Zensus 2022 – Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dann mal für anderthalb Jahren (in Teilen) abgeschafft

Volkszählung 2022 – Ihre Betroffenenrechte sind für anderthalb Jahre abgeschafft …

In wenigen Tagen, am 15. Mai, beginnt in Deutschland die nächste Volkszählung, der sog. „Zensus 2022“. Es wird die erste Volkszählung, die unter DSGVO-Regeln stattfindet. Oder zumindest und theoretisch unter diesen Regeln stattfinden könnte. Denn in Niedersachsen z.B. schließt die SPD-CDU-Groko die sog. Betroffenenrechte für den Zeitraum von anderthalb Jahren einfach mal aus:

Für die Dauer der angestrebten Ergebnisbereitstellung 18 Monate nach Zensusstichtag wird die Wahrnehmung der Betroffenenrechte nach den Artikeln 15, 16, 18 und 21 der [Datenschutzgrundverordnung] bei der Durchführung des Zensus 2022 i. S. von Artikel 89 Abs. 2 DS-GVO ausgeschlossen.“

Quelle: Runderlass des Nds. Innenministeriums vom 22.7.2021 (Hervorhebungen durch uns)

Die „Betroffenenrechte“ umfassen hier neben dem einfachen Auskunftsrecht („Was ist über mich gespeichert?“, Art. 15) auch die Rechte auf Berichtigung, Einschränkung der Verarbeitung und das Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung der auf die eigene Person bezogenen Daten (Art. 16, 18 und 21). Es handelt sich sozusagen um Datengrundrechte (evtl. auch. Persönlichkeitsrechte zur Durchsetzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung) von Menschen in der EU. Die hat eins automatisch. Außer während der Volkszählung.

… denn die Volkszählung könnte die Behörden überlasten

So weit, so schlecht. Die Begründung aber überrascht und irritiert erst recht. Die Ausübung von Betroffenenrechten könnte nämlich zu Arbeitsüberlastung der Behörden führen:

„Die Einschränkung der Betroffenenrechte bei der Durchführung des Zensus 2021 ist angesichts der angestrebten Ergebnisbereitstellung nach Stichtag [15.5.2022, d. Red.] erforderlich, weil die Geltendmachung der Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch die zügige und vollständige Erhebung der benötigten Angaben ernsthaft beeinträchtigen kann. Die interne Bearbeitung der Betroffenenrechte der Auskunftspflichtigen stellt einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand dar. Dieser Verwaltungsaufwand würde der zeitnahen Ergebnisbereitstellung widersprechen. Aus diesem Grund müssen die Rechte der Betroffenen für den Zeitraum eingeschränkt werden.“

Quelle: Entwurf zum Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Zensusgesetz 2021, S. 17

Fassen wir zusammen: Wenn Menschen ihre Rechte als Betroffene nach der DSGVO wahrnehmen, stellt dies [offenbar immer und grundsätzlich – während einer Volkszählung] einen „unzumutbaren Verwaltungsaufwand“ dar. Eine beachtliche Behauptung für eine staatliche Stelle. Daher könnte das die Datenerhebung insgesamt „ernsthaft beeinträchtigen“ und deshalb müssen die Rechte ausgeschlossen werden.

Viele Bundesländer neben Niedersachsen haben ähnlich klingende Begründungen in ihre Gesetze und Verordnungen geschrieben. Die Textbausteine scheinen dabei teils aus der gleichen Quelle zu stammen.

Müssen die das? Dürfen die das?

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Polizei Hamburg mal wieder: Unterschriftensammlung als Straftat, oder: Warum die Hamburger Polizei Nachhilfe in Sachen Versammlungsrecht bitter nötig hat

Bei der Hamburger Polizei nicht beliebt: Unterschriften sammeln gegen biometrische Massenüberwachung (Bildquelle: anna elbe)

Am Sonntag, dem 8.5.2022 haben Menschen der Hamburger Initiative anna elbe Unterschriften für die Europäische Bürger.inneninitiative „Reclaim Your Face“ gesammelt. Jedenfalls haben sie es versucht. Die Polizei störte die Unterschriftensammlung aber. Sie versucht die Sammlung nun als unerlaubte Versammlung hinzustellen und die Engagierten damit zu diskreditieren.

ReclaimYourFace richtet sich gegen biometrische Überwachung in der Öffentlichkeit und wird europaweit von vielen Grundrechtsorganisationen, insbesondere im digitalen Bereich unterstützt (siehe auch unseren Beitrag aus dem März 2021 dazu). Für eine erfolgreiche Europäische Bürger.inneninitiative werden 1 Mio. Unterschriften benötigt.

Die Aktivisti von anna elbe zogen nach eigenen Angaben zu zweit (!) vor das Stadion des Hamburger Fußballvereins `Altona93`, um diese Unterschriften zu sammeln. Dabei hätten sie, nach üblen vorherigen Erfahrungen mit der Hamburger Polizei, noch nicht einmal ein Schild hochgehalten.

Das Sammeln von Unterschriften für Europäische Bürgerinitiativen ist besonders auf Papier-Formularen sehr kompliziert, da Europäischen Behörden viele formale Anforderungen stellen, die die Durchführung so einer Bürger.inneninitiative besonders schwierig gestalten. Umso mehr Respekt verdient das Ansinnen der Hamburger.innen trotzdem Menschen zur Unterzeichnung zu bewegen.

Doch sie sollten weitere Steine in den Weg gelegt bekommen. Die bald auftauchende Polizei nahm sich heraus, die Unterschriftensammlung als Versammlung zu interpretieren, die mindestens 24 Stunden vorher hätte angekündigt werden müssen. Nun stehen die Unterschriftensammler.innen mit einer Strafanzeige wegen unerlaubter weil nicht angezeigter Versammlung da.

Die Initiative wehrt sich gegen den Vorwurf der Polizei:

„Wir haben jedoch keine Versammlung abgehalten. Wir haben Unterschriften gesammelt. Wozu wir uns spontan am Morgen entschieden hatten.“

Auf Fotos ist zu sehen, dass der „Vorwurf“ der Versammlungsbildung tatsächlich ans Lächerliche grenzt. Besonders perfide ist dabei die neuerliche Instrumentalisierung der Versammlungsfreiheit als Repressionsinstrument durch die Polizei. Die Versammlungsfreiheit ist ein besonders hochrangiges Grundrecht und die Polizei – so die Theorie – hat die Aufgabe, dessen Durchsetzung zu ermöglichen, Versammlungen also zu befördern und zu schützen. In der Praxis aber beschädigt sie es immer mehr, wenn ein Versammlungsgesetz missbräuchlich gegen friedlich und demokratisch agierende Menschen als Repressions- und Schweigemittel eingesetzt wird. Die Polizei muss erklären, was sie mit so einem vollkommen überflüssigen Machtgehabe bezwecken wollte und klarstellen, dass Unterschriftensammlungen in Hamburg künftig staatlich unbelästigt erfolgen können.

Die Behauptung, dass es sich bei der Unterschriftensammlung um eine „Versammlung“ im Sinne des Artikel 8 Grundgesetz gehandelt habe, ist offensichtlich absurd (a). Und selbst unter der Annahme, dass die Polizei das, was sie damit behauptet, selber geglaubt hat, ist der Umgang der Polizei mit der Situation schlicht fehlerhaft gewesen (b).

(a) Der Brokdorf-Beschluss vom 14.5.1985 (Herzlichen Glückwunsch zum baldigen 37.!) beschreibt Versammlungen „als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“ und ist zudem eine Ausprägung ausgeübter Meinungsfreiheit (Randnummer 61). Die Unterschriftensammlung zielt dagegen auf etwas ganz anderes ab. Und dass es im Kontakt mit Passanten und Interessierten möglicherweise zu Unterhaltungen und Diskussionen kommen kann darf den Unterschriftensammelnden nicht zulasten als Indiz für das Stattfinden einer Versammlung anheftet werden – man stelle sich nur vor, was eine derartige Interpretationspraxis zur Folge hätte: Jede private Diskussion zwischen zwei oder mehr Menschen wäre demnach eine „anzeigepflichtige“ Versammlung …

(b) Es gilt das Opportunitätsprinzip: Selbst im Glauben, bei der Unterschriftensammlung hätte es sich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt, hätte die Polizei versammlungsfreundlich reagieren müssen. Das Verbot oder die Auflösung einer Versammlung bedingt wichtiger Voraussetzungen: Das unmittelbare Bevorstehen von (oder bereits erfolgte) Gewalttätigkeiten oder der Begehung anderer bestimmter Straftaten. Oder eine ausreichend gewichtige „Störung der öffentlichen Ordnung“. Alles das war offensichtlich nicht der Fall. Somit wäre die Polizei verpflichtet gewesen, die beiden Menschen nicht nur als Versammlung zu bewerten, sondern auch als solche zu würdigen: Aufzufordern, eine.n Versammlungsleiter.in zu benennen, ggf. Auflagen zu erteilen und die Versammlung dann gewähren zu lassen, ja zu schützen! Das tat die Polizei aber alles nicht.

anna elbe beklagt ebenfalls die autoritäre Einschränkung zutiefst demokratischer Prozesse durch die Hamburger Polizei und bringt es auf den Punkt:

„Wir sehen uns in der Ausübung unserer demokratischen Rechte beschnitten und sind empört darüber, dass Menschen, die sich in den demokratischen Prozess einbringen, dermaßen von der Polizei gegängelt werden. Das ist zutiefst undemokratisch und passt zu autoritär regierten Ländern, aber doch nicht in eine Demokratie, in der laut Grundgesetz sowohl Meinungs- wie auch Versammlungsfreiheit bestehen und alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen soll. Dazu gehört auch, für eine offizielle Bürgerinitiative Unterschriften sammeln zu können, ohne dies 24 Stunden vorher anzumelden.“

Sollte die Polizeiaktion Einschüchterung zum Ziel gehabt haben, so ist sie jedenfalls grundlegend gescheitert. Eine Aktivistin ergänzt:

„Ich bin ja der Ansicht, dass diese Hinderung bei der Ausübung unserer demokratischen Rechte am besten dadurch bekämpft wird, dass wir uns davon nicht einschüchtern lassen und gesehen wird, dass wir uns gegenseitig – über Bundesländergrenzen hinaus – unterstützen.“

Bitte unterschreibt gegen biometrische Überwachung öffentlicher Räume. Jetzt erst recht. Formulare gibt es bei anna elbe oder unter https://reclaimyourface.eu.

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Zum 100. Geburtstag von Otl Aicher

Otl Aichers „Rotis Semi Sans“ – Bild von Esteboix unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz.

Otl Aicher, Gestalter, Denkender, Schaffender und Universalgelehrter und -lernender mit Rückgrat wäre heute 100 Jahre alt geworden, wäre er nicht schon 1991 nach einem Motorradunfall gestorben.

War es die letzten Jahrzehnte medial ruhig um ihn, wird er nun, da er sich nicht mehr gegen die Art und Weise seines Gedenkens wehren kann, vielfach gerühmt und gewürdigt. Erwartbar, dass die unbequemen Seiten seines Wesens in diesem Zuge unterbelichtet und untergewichtet – wenn übrerhaupt erwähnt – bleiben.

Nachfolgend ein paar kurze Auszüge aus seinem zusammen mit Josef Rommen verfassten Buch „typographie“ aus 1988,  im Verlag ernst&sohn erschienen. Otl Aicher verzichtete aus guten Gründen weitestgehend auf Großbuchstaben.

„der innenminister ist für mehr sicherheit. heute genügt es nicht mehr, verbrechen zu verurteilen und verbrecher zu bestrafen. es geht darum, bereits das umfeld zu kontrollieren, in dem verbrechen entstehen. es geht darum, personen und gruppen zu erfassen, die beim zustandekommen von verbrechen wirksam werden.

der schlüssel dazu ist eine ausweitung von beobachtung, informationsermittlung und informationsverarbeitung. die technologie der datenermittlung und datenverarbeitung drängt, ob man sie braucht oder nicht, auf den markt, auch auf den, der sich schutz der demokratie nennt.

(…)

der unbescholtene bürger hat keine angst vor seinem leumundszeugnis. sagt der innenminister. er übersieht allerdings, daß er damit auf dem weg in den überwachungsstaat ist.

die demokratische struktur zerfällt, immer mit dem argument, dem bürger zu dienen. ein wohltätiger postfaschismus entsteht mit einem umfassenden kontrollsystem. wobei allein das wertsystem des kontrollapparates und nicht das des kontrollieren, des demokratischen subjekts über die bewertung der kontrollen und die auswertung der daten entscheidet. das grundmotiv dieser hilfestellung für den bürger und seine sicherheit ist der satz: gemeinnutz geht vor eigennutz.

ließe sich die richtigkeit eines solchen satzes verifizieren, so wäre zum mindesten zu fragen: wer bestimmt, was gemeinnutz ist? der innenminister?

(…)

kann der staat überhaupt ein bild des idealen bürgers haben? woher weiß er, was der richtige bürger zu denken und zu tun hat und worin seine sicherheit besteht? ein staat besitzt keine intelligenz, höchstens interessen. und er hat so viele bürger, wie er einwohner hat. den bürger an sich gibt es nicht. er ist eine wortblase, vorzüglich geeignet, vom thema, nämlich den einzelnen bewohnern eines landes, abzulenken.

jeder bürger ist ein individuum, hat eigene vorstellungen und lebt sein eigenes leben, allein, mit anderen, in einer gesellschaft, aber immer als einzelne person, sein leben besteht aus handeln, sich verhalten, aber nicht im befolgen von gesetzen. der gesetzesgehorsam ist für ein gemeinwesen unerläßlich, er ist aber kein lebensziel. jeder bürger entwickelt sein leben selbst auf seine weise.“

Jedes Buch Otl Aichers ist lesenswert.

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Kommunikationskonzern Ströer verweigert Kommunikation, und doch kommt raus: Unlimitierte Aufrüstung für Hannover mit Riesen-Digital-Screens vereinbart, 50 Bauanträge liegen schon vor

Seit Dezember 2021 bitten wir den Medienkonzern Ströer um die Beantwortung einer Presseanfrage. Es geht darin – wie schon berichtet – um Fragen zur Ausweitung der Werbemaßnahmen im öffentlichen Raum der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover (LHH).

Die sonst professionell agierende Medien-AG (und zugleich schattenhaft agierender Influencerkonzern) will uns dazu nicht antworten und reagiert ungewöhnlich dumb:

Wir werden zunächst vertröstet, dann von Hannover an die rheinländische „zentrale Unternehmenskommunikation“ verwiesen und dort wird uns nach zwei Telefonaten mit der geduldigen und höflichen Bitte um Beantwortung unserer Anfrage bei weiteren Anrufen nun nur noch eine Handy-Mobilbox zugeschaltet. Gefühlt wurde unsere Redaktion auf eine schwarze Ströer-Liste unerwünschter Anrufer eingetragen. Unsere auf dem Anrufbeantworter des Kommunikationsprofis aufgesprochenen Bitten um Rückmeldung verhallen dementsprechend unbeantwortet. Noch nicht einmal zu einer Absage zur Bitte um Antworten kann sich der Konzern durchringen.

Was trotz alledem seitens der Pressestelle der Stadt Hannover und anderer, hier im Detail nicht weiter benennbarer Quellen rauskam:

Die Stadt Hannover hat dem Ströer-Konzern bezüglich der Ausweitung der Werbeanlagen durch Umbau von festen oder rollierenden Plakatschildern auf digitale Leinwände einen Freifahrtschein erteilt:

„Vertraglich ist keine Gesamtanzahl an Anlagen festgelegt.“

Mit anderen Worten: Ströer kann so viele der massighaft vorhandenen Groß-Werbeanlagen in Digital-Screens umbauen, wie es will. Und derzeit liegen bereits rund 50 Bauanträge dazu vor, wie uns zugetragen wurde. Auch ohne die uns gegenüber verweigerte Auskunft von Stadt und Konzern haben wir bereits knapp 20 neue oder im Bau befindliche Anlagen registriert (Liste).

Dass derlei vertraglich ungehemmte Ausweitung der Verseuchung öffentlichen Stadt-Lebensraums mit unausweichbarer Dauer-Werbe-Beflimmerung möglichst gar nicht erst öffentlich diskutiert werden soll ist nachvollziehbares Interesse der Ströer-Drahtzieher. Dass man sich dabei aber über das Recht und die Bedürfnisse der Bewohner dieser Stadt auf Erholung einfach hinwegsetzt, das ist die andere Seite der Medaille.

Bei der Forderung zu „Hannover werbefrei“ geht es um das Recht, im öffentlichen Raum unbelästigt zu bleiben und in Ruhe gelassen zu werden – es geht um ein Ende des Verkaufs von erzwungener Aufmerksamkeit von Menschen. Es geht aber weiter auch um Klimaschutz, denn jedes einzelne der neuen Riesendisplays soll angeblich so viel elektrische Energie verschwenden, wie 15 2-Personen-Haushalte. Wenn Ströer & Co. dann argumentieren, dass man doch nur regenerativ erzeugte elektrische Energie verbrauche, so versucht man damit nur abzulenken oder hat nicht verstanden, dass die Devise der Zukunft das Einsparen von Energie lauten wird. Die von den grellen Anzeigen ausgehende massive Lichtverschmutzung ist dann nur noch ein weiteres, bislang totgeschwiegenes Problem der Werbeaufrüstung.

Während das Thema in der Landeshauptstadt derzeit noch kaum Gemüter bewegt, hat sich (nach „Berlin werbefrei“) in Hamburg das Bündnis „Hamburg werbefrei“ etabliert und startklar gemacht, um mittels Gesetzentwurf und Volksinitiative eine werbeärmere und dafür lebenswertere Hansestadt zu erzielen.

Die Haltung hannoverscher Lokalpolitiker wird dem gegenüber durch folgende Ausschnitte aus einem Zeitungsbeitrag aus 2019 deutlich und soll hier weitgehend unkommentiert – weil selbstbelichtend – bleiben:

Werbung gehört seit Generationen zum Stadtbild der Landeshauptstadt Hannover und sollte daher in einem vernünftigen Maß betrieben und fortgeführt werden“, sagt Stadtsprecher Dennis Dix. Die Werbung im öffentlichen Raum leiste einen „erheblichen Beitrag“ zur Finanzierung der weitgehend kostenlosen öffentlichen Toiletten. (…) Hannovers Marketing- und Tourismuschef Hans Nolte sieht in Werbung „einen Beleg für die Kaufkraft und die Lebendigkeit einer Stadt“. Sie dürfe Menschen „nicht an jeder Ecke belästigen“. In Hannover habe man aber einen guten Kompromiss gefunden. Das sieht auch SPD-Mann Lars Kelich so. „Es gehört zum städtischen Leben dazu. Es muss ja nicht aussehen wie in Las Vegas“, sagt er. Auch aus Sicht von FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke „wird eine Stadt belebt von Werbung.“

Nur soviel dazu:

Wer Hannover kennt, gerät beileibe nicht ins Schwärmen über genügend allgemein zugängliche Toiletten. Und tatsächlich belästigt die Ströer-Werbung die Hannoveraner eben doch so gut wie „an jeder Ecke“. Wer das nicht glaubt, soll kommen und sich umsehen. Und das ist alles andere als „ein Beleg für die Lebendigkeit einer Stadt“. Wir fragen uns, wie weltentrückt ein Mensch muss, um so eine Interpretation erfinden zu können geschweige denn diese öffentlich zu äußern und zu vertreten zu wagen …

Redaktionelle Anmerkung zum Schluss:

Die von Ströer selbst bereitgestellte, beeindruckende Kartenübersicht über die Positionen aller Werbeanlagen in Hannover ist nach der Verlinkung in einem Beitrag von uns vom Januar 2021 leider offline geschaltet worden … damals waren es rund 4.600 Ströer-Werbeanlagen alleine in der Stadt Hannover (ohne die Region!), die dort aufgeführt waren.

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(Nichts) Neues zum Tod eines Menschen bei Hannover nach Taser-Einsatz durch die Polizei, keine Taser für die niedersächsische Streifenpolizei, Fortschreibung der Mär vom „nicht-tödlichen“ Elektroschocker und eine geheime bundesweite Auswertung polizeilicher Taser-Einsätze

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Schmerzen eines „getaserten“ Menschen

Am 1.10.2021 gab es in Garbsen nahe bei Hannover einen Polizeieinsatz. Ein so genanntes „SonderSpezialeinsatzkommando“ (SEK) setzte dabei eine Taser-Elektroschock-Pistole ein. Der Mann, der in dem Zuge „überwältigt“ wurde verstarb kurz darauf in ärztlicher Behandlung.

Die Polizei hatte den Einsatz des Tasers der Presse und Öffentlichkeit gegenüber zunächst verschwiegen.

Wir hatten dazu nachrecherchiert und im Oktober 2021 darüber berichtetauch darüber, dass das Innenministerium Niedersachsens dazu mauerte und viele Fragen zum Vorfall aber auch zum Einsatz von Taserwaffen bei der Polizei insgesamt aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht beantworten wollte.

Nicht alle, aber einige unserer Fragen hat dann freundlicherweise die Landtagsfraktion der Bündnis90/Grünen aufgegriffen uns als Kleine Anfrage in den Landtag eingebracht – die Antworten dazu liegen inzwischen vor.

Und? Was kam gehaltlich dabei heraus?

Knapp zusammengefasst, bewertet und kommentiert:

1. Zum nach einem Tasereinsatz gestorbenen Menschen
2. Zum Einsatz von Tasern bei der niedersächsischen Streifenpolizei
3. Nichts gelernt: Taser als angeblich „nicht letale“ Waffe
4. Taser-Statistiken für Niedersachsen
5. Geheime bundesweite Auswertung polizeilicher Taser-Einsätze
6. Fazit

Im Einzelnen:

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Kurz vor dem Stichtag der Volkszählung 2022 („Zensus 2022“): Trügerischer Schein der Reibungslosigkeit

Wie auch schon zur letzten Volkszählung 2011 klaffen die Verlautbarungen der eigens zur Volkszählung eingerichteten PR-Stelle mit der Wirklichkeit zumindest in Teilen weit auseinander.

 

Eine „eher schwierigere“ „Rekrutierung“ von „Erhebungsbeautragten“

Aus dem frisch erschienenen „Newsletter“ des Zensus vom 4.4.2022 (Hervorhebungen durch uns):

„Wenige Wochen vor dem Zensus-Stichtag haben die örtlichen Erhebungsstellen in Deutschland ihre Arbeit aufgenommen. Die örtlichen Erhebungsstellen sind für die Durchführung der Befragungen zur Personener­hebung zuständig. (…) Zu den Aufgaben der Erhebungsstellen zählen die Akquise von Erhebungsbeauftragten, deren Schulung sowie die Einteilung und Zuweisung der zu erhebenden Bezirke auf die einzelnen Erhebungsbeauftragten. (…) IT-Verfahren und Online-Formulare erhalten derzeit den letzten Schliff, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden rekrutiert und in ihren Aufgaben für den Zensus geschult und Erhebungsunterlagen werden gedruckt, um pünkt­lich ab Stichtag 15. Mai 2022 die Feldphase starten zu können. Ab diesem Zeitpunkt werden im gesamten Bundesgebiet über 100 000 Erhebungsbeauftragte durch die Kommu­nen eingesetzt.“

Kein Wort von aktuellen Problemen mit der „Akquise“ bzw. „Rekrutierung“ von 100.000 Menschen, die die Befragungen durchführen sollen.

Dagegen heißt es bspw. in einem an verschiedene Behörden und Unternehmen versandten Brief des Landrats des Landkreises Hildesheim aus dem März 2022 (Hervorhebungen durch uns):

„Dem Landkreis Hildesheim fällt die Aufgabe zu, in seinem Gebiet zum Zensus 2022 die erforderlichen Daten im Rahmen des Zensus 2022 zu erheben. Dazu bedarf es sog. Erhebungsbeauftragter die vor Ort tätig werden. Die zu gewinnen gestaltet sich zur Zeit eher schwierig. Daher wende ich mich an Sie mit der Bitte um Unterstützung. Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie in Ihrem Haus unter Ihren Mitarbeiter*innen für diese ehrenamtliche Aufgabe werben könnten. Einen entsprechenden Text habe ich diesem Schreiben beigefügt. Herzlichen Dank für Ihre Hilfe und alles Gute für Sie. Ihr Landrat.“

 

Vorbefragungen: 28% verweigern die Antwort

Ähnlich interessant die folgende Passage aus dem frischen Zensus-Newsletter:

„Eine weitere wichtige Maßnahme der Vorbefragung war die Umsetzung der Online-First Strategie. Möglichst viele Meldungen sollten also über den Online-Fragebogen ein­ gehen. Um dieses nachhaltige und ressourcenschonen­de Ziel zu erreichen, legte die Mehrheit der Statistischen Landesämter den Papierfragebogen erst dem Erinnerungsschreiben bei oder verzichtete ganz darauf. Der Rücklauf betrug bundesweit etwa 72 %. Die Rückmel­dungen zeigen, dass der Online-Fragebogen sehr gut angenommen wurde: Insgesamt haben mehr als drei Viertel aller Befragten online gemeldet. Die Online-Quote war besonders hoch, wenn beim ersten Versand kein Papier­fragebogen beigelegt wurde. Diese wichtige Erkennt­nis fließt in die Umsetzung der Hauptbefragung ein: Um bei der Hauptbefragung der Gebäude- und Wohnungs­zählung 2022 eine hohe Online-Quote zu erhalten, erfolgt der erste Versand der Anschreiben zum Stichtag 15. Mai 2022 ohne Papierfragebogen.

Es wirkt unehrlich, wenn „Nachhaltigeit und Ressourcenschonung“ als Grund dafür vorgeschoben wird, die Menschen mittels des Tricks zunächst nicht beigelegter Papierfragebögen dazu zu bewegen/anzutreiben, die Fragen online zu beantworten. Es geht wohl eher darum, den Statistikern und „Erhebungsbeauftragten“ die Arbeit zu erleichtern und Geld zu sparen.

Und man könnte es aus anderer Perspektive auch als ermutigendes Zeichen anerkennen, dass immerhin mehr als ein Viertel aller im Zuge der Vorbefragungen angeschriebenen Menschen selbst nach Zusendung eines zweiten Schreibens inklusive Papierfragebogens weder online noch offline dazu bereit gewesen sind, diese Fragen zu beantworten.

 

Rückblick und Kritikpunkte

Über den Zensus 2022 (vormals: Zensus 2021) berichten wir bereits seit 2017 in loser Folge und versuchen schon seit 2015 ein wenig mehr Licht in das sonst weitgehend unbehandelte Thema zu bringen. Der Hintergrund dafür sind die Erfahrungen aus der Volkszählung 2011 – damals noch im Zusammenhang mit dem damaligen AK Zensus und mit Unterstützung des AK Vorratsdatenspeicherung (siehe das umfangreiche Wiki dort). Die Berichterstattung zur öffentlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum Zensus 2011 vom 25.10.2017 (siehe hier und noch viel ausführlicher hier) ist dabei ein wichtiger Baustein gewesen – denn die intensive Betrachtung der Verhandlung und die Verhandlungsführung warfen bereits Schatten auf die laufende, sich auf den Stichtag des 15. Mai 2022 beziehende Datenerhebung und -verarbeitung voraus.

Derweil bleibt die ausführliche Kritik am System des „Zensus“ nach wie vor aktuell und so verweisen wir der Einfachheit dazu einfach auf die ausführlichen Texte und Argumentationen zum Zensus 2011. Beispielhaft seien die Volkszählungsfibel 2011, die lose Sammlung von Kritikpunkten im Wiki des AK Vorrat oder ein ebenso altes Aufklärungs-Video genannt. Auch die Folien eines in 2010 und 2011 häufiger gehaltenen Vortrags können einen guten Einstieg in das Thema bieten (als Bild- oder odp-Datei verfügbar). Für Freunde des Podcasts ist die Folge 5 der 6teiligen Podcastreihe zur Volkszählung 2011 hörenswert, die sich eben insbesondere mit der Kritik daran beschäftigt.

 

Der Ukraine-Krieg, der Zensus und die Grundsorge der Statistiker

Derweil versucht die Presseabteilung zum Zensus, die Angst davor zu nehmen, mehr oder weniger offiziell untergebrachte Kriegsflüchtlinge zu melden. Es heißt im aktuellen Newsletter dazu (Hervorhebungen durch uns):

Grundsätzlich gilt, dass für den Zensus 2022 alle Per­sonen erfasst werden müssen, die am Stichtag melde­pflichtig an einer Anschrift wohnhaft sind. Zu zählen sind alle Personen, die meldepflichtig sind – unabhängig da­von, ob sie sich tatsächlich gemeldet haben. Prinzipiell sind alle Personen an ihrem Wohnort meldepflichtig, es gibt jedoch einige Ausnahmen von der Meldepflicht, u. a. eben für Personen aus dem Ausland. Sie dürfen bis zu drei Monate in Deutschland wohnen, ohne sich ­anzu­melden. Dies gilt auch für Geflüchtete aus der Ukraine.

Zynisch ausgedrückt: Die Statistiker*innen sind einigermaßen froh, dass Putin bzw. der russische Machtapparat den Krieg gegen die Ukraine nicht schon einen Monat früher vom Zaun gebrochen hat. Dann nämlich würden einige der vor dem Krieg Geflüchteten nicht mehr unter die genannte Ausnahmeregelung fallen und die Arbeit der Zahlentechniker erschweren oder deren Sorge vor unehrlichen Antworten nähren.

Denn das ist eine der größten Sorgen der Mathematiker*innen: Unehrliche oder fahrlässig falsche/ungenaue Antworten der Befragten aus Mangel an Vertrauen in das Zensus-System und die nur angeblich sichere IT-Zensus-Umgebung. Beispielsweise aus Sorge der Befragten und zur Antwort Gezwungenen davor, dass deren ehrliche Angaben z.B. über die Anzahl und Identität der Mitbewohner*innen anders als verfassungsrechtlich vorgegeben keine negativen Konsequenzen nach sich ziehen werden (Stichpunkt „Rückspielverbot“).

 

Ausblick

Screenshot aus einem offiziellen Kino-Werbespot für den „Zensus 2011“. Mit Blick auf die heutige Wirklichkeit der Wohnungsnot für viele Menschen und den krebsartig wuchernden Immobilien-Kapitalismus sehr ernüchternd …

Wohl erst mit dem Eintreffen der Anschreiben zur Aufforderung der Beantwortung der Fragenkataloge bzw. mit dem Erscheinen der „Erhebungsbeauftragten“ wird das Thema „Zensus 2022“ eine breitere Schicht an Menschen zu interessieren beginnen. Die PR-Abteilung der Zensus-Betreiber wird versuchen, etwa aufkommende Kritik oder Verweigerungshaltungen mittels ihrer „Dialogkampagne“ einzudämmen. Vermutlich nicht ganz ohne Erfolg.

Doch was immer dann noch kommt oder auch nicht kommt:

Das Versprechen, mittels genauerer Zahlen eine bessere, gerechtere und schönere Welt dank besserer politischer Steuerung zu erzielen wird in 2022 wie schon 2011 nichts anderes als eine Illusion bleiben.

Auf manche wirken die Begründungs- und Beteuerungsreden der Statistiker und Politiker daher wie der fortgesetzte Versuch des Reitens eines toten Pferdes.

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In eigener Sache – die bessere Alternative zu Twitter: freiheitsfoo nun im Mastodon-Fediverse

Seit heute senden wir Hinweise zu unseren Neuigkeiten nicht nur auf Twitter, sondern auch via Mastodon:

https://hannover.social/@freiheitsfoo

Hoffentlich das Anfang vom Ende des mit Abhängigkeiten und Intransparenz beladenen Twitter-Kommerzes.

Ein großes Dankeschön an die engagierten Macher von hannover.social!

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Offener Brief gegen Bundeswehr-Werbung auf dem Katholikentag 2022 in Stuttgart!

Zur Klärung: Dieser Offene Brief wurde lange vor dem Ukraine-Krieg initiiert. Aber hat vor dem aktuellen Hintergrund nichts an Wichtigkeit und Berechtigung verloren.

An die Leitung des 102. Deutschen Katholikentages
und an die Medien

Offener Brief gegen Bundeswehr-Werbung auf dem Katholikentag 2022 in Stuttgart!

Wir befürchten, dass die Bundeswehr – wie auf vergangenen Katholikentagen – auch auf dem Katholikentag 2022 wieder Image-Werbung und Kontaktpflege betreiben wird. Ein Problem sehen wir vor allem in dem traditionellen Militär-Katholikentags-Gottesdienst, denn durch solche Gottesdienste wird das Militär insgesamt gesegnet und aufgewertet. (s. Anm.1)

Der Katholikentag 2022 steht unter dem Motto „Leben teilen“. Sankt Martin ist bis heute ein Vorbild für dieses Motto. Er ist auch der Diözesanheilige des Bistums, in dem der Katholikentag stattfindet. Oft wird jedoch vergessen, dass Sankt Martin – als er Christ wurde – nicht länger Soldat sein wollte. (s. Anm.2) Er steht damit in der Nachfolge Jesu, der militärische Gewalt abgelehnt hat. In dieser Tradition lehnt auch Papst Franziskus militärische Gewalt ab. Er wirbt für aktive Gewaltfreiheit. (s. Anm.3)

Auch der gescheiterte Afghanistan-Einsatz hat gezeigt, dass militärische Gewalt keine Lösung ist. Militärische Aufrüstung und Abschreckung sind nicht der richtige Weg zum Frieden!

Unsere Bitte: Lassen Sie nicht zu, dass die Bundeswehr auf dem Katholikentag Image-Werbung und Kontaktpflege betreibt! (s. Anm.4) Lassen Sie im Rahmen des Katholikentages keinen Militär-Gottesdienst zu!

Wichtig: Unser Protest richtet sich nicht gegen Personen, auch nicht gegen Soldat*innen als Privatpersonen, sondern gegen einen Missstand!

Unterstützt wird dieser Offene Brief von folgenden Organisationen und Gruppen:

1. pax christi Diözesanverband Bamberg
2. pax christi Diözesanverband Würzburg
3. AG Steuern zu Pflugscharen im Netzwerk Friedenssteuer
4. Antimilitaristische Aktion Berlin (amab)
5. Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Ev. Kirche der Pfalz
6. Augsburger Friedensinitiative (AFI)
7. AWC Deutschland e. V., Weltbürgerinnen und Weltbürger
8. Bremer Friedensforum
9. Bund für Soziale Verteidigung e.V.
10. LINKE Christ*innen – DIE LINKE, Bundesarbeitsgemeinschaft und die Landesarbeitsgemeinschaft Bayern
11. Bürgerinitiative OFFENe HEIDe
12. Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen, DFG-VK, der Bundesverband sowie die Gruppen Karlsruhe und Erlangen / Region Oberfranken
13. Ellwanger Mahnwache, Aktionsbündnis
14. Frauen wagen Frieden (Ev. Kirche der Pfalz)
15. Frauennetzwerk für Frieden e.V. (s. Anm.5)
16. Friedensinitiative Hersfeld-Rotenburg
17. Friedensinitiative Reichenbach im Vogtland
18. Friedensinitiative Westpfalz e.V. (FIW)
19. Friedensmuseum Nürnberg e.V.
20. Friedenspädagogischer Runder Tisch Freiburg „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden“
21. FriedensPlenum Iserlohn
22. Friedensregion Bodensee e.V.
23. Friedenstreff Rüsselsheim und Umgebung
24. Fürther Friedensforum
25. Göttinger Friedensforum (s. Anm.5)
26. Gruppe „Friedensbewegt Ulm“
27. Gruppe freiheitsfoo, Hannover (s. Anm.5)
28. Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.
29. Heilbronner Friedensrat
30. Informationsstelle Militarisierung Tübingen, IMI
31. Initiative Musiker*innen gegen Militärmusikkorps
32. Initiativkreis Frieden in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (IKF)
33. Institut für Theologie und Politik, Münster
34. Internationale der Kriegsdienstgegner*innen, IDK e.V.
35. Internationaler Versöhnungsbund – Deutscher Zweig, Regionalgruppe Bonn-Rhein-Sieg
36. Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V., Gammertingen
37. Martin-Niemöller-Stiftung
38. Offene Arbeit des Kirchenkreises Erfurt
39. Ohne Rüstung Leben e.V.
40. Ökumenische Initiative zur Abschaffung bzw. Reform der Militärseelsorge
41. Ökumenisches Institut für Friedenstheologie
42. Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar
43. Ortsgruppe Schwerin der Sammlungsbewegung Aufstehen
44. Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)
45. Pusdorfer Friedensgruppe, Bremen
46. Regionales Friedensbündnis Ostalb
47. Rostocker Friedensbündnis
48. terre des hommes Deutschland e.V.
49. Trägerkreis Rüstungskonversion Jena

Einzelne Unterstützer*innen:

1. Matthias Gürtler, DDR-Friedenspfarrer i.R.
2. Eberhard L. Müller, Ingenieur, Diakon
3. Ellena Hüther, Pädagogin, Berlin
4. Klaus Friedrich, Friedrichshafen

Kontakt für organisatorische Fragen (R. Schmid, Sekretariat):
kirche-ohne-militaer@dfg-vk.de

Kontakte für inhaltliche Fragen:
Dipl.-Theol. Peter Bürger, Mitglied bei pax christi und im OekIF: peter@friedensbilder.de, Dr. theol. Julia Lis, aktiv im ITP Münster: lis@itpol.de, Dr. theol. Michael Ramminger, aktiv im ITP Münster: ramminger@itpol.de und Reinhard Muth, Mitglied bei pax christi und im Friedensnetz BaWü: r.muth-ah@online.de

Anmerkungen

(1.) Bei Katholikentags-Militär-Gottesdiensten spielt in der Regel ein Militärmusikkorps, die Militärpolizei bewacht den Eingang, hohe Militärvertreter*innen nehmen teil, und Militärgeistliche werben um Verständnis für Auslandseinsätze. Unklar ist noch, wie man den Militär-Katholikentags-Gottesdienst 2022 nennen wird, vielleicht „Friedensgebet“? Oder „Bittgottesdienst für den Frieden“?
(2.) Sankt Martin ist der „Diözesanheilige“ des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Literatur: „Es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen – St. Martin: Mantelteiler. Kriegsdienstverweigerer. Friedensstifter.“ Herausgeber: pax christi Rottenburg-Stuttgart, St. Martinus-Gemeinschaft und RPI-Stuttgart, Din A4, 157 Seiten, Rottenburg 2021.
Aus der Legenda Aurea, übersetzt aus dem Lateinischen: „Zu den Zeiten fielen die Barbaren in Gallien ein; da zog der Kaiser Julian gegen sie in den Krieg, und gab seinen Rittern großen Lohn. Martin aber wollte nicht kämpfen, und wollte das Geld (den Lohn) nicht empfangen, sondern sprach zu dem Kaiser `Ich bin ein Ritter Christi, darum ziemt mir nicht zu kämpfen´. Da sprach Julian voll Unmuts, er (d.h. Sankt Martin) verweigere den Dienst nicht wegen seines Glaubens, sondern aus Furcht vor dem drohenden Kriege. Da antwortete ihm Martin mit unverzagtem Sinn: `Misst man dies meiner Feigheit zu und nicht meinem Glauben, so will ich mich morgen ohne Waffen vor das Heer stellen, und mit dem Kreuz allein statt Schild und Helm beschirmt im Namen Christi unversehrt durch die Scharen der Feinde brechen´…
(3.) Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus zur Feier des Weltfriedenstages, 1. Jan. 2017: „Möge die Gewaltfreiheit von der Ebene des lokalen Alltags bis zur Ebene der Weltordnung der kennzeichnende Stil unserer Entscheidungen, unserer Beziehungen, unseres Handelns und der Politik in allen ihren Formen sein.“
Ebenda: „Auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren führt bestenfalls zu Zwangsmigrationen und ungeheuren Leiden, denn große Mengen an Ressourcen werden für militärische Zwecke bestimmt und den täglichen Bedürfnissen der Jugendlichen, der Familien in Not, der alten Menschen, der Kranken, der großen Mehrheit der Erdenbewohner entzogen.“
Papst Franziskus, Enzyklika Fratelli Tutti (Okt. 2020), 258: „So entscheidet man sich dann leicht zum Krieg unter allen möglichen angeblich humanitären, defensiven oder präventiven Vorwänden, einschließlich der Manipulation von Informationen. In der Tat gaben in den letzten Jahrzehnten alle Kriege vor, `gerechtfertigt´ zu sein. Der Katechismus der Katholischen Kirche spricht von der Möglichkeit einer legitimen Verteidigung mit militärischer Gewalt, was den Nachweis voraussetzt, dass einige `strenge Bedingungen´ gegeben sind, unter denen diese Entscheidung `sittlich vertretbar´ ist. Aber es ist leicht, in eine allzu weite Auslegung dieses möglichen Rechts zu verfallen. Dann will man selbst `präventive´ Angriffe oder kriegerische Handlungen unzulässigerweise rechtfertigen, bei denen sich kaum `Schäden und Wirren´, `die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel´, vermeiden lassen… Deshalb können wir den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten, denn die Risiken werden wahrscheinlich immer den hypothetischen Nutzen, der ihm zugeschrieben wurde, überwiegen. Angesichts dieser Tatsache ist es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell `gerechten Krieg´ zu sprechen. Nie wieder Krieg!“
(4.) Die Bundeswehr ist traditionell auf dem Katholikentag präsent (a.) durch den Militär-Gottesdienst, (b.) durch Bundeswehr-Vertreter*innen auf der „Kirchenmeile“ und (c.) bei Podiumsdiskussionen. Unsere Meinung: Dialog ist gut, aber die starke Bundeswehr-Präsenz auf dem Katholikentag geht über Dialog weit hinaus in den Bereich von Image-Werbung, Kontaktpflege und Militär-Rechtfertigung.
(5.) Alle Organisationen und Gruppen, die unter diesem Offenen Brief stehen, unterstützen die Forderungen. Aber manche dieser Organisationen und Gruppen sind – laut den eigenen Grundsätzen – an keine Religion gebunden und können deshalb die christlichen Argumente des Briefes nicht teilen.
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Ab sofort auf Lager und kostenfrei zu haben: „BITTE KEINE WERBUNG!“-Klebebänder

Wir haben bereits des öfteren über die grassierende Verschmutzung des öffentlichen Raums durch aufdringliche, unausweichliche und mannigfaltige Werbeplakate, -banner, -displays und neuerdings vermehrt energiefressende Mega-Bildschirmen inklusive nur vermeintlich unpolitischer Botschaften berichtet. [Beispiele? Hier: 1/2/3/4]

Nun bieten wir allen, die ihren Unmut über diese Form der Umwelt- und Lebensverschmutzung zum Ausdruck bringen wollen ein frisch für uns gedrucktes Klebeband an.

Darauf steht:

„BITTE KEINE WERBUNG!“

Es handelt sich um ein Papierklebeband mit umweltverträglichen Klebemittel, 50 mm breit und je Rolle 50 m lang. (Verarbeitungshinweise)

Diese Rollen können kostenfrei von uns angefordert werden – einfach eine Mail an das freiheitsfoo und darin mitteilen, wie viele der Rollen an welche Postanschrift versendet werden sollen.

Die Anwendungsmöglichkeiten für das Klebeband sind vielfältig.

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Bundesverfassungsgericht: Verfassungsbeschwerde zur Volkszählung 2022 (Zensus 2022) nicht zur Entscheidung angenommen

Wir veröffentlichen hiermit den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu der seit August 2019 anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen eine umfangreiche, nicht anonymisierte Meldedaten-Zusammenziehung im Zuge der inzwischen auf dieses Jahr 2022 verschobenen Volkszählung („Zensus“) [1].

Die Karlsruher Richter*innen bleiben mit der Begründung der unanfechtbaren Entscheidung schmallippig und inhaltlich fragwürdig:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da sie unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde mangels Beschreitens des fachgerichtlichen Rechtswegs unzulässig ist. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.“

Hintergrund

Die fünf Beschwerdeführer hatten sich, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), im Januar 2019 gegen den § 9a des Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 mit einem Eilantrag an das BVerfG gewendet [2].

Mittels dieses im Dezember 2018 kurzfristig vom Bundestag hinzugefügten Paragraphen wurde die Zusammenziehung umfangreicher Meldedatensätze aller Einwohner Deutschlands am zum Stichtag 13. Januar 2019 beschlossen und genehmigt. Die sensible Zusammenziehung und Zusammenfügung der Daten wurde lediglich mit dem Test der für den Zensus erarbeiteten Software-Komponenten begründet. Dieses Vorgehen widerspricht nach Auffassung der Beschwerdeführer grundsätzlich von den Anforderungen an Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeit, insbesondere, da es sich nur um einen Test der Software handeln sollte.

Per Eilentscheid des BVerfG im Januar 2019 wurde der Antrag jedoch zurückgewiesen und damit zunächst die Rechtsstaatlichkeit der Zensusvorbereitung bestätigt. Die Richter und Richterinnen des BVerfG hatten in ihrem Eilentscheid ungewöhnlich offen mitgeteilt, dass sie die Skepsis teilen und (implizit) die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde angeregt.

Die fünf Beschwerdeführer legten zusammen mit der GFF im August 2019 eine ausführlich begründete Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 ein. Sie prangerten ihre Grundrechtsverstöße durch die Erstellung einer solchen vollständigen und nicht anonymisierten Einwohner-Datenbank der BRD an. Dass solch eine nicht anonymisierte Einwohner-Datenbank mehr als heikel ist und ein lohnenswertes Ziel für Datenräuber darstellt beweist der erfolgreiche Angriff auf die Infrastruktur der Zensus-IT in 2021 [3].

Diese Risiken und die Frage der Verhältnismäßigkeit der Volkszählungs-Maßnahmen wollen die Karlsruher Richter nun nicht weiter beleuchten und verhandeln und verweisen in der dürren Ablehnung der Verfassungsbeschwerde vom 20.1.2022 auf das Subsidiaritäts-Prinzip. Man wirft den Beschwerdeführern also vor, sich mit ihrer Beschwerde nicht erst an niederrangigere Gerichte gewendet zu haben.

Fragwürdige Begründung

Diese Ablehnungsbegründung ist mindestens merkwürdig, wenn nicht fragwürdig.

Zum einen hatten die Richter in ihrer vorausgegangenen Ablehnung [5] zum Eilantrag [4] zur Verfassungsbeschwerde selber mitgeteilt, dass …

„… diese Fragen näherer Aufklärung bedürfen und vorliegend nicht in der für das Eilverfahren gebotenen Kürze der Zeit geklärt werden können.“

So etwas kann als offensichtliche Aufforderung zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde interpretiert werden, wie sie dann auch erfolgte.

Zum anderen hat das Gericht noch Ende 2021 den federführenden Anwalt der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, das Festhalten an der Verfassungsbeschwerde zu begründen, nachdem der Zensus – mit dankbarem Verweis auf Corona [6] – um ein Jahr verschoben wurde.

Mit Blick auf die jetzt vorgetragene Begründung zur Ablehnung der Beschwerde hätte sich diese Nachfrage als obsolet, ja als unsinnig erwiesen.

Da der Bescheid aus Karlsruhe unanfechtbar ist wird die jetzige Volkszählung (und auch alle folgenden) von den erhobenen Bedenken unberührt fortgesetzt und durchgeführt werden können.

Einen öffentlichen Diskurs zur Hinterfragung der Notwendigkeit und des Umfangs (auch der Kosten) des Zensus gibt es nicht. Derweil versuchen die dafür verantwortlichen Stellen diesen auch gar nicht erst entstehen zu lassen und vermeiden in vorgefertigten Textbausteinen zu Medienberichten über den Zensus ebendieses Wort so weit wie irgend möglich [7].

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