Mittelbare Impfpflicht: Nach 3G- und 2G-Zwängen und Nicht-Lohnfortzahlung für Ungeimpfte nun Bändchen-Kennzeichnungspflicht für Ungeimpfte an geschichtsvergessenen Universitäten

Die Diskussion um Impfungen gegen die Corona-Pandemie sind (freundlich formuliert) vielfältig und bunt – und nicht selten von Übertreibungen und Unsachlichkeiten auf allen Seiten geprägt. Es ist gut, dass umfangreich über eine etwaige Impfpflicht gegen Corona diskutiert wird, denn es gibt bei nüchterner Betrachtung gewichtige Argumente für und gegen eine solche staatlich verordnete Pflicht.

Doch ganz egal, wie man dazu steht, eine Impfpflicht im Zuge der Corona-Pandemie gibt es aktuell nicht.

Dennoch lassen sich die seit Wochen in zunehmenden Umfang eingeführten Einschränkungen für Ungeimpfte nicht anders als „Impfpflicht durch die Hintertür“ bzw. als „mittelbare Impfpflicht“ bewerten.

Ob sich ein Mensch gegen Corona impfen lassen möchte oder nicht, sollte – ja: muss – ohne bestehende Impfpflicht seine höchstpersönliche, eigene und freie Entscheidung sein und bleiben. Niemand sollte dazu gezwungen werden, über die eigene Willensbildung Auskunft erteilen zu müssen, sich zu „outen“ oder rechtfertigen zu müssen. Doch diese Grundsätze werden nun mehr und mehr ausgehöhlt.

Im Einzelnen:

3G

Wer als Ungeimpfte*r am öffentlichen Leben teilnehmen möchte (Besuch eines Restaurants, eines Schwimmbads, Fußballspiels oder einer Behörde), der wird (als Erwachsener) zukünftig nicht nur Geld für einen tagesaktuellen Test bezahlen müssen (ab 11. Oktober 2021 vermutlich zwischen 10 und 20 Euro), sondern muss zu dessen Durchführung zudem – schon jetzt – einen mitunter hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand betreiben. Spätestens durch die Abschaffung der Gratistests kann das in vielen Fällen zum faktischen Ausschluss von sozialer Teilhabe führen. Hierbei sind insbesondere besonders vulnerable Gruppen wie z.B. Arbeitslose, Student*innen, illegalisierte Menschen, Arme etc. betroffen.

2G

Noch schärfer ist die 2G-Regelung, soweit zulässig und angewandt. Und tatsächlich führen immer mehr Bundesländer nach dem Vorbild des Vorreiters Hamburg eine 2G-Regelung ein. Als Ungeimpfte*r erhält man damit nun pauschal gar keinen Zutritt mehr zu den entsprechenden Orten und Veranstaltungen. 2G heißt: „Ungeimpfte sind hier unerwünscht.“ Ein definitorischer Ausschluss von sozialer Teilhabe für all diejenigen, die sich – aus welchen zunächst erst mal rein persönlichen Gründen auch immer – nicht haben impfen lassen. Wenn nicht schon die 3G-Regelung, so halten wir mindestens die 2G-Regelung für verfassungsrechtlich unzulässig.

Keine Lohnfortzahlung für Ungeimpfte im Quarantäne-Fall

Ungeimpfte Menschen, die aufgrund eines möglicherweise noch nicht einmal von ihnen selber verschuldeten Falls einer Corona-Erkrankung oder nach der Rückkehr von einer (Dienst-)Reise in ein als Corona-Risikogebiet klassifiziertes Land in Quarantäne gehen müssen, erhalten (bundesweit ab 1. November 2021, mitunter gerne früher) keine Lohnfortzahlung, sofern sie nicht selber direkt erkrankt sind. Insbesondere Menschen mit wenig Geld wird mittels dieser repressiven Maßnahme faktisch ein Impfzwang auferlegt. Ganz offen wird dieser Zwang seitens konservativer Medien begrüßt und als „Zermürbungstaktik“ gefeiert. Es klingt wie Krieg. Gedroht wird zugleich mit weiteren Konsequenzen:

„Fehlt eigentlich nur noch, dass die Krankenkassen bei (gewollt) Ungeimpften höhere Beiträge verlangen, um die exorbitanten Kosten für die Behandlung von schweren Covid-19-Erkrankungen abzudecken. Aber selbst das wird bereits diskutiert – zumindest in der privaten Krankenversicherung. Auf die Frage, ob das alles gerecht und angemessen ist, gibt es eine klare Antwort: Ja.“

Kennzeichnungspflicht mittels Armbändchen

Dieses ist nun der aktuell letzte Negativ-Höhepunkt in der Auseinandersetzung. Einige Hochschulen (Bsp. Hochschule Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität [sic!], siehe auch beispielhafte Liste von weiteren Hochschulen) verpflichten alle Hochschul-Mitarbeiter, Studierenden und Besucher zum Tragen eines Armbändchens. Mittels unterschiedlicher Farben der Bändchen wird sofort ersichtlich, wer geimpft ist und wer nicht. Selbst wenn einige der Hochschulen (Bsp. Hannover, dort gibt es nur Bändchen für Geimpfte und Genesene) das Tragen dieser Bändchen als freiwillige Maßnahme bezeichnen, so ist auch hier klar: Geimpfte werden sich aus guten Gründen der Erleichterung des Armbändchens bedienen (müssen) und die „Freiwilligkeit“ geriert zur Pseudo- bzw. Scheinfreiwilligkeit. Studierende und Hochschulmitarbeiter*innen ohne Armbändchen oder mit andersfarbigen Bändchen stellen mittels Armbändchenpraxis die durch diese äußerlich stigmatisierte Gruppe der „Anderen“ dar. Diesen „Anderen“ kann nun leicht die Schuld für organisatorischen Mehraufwand und die andauerende Krise im allgemeinen gegeben werden. Der Weg dahin wird von den Universitäten selber geebnet, wenn die Uni Dortmund beispielhaft bereits im Vorfeld droht:

„Da die Kontrollen [derjenigen, die die TU-App zur Erleichterung der 3G-Kontrolle nicht nutzen möchten] et­was länger dauern kön­nen, kann es in diesen Fällen zu Wartezeiten kom­men.“

Und wer will heutzutage schon gerne warten?

Und was ist mit Menschen, die sich nicht impfen lassen möchten?

Ungeimpfte Menschen, die sich aus organisatorischen oder monetären Gründen keinen täglichen Test unterziehen möchten, wird die Teilnahme am Studium bzw. die Arbeit verunmöglicht. Sie werden ausgeschlossen und abgehängt. Wenn das keine mittelbare Impfpflicht ist, was dann?

Der Präsident der Universität Hannover (Leibniz-Universität-Hannover, „LUH“), Volker Epping, drückt das dann auch klar aus:

„Der Lehrbetrieb ist grundsätzlich in Präsenz durchzuführen.“

„Grundsätzlich gilt ab 1. Oktober für alle Präsenzveranstaltungen des Studienbetriebes, dass für die Teilnahme an den Veranstaltungen ein Impf-, Genesenen- oder negativer Testnachweis (3G-Nachweis) vorzulegen ist.“

„Das Betreten der Gebäude der LUH ohne Legitimation über negatives, offizielles Testergebnis, Impf- oder Genesenennachweis gilt als Hausfriedensbruch und wird strafrechtlich verfolgt.

Fazit: Geschichtsvergessenheit, Mühlenwasser und Zwangsdigitalisierung

Wenn die Universitäten nun mit Beginn des anstehenden Wintersemester mit der Umsetzung von 3G-Vorschriften bei zugleich nicht-kostenfreien Testmöglichkeiten in Kombinationen mit anlaßlosen Identitätskontrollen innerhalb der Hochschulen und mit markierenden Armbändchen-Zwang beginnen, dann zeugt diese (im Sinne des Wortes) Diskriminierung mit Blick auf die Vergangenheit Deuschlands von einer bedrückend geschichtsvergessenen Haltung der dafür Verantwortlichen. Die Dimensionen der Folgen der Zwangskennzeichnung damals und heute sind zwar (derzeit) nur schwer vergleichbar. Und doch ist es für die Betroffenen mitunter sehr belastend, verletztend und entwürdigend, sich mittels Zwang kennzeichnen und hinsichtlich einer sensiblen politischen Frage outen zu müssen. Damit trägt die Armbändchenpraxis an Hochschulen zweifellos aktiv zu einer Spaltung der Gesellschaft bei. Dies ist besonders bedrückend, da von Universitäten als Bildungsstätten mit Blick auf die Vergangenheit ein anderes Selbstverständnis erwartet werden sollte. Und zuletzt schütten sie damit auch noch reichlich Wasser auf die Mühlen all jener Impf-Kritiker*innen, die sich mangels kritischer Selbstreflektion an Geschichtsvergleichen ergötzen und solche Kennzeichnungspflichten schon seit längerem prognostiziert hatten.

Schließlich und bislang medial völlig unterbelichtet:

Wenn dann einige Universitäten wie in Dortmund auch noch damit beginnen, dieses Kontroll- und Überwachungssystem mittels eigens dafür gestrickten Apps zu etablieren und zwangsdigitalisieren zu wollen, so drohen Datenschutz- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen großen Ausmaßes.

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