Hauptversammlung der OHB AG: Neue Spionagesatelliten für (nicht nur deutsches) Militär und Geheimdienste, Frühwarnsysteme gegen Raketen und Hyperschallwaffen, etwas Geld von OHB für deutsche Parteien, viel Geld von der Bundesregierung für OHB und eine umstrittene Zuarbeit für die EU-Grenz“schutz“polizei Frontex

Ein Bild aus den Räumen der OHB-Konzernzentrale im Zusammenhang mit der OHB-HV 2013: Plastik/Darstellung zur SAR-Lupe.

Am 1.6.2022 fand die diesjährige Hauptversammlung (HV) des deutschen Luft- und vor allem Raumfahrtkonzerns, der OHB AG mit Sitz in Bremen statt, erneut leider nur „virtuell“ – ein Format, was kritische Fragen zwar nicht ausschließt, aber die noch wichtigeren Nachfragen und einen echten Austausch zwischen Konzernlenkern und kritischen Aktionären erschwert und fast verunmöglicht. Doch darum soll es hier nicht gehen. (Siehe sonst dazu hier und hier.)

Wir haben aus unseren Reihen heraus eine Liste von Fragen an Vorstand und Aufsichtsrat von OHB stellen können und dokumentieren diese und die Antworten dazu ausführlich auf einer eigenen Wiki-Seite.

Nachfolgend möchten wir auf ein paar aus unserer Sicht wichtigen Einzelpunkte hinweisen, die Lektüre der ausführlichen Frage-Antwort-Liste mag für Interessierte darüber hinaus eventuell interessant sein.

Die OHB AG ist ein ehemaliges Familienunternehmen der Familie Fuchs. Trotz enormer Größe und technischer Reichweite der Handlungen und Produkte der AG hat diese – wie in der Hauptversammlung schon seit immer – einen nahen, familiären und den Fragenden gegenüber fairen und authentischen Charakter bewahrt. Ganz anders als bei den allermeisten anderen HVs der Konzerne sonst üblich.

Das ändert nichts daran, dass OHB neben vielen anderen technisch interessanten Geschäften viel Geld durch Aufträge aus Bundeswehr, internationaler Rüstungsindustrie und (wenn auch wohl nicht mittelbar) Geheimdienste verdient bzw. erhält.

Hier unsere Informationsfragmente aus der OHB-HV 2022, nach eigenem Ermessen ausgewählt und ohne irgendeine bestimmte Reihenfolge:

  • OHB erhielt in 2021 rund 450 Millionen Euro aus deutschen oder EU-europäischen Fördertöpfen.
  • Der jährliche Umsatz von OHB mit Bundes“verteidigungs“ministerium oder Bundeswehr schwankte in den letzten fünf Jahren zwischen 44 und 150 Millionen Euro. Mit anderen Bundesministerien (z.B. BMI, BMWG) machte OHB zwischen 2017 und 2021 zusätzlichen jährlichen Umsatz zwischen 132 und 207 Millionen Euro.
  • Es gibt (derzeit) eher eine geringe Zusammenarbeit von OHB mit Rheinmetall, MBDA, Hensoldt und IAI. Mit ELBIT gab es eine intensivere Zusammenarbeit in Verbindung mit der Herstellung eines (militärischen/aufklärungstechnischen?) Satelliten für Luxemburg. Mit dem Rüstungskonzern Thales arbeitet man intensiv zusammen, wenn auch – so weit wie angegeben – im eher nicht-militärischen Kontext. Eindeutig militärisch dagegen die gute Zusammenarbeit mit Airbus z.B. bei der Herstellung des neuen deutschen Spionagesatelliten SARah für den militärisch-industriellen Komplex.
  • Ob der April 2022 gestartete, von OHB produzierte „Erdbeobachtungssatellit“ EnMAP auch polizeilich/militärisch/geheimdienstlich genutzt wird, ist der AG angeblich nicht bekannt, will von ihr aber auch nicht ausgeschlossen werden.
  • Ähnlich ungenau die Antwort zur Frage, ob und inwiefern die für EU und USA zu bauenden CHIME-Satelliten (als Teil des Copernicus-Programms) militärisch/geheimdienstlich genutzt werden sollen. OHB bleibt bei dem in einer Pressemitteilung verwendeten Passus, dass es „auch um sicherheitsrelevante Fragen“ ginge, löste diese Formulierung inhaltlich aber nicht weiter auf.
  • Die im März 2020 angekündigte zukünftige „intensive und langfristige Zusammenarbeit“ mit dem Schweizer Rüstungskonzern RUAG sei angeblich ausschließlich ziviler Natur.
  • OHB hat zwei der drei neuen SARah-Spionagesatelliten für die Bundeswehr bzw. das „Bundesamt für Ausrüstung und Informationstechnik der Bundeswehr“ gebaut. Der erste dieser beiden Satelliten, die Berichten zufolge auch ausdrücklich und in bedeutsamen Umfang den Geheimdiensten als Informationsquelle dienen wird, wurde kurz nach der HV am 18.6.2022 erfolgreich ins All transportiert. SARah ist die Satelliten-Nachfolgegeneration der ebenfalls von OHB gefertigten SAR-Lupen, die einen „Meilenstein“ im Aufbau unabhängiger allbasierter Spionagetechnik für die deutschen Militärs und Geheimdienste darstellten. Zum aktuellen Ausbau der Spionagearbeit aus einem lesenswerten Golem-Bericht zitiert: „Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) darf die Bilder von SARah nutzen. Mit Georg (Geheimes Elektro-Optisches Reconnaissance System Germany) betreibt der Auslandsgeheimdienst aber ein eigenes Satellitensystem, das auf der elektro-optischen Aufklärung basiert. Der Name spielt vermutlich auf den Heiligen Georg an, der als Schutzpatron des BND gilt. Den Auftrag für die insgesamt drei Georg-Satelliten erhielt OHB. Das Gesamtsystem soll Schätzungen zufolge über eine halbe Milliarde Euro kosten. Es soll ebenfalls mithilfe von SpaceX auf seine Umlaufbahn gebracht werden. Der Start des ersten Satelliten verzögert sich jedoch weiter.“
  • In der Silvesternacht 2021 wurde OHB Opfer eines Brandanschlags. Die Bremer Wirtschaftssenatorin der Partei „Die Linke“ verurteilte den Anschlag mit den bemerkenswerten Worten, „dass Gewalt nie Mittel der Politik sei oder sein könne“. Ein in diesen Tagen bemerkenswerte Behauptung – aber das nebenbei … In einem Bekennerschreiben zum Brandanschlag wurde OHB eine Nähe zum menschenverachtenden EU-Grenzmilitär „Frontex“ vorgeworfen, was OHB in einem selbstverfassten Interview strikt von sich wies. Auch Nachfrage dazu, konkretisierte OHB das nun und beteuert, „keine direkten Beziehungen zu Frontex“ zu unterhalten. Inwiefern Daten von mittels OHB-Technologie der Frontex-Behörde zugänglich gemacht werde, dazu „wisse man nichts“, könne es sich jedoch nicht vorstellen. Bemerkenswert: In einem anderem Zusammenhang spricht sich OHB pressewirksam eine Führungsrolle von OHB im Dienste der strategischen und sicherheitspolitischen Ziele Europas“ zu.
  • OHB ist von der EU-Kommission beauftragt worden, als „Studienführer“ eine Frühwarnsystem gegen Angriffe durch ballistische Raketen und Hyperschallwaffen zu entwickeln.
  • OHB hat Parteien in 2021 Geld gespendet: 16.500 Euro für die CDU, 11.000 Euro an die Grünen, 9.000 Euro an die SPD und 2.000 Euro an die FDP.
  • Ob Mitglieder von OHB-Vorstand oder -Aufsichtsrat einen parteipolitischen Bezug haben oder gar Mitglied einer Partei seien wisse man nicht und dafür interessiere man sich auch nicht.
  • OHB ist Opfer eines Hackerangriffes geworden.
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