Rise of the Police: Neues zum geheimen Polizeipanzerwagen Niedersachsens, Aussitzen von Presseanfragen, Begünstigung polizeifreundlicher Medien bei der Berichterstattung, ein fragwürdiges, möglicherweise die Firma ACS bevorteilendes Vergabeverfahren und: Anschaffung eines weiteren, noch größeren Polizeipanzerwagens kurz vor Auftragsvergabe

Der erste neue Polizeipanzerwagen Niedersachsens – ein „Enok“ der bayrischen Firma ACS. Eigentlich sollte dessen Existenz geheim gehalten werden … (Bildmaterial aus dem Pressematerial des Nds. Innenministeriums, Bildrechte ebendort)

Die niedersächsische Polizei rüstet auf. Mit Polizeipanzerwagen. Heimlich und möglichst unter Vermeidung aller medialen Öffentlichkeit und bei zugleich bevorteilender Informationserteilung gegenüber polizeifreundlichen Medien. Ebenso fragwürdig ist die Vergabepraxis im Innenministerium Niedersachsens.

Doch zunächst ein Überblick:

Was bisher geschah

  • Juni 2021: Im öffentlichen Straßenraum Hannovers wird ein neuer Polizeipanzerwagen gesichtet und fotografiert. Wir fragen beim Nds. Innenministerium nach und erhalten nur zögerlich und bruchstückhaft Antwort. Man versucht uns auf später zu vertrösten.
  • 6.7.2021: Weitergehende Fragen werden ignoriert oder bewusst irreführend schein-beantwortet bzw. es erfolgt gar keine Antwort mehr aus dem Innenministerium.
  • 9.7.2021: Wir verbloggen unsere Erkenntnisse und versenden eine Pressemitteilung an die Medien.
  • 28.7.2021: Die taz berichtet dazu.
  • 16.8.2021: Nun berichtet auch die hannoversche „HAZ“, ein tendentiell sich als Sprachrohr der Polizei-Pressestelle verstehendes Blatt des Madsack-Konzerns und stellt sich als exklusive Geheimnislüfter dar. Der HAZ gegenüber hat die Polize weitere Informationen herausgegeben, die sie uns gegenüber zuvor verweigert hatte.
  • 17.8.2021: Wir fragen deswegen erneut bei der Pressestelle des Nds. Innenministeriums nach. Erneut will man uns keine der bereits veröffentlichten Erkenntnisse bestätigen und sitzt unsere darauf folgende Presseanfrage einfach aus. Mehrfaches Nachfragen bleibt unbeantwortet.

Und jetzt?

Wir möchten an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt unserer Recherche über drei uns wichtig erscheinende Punkte zur Anschaffung der – man beachte den Terminus! – „Offensivfahrzeuge“ berichten:

  1. Neues zum bereits angeschafften Polizeipanzerwagen Enok der bayrischen Firma ACS inklusive einem fragwürdigen Auftragsvergabeverfahren
  2. Informationen über ein zweites, in der Anschaffung befindliches Polizeipanzerfahrzeug, ein bis zu 20t schwerer Mannschaftstransporter mit der Klassifizierung „gepanzertes Kampffahrzeug“
  3. Über die Nichtbeantwortung von Presseanfragen und die Bevorteilung polizeifreundlicher Medien

Auf gehts:

1. Neues zum bereits angeschafften Polizeipanzerwagen Enok der bayrischen Firma ACS inklusive einem fragwürdigen Auftragsvergabeverfahren

In Stichworten:

  • Kosten des ACS Enok angeblich 830.000 Euro. In der öffentlich verfügbaren Ausschreibung ist jedoch von 797.300 Euro die Rede. Die Differenz der gut 32.000 Euro bleibt ungeklärt.
  • Einsatz des Fahrzeugs seit April 2020. Das bedeutet eine Verheimlichung der Existenz dieses Fahrzeugs gegenüber der Öffentlichkeit über 16 Monate hinweg! Möglicherweise ist die jetzige „Öffentlichkeitsarbeit“ auch nur der zufälligen Entdeckung und Bekanntmachung via freiheitsfoo-Blog geschuldet … Die HAZ schreibt: „Eigentlich sollte die Anschaffung des Panzerwagen geheim bleiben.“
  • Der Polizeipanzerwagen wurde bereits mehrfach vom SEK eingesetzt. Zuletzt (Stand August 2021) beim Besuch des Bundespräsidenten im Harz.
  • Amtliches Kennzeichen: H-NM 350. (Entnommen der unverpixelten Bildveröffentlichung der HAZ. Unsere vorherigen Bilder hatten wir entsprechend anonymisiert.)
  • Fahrzeug ohne fernbedienbare Waffenstation, aber mit der Möglichkeit, „gefahrlos von drinnen nach draußen zu feuern“.
  • Was uns nicht beantwortet werden will: Wie viele Einsätze hatte der Wagen bislang? Und vor allem wird auch unsere Frage nach Belegen oder Statistiken zu der Behauptung ausgesessen, wonach „die Anzahl von Einsatzlagen, in denen Polizeikräfte gegen bewaffnete und gefährliche Gewalttäter (z. B. in politisch und/oder rechtsradikal motivierte Morden, Terroranschlägen oder Amoklagen) vorgehen müssen, stetig steigen“.
  • Was man der HAZ, nicht aber uns gegenüber beauskunften wollte und will: Die Möglichkeit zum geschützten Beschuss aus dem Inneren des Wagens heraus. Und dass es einen Pressetermin zur Veröffentlichung des Enoks am 16.8.2021 gegeben hat, der dann aber kurzfristig und begründungslos wieder abgesagt worden ist.
  • Bemerkenswert: Es gab nur ein einziges Angebot zur Ausschreibung. Das der Firma ACS. Und obwohl es andere Hersteller und Produkte zu solchen Panzerfahrzeugen gibt (bspw. Achleitner HMV Survivor, Rheinmetall Survivor R, Welp Toyota, Eagle IV, Carl Friedrichs Mercedes Benz/Toyota/VW, Stoof). Das erweckt den Eindruck, als sei die Ausschreibung von vornherein auf ACS zugeschnitten worden. Im Vergabeportal heißt es: „Nach intensiver Marktrecherche konnte ein entsprechendes Fahrzeug der Firma ACS ausgemacht werden. (…) Es konnte kein weiterer adäquater Anbieter eines solchen Fahrzeugs ermittelt werden.“ Jede Kauffrau und jeder Kaufmann weiss: Es bedarf mindestens zwei, besser drei Angebote, um in ein ordentliches Verhandlungsverfahren eintreten zu können. In diesem Fall war der Zuschlag an ACS klar, nachdem diese Firma – warum auch immer – als einziges ein Angebot unterbreitet hatte. Hier bedarf es parlamentarischer Aufklärungsarbeit!

2. Informationen über ein zweites, in der Anschaffung befindliches Polizeipanzerfahrzeug, ein bis zu 20t schwerer Mannschaftstransporter mit der Klassifizierung „gepanzertes Kampffahrzeug“

Immerhin hat uns der nun erneut schweigsame Mitarbeiter aus dem Nds. Innenministerium mitgeteilt, dass man derzeit einen weiteren, zweiten neuen Polizeipanzerwagen für Niedersachsen anschafft. Aus den öffentlich zugänglichen Informationen eines Portals für europaweite Ausschreibungen konnten wir entnehmen, worum es sich dabei handelt. Auch hier stichpunktartig:

  • Es geht um ein ballistisch geschütztes Offensiv-Fahrzeug für die Nutzung durch Organisationseinheiten der Polizei Niedersachsen.“
  • Zweiachsiges LKW-Fahrgestell mit Allradantrieb
  • Aufbau für den ergonomischen Transport von mindestens 10 Personen/Einsatzkräften + Besatzung in entsprechender persönlicher Schutzausrüstung
  • In Fahrtrichtung gesehen, jeweils 2 Türen links und rechts, sowie eine Tür am Heck für den Personenzugang
  • Technisch zulässige Gesamtmasse bis 20t.
  • Der (Haupt-) Einsatzraum umfasst das gesamte Land Niedersachsen. Das bedeutet, dass der potentielle Einsatzraum sich nicht nur auf urbane Gebiete beschränkt, sondern auch anspruchsvolle, zum Teil nicht befestigte Gelände einschließt. Niedriggewässer müssen daher durchfahren werden können, weite Lehm-, Sand- und Geröllböden mit wenigen Erhöhungen müssen durchfahren werden können. (…) Dies bedingt eine möglichst hohe Wattiefe und Steigfähigkeit des Fahrzeugs (…)“
  • Klassifizierung: Mannschaftstransportwagen, gepanzertes Kampffahrzeug
  • Option auf den Einkauf eines weiteren, zweiten baugleichen Fahrzeugs innerhalb von 3 Jahren.
  • Geschätzter Wert: 1,16 Mio Euro
  • Dem Portal zufolge ist der Auftrag bis dato noch nicht vergeben worden.

3. Über die Nichtbeantwortung von Presseanfragen und die Bevorteilung polizeifreundlicher Medien

Wie bereits oben beschrieben: Den Journalisten des Madsack-Konzerns wurden Informationen zuteil, die man uns zuvor und sogar auch noch hinterher zu beauskunften verweigert. Hier werden journalistische Medien ungleich behandelt. Auch erhielten wir trotz unserer dem Innenministerium wohl bekannten Öffentlichkeitsarbeit zum Thema keine Einladung zu der dann plötzlich abgesagten Pressekonferenz am 16.8.2021.

Diese Ungleichbehandlung zu unserem Nachteil (und zum Nachteil der allgemeinen Öffentlichkeit!) prangern wir hiermit an und fordern das Nds. Innenministerium auf, unsere sachbezogenen Presseanfragen zu beantworten, zumindest aber uns eine Rückmeldung zu erteilen.

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Digitalzwang in Niedersachen. Weihnachten für die Luca-App?

– Ein Gastbeitrag der Digitalcourage-Ortsgruppe Braunschweig –

In die neue niedersächsische Corona-Verordnung vom 24.8.2021 sind — von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt — mehrere Digitalzwänge eingearbeitet worden.

Info-Grafik der Landesregierung zu Kontaktdaten mit Erwähnung von Luca-App und Corona-Warn-App

Info-Grafik zu Kontaktdaten der Landesregierung

Zur Registrierung von Kontaktdaten bei Veranstaltungen und für den Zutritt zu bestimmten Orten soll der Gebrauch etwa von Stift und Papier ab sofort komplett unterbleiben. Statt dessen sollen ausschließlich elektronische Endgeräte (Smartphones etc.) verwendet werden, die Kontaktdaten an die Gesundheitsämter übertragen. Im Ergebnis dürfen wir wohl die Luca-App zu einem verfrühten Weihnachtsfest beglückwünschen.

So enthält der Paragraph 6 („Datenerhebung und Dokumentation„) jetzt eine Soll-Bestimmung die nur noch enge Ausnahmen vom Digitalzwang (und das bedeutet praktisch fast immer: Luca-App; ein Gegenbeispiel ist uns in Braunschweig nicht bekannt) zulässt:

„Die Kontaktdatenerhebung soll elektronisch erfolgen und kann im Einzelfall in Papierform erfolgen, wenn eine elektronische Kontaktdatenerhebung nicht möglich ist; die Verpflichtungen nach den Sätzen 2, 3, 5 und 7 entfallen, wenn die Nutzung einer Anwendungssoftware zur Verfügung gestellt wird, mittels der Kontaktdaten, Erhebungsdatum und -uhrzeit sowie Aufenthaltsdauer erfasst werden können und die Software für einen Zeitraum von vier Wochen eine Übermittlung an das zuständige Gesundheitsamt ermöglicht.“

– (§ 6 Abs. 1 Satz 8 Corona-Verordnung Niedersachsen v. 24.8.2021)

Dies schließt bis auf Weiteres den Einsatz der datensparsamen und IT-technisch sehr sicheren Corona-Warn-App aus, da diese keine Daten direkt an die Gesundheitsämter übermittelt. Wenn es so bleibt, dürfte dies den Machern der Luca-App weitere Lizenzeinnahmen in Millionenhöhe aus Niedersachsen bescheren.

Der Hoffnung, dass die obige Regelung ja im Prinzip auch Papier erlaube, wird in der Verordnungs-Begründung ein deutlicher Riegel vorgeschoben:

„In Satz 8 wird der Vorrang der digitalen Kontaktdatenerfassung vor  der papiergestützten Datenerfassung definiert. Grundsätzlich hat der  Verordnungsgeber die digitale Kontaktdatennachverfolgung als verbindliche Rechtsanforderung getroffen. Daraus folgt, dass die Regelanwendung die elektronische Kontaktdatenerhebung darstellt und hilfsweise, und nur in Ausnahmefällen, in Papierform erfolgen darf. Dass ein besonders gelagerter (atypischer) Fall vorliegt, der ein Abweichen von der Norm und damit vom verordnungsgebenden Willen rechtfertigt, muss dargelegt werden. Denkbar ist insbesondere, dass eine elektronische Aufzeichnung wegen technischer Probleme nicht möglich ist oder praktisch nicht umsetzbar ist.“

— (Begründung zu § 6 (1) Satz 8 Corona-VO Nds. v. 24.8.2021, S. 22)

Dies bedeutet: Ab sofort muss sich dokumentiert rechtfertigen, wer (als Veranstalter.in) Menschen über Papierlisten registriert oder (als Besucher.in) die Warnung führender IT-Sicherheitsexpert.innen vor dem hohen Missbrauchspotential zentral digital gesammelter sensibler Daten (wie Aufenthaltsort und Infektionsstatus) ernstnimmt.

Es handelt sich also um eine Art „Digitalpflicht“, nah an der Grenze zum Digitalzwang.

Noch krasser ist die Situation in Niedersachsen für „Diskotheken, Clubs, Shisha-Bars und ähnliche Einrichtungen“. Hier gab es schon seit dem 28.7.2021 einen kompletten Digitalzwang, der in der öffentlichen Diskussion offenbar ebenfalls nicht bemerkt worden ist. Der Passus findet sich nun in § 12 Abs. 1 der Corona-Verordnung:

 „Die Regelungen über die Datenerhebung und Dokumentation nach § 6 sind anzuwenden, wobei abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 8 Halbsatz 1 [s.o.]  die Kontaktdatenerhebung ausschließlich elektronisch erfolgen muss.“

— (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Corona-VO Nds. v. 24.8.2021, Hervh. v. uns)

Die Regelung wurde bereits Ende Juli eingeführt und verbietet sog. „Pen & Paper“-Registrierungen gänzlich. Die digitale Speicherung wird zur ausnahmslosen Pflicht. Kein Smartphone, kein Zutritt.

Nichts gelernt — die Heilserwartung der Landesregierung

Tatsächlich scheint die SPD-CDU-Landesregierung immer noch an dem Glaubenssatz festzuhalten, dass in der Massenlieferung rein elektronischer Daten an die Gesundheitsämter das Heil der Pandemiebekämpfung liege. Genial weil digital? Ein Trugschluss, wie sich in der Begründung der Verordnung selbst zeigt. Dort wird u.a. auf Vorfälle in Aurich verwiesen:

Aktuelle Infektionsausbruchsereignisse in Diskotheken (zum Beispiel in der Region Hannover und im Landkreis Aurich sowie der Stadt Osnabrück) zwingen zu Verschärfungen von Schutzmaßnahmen in diesen Lebensbereichen.

— (Nds. Corona ÄndVO vom 27.7.21, S. 2)

Tatsächlich gab es dort eine Masseninfektion in einem Club — welcher allerdings nach NDR-Angaben bereits eine verpflichtende Luca-Registrierung von seinen Gästen verlangte. Von den 1.100 ermittelten Kontakten hätten „nicht alle Personen ermittelt werden können, obwohl die Nutzung der Luca-App vorgeschrieben war“.

Die taz wird noch konkreter und berichtet, dass bei vielen Besuchenden die Kontaktdaten „nicht vollständig“ waren. Das Gesundheitsamt habe sich auf Anhieb nur mit 58 Personen (von 1.100) in Verbindung setzen können.

Mit „Aurich“ schreibt die Landesregierung also ausgerechnet ein ausgewiesenes Gegenbeispiel für verpflichtende digitale Kontaktdatenabgaben in ihre eigene Verordnungsbegründung.

Man glaubt offenbar trotz all der nach Ansicht von Expert.innen desaströsen Erfahrungen der Zwischenzeit an die Luca-App wie ein kleines Kind ans Christkind. Dabei stünde mit der Corona-Warn-App ein robustes und bezahltes Werkzeug bereit, das sehr schnelle Kontaktbenachrichtigung ohne Kontaktdatenweitergabe ermöglicht. Aber dessen Benutzung ist in Niedersachsen (im Gegensatz etwa zu NRW oder Sachsen) nach wie vor (zur Erfüllung von Coronaauflagen) verboten. Andere Anbieter kommen schon deshalb kaum zum Zuge, weil die Landesregierung (wahrscheinlich teils vertraglich verpflichtet) den Einsatz eines bestimmten Anbieters (der Luca-App) bewirbt und so dessen Monopolstellung weiter zementiert.

Statt diesen Missstand durch großzügigere Regelungen zu beseitigen, leistet die SPD-CDU-GroKo ohne Not der Diskriminierung von Menschen ohne elektronischen Gerätepark Vorschub. Selbst gutmeinende Menschen, die gern bereit sind, ihre Kontaktdaten aus Infektionsschutzgründen anzugeben, dies aber nicht einer von Expert.innen eher kritisch bewerteten App überlassen wollen, werden durch diese Regelung ggf. von zentralen Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen. Der hier verwirklichte Friss-oder-stirb-Ansatz verstößt völlig unnötig gegen den Kerngedanken des Datenschutzes. Und dies trotz existierender Alternativen, trotz gegenteiliger Ratschläge von Menschen, die sich damit auskennen.

Die Verwirrung, offenbare Desinformiertheit und Beratungsresistenz der Landesregierung wird auch durch folgende Nebensächlichkeit dokumentiert: Auf den offiziellen Info-Grafiken der Landesregierung zum Thema „Kontaktdaten“ findet sich (unten links) der Hinweis auf die „Luca-App, Corona-Warn-App“ als Beispiele digitaler Kontaktnachverfolgung (s. Abb.) und damit also eine App, die in Niedersachsen zu diesem Zweck gar nicht eingesetzt werden darf.

Der Chaostreff Osnabrück und die Digitalcourage Ortsgruppe Braunschweig haben die Staatskanzlei darauf auch schon bedauernd hingewiesen – bislang ohne jede Reaktion.

Mit der neuen Coronaverordnung wird dieses Fehlverstehen offenbar zementiert. Es steht symptomatisch für einen Hang der Landesregierung zu zentral überwachten und verpflichtenden, gern digitalen „Lösungen“: Daten first, Nachdenken second. Hier wäre mehr Sachverstand statt blinder Digitaleuphorie wünschenswert. Die digitale Selbstbestimmung der Menschen muss bei solchen Entscheidungen berücksichtigt werden. Der Zwang zur Nutzung einer bestimmten App muss ausgeschlossen werden. Und wer überhaupt kein digitales Endgerät benutzen möchte, sollte auch dazu das Recht haben.

Digitalcourage Ortsgruppe Braunschweig
https://digitalcourage.de/braunschweig

 

 

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Zur Bundestagswahl: Welche Haltung offenbaren (einige) Parteien zu speziellen bürgerrechtlichen Themen?

In gut drei Wochen findet die nächste Bundestagswahl statt. Anders als zum Teil zuvor haben wir die Parteien nicht (mühsam) um Stellungnahme zu bestimmten Themen gebeten sondern zu von uns ausgewählten sechs Themen oder Themengebieten in deren Wahlprogrammen nachgeschaut, ob und wie sich diese dazu äußern.

Es ging uns dabei um die folgenden, relativ willkürlich ausgesuchten Themenbegriffe bzw. -komplexe:

  • Videoüberwachung
  • Versammlungsfreiheit
  • Staatstrojaner
  • Geheimdienste
  • Vorratsdatenspeicherung
  • Polizei
  • Frontex

Wenn sich die zum Teil sehr umfangreichen und ausschweifend formulierten (und damit schlecht lesbaren und gehaltsarmen) Wahlprogramme nicht zu einem Thema äußern, so kann das bedeuten, dass den Verantwortlichen in der Partei das Thema nicht so wichtig war. Oder: Dass man sich hinsichtlich etwaigen späteren Regierungshandelns alle Optionen offen halten möchte!

Unsere Zusammentragung der Auszüge aus den Wahlprogrammen will nicht den Anspruch der Vollständigkeit oder Neutralität erheben. Möglicherweise haben wir sogar irgendwo etwas Inhaltliches übersehen, das ist dann aber unwissentlich geschehen. Jedenfalls haben wir aus zeitlichen und Haltungsgründen nur fünf Parteien zum Vergleich ausgewählt.

Hier geht es zum PDF-Dokument mit allen Auszügen.

Grobe und subjektive Zusammenfassungen zu den Themenkomplexen im Einzelnen:

Videoüberwachung

CDU ist für Videoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung, die LINKE pauschal dagegen. GRÜNE und FDP sind nicht gegen Videoüberwachung, sprechen sich aber gegen Gesichtserkennung aus, wobei die FDP dann doch irgendwie „intelligente Videoüberwachung“ nicht so schlecht findet. Die SPD will lieber gar nichts zum Thema sagen …

Versammlungsfreiheit

Für dieses fundamentale Grundrecht haben die meisten Parteien keine Partei ergriffen oder Stellung bezogen: CDU, SPD, FDP. Die GRÜNEN belassen es bei einer Phrase zur Demonstrationsfreiheit, die LINKE spricht sich gegen „allgemeine Versammlungsverbote“ aus.

Staatstrojaner

Die CDU will mehr Staatstrojaner. SPD und FDP zünden verbale Nebelkerzen und tun so, als seien sie dagegen, was der genaue Wortlaut aber jeweils nicht hergibt. Die GRÜNEN behaupten, gegen Staatstrojaner zu sein, haben auf Länderebene aber oft eine andere Politikpraxis an den Tag gelegt. Die LINKE will ein Verbot von Staatstrojanern.

Geheimdienste

Keine einzige Partei außer der LINKEN traut sich, eine Abschaffung von Geheimdiensten als Fremdkörper in einer Demokratie zu verlangen. Selbst die LINKE spricht nur von einer „perspektivischen Abschaffung“. Neben dieser wollen auch GRÜNE eine „Neuordnung/Neustrukturierung“ des Inlandgeheimdienstes („Verfassungsschutz“), die im Detail aber halbherzig und schwammig erscheint. Die FDP will Inlandsgeheimdienste mehrer Bundesländer zusammenziehen/konzentrieren und verlangt die Aufnahme des Aliierten-Trennungsgebots in das Grundgesetz, will aber nichts an der längst vonstatten gegangenen Aufweichung des Trennungsgebots ändern. Und auch CDU und SPD wollen die Geheimdienste an Mitteln, Personal und Befugnissen ausbauen.

Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung war noch vor wenigen Jahren ein Aufregerthema. Und nach wie vor will sich die SPD hierzu am liebsten gar nicht äußern und könnte im Falle der Übernahme von Regierungsverantwortung sich auf diesen Standpunkt zurückziehen, dass man sich ja nicht gegen die VDS positioniert habe. Die CDU will eine VDS auf EU-Ebene re-etablieren. GRÜNE, LINKE und FDP sind dagegen.

Polizei

Alle Parteien lassen sich sehr ausführlich zu ihrer Haltung zu Polizeien aus. Das alleine stimmt nachdenklich und ist ein markantes, besorgniserregendes Zeitzeichen. Man kann grob zusammenfassen, dass alle Parteien außer der LINKEN mehr Polizei mit mehr Befugnissen fordern und dieses fördern wollen, wenn auch im Detail mit unterschiedlicher Vehemenz. GRÜNE und FDP fordern unglaublicherweise den Ausbau von Europol zum EU-FBI, zum „Europäischen Kriminalamt“. CDU und FDP wünschen sich – ebenso bedenklich und krass – mehr Übertragung von Polizeibefugnissen an private Sicherheitsunternehmen und Einbeziehung letzterer in „staatliche Sicherheitsstrukturen“. Die CDU will das Recht auf Schleierfahndung im gesamten Bundesgebiet. Auch beim Thema Polizei ist die SPD erstaunlich schmallippig und hält sich damit faktisch alle Türen für die Realpolitik offen … Die LINKE geht am kritischten mit der Polizei um, fordert allerdings genau wie die GRÜNEN die Schaffung einer „Finanzpolizei“.

Frontex

Die SPD schweigt sich wissentlich dazu aus, die CDU will mehr Frontex und kehrt die menschenrechtlichen Skandale der EU-Grenzschutzagentur damit unter den Teppich. Die LINKE fordert deren Auflösung. GRÜNE und FDP kritisieren Frontex, wollen sie aber nicht abschaffen. Die FDP fordert dagegen sogar einen Ausbau, will aber – inhaltlich etwas unscharf – zugleich dafür sorgen, dass dieselben Grenzmilitärs, die derzeit Menschen ertrinken lassen oder sogar dazu beitragen künftig Seenotrettung betreiben sollen. Realitätsferner geht es kaum.

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Ein Leben ohne Smartphone ist möglich (Aufkleber)

Der Aufkleber ist frisch eingetroffen und ab sofort verfügbar.

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„Bitte nicht …“ – Über die Stadt Hamburg als Zwangs-Dauerwerbeveranstaltung und die Initative „Hamburg Werbefrei“ gegen diese Form der Verschandelung des öffentlichen Raums

In Hamburg hat sich – als zweite Stadt nach Berlin – eine Initiative gegen die in den letzten Jahren zumeist unbemerkt massiv ausgedehnte Werbeflächen im öffentlichen (Lebens-)Raum der Großstadt gebildet:

„Hamburg Werbefrei“

Das ist zu begrüßen, infiltrieren und belästigen diese nicht abschaltbaren und nicht ausweichbaren „Zwangsglotzen“ doch alle sich im öffentlichen Raum bewegenden Menschen, ganz unabhängig davon, wie diese der Dauerberieselung mit nicht selten zweifelhafter Werbung gegenüberstehen.

Die Initiative beschreibt ihre Absichten und sich selber wie folgt:

„Wir wollen eine ökologische, hübsche, freie, interessante, warme und menschenfreundliche Stadt.

Der öffentliche Raum und die Aufmerksamkeit von uns Menschen sollten nicht privatisiert und kommerzialisiert werden.

Das Geschäftsmodell von Firmen wie DSM/Ströer und Wall/JCDecaux, die Stadt in eine Dauerwerbesendung zu verwandeln, halten wir für grundfalsch. Außenwerbung nutzt nur wenigen großen Firmen. Sie belästigt und manipuliert Menschen durch unterbewusst wirkende Botschaften und fördert das Gefühl von Mangelhaftigkeit und bewirkt ungesundes und unnötiges Konsumverhalten.

Die Umweltschäden durch Strom- und Papierverbrauch sowie durch Lichtverschmutzung sind enorm.

Darum starten wir eine Volksinitiative und anschließend ein Volksbegehren. Zur Europawahl 2024 werden wir den Volksentscheid durchführen.

Unser Gesetzentwurf wird Außenwerbung durch Änderungen im Bauordnungsrecht und im Wegegesetz weitgehend beenden.“

Und:

„Wir sind Hamburger:innen, denen ihre Stadt am Herzen liegt. Uns bewegen Themen wie Meinungsfreiheit, Umweltschutz, Ästhetik, Architektur, Stadtplanung und Verkehrssicherheit. Wir agieren unabhängig von Parteien und Organisationen. Vorbild und Partnerin ist für uns die Initiative Berlin Werbefrei, die für ihr Anliegen bereits über 43.000 Unterschriften sammeln konnte.

Wir sehen uns als Teil einer globalen Bewegung gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, gegen allgegenwärtigen Konsumdruck, gegen den Ausverkauf unserer Gegenwart an große Unternehmen. Weg mit dem Werbescheiß – dadurch wird Hamburg schöner und einzigartiger!“

Nachfolgend (erst-)veröffentlichen wir – durchaus mit Freude und ein wenig Stolz – die so kluge wie umfangreiche Kritik am Status Quo der Zwangsbeglückung durch moderne „Stadtmöblierung“. Sie kann als Fortsetzung einer bereits hier im Februar 2021 veröffentlichten Kritik an der öffentlich bislang wenig diskutierten Vereinnahmung der Städte durch einflußreiche Werbekonzerne verstanden werden.

Wir wünschen dem folgenden, vorzüglich mit Bildern aus der Realwelt dokumentierten Gastbeitrag eine breite Leserschaft und weite Verbreitung.

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freiheitsfoo erneuert finanzielle Unterstützung von und Partnerschaft mit Tails

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50 Jahre Berufsverbote in West-Deutschland durch Radikalenerlass – Keine Rehabilitierung der Geschädigten durch das Land Niedersachsen – Stattdessen, trotz anderslautender Beteuerung, Praktizierung der „biologischen Erledigung“

Am 28. Januar 1972 erließen die Ministerpräsidenten West-Deutschlands unter dem vielfach gefeierten Willy Brandt den so genannten „Extremistenbeschluss“, auch als „Radikalenerlass“ bekannt. In dessen Folge durchwühlte der Inlandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland („Verfassungsschutz“) die Lebensläufe und die politische Aktivitäten von ca. 3,5 Millionen Menschen, führte also massenhaft „Gesinnungsprüfungen“ durch. Das Ziel: So genannte „Extremisten“ oder „Verfassungsfeinde“ (im Sinne des „Verfassungsschutzes“) sollten herausgefiltert, erfasst und deren weitere berufliche Laufbahn dann gestört werden, wenn diese im öffentlichen Dienst verlaufen sollte.

Tausende Menschen durften infolge den von ihnen gewählte und per Ausbildung oder Studium erlernte Beruf nicht ausüben, das Recht auf Ausübung der Arbeit und der Zugang zum Beamtentum wurde ihnen verweigert.

Wenig verwunderlich und nicht wirklich neu: Betroffen davon waren fast ausnahmslos nur Menschen mit einem „linken“ Weltbild. Rechtsextremisten ließ der bekanntermaßen oft rechtslastig agierende Inlandsgeheimdienst dagegen gewähren.

Der Extremistenbeschluss wirkte über den Kreis der konkret von Entlassungen und Befragungen betroffenen Menschen hinaus und hatte einen weit wirkenden repressiv wirkenden Effekt auf die damalige Gesellschaft West-Deutschlands. Und das war wohl auch seitens der geistigen Väter genau so gewollt und gewünscht.

Erst viele Jahre später wurde der Radikalenerlass aus 1972 geändert und in dieser rigiden und breit invasiv wirkenden Form abgeschafft – zwischen 1985 und 1991 änderten alle (West-)Bundesländer ihre Regelungen entsprechend um.

Doch der bis dahin angerichtete Schaden an Menschenschicksalen und der Gesellschaft insgesamt ist immens. Wenig verwundertlich, dass die Betroffenen bereits seit längerem Rehabilitierung und Entschädigung verlangen.

Das Bundesland Niedersachsen reagierte als erstes und richtete im Jahr 2016 eine Kommission „zur Aufarbeitung der Schicksale der von niedersächsischen Berufsverboten betroffenen Personen und der Möglichkeiten ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung“ ein.

Trotz dieses erfreulichen Schritts der Aufarbeitung der Geschichte tut sich die derzeitige SPD-CDU-Groko des Landes nun aber schwer, den gut gemeinten Worten wirkliche Taten folgen zu lassen:
Auf die konkrete und beharrliche Anfrage eines Betroffenen antwortete die niedersächsische Staatskanzlei zunächst über ein Jahr lang gar nicht, um dann – und das auch erst aufgrund der Nachfragen des Betroffenen – dessen Anliegen mit Verweis auf Corona und komplexer Materie das Ganze abzulehnen:

„Die für eine Entschädigung notwendige Schaffung notwendiger Gesetzesgrundlagen ist nach hiesiger Einschätzung politisch jedenfalls in dieser Legislaturperiode keinesfalls mehr realisierbar.“

Diesen Satz muss man seinem bürokratisch-diplomatisch Duktus entreissen und decodieren, um dessen Aussage und ihre Tragweite zu erfassen: Es ist nicht gewollt, die per Extremismuserlass um einen guten Teil ihrer Lebensverwirlichung betrogenen Menschen zu rehabiliteren – ganz egal, was die 2016 eingerichtete Kommission dazu bislang eruiert und bewertet hat.

Eine demokratische Bankrotterklärung von SPD und CDU in Niedersachsen. ###

Wir veröffentlichen hiermit den Aufruf „1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote – Demokratische -Grundrechte verteidigen“ der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Rechte sowie den vollständigen Briefwechsel zwischen einem vom Radialenerlass Betroffenen mit der Staatskanzlei Niedersachsens.

Wer den Aufruf zur überfälligen Aufhebung des Radikalenerlasses und für die Rehabilitierung der dadurch Gebrandmarkten unterschreiben und damit unterstützen möchte kann das online wie offline tun.

Ein Engagement gegen Berufsverbot hat über den demokratiegeschichtlichen Kontext hinaus zudem einen leider sehr aktuellen Bezug:

So hat der Innenminister Brandenburgs, Michael Stübgen von der CDU im vergangenen (Corona-)Jahr die Einführung einer dem Radikalenerlasses ähnelnden Praxis angekündigt. Dem gingen entsprechende Gedankenspiele der – aus unserer Sicht in undemokratischer weil intransparenter Weise agierenden – Innenministerkonferenz voraus (siehe bspw. Beschlüsse zu TOP 2 der IMK vom Dezember 2019, dort Seite 4). Daraus kann man ableiten, dass der brandenburgische Vorstoß dem Beginn einer neuen Welle repressiver Radikalenerlasse im gesamten Bundesgebiet gleichkommt. Einige Bundesländer liebäugeln bereits öffentlich mit dem Gedanken ähnlicher Vorgaben. Auch Nordrhein-Westfalen hat bereits 2018 eine (Achtung, Neusprech:) „Regelabfrage beim Verfassungsschutz“ eingeführt – mit dem bekanntermaßen geringen Erfolg bezüglich der Aufdeckung rechtsextremer Gruppierungen innerhalb der Polizei.

Zwar wird dieser Akt nun mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus z.B. bei „Bundeswehr“ und Polizei begründet. Doch dass nun ausgerechnet der Inlandsgeheimdienst („Verfassungsschutz“) diesen längst überfälligen Kampf gegen Rechts anführen soll, das lässt befürchten, dass auch unter den heutigen Bedingungen eher linke und antifaschistisch orientierte Menschen unter den neuen Beschlüssen leiden werden.

Die Kommentierung auf den Seiten der Berufsverbot-Betroffenen beschreibt den aktuellen Vorgang treffend (Hervorhebungen durch uns):

„Aber wir wissen aus eigener Erfahrung: Die Einschränkung von Grundrechten und die Etablierung von Gesinnungsschnüffelei dienen nicht der Demokratie, sie fügen ihr schweren Schaden zu. Solche Maßnahmen des Staates richten sich damals wie heute in erster Linie gegen eine kritische linke Opposition. Der Kampf gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze war damals und ist heute eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ausgerechnet an den sogenannten „Verfassungsschutz“ zu delegieren, kommt einem Suizid der Demokratie gleich. Dieser Geheimdienst brachte das erste NPD-Verbotsverfahren zum Scheitern, weil der neonazistischen Partei aufgrund ihrer Durchsetzung mit „V-Leuten“ „mangelnde Staatsferne“ attestiert werden musste. Auch die jetzt angekündigte „Überwachung“ der AfD durch den „Verfassungsschutz“ wird absehbar nur zu einer noch stärkeren personellen und finanziellen Beteiligung des Staates an dieser Partei führen.

Das Grundgesetz und die einschlägigen Rechtsvorschriften bieten ausreichend Möglichkeiten, Mitglieder der rechten Szene aus sensiblen Bereichen des Öffentlichen Dienstes (Polizei, Militär, Justiz, Schulen) fernzuhalten – wenn das politisch gewollt ist. Doch obwohl in den letzten Jahren immer wieder rechtsextreme Netzwerke insbesondere in Polizei und Bundeswehr öffentlich wurden, ist gerade dort von diesen Möglichkeiten kaum Gebrauch gemacht worden.

Auch juristisch bewegten sich solche Gedankenspiele auf dünnem Eis. Heute gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, mit dem verbindliche Antidiskriminierungsrichtlinien der EU umgesetzt wurden. Es würde ein in jeder Hinsicht höchst bedenklicher Präzedenzfall geschaffen.“

 

Nachfolgend nun der Aufruf zur Rehabilitation der bislang von dem Radikalenerlass Geschädigten und Verletzten:

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Kommentar: Ein neuer Panzerwagen für die niedersächsische Polizei – ein Symptom dauernder Übererregung staatlicher „Sicherheitsbehörden“

[Gastbeitrag eines Menschen mit mehr als vierzigjähriger Erfahrung in den Reihen der Polizei. Mit dieser Innenperspektive aus der Behörde heraus eine mögliche Begründung für die jüngst von uns öffentlich gemachte Neuanschaffung eines neuen Panzerwagens für die niedersächsiche Polizei.]

Eine immer schneller auf Gewalt als Mittel der Wahl setzende Polizei hat offenbar großen Bedarf sich materiell aufzurüsten. Wo Mentalität und Habitus immer weniger dem Leitbild einer zivilen Bürgerpolizei sondern immer mehr einer militärischen Logik folgen, ist der Weg zum Panzer offenbar nicht weit.

Die Militarisierung der Polizei zeigt sich schon länger in der Entwicklung ihrer organisationalen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsschemata (Habitus). Sukzessive breitet sich in den Reihen der Polizei eine Gleichgültigkeit gegenüber der Integrität des Gegenübers und vor allem gegenüber der vermuteter Straftäter*innen aus. Es greift eine starke Abgrenzung des ‚Eigenen‘ von diesen ‚Anderen‘ um sich, der ein fließender Übergang in offene Freund-Feind-Bestimmungen folgt. In der Wahrnehmung der Polizei zeigen sich ihre Reviere und die Umgebung zunehmend chaotisch. Von ihrem (Selbst-) Verständnis her patrouilliert sie in Feindgebieten, in denen sie frühzeitig und in hohem Maße machtvoll eingreifen muss, um „das Chaos“ einzudämmen.

Obwohl sie in schöner Regelmäßigkeit die Transformation sozialer Probleme in Sicherheitsprobleme beklagt, fordert sie ständig mehr Ressourcen und Befugnisse, um den selbst gestellten Aufgaben gerecht werden zu können. Materielle Aufrüstung und ständige Ausweitung ihrer Befugnisse sind insoweit der sichtbare Ausdruck ihrer Entwicklung hin zur Militarisierung – und Panzerwagen sind dann nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern aus dem Blickwinkel der Polizeiorganisation nur logische Konsequenz. Das zeigt sich gerade auch in der Reaktion des Nds. Innenministeriums, das mit kritischen Fragen zu Ursachen und Wirkungen der Anschaffung derartiger „Rüstungsgüter“ dann offenbar gar nichts anfangen kann.

Und wo immer wieder gern Amoktaten und Terrorakte zur Begründung derartiger Aufrüstung angeführt werden, kann im Sinne von Joseph Vogel (Kulturwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität) entgegnet werden, dass doch ein krasses Missverhältnis zwischen öffentlicher Aufregung und statistischer Wahrscheinlichkeit von Amoktaten und Terrorakten besteht.

Die fortgesetzte Überreaktion des Staates erklärt sich daraus, dass in Amoktaten und Terrorakten die Prophylaxen, Präventionsstrategien und Interventionstaktiken immer wieder so offensichtlich eklatant versagen. Wenn diese Taten ohne besondere Vorzeichen plötzlich im Alltäglichen hervorbrechen, zeigen sich die Sicherheitsdispositive moderner Präventionsgesellschaften nachhaltig provoziert. Verlässliche und nachvollziehbare Koordinaten der Bedrohung sind hingegen kaum auszumachen, so dass die Konzepte zur Begegnung dementsprechend im Ungewissen rühren – sich aber zugleich durch eine innere Maßlosigkeit auszeichnen. Wir erleben doch längst, dass in den Reaktionen der Fokus möglicher Sanktionen sich von wirklichen Vorfällen auf pure Möglichkeiten verschiebt – und am Ende geht es nicht mehr darum, was jemand tut oder getan hat, sondern zu welchen Taten er oder sie dereinst fähig sein könnte.

Die Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen erzeugt offenbar immer neue Sicherheitsbedürfnisse, was zur wechselseitigen Steigerung von Gefahrenwahrnehmung und Schutzverlangen führt. Terrorakte gewinnen Kontur, indem sie Präventionswälle durchbrechen und Alarmbereitschaft hintergehen. Sie versetzen die Frühwarnsysteme in dauernde Erregung und die Präventionsregimes agieren fortgesetzt als letztes Aufgebot zur Verteidigung des Inneren Friedens. Da liegen militärische Mittel (Panzer) und Optionen auf den innenpolitisch ausgerufenen Schlachtfeldern natürlich nahe.

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Rise of the Police: Polizei Niedersachsen wird heimlich mit einem neuen Polizei-Panzerwagen aufmilitarisiert – Das Innenministerium mauert zu allen Fragen dazu und schwurbelt bei Nachfragen zur Begründung für die Anschaffung herum

Juni 2021: Durch die Straßen Hannovers fährt … ein Panzerwagen mit der Aufschrift „POLIZEI“.

Mitten im Großstadtverkehr kurvt das Militärfahrzeug mit amtlichen hannoverschen Kennzeichen herum, wird von einem aufmerksamen Passanten fotografiert und löst bei uns in der Redaktion Nachfragen aus.

Der neue Polizei-Panzerwagen Niedersachsens im hannoverschen Straßenverkehr im Juni 2021

Mittels Abgleich der Fotos vom Fahrzeug mit Sammlungen von Fotos einschlägiger Polizei- und Militär-Panzerwagen wird bald klar, dass es sich bei dem Wagen um einen „Enok“ handeln muss – ein vorwiegend beim Militär eingesetzten gepanzerten Sonderfahrzeug, einst angeschafft für den Einsatz der „Bundeswehr“ im Krieg in Afghanistan.

Doch was hat dieser Panzerwagen bei der Polizei zu suchen?

Bei der weiteren Recherche stoßen wir auf eine Randnotiz in einem Beitrag aus Bayern. In der Meldung aus dem Februar 2020 heißt es, dass das Land Niedersachsen vorraussichtlich im April 2020 einen solchen „Anti-Terror-Geländewagen“ ausgeliefert bekommen soll. Doch das Niedersächsische Innenministerium hat hierzu bislang nichts verlautbart.

Wir fragen dort also nach:

  • Wie viele dieser Panzerwagen hat das Land Niedersachsen angeschafft?
  • Mit welchen (eventuell fernsteuerbaren) Waffen ist das Fahrzeug ausgerüstet?
  • Wo und in welcher Polizeieinheit ist es stationiert?
  • Gab es bereits Einsätze für dieses Fahrzeug?
  • Wie teuer war der „Enok“?
  • Warum wurde dieses Fabrikat anderen Anbietern gegenüber ausgewählt und bevorzugt – gab es überhaupt eine Ausschreibung für das Gerät?

Und schließlich:

  • Warum gab es keine Öffentlichkeitsarbeit zum Einkauf des Polizei-Panzerwagens?

Und was antwortet uns das Niedersächsische Innenministerium?

Nicht viel:

  • Es handele sich um ein „sondergeschütztes Offensivfahrzeug speziell den für urbanen Bereich“, das dem „Spezialeinsatzkommando Niedersachsen“ unterstehe.
  • Weitere Antworten gäbe es für uns nicht, denn: „Das Fahrzeug ist nach der Verschlusssachenanweisung als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.“
  • Man wolle den Panzerwagen „im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Öffentlichkeit vorstellen“.

Garniert wird die magere Antwort mit markigen Versuchen, die Anschaffung zu rechtfertigen. So schreibt uns das Innenministerium:

„Die Anzahl von Einsatzlagen, in denen Polizeikräfte gegen bewaffnete und gefährliche Gewalttäter (z. B. in politisch und/oder rechtsradikal motivierte Morden, Terroranschlägen oder Amoklagen) vorgehen müssen, steigt stetig.“

Mit dem Latein zur Rechtfertigung für den Panzerwagenkauf am Ende

Auf unsere Nachfrage, ob es für diese Behauptung statistische Belege oder tatsachenbedingte Anhaltspunkte gäbe verweist uns der Antwortende aus dem Referat 26 des Innenministeriums zwar prompt, aber ebenso plump mit dem Verweis auf eine Pressemitteilung zur Veröffentlichung der letzten Polizeilichen Kriminalstatistik, die allerdings gar keine Aussagen oder Informationen zu der Behauptung liefert.

Wir fragen also nochmals nach und bitten um Belege für die Behauptung zunehmender Terroreinsätze, die eine Anschaffung des Polizeipanzerwagens angeblich notwendig machen.

Der Sachbearbeiter ist wohl damit mit seinem Latein am Ende und kann uns offenbar keine Belege liefern – er verweist uns kommentar- und begründungslos zurück an die allgemeine Pressestelle des Innenministeriums in Hannover. Wir sollten unsere Fragen doch nunmehr dorthin richten …

… das haben wir getan, aber bis dato noch keine Antworten erhalten.

Fazit

  • Das Niedersächsische Innenministerium rüstet die Polizei Niedersachsens mit einem mutmasslich ca. 1,2 Millionen Euro teuren Panzerwagen auf, unterlässt dabei aber jegliche Aufklärung der Öffentlichkeit.
  • Fragen zu dem „Sonderwagen“ will das Ministerium weitgehend nicht beantworten und stuft den Panzerwagen selber (!) als „Verschlußsache“ ein. Eine Verschlußsache, die munter durch den öffentlichen Straßenverkehr braust.
  • Es bleibt völlig unklar, wer den Kauf dieses Fahrzeug angestoßen und zu verantworten hat und ob es im Vorfeld eine Ausschreibung gegeben hat, geschweige denn nach welchen Kritierien der Panzerwagenhersteller ausgewählt und mit dem finanzschweren Auftrag begünstigt wurde.
  • Ebenso unklar und noch vielmehr zweifelhaft ist die Notwendigkeit der (intransparenten) Aufrüstung der Polizei in dieser Form – Nachfragen dazu werden ausgesessen – von den blumigen Begründungsfloskeln bleibt substantiell – nach derzeitiger Faktenlage – nichts übrig.

Der gesamte Vorgang steht symptomatisch für die Militarisierung der Polizei bei mehr als fragwürdigen Gründen dafür. Eine öffentliche Debatte über den Sinn der technischen und gesetzgeberischen Aufrüstung der Polizei findet i.a. nicht statt. Die Heimlichtuerei bei der Anschaffung eines Panzerwagens für die Polizei Niedersachsen tut dieser Entwicklung wenig Gutes. Eine parlamentarische Aufarbeitung zu den Umständen der Anschaffung des Sonderwagens wäre vonnöten.

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Hinweis auf mündliche Verhandlung am 14.7.2021 am Verwaltungsgericht Hannover: Wie sehr darf das Landeskriminalamt Niedersachsen einer Menschenrechtsaktivistin die Auskunft über die polizeiliche Datensammlung zu ihrer Person verweigern?

Schwärzungen, hier am Beispiel des Abschlussberichts des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses im Bundestag zum Snowden-BND-Skandal aus 2017. Lesenswerte Geschichte dazu bei netzpolitik.org.

Es ist ein mühsamer Weg, herauszufinden, was Behörden wie z.B. Polizeien und Geheimdienste über Klimaschutz- und Menschenrechts-Aktivist*innen speichern. Zwar gibt es Gesetze, die Auskunftsrechte regeln, doch leider auch zahlreiche Ausnahmeregelungen, die es ermöglichen, bestimmte Speicherungen geheim zu halten und nicht mitzuteilen. Schließlich kommt noch hinzu, dass sich die Behörden mitunter nicht an die Vorgaben zur Auskunftspflicht halten oder sich gar untereinander absprechen, bestimmte Informationen den Anfragenden vorzuenthalten.

In einem aktuellen vor Gericht behandelten Fall beauskunftete das Landeskriminalamt Niedersachsen einer Aktivistin im Jahr 2018 zwar umfangreich dort vorhandene Speicherungen sensibler personenbezogener Daten. Ihre (vermeintliche!) Gruppenzugehörigkeit und ihre Kategorisierung als „politisch motivierte Straftäterin“, sämtliche Meldeadressen der letzten 20 Jahre und eine Dokumentation ihrer Beteiligung an diversen Aktionen, darunter auch solche in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die in den jeweiligen Bundesländern selbst zum Teil schon lange nicht mehr gespeichert werden. Doch es gibt auch Speicherungen, die das LKA pauschal gar nicht mitteilen will. Dagegen zog die Aktivistin vor Gericht.

„Ich hab zunächst eine sehr umfassend geschwärzte Akte vorgelegt bekommen. Als wäre es nicht schon dreist genug, was für eine enorme Datensammelwut das LKA hier bezogen auf meine Person an den Tag legt, wollen sie mir nicht einmal vollumfänglich mitteilen, was sie speichern. Das ist schon dreist“, so die Aktivistin Hanna Poddig. Zwar konnte sie mit Hilfe einer Anwältin mittlerweile einen Teil der Schwärzungen wegkämpfen, doch noch immer bleiben mutmasslich bedeutsame Aktenbestandteile verborgen.

Am kommenden Mittwoch, den 14.7.2021 um 11:00 Uhr wird vor dem Verwaltungsgericht Hannover in der Leonhardtstraße 15 in der Behandlung eines Verfahrens nun um die KLärung der Frage gehen, ob das LKA der Klägerin gegenüber vorenthalten darf, welcherart Informationen geschwärzt worden sind. Ob es sich also – beispielsweise – bei der Schwärzung personenbezogener Daten Dritter bei diesen Personen um Freund*innen/Bekannte oder um Polizeispitzel handelt – oder in welcher weiteren Form diese in der Beziehung zur Auskunftssuchenden stehen.

Die mündliche Verhandlung (Az. 10 A 3954/18) ist öffentlich.

Wir wünschen ihr reges öffentliches Interesse.

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