KFZ-Kennzeichen-Scanner der niedersächsichen Polizei: Zwei von drei „Treffern“ sind fehlerhaft – Parlamentarische Kontrolle der polizeilichen Überwachung im Blindflug

Der Weser-Kurier berichtete am 5.2.2019 über die Erfolgsquoten des Einsatzes von automatischen Kennzeichenlesegeräten („KFZ-Kennzeichen-Scanner“) bei der niedersächsischen Polizei:

„In Niedersachsen stehen den Polizeidirektionen und dem Landeskriminalamt inzwischen zwölf der mobilen Kontrollgeräte zur Verfügung. Die Zahl der durch die Geräte gemeldeten verdächtigen Kennzeichen lag 2017 bei 1378. Eine Prüfung durch die Polizeibeamten im Einsatz ergab, dass es sich in 461 Fällen tatsächlich um ein gesuchtes Fahrzeug handelte. Gründe für die hohe Zahl fehlerhafter Treffermeldungen könnten verschmutzte Kennzeichen sein, die von den Kontrollgeräten fehlerhaft und nur in Fragmenten erfasst werden. Auch ausländische Kennzeichen könnten die Geräte verwirren, hieß es.“

Mindestens genau so verwirrend ist es, dass der Weser-Kurier den Beitrag, dem dieser Passus entstammt mit der Überschrift „Autokennzeichen-Abgleich in Niedersachsen erfolgreich im Einsatz“ versehen hat. Denn die Zahlen offenbaren, dass die Anlagen damit in der Praxis eine Falscherkennungsrate („false-positive-rate“) von 66,5% an den Tag legen. Das bedeutet: Zwei von drei Autos (bzw. deren Haltern/Fahrern), denen das Scanner-System vorwirft, etwas schlimmes verbrochen zu haben, stellt sich bei manueller Überprüfung hinterher als vom System falsch interpretierter Kennzeichen-Zahlen-Buchstaben-Code heraus …

Wir haben beim Nds. Innenministerium nachgefragt, um welche Straftatbestände es sich bei den 461 echten Treffern („true-positive“) im Einzelnen gehandelt hat, wie viele Autos zum Finden dieser Treffer überhaupt insgesamt erfasst und identifiziert worden sind und wie sich diese Zahlen alle in den beiden Jahren zuvor dargestellt haben. Das alles wären Grundlagen, um eine echte Bewertung über Sinn oder Unsinn bzw. Unrechtmäßigkeit des Kennzeichen-Scannens in Niedersachsen vornehmen zu können. Die (er)nüchtern(d)e Antwort:

„Eine Dokumentationspflicht besteht in Niedersachsen hierzu nicht. Insofern liegen hier keine Erkenntnisse vor, die für eine Beantwortung notwendig wären.“

Man darf sich fragen, wie die Parlamentarier des Nds. Landtags die Effektivität und verfassungsrechtliche Zulässigkeit des seit 2005 praktizierten polizeilichen Kennzeichen-Scannings überprüfen und beurteilen wollen, wenn sie nicht mal wissen, wie oft die Geräte eingesetzt werden, wie viele Fehler die Geräte fabrizieren und welchen qualitativen Erfolg der ganze Aufwand überhaupt bringt … aber offenbar hat sich bislang niemand im Landtag in den letzten 14 Jahren erfolgreich darüber aufgeregt.

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