Neues Polizeigesetz für Niedersachsen – Wie das SPD-Innenministerium eine öffentliche kritische Diskussion effektiv be- und verhindert

Eine geschlossene Tür im Niedersächsischen Landtag, Bild von Ralf Roletschek, CC-BY-SA 3.0

Eine geschlossene Tür im Niedersächsischen Landtag, Bild von Ralf Roletschek, CC-BY-SA 3.0

Im seit 2018 andauernden Streit um das von SPD und CDU zu verantwortende neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) meint die große Koalition nun auf die Zielgerade einbiegen zu können, während das SPD-geführte Innenministerium den letzten Teil von Bewertung, Kritik und Verhandlungsergebnissen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) offensichtlich so lange wie möglich der Öffentlichkeit vorzuenthalten versucht.

Etwas genauer:

Aktuellen Medienberichten zufolge will die Nds. Landesregierung das neue Polizeigesetz im Mai 2019 endgültig verabschieden, obwohl der dritte Teil des GBD-Gutachtens zwar bereits dem Innenministerium vorliegt, bis dato dem Innenausschuss noch gar nicht zugestellt worden ist:

„Der Zeitplan zur Verabschiedung des umstrittenen niedersächsische Polizeigesetzes nimmt Gestalt an. Vertreter von SPD und CDU im Landtag gehen davon aus, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags dem Innenausschuss spätestens bis Anfang April seine Anmerkungen zum letzten Teil des Gesetzentwurfs vorlegen wird. „Wir werden zeitnah die Endabstimmung angehen und das Polizeigesetz in der Mai-Sitzung des Landtags verabschieden können“, sagte der Innenpolitik-Experte der CDU-Landtagsfraktion, Uwe Schünemann, der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Ähnlich äußerte sich der SPD-Fraktionschef Wiard Siebels. Laut Siebels birgt der noch zur Beratung ausstehende Teil des Polizeigesetzes auch keinen Konfliktstoff für die Koalitionäre: „Die Kuh ist vom Eis.“ (…) Ein Teil des Gesetzentwurfs steht noch zur Beratung aus und wird vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags geprüft. Diese Paragrafen befassen sich auch mit den Regeln des Waffengebrauchs für die Polizei. Dabei geht es auch um den Einsatz der als Taser bezeichneten Elektroschockpistolen, der bislang noch mit einem Erlass geregelt wird. Der Gesetzentwurf stuft das Gerät als Waffe ein, der Einsatz soll außerdem – wie schon bisher – Polizeibeamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) vorbehalten bleiben. „In diesem Themenbereich erwarte ich keine politische Brisanz“, sagte der SPD-Sicherheitsexperte Carsten Becker.

Das lässt sich in mindestens zwei Punkten kritisieren:

 

Warum verschleppt das Innenministerium die Veröffentlichung des dritten Teils des GBD-Gutachtens? Heimliches Groko-Gemauschel statt öffentlicher Diskussion.

Spätestens seit Ende Februar/Anfang März 2019 liegt dem Innenministerium der Teil 3 des GBD-Gutachtens, der alle Paragraphen des NPOG-Entwurfs ab § 38 behandelt, vor. Der Weser-Kurier berichtete am 2.3.2019:

Offiziell mochte keiner der Beteiligten der Koalitionsrunde Einzelheiten der Einigung bestätigen geschweige denn kommentieren. „Wir haben eine tragfähige Lösung erreicht“, erklärten die Spitzen von SPD und CDU übereinstimmend. Allerdings fehle in einigen Punkten noch der Feinschliff, zumal der dritte Teil des GBD-Gutachtens zu weiteren Vorschriften der Novelle bislang nur dem Innenministerium vorliege.

Dass dieser dritte Teil dem Innenausschuss seitens des Innenministeriums vorenthalten wird bestätigte uns die Landtagsverwaltung noch vor einer Woche. Es scheint so, als solle eine öffentliche und kritische Diskussion um dessen Inhalte abseits einer klandestin verhandelten internen Einigung so lange wie möglich verhindert werden. Denn:

 

„Die Kuh ist nicht vom Eis“

Anders als von den SPD-Politikern suggeriert birgt der ausstehende Teil des Verhandlungsergebnisses zwischen GBD und Innenministerium durchaus „politische Brisanz“. Eine kurze Auflistung der(bislang) darin enthaltenen Paragraphen:

  • §§38/39 Zur Rechtmäßigkeit polizeilicher Datenspeicherung und -verarbeitung personenbezogener Daten
  • §45 „Datenabgleiche“ durch die Polizei
  • §45a Rasterfahndung
  • §48 Zur Protokollierung von Rasterfahndungs-Maßnahmen
  • §69 Zum Einsatz von Taser-Elektroschocker-Waffen

Besonders die nur auf den ersten Blick uninteressant bzw. undurchdringbar erscheinenden §§ 38 und 39 weisen eine hohe praktische Relevanz auf: Unter welchen Bedingungen darf die Polizei beispielsweise Daten über Menschen erfassen und in Polizeidatenbanken speichern, wenn diesen gar nichts vorzuwerfen ist? Und hat das in Niedersachsen als datenschutzrechtlich bedenkliche Mischdatei geführte NIVADIS-„Vorgangsbearbeitungssystem“ eine Zukunft oder nicht?

Schließlich haben die jüngsten Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum polizeilichen KFZ-Kennzeichen-Scanning und des Verwaltungsgerichts Hannover zur „Section Control“ die Zulässigkeit weiterer Paragraphen des Polizeigesetzes neu infrage gestellt und müssen im Angesicht dessen neu be- und verhandelt werden.

Die Kuh ist also keineswegs vom Eis sondern verlangt nach kritischer sachlicher Öffentlichkeitsarbeit!

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