
4. Das Theater der Politparteien in Regierung und Opposition

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KFZ-Kennzeichen-Scanner der niedersächsichen Polizei: Zwei von drei „Treffern“ sind fehlerhaft – Parlamentarische Kontrolle der polizeilichen Überwachung im Blindflug

Der Weser-Kurier berichtete am 5.2.2019 über die Erfolgsquoten des Einsatzes von automatischen Kennzeichenlesegeräten („KFZ-Kennzeichen-Scanner“) bei der niedersächsischen Polizei:

„In Niedersachsen stehen den Polizeidirektionen und dem Landeskriminalamt inzwischen zwölf der mobilen Kontrollgeräte zur Verfügung. Die Zahl der durch die Geräte gemeldeten verdächtigen Kennzeichen lag 2017 bei 1378. Eine Prüfung durch die Polizeibeamten im Einsatz ergab, dass es sich in 461 Fällen tatsächlich um ein gesuchtes Fahrzeug handelte. Gründe für die hohe Zahl fehlerhafter Treffermeldungen könnten verschmutzte Kennzeichen sein, die von den Kontrollgeräten fehlerhaft und nur in Fragmenten erfasst werden. Auch ausländische Kennzeichen könnten die Geräte verwirren, hieß es.“

Mindestens genau so verwirrend ist es, dass der Weser-Kurier den Beitrag, dem dieser Passus entstammt mit der Überschrift „Autokennzeichen-Abgleich in Niedersachsen erfolgreich im Einsatz“ versehen hat. Denn die Zahlen offenbaren, dass die Anlagen damit in der Praxis eine Falscherkennungsrate („false-positive-rate“) von 66,5% an den Tag legen. Das bedeutet: Zwei von drei Autos (bzw. deren Haltern/Fahrern), denen das Scanner-System vorwirft, etwas schlimmes verbrochen zu haben, stellt sich bei manueller Überprüfung hinterher als vom System falsch interpretierter Kennzeichen-Zahlen-Buchstaben-Code heraus …

Wir haben beim Nds. Innenministerium nachgefragt, um welche Straftatbestände es sich bei den 461 echten Treffern („true-positive“) im Einzelnen gehandelt hat, wie viele Autos zum Finden dieser Treffer überhaupt insgesamt erfasst und identifiziert worden sind und wie sich diese Zahlen alle in den beiden Jahren zuvor dargestellt haben. Das alles wären Grundlagen, um eine echte Bewertung über Sinn oder Unsinn bzw. Unrechtmäßigkeit des Kennzeichen-Scannens in Niedersachsen vornehmen zu können. Die (er)nüchtern(d)e Antwort:

„Eine Dokumentationspflicht besteht in Niedersachsen hierzu nicht. Insofern liegen hier keine Erkenntnisse vor, die für eine Beantwortung notwendig wären.“

Man darf sich fragen, wie die Parlamentarier des Nds. Landtags die Effektivität und verfassungsrechtliche Zulässigkeit des seit 2005 praktizierten polizeilichen Kennzeichen-Scannings überprüfen und beurteilen wollen, wenn sie nicht mal wissen, wie oft die Geräte eingesetzt werden, wie viele Fehler die Geräte fabrizieren und welchen qualitativen Erfolg der ganze Aufwand überhaupt bringt … aber offenbar hat sich bislang niemand im Landtag in den letzten 14 Jahren erfolgreich darüber aufgeregt.

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Toll Collect möchte lieber nicht verraten, wie hoch die Fehlerquoten ihrer KFZ-Kennzeichen-Scanner auf Autobahnen und Bundesstraßen sind

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Beurteilung der (Un)Rechtmäßigkeit polizeilichen KFZ-Kennzeichen-Scannings konkretisiert und zum Teil revidiert, das bundesweit erste Pilotprojekt zur „Section Control“ in Niedersachsen wurde erst vor wenigen Jahren zumindest temporär gekippt und die Bundesregierung kündigt fast zeitgleich eine weitere massive neue Überwachungswelle von Kraftfahrzeugen im Zuge der Diesel-Verbotszonen-Diskussion an.

In all diesen Fällen spielt bei genauerem Hinschauen diejenige Frage eine wichtige Rolle, wie gut die jeweils eingesetzten und automatisch arbeitenden Kennzeichen-Lesegeräte in der Praxis tatsächlich sind. Genauer: Wie häufig werden die von den Überwachungssystemen fotografierten KFZ-Kennzeichen von der Anlage falsch „gelesen“ bzw. interpretiert?

Über die Fehlerwerte polizeilicher Kennzeichen-Lesegeräte gibt es übrigens einen lesenswerten und die Technikfetischisten ernüchternden Buzzfeed-Beitrag: „Wie die Polizei Millionen Autofahrer mit einem System überwacht, das nicht funktioniert“

Warum also nicht mal bei dem inzwischen wieder staatlich einverleibten Betreiber der vielen Mautüberwachungsbrücken und -säulen auf Autobahnen und Bundesstraßen, der Toll Collect GmbH nachfragen, wie gut (oder schlecht) denn deren Systeme arbeiten, wie hoch also im Detail die False-Positive-Quoten (Falscherkennungsraten) und die False-Negative-Quoten (Nichterkennungsraten) sind?

Das versuchen wir nun seit Januar des Jahres in Erfahrung zu bringen und die Presseanfragenbearbeitung erweist sich – wie nicht unüblich bei Toll Collect – als eher ziemlich zäh.

Und das Ergebnis bzw. die Antwort auf diese Frage?

„Die Kontrollsäulen und Kontrollbrücken funktionieren anforderungsgerecht in hoher Qualität. Die Einhaltung des vereinbarten Service-Levels wird vom Auftraggeber überprüft.“

Klingt nach viel Schönsprech. Nochmals nachgefragt, ob Toll Collect denn die Güte Ihrer Geräte und Systeme bei der Erledigung ihrer Arbeit nicht kennt oder diese lieber nicht veröffentlicht haben möchte, dann noch diese Antwort:

Wir kennen die Quoten selbstverständlich. Sie werden auch entsprechend den Anforderungen erfüllt und vom Auftraggeber kontrolliert. Ansonsten sind sie betriebsintern.

Das lässt nichts Gutes erahnen.

Inzwischen läuft eine IFG-Anfrage zur Sache.

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