In eigener Sache – die bessere Alternative zu Twitter: freiheitsfoo nun im Mastodon-Fediverse

Seit heute senden wir Hinweise zu unseren Neuigkeiten nicht nur auf Twitter, sondern auch via Mastodon:

https://hannover.social/@freiheitsfoo

Hoffentlich das Anfang vom Ende des mit Abhängigkeiten und Intransparenz beladenen Twitter-Kommerzes.

Ein großes Dankeschön an die engagierten Macher von hannover.social!

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Offener Brief gegen Bundeswehr-Werbung auf dem Katholikentag 2022 in Stuttgart!

Zur Klärung: Dieser Offene Brief wurde lange vor dem Ukraine-Krieg initiiert. Aber hat vor dem aktuellen Hintergrund nichts an Wichtigkeit und Berechtigung verloren.

An die Leitung des 102. Deutschen Katholikentages
und an die Medien

Offener Brief gegen Bundeswehr-Werbung auf dem Katholikentag 2022 in Stuttgart!

Wir befürchten, dass die Bundeswehr – wie auf vergangenen Katholikentagen – auch auf dem Katholikentag 2022 wieder Image-Werbung und Kontaktpflege betreiben wird. Ein Problem sehen wir vor allem in dem traditionellen Militär-Katholikentags-Gottesdienst, denn durch solche Gottesdienste wird das Militär insgesamt gesegnet und aufgewertet. (s. Anm.1)

Der Katholikentag 2022 steht unter dem Motto „Leben teilen“. Sankt Martin ist bis heute ein Vorbild für dieses Motto. Er ist auch der Diözesanheilige des Bistums, in dem der Katholikentag stattfindet. Oft wird jedoch vergessen, dass Sankt Martin – als er Christ wurde – nicht länger Soldat sein wollte. (s. Anm.2) Er steht damit in der Nachfolge Jesu, der militärische Gewalt abgelehnt hat. In dieser Tradition lehnt auch Papst Franziskus militärische Gewalt ab. Er wirbt für aktive Gewaltfreiheit. (s. Anm.3)

Auch der gescheiterte Afghanistan-Einsatz hat gezeigt, dass militärische Gewalt keine Lösung ist. Militärische Aufrüstung und Abschreckung sind nicht der richtige Weg zum Frieden!

Unsere Bitte: Lassen Sie nicht zu, dass die Bundeswehr auf dem Katholikentag Image-Werbung und Kontaktpflege betreibt! (s. Anm.4) Lassen Sie im Rahmen des Katholikentages keinen Militär-Gottesdienst zu!

Wichtig: Unser Protest richtet sich nicht gegen Personen, auch nicht gegen Soldat*innen als Privatpersonen, sondern gegen einen Missstand!

Unterstützt wird dieser Offene Brief von folgenden Organisationen und Gruppen:

1. pax christi Diözesanverband Bamberg
2. pax christi Diözesanverband Würzburg
3. AG Steuern zu Pflugscharen im Netzwerk Friedenssteuer
4. Antimilitaristische Aktion Berlin (amab)
5. Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Ev. Kirche der Pfalz
6. Augsburger Friedensinitiative (AFI)
7. AWC Deutschland e. V., Weltbürgerinnen und Weltbürger
8. Bremer Friedensforum
9. Bund für Soziale Verteidigung e.V.
10. LINKE Christ*innen – DIE LINKE, Bundesarbeitsgemeinschaft und die Landesarbeitsgemeinschaft Bayern
11. Bürgerinitiative OFFENe HEIDe
12. Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen, DFG-VK, der Bundesverband sowie die Gruppen Karlsruhe und Erlangen / Region Oberfranken
13. Ellwanger Mahnwache, Aktionsbündnis
14. Frauen wagen Frieden (Ev. Kirche der Pfalz)
15. Frauennetzwerk für Frieden e.V. (s. Anm.5)
16. Friedensinitiative Hersfeld-Rotenburg
17. Friedensinitiative Reichenbach im Vogtland
18. Friedensinitiative Westpfalz e.V. (FIW)
19. Friedensmuseum Nürnberg e.V.
20. Friedenspädagogischer Runder Tisch Freiburg „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden“
21. FriedensPlenum Iserlohn
22. Friedensregion Bodensee e.V.
23. Friedenstreff Rüsselsheim und Umgebung
24. Fürther Friedensforum
25. Göttinger Friedensforum (s. Anm.5)
26. Gruppe „Friedensbewegt Ulm“
27. Gruppe freiheitsfoo, Hannover (s. Anm.5)
28. Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.
29. Heilbronner Friedensrat
30. Informationsstelle Militarisierung Tübingen, IMI
31. Initiative Musiker*innen gegen Militärmusikkorps
32. Initiativkreis Frieden in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (IKF)
33. Institut für Theologie und Politik, Münster
34. Internationale der Kriegsdienstgegner*innen, IDK e.V.
35. Internationaler Versöhnungsbund – Deutscher Zweig, Regionalgruppe Bonn-Rhein-Sieg
36. Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V., Gammertingen
37. Martin-Niemöller-Stiftung
38. Offene Arbeit des Kirchenkreises Erfurt
39. Ohne Rüstung Leben e.V.
40. Ökumenische Initiative zur Abschaffung bzw. Reform der Militärseelsorge
41. Ökumenisches Institut für Friedenstheologie
42. Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar
43. Ortsgruppe Schwerin der Sammlungsbewegung Aufstehen
44. Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)
45. Pusdorfer Friedensgruppe, Bremen
46. Regionales Friedensbündnis Ostalb
47. Rostocker Friedensbündnis
48. terre des hommes Deutschland e.V.
49. Trägerkreis Rüstungskonversion Jena

Einzelne Unterstützer*innen:

1. Matthias Gürtler, DDR-Friedenspfarrer i.R.
2. Eberhard L. Müller, Ingenieur, Diakon
3. Ellena Hüther, Pädagogin, Berlin
4. Klaus Friedrich, Friedrichshafen

Kontakt für organisatorische Fragen (R. Schmid, Sekretariat):
kirche-ohne-militaer@dfg-vk.de

Kontakte für inhaltliche Fragen:
Dipl.-Theol. Peter Bürger, Mitglied bei pax christi und im OekIF: peter@friedensbilder.de, Dr. theol. Julia Lis, aktiv im ITP Münster: lis@itpol.de, Dr. theol. Michael Ramminger, aktiv im ITP Münster: ramminger@itpol.de und Reinhard Muth, Mitglied bei pax christi und im Friedensnetz BaWü: r.muth-ah@online.de

Anmerkungen

(1.) Bei Katholikentags-Militär-Gottesdiensten spielt in der Regel ein Militärmusikkorps, die Militärpolizei bewacht den Eingang, hohe Militärvertreter*innen nehmen teil, und Militärgeistliche werben um Verständnis für Auslandseinsätze. Unklar ist noch, wie man den Militär-Katholikentags-Gottesdienst 2022 nennen wird, vielleicht „Friedensgebet“? Oder „Bittgottesdienst für den Frieden“?
(2.) Sankt Martin ist der „Diözesanheilige“ des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Literatur: „Es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen – St. Martin: Mantelteiler. Kriegsdienstverweigerer. Friedensstifter.“ Herausgeber: pax christi Rottenburg-Stuttgart, St. Martinus-Gemeinschaft und RPI-Stuttgart, Din A4, 157 Seiten, Rottenburg 2021.
Aus der Legenda Aurea, übersetzt aus dem Lateinischen: „Zu den Zeiten fielen die Barbaren in Gallien ein; da zog der Kaiser Julian gegen sie in den Krieg, und gab seinen Rittern großen Lohn. Martin aber wollte nicht kämpfen, und wollte das Geld (den Lohn) nicht empfangen, sondern sprach zu dem Kaiser `Ich bin ein Ritter Christi, darum ziemt mir nicht zu kämpfen´. Da sprach Julian voll Unmuts, er (d.h. Sankt Martin) verweigere den Dienst nicht wegen seines Glaubens, sondern aus Furcht vor dem drohenden Kriege. Da antwortete ihm Martin mit unverzagtem Sinn: `Misst man dies meiner Feigheit zu und nicht meinem Glauben, so will ich mich morgen ohne Waffen vor das Heer stellen, und mit dem Kreuz allein statt Schild und Helm beschirmt im Namen Christi unversehrt durch die Scharen der Feinde brechen´…
(3.) Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus zur Feier des Weltfriedenstages, 1. Jan. 2017: „Möge die Gewaltfreiheit von der Ebene des lokalen Alltags bis zur Ebene der Weltordnung der kennzeichnende Stil unserer Entscheidungen, unserer Beziehungen, unseres Handelns und der Politik in allen ihren Formen sein.“
Ebenda: „Auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren führt bestenfalls zu Zwangsmigrationen und ungeheuren Leiden, denn große Mengen an Ressourcen werden für militärische Zwecke bestimmt und den täglichen Bedürfnissen der Jugendlichen, der Familien in Not, der alten Menschen, der Kranken, der großen Mehrheit der Erdenbewohner entzogen.“
Papst Franziskus, Enzyklika Fratelli Tutti (Okt. 2020), 258: „So entscheidet man sich dann leicht zum Krieg unter allen möglichen angeblich humanitären, defensiven oder präventiven Vorwänden, einschließlich der Manipulation von Informationen. In der Tat gaben in den letzten Jahrzehnten alle Kriege vor, `gerechtfertigt´ zu sein. Der Katechismus der Katholischen Kirche spricht von der Möglichkeit einer legitimen Verteidigung mit militärischer Gewalt, was den Nachweis voraussetzt, dass einige `strenge Bedingungen´ gegeben sind, unter denen diese Entscheidung `sittlich vertretbar´ ist. Aber es ist leicht, in eine allzu weite Auslegung dieses möglichen Rechts zu verfallen. Dann will man selbst `präventive´ Angriffe oder kriegerische Handlungen unzulässigerweise rechtfertigen, bei denen sich kaum `Schäden und Wirren´, `die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel´, vermeiden lassen… Deshalb können wir den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten, denn die Risiken werden wahrscheinlich immer den hypothetischen Nutzen, der ihm zugeschrieben wurde, überwiegen. Angesichts dieser Tatsache ist es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell `gerechten Krieg´ zu sprechen. Nie wieder Krieg!“
(4.) Die Bundeswehr ist traditionell auf dem Katholikentag präsent (a.) durch den Militär-Gottesdienst, (b.) durch Bundeswehr-Vertreter*innen auf der „Kirchenmeile“ und (c.) bei Podiumsdiskussionen. Unsere Meinung: Dialog ist gut, aber die starke Bundeswehr-Präsenz auf dem Katholikentag geht über Dialog weit hinaus in den Bereich von Image-Werbung, Kontaktpflege und Militär-Rechtfertigung.
(5.) Alle Organisationen und Gruppen, die unter diesem Offenen Brief stehen, unterstützen die Forderungen. Aber manche dieser Organisationen und Gruppen sind – laut den eigenen Grundsätzen – an keine Religion gebunden und können deshalb die christlichen Argumente des Briefes nicht teilen.
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Ab sofort auf Lager und kostenfrei zu haben: „BITTE KEINE WERBUNG!“-Klebebänder

Wir haben bereits des öfteren über die grassierende Verschmutzung des öffentlichen Raums durch aufdringliche, unausweichliche und mannigfaltige Werbeplakate, -banner, -displays und neuerdings vermehrt energiefressende Mega-Bildschirmen inklusive nur vermeintlich unpolitischer Botschaften berichtet. [Beispiele? Hier: 1/2/3/4]

Nun bieten wir allen, die ihren Unmut über diese Form der Umwelt- und Lebensverschmutzung zum Ausdruck bringen wollen ein frisch für uns gedrucktes Klebeband an.

Darauf steht:

„BITTE KEINE WERBUNG!“

Es handelt sich um ein Papierklebeband mit umweltverträglichen Klebemittel, 50 mm breit und je Rolle 50 m lang. (Verarbeitungshinweise)

Diese Rollen können kostenfrei von uns angefordert werden – einfach eine Mail an das freiheitsfoo und darin mitteilen, wie viele der Rollen an welche Postanschrift versendet werden sollen.

Die Anwendungsmöglichkeiten für das Klebeband sind vielfältig.

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Bundesverfassungsgericht: Verfassungsbeschwerde zur Volkszählung 2022 (Zensus 2022) nicht zur Entscheidung angenommen

Wir veröffentlichen hiermit den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu der seit August 2019 anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen eine umfangreiche, nicht anonymisierte Meldedaten-Zusammenziehung im Zuge der inzwischen auf dieses Jahr 2022 verschobenen Volkszählung („Zensus“) [1].

Die Karlsruher Richter*innen bleiben mit der Begründung der unanfechtbaren Entscheidung schmallippig und inhaltlich fragwürdig:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da sie unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde mangels Beschreitens des fachgerichtlichen Rechtswegs unzulässig ist. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.“

Hintergrund

Die fünf Beschwerdeführer hatten sich, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), im Januar 2019 gegen den § 9a des Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 mit einem Eilantrag an das BVerfG gewendet [2].

Mittels dieses im Dezember 2018 kurzfristig vom Bundestag hinzugefügten Paragraphen wurde die Zusammenziehung umfangreicher Meldedatensätze aller Einwohner Deutschlands am zum Stichtag 13. Januar 2019 beschlossen und genehmigt. Die sensible Zusammenziehung und Zusammenfügung der Daten wurde lediglich mit dem Test der für den Zensus erarbeiteten Software-Komponenten begründet. Dieses Vorgehen widerspricht nach Auffassung der Beschwerdeführer grundsätzlich von den Anforderungen an Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeit, insbesondere, da es sich nur um einen Test der Software handeln sollte.

Per Eilentscheid des BVerfG im Januar 2019 wurde der Antrag jedoch zurückgewiesen und damit zunächst die Rechtsstaatlichkeit der Zensusvorbereitung bestätigt. Die Richter und Richterinnen des BVerfG hatten in ihrem Eilentscheid ungewöhnlich offen mitgeteilt, dass sie die Skepsis teilen und (implizit) die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde angeregt.

Die fünf Beschwerdeführer legten zusammen mit der GFF im August 2019 eine ausführlich begründete Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 ein. Sie prangerten ihre Grundrechtsverstöße durch die Erstellung einer solchen vollständigen und nicht anonymisierten Einwohner-Datenbank der BRD an. Dass solch eine nicht anonymisierte Einwohner-Datenbank mehr als heikel ist und ein lohnenswertes Ziel für Datenräuber darstellt beweist der erfolgreiche Angriff auf die Infrastruktur der Zensus-IT in 2021 [3].

Diese Risiken und die Frage der Verhältnismäßigkeit der Volkszählungs-Maßnahmen wollen die Karlsruher Richter nun nicht weiter beleuchten und verhandeln und verweisen in der dürren Ablehnung der Verfassungsbeschwerde vom 20.1.2022 auf das Subsidiaritäts-Prinzip. Man wirft den Beschwerdeführern also vor, sich mit ihrer Beschwerde nicht erst an niederrangigere Gerichte gewendet zu haben.

Fragwürdige Begründung

Diese Ablehnungsbegründung ist mindestens merkwürdig, wenn nicht fragwürdig.

Zum einen hatten die Richter in ihrer vorausgegangenen Ablehnung [5] zum Eilantrag [4] zur Verfassungsbeschwerde selber mitgeteilt, dass …

„… diese Fragen näherer Aufklärung bedürfen und vorliegend nicht in der für das Eilverfahren gebotenen Kürze der Zeit geklärt werden können.“

So etwas kann als offensichtliche Aufforderung zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde interpretiert werden, wie sie dann auch erfolgte.

Zum anderen hat das Gericht noch Ende 2021 den federführenden Anwalt der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, das Festhalten an der Verfassungsbeschwerde zu begründen, nachdem der Zensus – mit dankbarem Verweis auf Corona [6] – um ein Jahr verschoben wurde.

Mit Blick auf die jetzt vorgetragene Begründung zur Ablehnung der Beschwerde hätte sich diese Nachfrage als obsolet, ja als unsinnig erwiesen.

Da der Bescheid aus Karlsruhe unanfechtbar ist wird die jetzige Volkszählung (und auch alle folgenden) von den erhobenen Bedenken unberührt fortgesetzt und durchgeführt werden können.

Einen öffentlichen Diskurs zur Hinterfragung der Notwendigkeit und des Umfangs (auch der Kosten) des Zensus gibt es nicht. Derweil versuchen die dafür verantwortlichen Stellen diesen auch gar nicht erst entstehen zu lassen und vermeiden in vorgefertigten Textbausteinen zu Medienberichten über den Zensus ebendieses Wort so weit wie irgend möglich [7].

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ÖPNV Hannover – Privater „Sicherheitsdienst“ jetzt mit Teleskop-Stahl-Schlagstöcken: „Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit“

Juni 2019: Eine Protec-Mitarbeiterin mit Schäferhund vertreibt einen Obdachlosen vom Hauptbahnhof Hannover: „Aufstehen! Jetzt aber!“

Die „Protec Service GmbH“ ist ein „Sicherheitsunternehmen“ in Hannover, indirekt über den ÖPNV-Hauptdienstleister, die üstra AG mehrheitlich im Besitz der Stadt/Region Hannover befindlich. Die Protec patroulliert in Bussen und Bahnen und ihren Haltestellen in der Landeshauptstadt, hat aber auch noch andere „Kunden“. (Um die intransparente und sehr merkwürdige ehemalige Teilauslagerung der Protec an die neue „Primetec“ unter dem Hannover-96-Chef Martin Kind in 2012 soll es hier nicht gehen. Dazu mehr hier (Frage 14) und hier.)

Nun teilt die üstra in einem Blogbeitrag (Achtung: Der Link ist via Tor nicht abrufbar!) mit, dass die „U-Bahn-Wachen“ nun anstelle eines Tonfa-Schlagstocks nun mit einem Teleskop-Schlagstock aus Stahl ausgerüstet werden. Wenig objektiv wirbt der üstra-Beitrag für den Wechsel und begründet den Wechsel zum Stahl-Schlagstock auf frag- und merkwürdige bis widersprüchliche Weise. Vor allem verharmlost und verniedlicht der Autor diese Waffe mehrfach, auch die Verwendung des euphemistischen Begriffs „Einsatzstock, kurz, ausziehbar“ samt Abkürzung „EKA“ trägt zur Verschleierung der Gefährlichkeit des Teleskop-Schlagstocks bei.

Dazu ein Auszug aus dem üstra-Beitrag (Hervorhebungen durch uns):

„Der neue „EKA“: Ein kleiner Stock für Deeskalation und Sicherheit bei der protec. Seit über 20 Jahren sorgen sie 24/7 für Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz: Die protec U-Bahnwachen. Und seit dem Jahr 2000 je her ihr Begleitutensil im Arbeitsalltag: Der Einsatzmehrzweckstock mit dem offiziellen Namen Tonfa. Doch da nicht nur der fünfsilbige Begriff – Ein-Satz-Mehr-Zweck-Stock – ziemlich sperrig ist, sondern auch das Gerät an und für sich, gibt’s für die U-Bahnwachen ab sofort ein neues Einsatzmittel: Den EKA. Das steht für: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Und der Name ist Programm. (…) Mit einer Länge von 60 Zentimetern baumelte der Stock überpräsent, wenn nicht sogar etwas martialisch, an der Hüfte der Wachen. Während der Patrouille muss der Einsatzmehrzweckstock wahrscheinlich tausendfach gegen die Oberschenkel der U-Bahnwachen geprallt sein. (…) Doch damit ist jetzt Schluss! Denn, der neue EKA ist da. Der knackige Name ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Charakteristika: Einsatzstock, kurz, ausziehbar. Das bedeutet: Der Stock stört null Komma null im Streifendienst, ist im Ernstfall trotzdem im Handumdrehen einsatzbereit und wirkt deeskalierend auf alle Fahrgäste, da er schlichtweg kaum zu sehen ist. (…) Mehr Sicherheit für alle (…) Und so werden die protec U-Bahnwachen, wie bereits seit über 20 Jahren, auch weiterhin für Sicherheit und Ordnung im ÜSTRA Stadtbahnnetz sorgen. Allerdings gehen die Streifen jetzt nicht mehr „am Stock“, sondern patrouillieren mit dem handlichen EKA – inklusive deeskalierender Wirkung.

Die Begründung für den Wechsel auf den Stahl-Schlagstock: Er sei weniger sperrig. o_O

Und anders als sonst vorgehalten, soll plötzlich das Tragen einer sichtbaren Waffe (Tonfa) einschüchternd und präventiv wirken sondern nun die Unauffälligkeit des Teleskop-Schlagstocks „deeskalierend“ wirken. Die Erklärung für diese Behauptung bleibt uns der Autor schuldig. Dass die „Unauffälligkeit“ der Waffe solche eine Wirkung entfaltet ist jedenfalls blanker Unsinn.

Eine nüchternere Darstellung wäre wünschenswert gewesen. So muss sich die üstra den Vorwurf gefallen lassen, der Aufrüstung privater „Sicherheitskräfte“ unnötig Vorschub zu leisten.

August 2016: „Festhalten“ eines Menschen durch zwei Protec-Mitarbeiter am Hauptbahnhof Hannover. Man beachte die kleine Blutlache rechts vom am Boden „fixierten“ Menschen …

Die zunehmende Übertragung hoheitlicher Aufgaben an private „Sicherheitunternehmen“ ist eine seit vielen Jahren andauernde bedenkliche Entwicklung. Weil Bahnhöfe und Haltestellen sowie die Straßenbahnen und Busse selber formell als Privatbesitz und somit als „halb-öffentlicher Raum“ gelten (auch wenn bei genauerem Hinsehen die Kommune der „Besitzer des Raums“ ist) meint man, dort mit privaten, häufig schlecht bezahlten „Sicherheitspersonal“ ausgedehnte Interpretationen des Jedermann-Rechts praktizieren zu können. Nach außen hin ist für den Durchschnitts-Passanten eine Unterscheidung zwischen privatem Sicherheitspersonal und Polizei nicht mehr möglich. Und Erfahrungen aus Hannover belegen, dass Teile des Protec-Personals das gesamte Repertoire von racial profiling bis zum Missbrauch des ihm anvertrauten Monopols zur „Umsetzung des Hausrechts“ beherrschen. Nun mit erweitertem Waffenarsenal.

Auch scheint es so (das aber ist sachlich unklar), dass anders als zuvor nun alle oder fast alle protec-Mitarbeiter*innen mit dem Schlagstock ausgerüstet werden, wohingegen der Tonfa zuvor nur punktuell mitgeführt wurde.

Alles in allem: Keine gute Entwicklung.

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Thyssenkrupp als großer Gewinner der von der letzten Bundesregierung auf letzten Drücker genehmigten Rüstungsexporte

Die Thyssen Krupp AG hielt am vergangenen Freitag ihre diesjährige Hauptversammlung ab. Wie seit Corona gewohnt: Ohne zugelassene Präsenz der Aktionär*innen, während in Fußballstadien inzwischen wieder tausendweise Menschen strömen dürfen … Auch die Live-Zuschaltung von Fragen oder Redebeiträgen kritischer Aktionär*innen wurde untersagt. Doch

das nur nebenbei.

Im Zuge der Beantwortung der von 150 von 14 Aktionär*innen zuvor eingereichten Fragen kam unter anderem heraus:

  • Thyssen Krupp ist der große Profiteur der kurz vor Amtsübergabe der alten CDU/CSU-SPD-Bundesregierung am 8.12.2021 noch genehmigten Rüstungsexporte. Diese erlaubte sich, noch schnell den Export von „drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen“ freizugeben. Thyssen Kruppp Marine Systems (TKMS) darf deswegen drei Fregatten für Ägypten (!) bauen und liefern. (Mutmasslich ging der Auftrag der Luftabwehrsysteme an die Rheinmetall AG.)
  • Für Brasilien werden vier Fregatten gefertigt. Dafür hat man eigens eine Werft in Brasilien aufgekauft, modernisiert diese und will dort dann auch „Dienstleistungen für benachbarte Länder“ anbieten.
  • Thyssen Krupp kann oder will nicht ausschließen, dass die neuen für Israel, Norwegen und Deutschland zu bauenden U-Boote mit atomaren Waffen bestückt werden können.
  • Thyssen Krupp baut derzeit (unter anderem!) vier U-Boote der Klasse 218 „für ein Land in Asien, dessen Name nicht genannt werden darf“. (Vermutlich Singapur)
  • Auch stellt der Konzern derzeit sechs (!) U-Boote der Klasse 214 für die Türkei her, wobei diese „nur“ als „Bausätze“ geliefert und in türkischen Werften zusammengebaut werden.
  • Man stelle Unterwasserdrohnen her, die aber hauptsächlich zur gegen Seeminen und zur „Informationsgewinnung“ eingesetzt werden.
  • Die neue modulare Drohnenbaureihe „MUM“, mit 13,2 Millionen Euro durch die Bundesregierung gefördert, soll angeblich nicht militärische Nutzung erfahren. Die MUM-Drohnen sollen mit der aus der U-Boot-Fertigung bekannten Brennstoffzellen-Antriebs-Technologie ausgestattet werden.
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Kritik an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit „vorsorglicher Demonstrationsverbote“

Am 31.1.2022 hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag abgelehnt, mit dem ein „präventives Demonstrationsverbot“ der Stadt Freiburg gekippt werden sollte. Juristischer Ausgangspunkt war das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.1.2022, das die Sachlage wie folgt beschreibt:

„Die Stadt Freiburg hatte mit der genannten Allgemeinverfügung „alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen auf der Gemarkung der Stadt Freiburg i. Br. unabhängig vom Wochentag und unabhängig davon, ob einmalig oder wiederkehrend stattfindend“ untersagt, diesbezüglich die sofortige Vollziehung angeordnet und bei Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang angedroht.“

Wie schon geschrieben: Die Richter*innen des Bundesverfassungsgericht bestätigten die Haltung, dass ein solches Versammlungsverbot zulässig sei und verweisen dabei insbesondere auf die Erfahrungen, die mit den Antragstellern und den Akteuren aus der Bewegung der Corona-Maßnahmen-Kritiker und der Corona-Leugner rund um die als „Spaziergänge“ verklärten Versammlungen gesammelt worden sind (Originaltext siehe Randnummer 9 des Eilverfahrens-Beschlusses):

  • Es sei „naheliegend, dass die Nichtanmeldung der „Montagsspaziergänge“ offensichtlich den Zweck hätte, vorbeugende Auflagen zu umgehen und zu vermeiden, Verantwortliche und eine hinreichende Anzahl von Ordnern zu benennen, die dann für die Einhaltung zuvor erlassenen Auflagen“ zu sorgen hätten.
  • Man könne weiter „annehmen, dass diejenigen Personen, die zu solchen „Spaziergängen“ aufriefen oder daran teilzunehmen würden, überwiegend nicht dazu bereit seien, die dem Infektionsschutz dienenden Auflagen, wie insbesondere das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abständen, zu beachten.“
  • Das alles beruhe auf Erfahrungen, die man in Freiburg zuvor mit den „Montagsspaziergängen“ gewonnen habe.

Das ist soweit nachvollziehbar. Doch davon unabhängig halten wir das Versammlungsverbot in seiner oben beschriebenen Form für zu pauschal und für zu unbestimmt und damit für unverhältnismäßig.

Zur Unbestimmtheit:

Das Verbot betrifft „alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen“. Das ist unbestimmt, weil das „Im-Zusammenhang-Stehen“ eine sehr weit reichende Auslegung durch die Versammlungs- und Polizeibehörden ermöglicht. So ist denkbar, dass diese Behörden mit Verweis auf diese Formulierung auch sämtlichen Gegenprotest, der sich – gut vorstellbar – viel eher als echte Spontanversammlung im Sinne des Brokdorf-Beschlusses erweist, darunter verstehen oder meinen verstehen zu dürfen und diese mit Verweis auf den Beschluss auflösen und ein Nichtbefolgen der Auflösung entsprechend verfolgen und ahnden.

Zur Pauschalität:

Es scheint der Verwaltung Freiburg wie auch der bisher bemühten Gerichtsbareit egal zu sein, ob sich an einer solchen Versammlung zwei oder zweitausend Menschen beteiligen. Das ist aber von Relevanz, wenn es um die Abwägung Versammlungsfreiheit und „Bevölkerungsschutz“ im Zuge der Pandemie-Bekämpfung geht. Das Versammlungsverbot der Freiburger Allgemeinverfügung sieht hier keine Differenzierungen und auch keine Ausnahmetatbestände vor, es ist pauschal, um nicht von „total“ zu sprechen. Einer der konkreten Situation angemessenen Anforderung zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Versammlungsverbots wird die Regelung nicht gerecht.

Mit der – aus unserer Sicht – so beschriebenen Grobheit der richterlichen Urteilssprüche besteht die Gefahr, dass sich der vorgestrige Beschluss des Eilverfahrens zu einem Knüppel in der Hand der Polizeibehörden entwickelt, der Spontanversammlungen – möglicherweise über alle Corona-Themen hinaus! – erschweren, wenn nicht gar verunmöglichen könnte.

Die Entscheidung aus Karlsruhe fällen die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts einer Entscheidung zur Hauptsache (irgendwann) vorbehaltlich. Daszu heißt es in der Randnummer 7 des Beschlusses:

„Ob es mit Bedeutung und Tragweite des Art. 8 GG unter bestimmten Voraussetzungen vereinbar sein kann, präventiv ein Versammlungsverbot durch Allgemeinverfügung für eine prinzipiell unbestimmte Vielzahl von Versammlungen im Stadtgebiet zu erlassen, die mit Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ im Zusammenhang stehen, ist eine verfassungsrechtlich offene Frage, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.“

Das Problem dabei: Das Hauptsacheverfahren mag in weiter zeitlicher Ferne liegen (siehe Beispiel Hannover). Alle bis dahin verfügten Demonstrationsverbote lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Die Verwehrung der Versammlungsfreiheit und ihr Schaden sind irreparabel.

Und doch tragen auch diejenigen, die bislang unter Nichtbeachtung bzw. Nicht-Respektierung der Schutzmaßnahmen die – wenn auch untragbare – Allgemeinverfügung in Freiburg begründet haben, eine Mitverantwortung, boten sie den Behörden und der Gerichtsbarkeit mit ihrem intoleranten und unsolidarischen Verhalten eine Steilvorlage, die nun entsprechend ausgenutzt wurde.

Alle Akteure zusammen haben der Versammlungsfreiheit und -praxis in ganz Deutschland und über die Corona-Thematik weit hinaus einen Bärendienst erwiesen.

Dieser jüngste Beschluss aus Karlsruhe stellt einen weiteren Meilenstein in der Corona-Geschichte der Verwässerung des Versammlungsgrundrechts dar. Clemens Arzt hat diese junge Entwicklung in seinem lesenswerten Beitrag „Versammlungsfreiheit unter Druck – Verwaltungsgerichtlicher Schutz des Art. 8 GG in der Corona-Pandemie“ vom 12.1.2022 aufgearbeitet und fasst sie wie folgt treffend zusammen:

„Die durch Art. 8 GG garantierte Versammlungsfreiheit steht in Deutschland seit Beginn der Pandemie unter erheblichem Druck. Versammlungsbehörden und Polizei haben neue Maßstäbe für Beschränkungen des Grundrechts entwickelt, die in anderen gesellschaftlichen Krisen aus dem Baukasten geholt und erneut angewandt werden könnten. Die Exekutive schuf sich durch Verordnungen und Allgemeinverfügungen rechtliche Instrumente, um Versammlungen grundsätzlich und nicht nur im Einzelfall zu verbieten. Das über Jahrzehnte gefestigte Prinzip der Versammlungsfreundlichkeit wurde durch vielfältige Akte der Verwaltung beseitigt und über Monate hinweg die Versammlungsfreiheit – entgegen dem verfassungsrechtlich geforderten Grundsatz „in dubio pro libertate“ – durch Totalverbote oder einen im Versammlungsrecht nicht vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt suspendiert. Dies alles ohne verfassungsmäßige und parlamentarisch abgesicherte Rechtsgrundlage. Die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht brauchten Wochen und Monate, um sich in der Pandemie ihrer Rolle zu vergegenwärtigen und stellten insbesondere zu Beginn der Pandemie die staatliche Schutzpflicht für die Gesundheit fast ausnahmslos über die Versammlungsfreiheit. Wie die Exekutive hier durch selbst geschaffenes materielles Gesetz die Versammlungsfreiheit zum Teil vollständig ausgehebelt oder einem Genehmigungserfordernis unterworfen hat, steht der Wesensgehaltsgarantie und dem grundrechtlichen Anspruch auf Erlaubnisfreiheit im Versammlungsrecht diametral entgegen.“

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Corona-Impfstatus Polizei Niedersachsen: Angeblich rund 10 Prozent der Polizist*innen möchten sich vermutlich nicht impfen lassen

Anfang Januar 2022 gewährte die Hannoversche Tageszeitung „HAZ“ dem Polizeigewerkschaftler Dietmar Schilff ein Gefälligkeitsinterview, zu dem wir bereits ausführlich berichtet haben.

Herr Schilff äußerte sich in diesem Zusammenhang zum Impfstatus von Polizist*innen ganz allgemein wie folgt:

„Bei der Polizei ist übrigens die Bereitschaft, sich impfen und auch boostern zu lassen, sehr groß.“

Nun, für diese Behauptung scheint es zumindest keine Tatsachengrundlage zu geben.

Wir haben beim Nds. Innenministerium umfangreich nachgefragt und folgende Antwort (hier auszugsweise wiedergegeben) erhalten:

„Das Land Niedersachsen hat als Dienstherr – wie andere Arbeitgeber auch – kein ausdrückliches Fragerecht nach dem Impfstatus Ihrer Mitarbeitenden hat. Auf Basis der Annahmequote des priorisierten, freiwilligen Impfangebots im Frühjahr 2021 und der derzeitigen Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahme „3G am Arbeitsplatz“ gehen wir jedoch aktuell davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Niedersachsen vollständig geimpft sind. (…) Wir werben seit Beginn der Möglichkeit, sich impfen zu lassen, intensiv darum und bieten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv Impfungen während der Dienstzeit durch den Medizinischen Dienst der Polizei an.“

Man kann es mit der Impfbereitschaft so oder so herum sehen. Es bleibt festzuhalten:

  • Zur Impfquote bei Polizist*innen in Niedersachsen gibt es keine verlässlichen Zahlen.
  • Man gibt an, dass sich (mutmasslicherweise!) rund 10% der Polizist*innen nicht impfen lassen möchten.
  • Polizist*innen erhalten die besondere Gelegenheit, sich während der Dienstzeit impfen zu lassen und sind diesbezüglich privilegiert. (Sie sind übrigens auch zu Beginn der Impfkampagne besonders privilegiert worden, indem ihnen – politisch befördert – besonders früh die Chance zum „priorisierten“ Impfen gegeben wurde. Siehe hier und hier und hier.)
  • Ungeimpfte Polizist*innen werden genau wie andere eingesetzt, es gibt also kein Konzept oder Angebot, diese in Arbeitsbereichen mit weniger intensivem Kontakt zu anderen Menschen einzusetzen.

Darüber hinaus:

Das Innenministerium in Hannover schreibt ganz selbstbewusst bzw. setzt sich und die Rolle der Polizei in der Pandemie in ein besonders strahlendes Licht, wenn dessen Pressestelle uns schreibt:

„Die Polizei ist beim Thema Impfen sehr verantwortungsbewusst und vorbildlich aufgestellt. (…) Dazu Minister Pistorius: „Ich begrüße es, wenn sich so viele Menschen impfen lassen wie möglich, das gilt natürlich auch und insbesondere für Angehörige der Polizei, die eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft einnehmen.““

Und weiter:

„Da es sich bei dem Impfstatus von Personen um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten handelt, erfolgt diesbezüglich keine namentliche Erfassung. (…) Die [Maßnahmen der Polizei gegen die Ausbreitung von Corona innerhalb der Behörde] (z.B. das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, regelmäßige Testungen, Beschränkung der Kontakte zu anderen auf ein dienstlich notwendiges Maß) tragen auch dazu bei, das Infektionsrisiko gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zu reduzieren.“

Klingt gut. Doch sei angesichts dieses massiven Eigenlobs auch daran erinnert, dass:

  1. die Polizei es mit dem Schutz „besonders schützenswerter Gesundheitsdaten“ bei Nicht-Polizist*innen nicht immer so ganz genau genommen hat und dass
  2. es zumindest am Anfang der Pandemie die Polizei selber war, essentiellen Corona-Bestimmungen zuwider gehandelt und z.B. Demonstrierende (Beispiel Hannover) aktiv erst in Gefahr gebracht hat – mal ganz davon abgesehen, dass Proteste in Corona-Zeiten zudem – je nach politischer Ausrichtung – ganz unterschiedlich von der Polizei „behandelt“ worden sind

Das gehört unserer Ansicht nach zur vollständigen Abbildung der Rolle der Polizei in den Zeiten der Corona-Pandemie dazu und sollte nicht einfach verschwiegen werden.

 

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Für die Akten: Nds. Gesundheitsministerium beteuert, dass die Gesundheitsämter keine Daten an die Polizeien (mehr) weitergeben

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Kurz notiert. Verwaltungsgericht Hannover: Nicht absehbar, wann die Klage gegen pauschales Demonstrationsverbot aus dem März 2020 behandelt wird

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