„Bitte nicht …“ – Über die Stadt Hamburg als Zwangs-Dauerwerbeveranstaltung und die Initative „Hamburg Werbefrei“ gegen diese Form der Verschandelung des öffentlichen Raums

In Hamburg hat sich – als zweite Stadt nach Berlin – eine Initiative gegen die in den letzten Jahren zumeist unbemerkt massiv ausgedehnte Werbeflächen im öffentlichen (Lebens-)Raum der Großstadt gebildet:

„Hamburg Werbefrei“

Das ist zu begrüßen, infiltrieren und belästigen diese nicht abschaltbaren und nicht ausweichbaren „Zwangsglotzen“ doch alle sich im öffentlichen Raum bewegenden Menschen, ganz unabhängig davon, wie diese der Dauerberieselung mit nicht selten zweifelhafter Werbung gegenüberstehen.

Die Initiative beschreibt ihre Absichten und sich selber wie folgt:

„Wir wollen eine ökologische, hübsche, freie, interessante, warme und menschenfreundliche Stadt.

Der öffentliche Raum und die Aufmerksamkeit von uns Menschen sollten nicht privatisiert und kommerzialisiert werden.

Das Geschäftsmodell von Firmen wie DSM/Ströer und Wall/JCDecaux, die Stadt in eine Dauerwerbesendung zu verwandeln, halten wir für grundfalsch. Außenwerbung nutzt nur wenigen großen Firmen. Sie belästigt und manipuliert Menschen durch unterbewusst wirkende Botschaften und fördert das Gefühl von Mangelhaftigkeit und bewirkt ungesundes und unnötiges Konsumverhalten.

Die Umweltschäden durch Strom- und Papierverbrauch sowie durch Lichtverschmutzung sind enorm.

Darum starten wir eine Volksinitiative und anschließend ein Volksbegehren. Zur Europawahl 2024 werden wir den Volksentscheid durchführen.

Unser Gesetzentwurf wird Außenwerbung durch Änderungen im Bauordnungsrecht und im Wegegesetz weitgehend beenden.“

Und:

„Wir sind Hamburger:innen, denen ihre Stadt am Herzen liegt. Uns bewegen Themen wie Meinungsfreiheit, Umweltschutz, Ästhetik, Architektur, Stadtplanung und Verkehrssicherheit. Wir agieren unabhängig von Parteien und Organisationen. Vorbild und Partnerin ist für uns die Initiative Berlin Werbefrei, die für ihr Anliegen bereits über 43.000 Unterschriften sammeln konnte.

Wir sehen uns als Teil einer globalen Bewegung gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, gegen allgegenwärtigen Konsumdruck, gegen den Ausverkauf unserer Gegenwart an große Unternehmen. Weg mit dem Werbescheiß – dadurch wird Hamburg schöner und einzigartiger!“

Nachfolgend (erst-)veröffentlichen wir – durchaus mit Freude und ein wenig Stolz – die so kluge wie umfangreiche Kritik am Status Quo der Zwangsbeglückung durch moderne „Stadtmöblierung“. Sie kann als Fortsetzung einer bereits hier im Februar 2021 veröffentlichten Kritik an der öffentlich bislang wenig diskutierten Vereinnahmung der Städte durch einflußreiche Werbekonzerne verstanden werden.

Wir wünschen dem folgenden, vorzüglich mit Bildern aus der Realwelt dokumentierten Gastbeitrag eine breite Leserschaft und weite Verbreitung.

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freiheitsfoo erneuert finanzielle Unterstützung von und Partnerschaft mit Tails

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50 Jahre Berufsverbote in West-Deutschland durch Radikalenerlass – Keine Rehabilitierung der Geschädigten durch das Land Niedersachsen – Stattdessen, trotz anderslautender Beteuerung, Praktizierung der „biologischen Erledigung“

Am 28. Januar 1972 erließen die Ministerpräsidenten West-Deutschlands unter dem vielfach gefeierten Willy Brandt den so genannten „Extremistenbeschluss“, auch als „Radikalenerlass“ bekannt. In dessen Folge durchwühlte der Inlandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland („Verfassungsschutz“) die Lebensläufe und die politische Aktivitäten von ca. 3,5 Millionen Menschen, führte also massenhaft „Gesinnungsprüfungen“ durch. Das Ziel: So genannte „Extremisten“ oder „Verfassungsfeinde“ (im Sinne des „Verfassungsschutzes“) sollten herausgefiltert, erfasst und deren weitere berufliche Laufbahn dann gestört werden, wenn diese im öffentlichen Dienst verlaufen sollte.

Tausende Menschen durften infolge den von ihnen gewählte und per Ausbildung oder Studium erlernte Beruf nicht ausüben, das Recht auf Ausübung der Arbeit und der Zugang zum Beamtentum wurde ihnen verweigert.

Wenig verwunderlich und nicht wirklich neu: Betroffen davon waren fast ausnahmslos nur Menschen mit einem „linken“ Weltbild. Rechtsextremisten ließ der bekanntermaßen oft rechtslastig agierende Inlandsgeheimdienst dagegen gewähren.

Der Extremistenbeschluss wirkte über den Kreis der konkret von Entlassungen und Befragungen betroffenen Menschen hinaus und hatte einen weit wirkenden repressiv wirkenden Effekt auf die damalige Gesellschaft West-Deutschlands. Und das war wohl auch seitens der geistigen Väter genau so gewollt und gewünscht.

Erst viele Jahre später wurde der Radikalenerlass aus 1972 geändert und in dieser rigiden und breit invasiv wirkenden Form abgeschafft – zwischen 1985 und 1991 änderten alle (West-)Bundesländer ihre Regelungen entsprechend um.

Doch der bis dahin angerichtete Schaden an Menschenschicksalen und der Gesellschaft insgesamt ist immens. Wenig verwundertlich, dass die Betroffenen bereits seit längerem Rehabilitierung und Entschädigung verlangen.

Das Bundesland Niedersachsen reagierte als erstes und richtete im Jahr 2016 eine Kommission „zur Aufarbeitung der Schicksale der von niedersächsischen Berufsverboten betroffenen Personen und der Möglichkeiten ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung“ ein.

Trotz dieses erfreulichen Schritts der Aufarbeitung der Geschichte tut sich die derzeitige SPD-CDU-Groko des Landes nun aber schwer, den gut gemeinten Worten wirkliche Taten folgen zu lassen:
Auf die konkrete und beharrliche Anfrage eines Betroffenen antwortete die niedersächsische Staatskanzlei zunächst über ein Jahr lang gar nicht, um dann – und das auch erst aufgrund der Nachfragen des Betroffenen – dessen Anliegen mit Verweis auf Corona und komplexer Materie das Ganze abzulehnen:

„Die für eine Entschädigung notwendige Schaffung notwendiger Gesetzesgrundlagen ist nach hiesiger Einschätzung politisch jedenfalls in dieser Legislaturperiode keinesfalls mehr realisierbar.“

Diesen Satz muss man seinem bürokratisch-diplomatisch Duktus entreissen und decodieren, um dessen Aussage und ihre Tragweite zu erfassen: Es ist nicht gewollt, die per Extremismuserlass um einen guten Teil ihrer Lebensverwirlichung betrogenen Menschen zu rehabiliteren – ganz egal, was die 2016 eingerichtete Kommission dazu bislang eruiert und bewertet hat.

Eine demokratische Bankrotterklärung von SPD und CDU in Niedersachsen. ###

Wir veröffentlichen hiermit den Aufruf „1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote – Demokratische -Grundrechte verteidigen“ der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Rechte sowie den vollständigen Briefwechsel zwischen einem vom Radialenerlass Betroffenen mit der Staatskanzlei Niedersachsens.

Wer den Aufruf zur überfälligen Aufhebung des Radikalenerlasses und für die Rehabilitierung der dadurch Gebrandmarkten unterschreiben und damit unterstützen möchte kann das online wie offline tun.

Ein Engagement gegen Berufsverbot hat über den demokratiegeschichtlichen Kontext hinaus zudem einen leider sehr aktuellen Bezug:

So hat der Innenminister Brandenburgs, Michael Stübgen von der CDU im vergangenen (Corona-)Jahr die Einführung einer dem Radikalenerlasses ähnelnden Praxis angekündigt. Dem gingen entsprechende Gedankenspiele der – aus unserer Sicht in undemokratischer weil intransparenter Weise agierenden – Innenministerkonferenz voraus (siehe bspw. Beschlüsse zu TOP 2 der IMK vom Dezember 2019, dort Seite 4). Daraus kann man ableiten, dass der brandenburgische Vorstoß dem Beginn einer neuen Welle repressiver Radikalenerlasse im gesamten Bundesgebiet gleichkommt. Einige Bundesländer liebäugeln bereits öffentlich mit dem Gedanken ähnlicher Vorgaben. Auch Nordrhein-Westfalen hat bereits 2018 eine (Achtung, Neusprech:) „Regelabfrage beim Verfassungsschutz“ eingeführt – mit dem bekanntermaßen geringen Erfolg bezüglich der Aufdeckung rechtsextremer Gruppierungen innerhalb der Polizei.

Zwar wird dieser Akt nun mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus z.B. bei „Bundeswehr“ und Polizei begründet. Doch dass nun ausgerechnet der Inlandsgeheimdienst („Verfassungsschutz“) diesen längst überfälligen Kampf gegen Rechts anführen soll, das lässt befürchten, dass auch unter den heutigen Bedingungen eher linke und antifaschistisch orientierte Menschen unter den neuen Beschlüssen leiden werden.

Die Kommentierung auf den Seiten der Berufsverbot-Betroffenen beschreibt den aktuellen Vorgang treffend (Hervorhebungen durch uns):

„Aber wir wissen aus eigener Erfahrung: Die Einschränkung von Grundrechten und die Etablierung von Gesinnungsschnüffelei dienen nicht der Demokratie, sie fügen ihr schweren Schaden zu. Solche Maßnahmen des Staates richten sich damals wie heute in erster Linie gegen eine kritische linke Opposition. Der Kampf gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze war damals und ist heute eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ausgerechnet an den sogenannten „Verfassungsschutz“ zu delegieren, kommt einem Suizid der Demokratie gleich. Dieser Geheimdienst brachte das erste NPD-Verbotsverfahren zum Scheitern, weil der neonazistischen Partei aufgrund ihrer Durchsetzung mit „V-Leuten“ „mangelnde Staatsferne“ attestiert werden musste. Auch die jetzt angekündigte „Überwachung“ der AfD durch den „Verfassungsschutz“ wird absehbar nur zu einer noch stärkeren personellen und finanziellen Beteiligung des Staates an dieser Partei führen.

Das Grundgesetz und die einschlägigen Rechtsvorschriften bieten ausreichend Möglichkeiten, Mitglieder der rechten Szene aus sensiblen Bereichen des Öffentlichen Dienstes (Polizei, Militär, Justiz, Schulen) fernzuhalten – wenn das politisch gewollt ist. Doch obwohl in den letzten Jahren immer wieder rechtsextreme Netzwerke insbesondere in Polizei und Bundeswehr öffentlich wurden, ist gerade dort von diesen Möglichkeiten kaum Gebrauch gemacht worden.

Auch juristisch bewegten sich solche Gedankenspiele auf dünnem Eis. Heute gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, mit dem verbindliche Antidiskriminierungsrichtlinien der EU umgesetzt wurden. Es würde ein in jeder Hinsicht höchst bedenklicher Präzedenzfall geschaffen.“

 

Nachfolgend nun der Aufruf zur Rehabilitation der bislang von dem Radikalenerlass Geschädigten und Verletzten:

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Kommentar: Ein neuer Panzerwagen für die niedersächsische Polizei – ein Symptom dauernder Übererregung staatlicher „Sicherheitsbehörden“

[Gastbeitrag eines Menschen mit mehr als vierzigjähriger Erfahrung in den Reihen der Polizei. Mit dieser Innenperspektive aus der Behörde heraus eine mögliche Begründung für die jüngst von uns öffentlich gemachte Neuanschaffung eines neuen Panzerwagens für die niedersächsiche Polizei.]

Eine immer schneller auf Gewalt als Mittel der Wahl setzende Polizei hat offenbar großen Bedarf sich materiell aufzurüsten. Wo Mentalität und Habitus immer weniger dem Leitbild einer zivilen Bürgerpolizei sondern immer mehr einer militärischen Logik folgen, ist der Weg zum Panzer offenbar nicht weit.

Die Militarisierung der Polizei zeigt sich schon länger in der Entwicklung ihrer organisationalen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsschemata (Habitus). Sukzessive breitet sich in den Reihen der Polizei eine Gleichgültigkeit gegenüber der Integrität des Gegenübers und vor allem gegenüber der vermuteter Straftäter*innen aus. Es greift eine starke Abgrenzung des ‚Eigenen‘ von diesen ‚Anderen‘ um sich, der ein fließender Übergang in offene Freund-Feind-Bestimmungen folgt. In der Wahrnehmung der Polizei zeigen sich ihre Reviere und die Umgebung zunehmend chaotisch. Von ihrem (Selbst-) Verständnis her patrouilliert sie in Feindgebieten, in denen sie frühzeitig und in hohem Maße machtvoll eingreifen muss, um „das Chaos“ einzudämmen.

Obwohl sie in schöner Regelmäßigkeit die Transformation sozialer Probleme in Sicherheitsprobleme beklagt, fordert sie ständig mehr Ressourcen und Befugnisse, um den selbst gestellten Aufgaben gerecht werden zu können. Materielle Aufrüstung und ständige Ausweitung ihrer Befugnisse sind insoweit der sichtbare Ausdruck ihrer Entwicklung hin zur Militarisierung – und Panzerwagen sind dann nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern aus dem Blickwinkel der Polizeiorganisation nur logische Konsequenz. Das zeigt sich gerade auch in der Reaktion des Nds. Innenministeriums, das mit kritischen Fragen zu Ursachen und Wirkungen der Anschaffung derartiger „Rüstungsgüter“ dann offenbar gar nichts anfangen kann.

Und wo immer wieder gern Amoktaten und Terrorakte zur Begründung derartiger Aufrüstung angeführt werden, kann im Sinne von Joseph Vogel (Kulturwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität) entgegnet werden, dass doch ein krasses Missverhältnis zwischen öffentlicher Aufregung und statistischer Wahrscheinlichkeit von Amoktaten und Terrorakten besteht.

Die fortgesetzte Überreaktion des Staates erklärt sich daraus, dass in Amoktaten und Terrorakten die Prophylaxen, Präventionsstrategien und Interventionstaktiken immer wieder so offensichtlich eklatant versagen. Wenn diese Taten ohne besondere Vorzeichen plötzlich im Alltäglichen hervorbrechen, zeigen sich die Sicherheitsdispositive moderner Präventionsgesellschaften nachhaltig provoziert. Verlässliche und nachvollziehbare Koordinaten der Bedrohung sind hingegen kaum auszumachen, so dass die Konzepte zur Begegnung dementsprechend im Ungewissen rühren – sich aber zugleich durch eine innere Maßlosigkeit auszeichnen. Wir erleben doch längst, dass in den Reaktionen der Fokus möglicher Sanktionen sich von wirklichen Vorfällen auf pure Möglichkeiten verschiebt – und am Ende geht es nicht mehr darum, was jemand tut oder getan hat, sondern zu welchen Taten er oder sie dereinst fähig sein könnte.

Die Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen erzeugt offenbar immer neue Sicherheitsbedürfnisse, was zur wechselseitigen Steigerung von Gefahrenwahrnehmung und Schutzverlangen führt. Terrorakte gewinnen Kontur, indem sie Präventionswälle durchbrechen und Alarmbereitschaft hintergehen. Sie versetzen die Frühwarnsysteme in dauernde Erregung und die Präventionsregimes agieren fortgesetzt als letztes Aufgebot zur Verteidigung des Inneren Friedens. Da liegen militärische Mittel (Panzer) und Optionen auf den innenpolitisch ausgerufenen Schlachtfeldern natürlich nahe.

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Rise of the Police: Polizei Niedersachsen wird heimlich mit einem neuen Polizei-Panzerwagen aufmilitarisiert – Das Innenministerium mauert zu allen Fragen dazu und schwurbelt bei Nachfragen zur Begründung für die Anschaffung herum

Juni 2021: Durch die Straßen Hannovers fährt … ein Panzerwagen mit der Aufschrift „POLIZEI“.

Mitten im Großstadtverkehr kurvt das Militärfahrzeug mit amtlichen hannoverschen Kennzeichen herum, wird von einem aufmerksamen Passanten fotografiert und löst bei uns in der Redaktion Nachfragen aus.

Der neue Polizei-Panzerwagen Niedersachsens im hannoverschen Straßenverkehr im Juni 2021

Mittels Abgleich der Fotos vom Fahrzeug mit Sammlungen von Fotos einschlägiger Polizei- und Militär-Panzerwagen wird bald klar, dass es sich bei dem Wagen um einen „Enok“ handeln muss – ein vorwiegend beim Militär eingesetzten gepanzerten Sonderfahrzeug, einst angeschafft für den Einsatz der „Bundeswehr“ im Krieg in Afghanistan.

Doch was hat dieser Panzerwagen bei der Polizei zu suchen?

Bei der weiteren Recherche stoßen wir auf eine Randnotiz in einem Beitrag aus Bayern. In der Meldung aus dem Februar 2020 heißt es, dass das Land Niedersachsen vorraussichtlich im April 2020 einen solchen „Anti-Terror-Geländewagen“ ausgeliefert bekommen soll. Doch das Niedersächsische Innenministerium hat hierzu bislang nichts verlautbart.

Wir fragen dort also nach:

  • Wie viele dieser Panzerwagen hat das Land Niedersachsen angeschafft?
  • Mit welchen (eventuell fernsteuerbaren) Waffen ist das Fahrzeug ausgerüstet?
  • Wo und in welcher Polizeieinheit ist es stationiert?
  • Gab es bereits Einsätze für dieses Fahrzeug?
  • Wie teuer war der „Enok“?
  • Warum wurde dieses Fabrikat anderen Anbietern gegenüber ausgewählt und bevorzugt – gab es überhaupt eine Ausschreibung für das Gerät?

Und schließlich:

  • Warum gab es keine Öffentlichkeitsarbeit zum Einkauf des Polizei-Panzerwagens?

Und was antwortet uns das Niedersächsische Innenministerium?

Nicht viel:

  • Es handele sich um ein „sondergeschütztes Offensivfahrzeug speziell den für urbanen Bereich“, das dem „Spezialeinsatzkommando Niedersachsen“ unterstehe.
  • Weitere Antworten gäbe es für uns nicht, denn: „Das Fahrzeug ist nach der Verschlusssachenanweisung als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.“
  • Man wolle den Panzerwagen „im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Öffentlichkeit vorstellen“.

Garniert wird die magere Antwort mit markigen Versuchen, die Anschaffung zu rechtfertigen. So schreibt uns das Innenministerium:

„Die Anzahl von Einsatzlagen, in denen Polizeikräfte gegen bewaffnete und gefährliche Gewalttäter (z. B. in politisch und/oder rechtsradikal motivierte Morden, Terroranschlägen oder Amoklagen) vorgehen müssen, steigt stetig.“

Mit dem Latein zur Rechtfertigung für den Panzerwagenkauf am Ende

Auf unsere Nachfrage, ob es für diese Behauptung statistische Belege oder tatsachenbedingte Anhaltspunkte gäbe verweist uns der Antwortende aus dem Referat 26 des Innenministeriums zwar prompt, aber ebenso plump mit dem Verweis auf eine Pressemitteilung zur Veröffentlichung der letzten Polizeilichen Kriminalstatistik, die allerdings gar keine Aussagen oder Informationen zu der Behauptung liefert.

Wir fragen also nochmals nach und bitten um Belege für die Behauptung zunehmender Terroreinsätze, die eine Anschaffung des Polizeipanzerwagens angeblich notwendig machen.

Der Sachbearbeiter ist wohl damit mit seinem Latein am Ende und kann uns offenbar keine Belege liefern – er verweist uns kommentar- und begründungslos zurück an die allgemeine Pressestelle des Innenministeriums in Hannover. Wir sollten unsere Fragen doch nunmehr dorthin richten …

… das haben wir getan, aber bis dato noch keine Antworten erhalten.

Fazit

  • Das Niedersächsische Innenministerium rüstet die Polizei Niedersachsens mit einem mutmasslich ca. 1,2 Millionen Euro teuren Panzerwagen auf, unterlässt dabei aber jegliche Aufklärung der Öffentlichkeit.
  • Fragen zu dem „Sonderwagen“ will das Ministerium weitgehend nicht beantworten und stuft den Panzerwagen selber (!) als „Verschlußsache“ ein. Eine Verschlußsache, die munter durch den öffentlichen Straßenverkehr braust.
  • Es bleibt völlig unklar, wer den Kauf dieses Fahrzeug angestoßen und zu verantworten hat und ob es im Vorfeld eine Ausschreibung gegeben hat, geschweige denn nach welchen Kritierien der Panzerwagenhersteller ausgewählt und mit dem finanzschweren Auftrag begünstigt wurde.
  • Ebenso unklar und noch vielmehr zweifelhaft ist die Notwendigkeit der (intransparenten) Aufrüstung der Polizei in dieser Form – Nachfragen dazu werden ausgesessen – von den blumigen Begründungsfloskeln bleibt substantiell – nach derzeitiger Faktenlage – nichts übrig.

Der gesamte Vorgang steht symptomatisch für die Militarisierung der Polizei bei mehr als fragwürdigen Gründen dafür. Eine öffentliche Debatte über den Sinn der technischen und gesetzgeberischen Aufrüstung der Polizei findet i.a. nicht statt. Die Heimlichtuerei bei der Anschaffung eines Panzerwagens für die Polizei Niedersachsen tut dieser Entwicklung wenig Gutes. Eine parlamentarische Aufarbeitung zu den Umständen der Anschaffung des Sonderwagens wäre vonnöten.

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Hinweis auf mündliche Verhandlung am 14.7.2021 am Verwaltungsgericht Hannover: Wie sehr darf das Landeskriminalamt Niedersachsen einer Menschenrechtsaktivistin die Auskunft über die polizeiliche Datensammlung zu ihrer Person verweigern?

Schwärzungen, hier am Beispiel des Abschlussberichts des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses im Bundestag zum Snowden-BND-Skandal aus 2017. Lesenswerte Geschichte dazu bei netzpolitik.org.

Es ist ein mühsamer Weg, herauszufinden, was Behörden wie z.B. Polizeien und Geheimdienste über Klimaschutz- und Menschenrechts-Aktivist*innen speichern. Zwar gibt es Gesetze, die Auskunftsrechte regeln, doch leider auch zahlreiche Ausnahmeregelungen, die es ermöglichen, bestimmte Speicherungen geheim zu halten und nicht mitzuteilen. Schließlich kommt noch hinzu, dass sich die Behörden mitunter nicht an die Vorgaben zur Auskunftspflicht halten oder sich gar untereinander absprechen, bestimmte Informationen den Anfragenden vorzuenthalten.

In einem aktuellen vor Gericht behandelten Fall beauskunftete das Landeskriminalamt Niedersachsen einer Aktivistin im Jahr 2018 zwar umfangreich dort vorhandene Speicherungen sensibler personenbezogener Daten. Ihre (vermeintliche!) Gruppenzugehörigkeit und ihre Kategorisierung als „politisch motivierte Straftäterin“, sämtliche Meldeadressen der letzten 20 Jahre und eine Dokumentation ihrer Beteiligung an diversen Aktionen, darunter auch solche in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die in den jeweiligen Bundesländern selbst zum Teil schon lange nicht mehr gespeichert werden. Doch es gibt auch Speicherungen, die das LKA pauschal gar nicht mitteilen will. Dagegen zog die Aktivistin vor Gericht.

„Ich hab zunächst eine sehr umfassend geschwärzte Akte vorgelegt bekommen. Als wäre es nicht schon dreist genug, was für eine enorme Datensammelwut das LKA hier bezogen auf meine Person an den Tag legt, wollen sie mir nicht einmal vollumfänglich mitteilen, was sie speichern. Das ist schon dreist“, so die Aktivistin Hanna Poddig. Zwar konnte sie mit Hilfe einer Anwältin mittlerweile einen Teil der Schwärzungen wegkämpfen, doch noch immer bleiben mutmasslich bedeutsame Aktenbestandteile verborgen.

Am kommenden Mittwoch, den 14.7.2021 um 11:00 Uhr wird vor dem Verwaltungsgericht Hannover in der Leonhardtstraße 15 in der Behandlung eines Verfahrens nun um die KLärung der Frage gehen, ob das LKA der Klägerin gegenüber vorenthalten darf, welcherart Informationen geschwärzt worden sind. Ob es sich also – beispielsweise – bei der Schwärzung personenbezogener Daten Dritter bei diesen Personen um Freund*innen/Bekannte oder um Polizeispitzel handelt – oder in welcher weiteren Form diese in der Beziehung zur Auskunftssuchenden stehen.

Die mündliche Verhandlung (Az. 10 A 3954/18) ist öffentlich.

Wir wünschen ihr reges öffentliches Interesse.

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Entwurzelung der Versammlungsfreiheit durch neues Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen – Demos am 18.6.2021 in Münster, am 19.6.2021 in Bochum, Großdemo am 26.6.2021 in Düsseldorf

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Heimlich, still und leise – Die Volkszählung 2022 wirft lange, digitale schwarze Schatten voraus: Massenhafte Datenübermittlungen und weitreichende Kompetenzübertragungen am Parlament vorbei an die Bundesregierung

Die Volkszählung 2021 („Zensus 2021“) wurde um ein Jahr verschoben, angeblich wegen Corona. Das dürften einige aufmerksame Menschen noch mitbekommen haben.

Von den damit verbundenen Gesetzesänderungen, die als Teil eines großen Gesetzänderungspakets im Dezember 2020 Bundestag und Bundesrat passiert haben wissen sicherlich weniger Leute etwas.

Und was diese Gesetzesänderungen für Auswirkungen haben – darüber wurde und wird noch viel weniger berichtet. Wir möchten das hier kurz und knapp und möglicherweise immer noch nicht vollständig wenigstens nachholen und damit für etwas mehr Transparenz sorgen. Transparenz und Aufklärung, an der es Bundesregierung, die Statistischen Ämter und die Kommunen mangeln lassen.

Also:

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Offener Brief der Braunschweiger Digitalcourage: Warnung vor Aberglauben, eine Pandemie mittels Apps besiegen zu können – und wenn schon, dann bitte nicht mit der riskanten Luca-App

Auch die Corona-Pandemie verführte und verführt viele Politiker, Populisten und technisch wenig versierte Menschen zu dem Aberglauben, technische Mittel und Methoden als Wundermittel im Kampf gegen menschliche oder soziale Probleme – in diesem Fall die globale Pandemie – anzusehen und anzupreisen.

Eines der „besten“ Beispiele hierfür ist der Hype um die Luca-App, vielfach und eiligst von Politikern und Behördenverantwortlichen für teures Gemeingeld eingekauft  – alleine in Niedersachsen für rund 3 Millionen Euro für eine Software, die seitens der Gesundheitsämter dann aber so gut wie gar nicht genutzt wird, obwohl immer das genaue Gegenteil davor behauptet wurde und wird Die jüngst aufgetauchten vielfachen Sicherheitslücken gepaart mit einer ignoranten und auf Intransparenz basierenden mentalen Einstellung des Anbieters kommen schwerwiegend noch hinzu. Und alleine schon die technische Grundkonzeption des luca-Systems mit zentraler Speicherung sensibler Daten auf den luca-Servern sowie eine bestenfalls pseudonymisierte statt anonymisierte Speicherung dieser Daten lassen IT-Sichereitsforscher an der Sicherheit der luca-App große Zweifel aufkommen

Dabei gibt es – selbst wenn man schon auf die Unterstützung der leidlich verbreiteten Smartphones setzen möchte – wirksamere, kostengünstigere und persönlichkeitsrechtsfreundlichere App-Alternativen: z.B. die Corona-Warn-App oder die einfachen Papierlisten.

Beide leiden in Niedersachsen allerdings nicht nur unter miesem Marketing, sondern auch unter handfesten rechtlichen Benachteiligungen. So schreibt die niedersächsische Corona-Verordnung zwar nur pseudo-liberal und allgemein vor, dass bei Veranstaltungen bestimmte „Kontakt-Daten“ fürs Gesundheitsamt gesammelt werden müssen (Name, Anschrift, Telefonnummer etc.), sie verpflichtet aber Veranstalterinnen nicht, auf Wunsch von Besucherinnen auch Papierlisten anzubieten.

In der Folge sind Gäste dem guten Willen der Veranstalterinnen ausgeliefert: Verlangen diese eine Registrierung (nur) über die Luca-App, muss laut Verordnung Menschen, die das ablehnen, der Zutritt verweigert werden. Das verblüfft insbesondere, weil die Luca-App strukturell nur eine elektronische Papierlisten-Simulation mit entsprechend gesteigertem Potenzial zum Datensicherheitsalbtraum ist. Warum können Menschen dann nicht auf die Benutzung des weniger riskanten Originals, der einfachen Papierliste, bestehen? Die Landesverordnung könnte das vorschreiben, tut es aber nicht.

Eine andere Alternative zur Luca-App, die Corona-Warn-App, stellt tatsächlich einen neuen Ansatz zur Kontaktnachverfolgung dar und simuliert nicht nur Papierlisten. Sie erhebt keine Namen, Anschriften oder Telefonnummern und sendet diese auch nicht an Gesundheitsämter. Das ist zwar technisch brillant, (zur Kontaktdatenerhebung) aber leider in Niedersachsen rechtswidrig.

Mangels weiterer Alternativen und dank dieses unverdächtig wirkenden rechtlichen Rahmenbaus, wird die Luca-App an vielen Orten zur Zwangs-App.

Es scheint, dass nur solche Methoden der Kontaktnachverfolgung in Niedersachsen erwogen werden, welche vollständige Kontrolle über die erhobenen Daten ermöglichen. Das deckt sich mit dem autoritären Gestus, mit dem etwa Ministerpräsident Weil im Dezember die Erhebung von Standortdaten der Nutzenden (durch die Corona-Warn-App) verlangte. Der Traum der Kontrolle über die Standortdaten der Menschen ist ein Bruder des Traums der Kontrolle über die Beobachtenden selbst. Geht es da wirklich noch um Pandemiebekämpfung? Oder wurde schlicht das technisch und datenschützerisch überlegene Konzept nicht verstanden? Die politischen und rechtlichen Folgen erscheinen ähnlich.

Auf das alles verweist ein Offener Brief der Braunschweiger digitalcourage-Ortsgruppe, den wir nachfolgend gerne einer weiteren Leserschaft zukommen lassen möchten und dem wir mehr Beachtung wünschen:

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Polizei Hannover kennzeichnet Flächen als videoüberwacht, die es gar nicht sind – Beschwerde an die niedersächsiche Landesdatenschutzbeauftragte eingereicht

Amtlich verhüllte Polizeikamera am Hannoverschen Congress Centrum

Die Polizeidirektion Hannover ist ein Freund der Videoüberwachung öffentlichen Raums. Und das schon seit weit über 40 Jahren. Der Streit um die Rechtmäßigkeit und Kennzeichnung der Kameras ist dagegen zwar erst gut ein Dutzend Jahre alt und treibt dennoch immer neue Blüten.

So handelt die Polizei in der niedersächsischen Landeshauptstadt recht halbherzig, wenn es um eine korrekte Beschilderung der Videoüberwachung geht. Man mag es auch als sorglos oder gar schlampig bewerten, wenn die Polizei zwar einerseits behauptet, sich regelmäßig und ordentlich dokumentierend um die Hinweis-Schilder und -Aufkleber zu kümmern, zugleich aber eine nicht geringe Anzahl alter Kennzeichnungen im öffentlichen Raum belässt, obgleich dort keine Polizeikamera (mehr) betrieben wird. Oder gar ganz neu: Straßen oder Straßenzüge als videoüberwacht zu brandmarken, die von der dazugehörigen Kamera gar nicht erfasst werden können.

Auf diese Fehlleistung angesprochen reagierte die Polizei bislang ausweichend bis ignorierend [1, 2, 3, 4, 5, 6. 7].

Wir dokumentieren im Folgenden eine Beschwerde, die bei der Niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten eingereicht wurde und die die „Über-Beschilderung“ an konkreten Beispielen dokumentiert und das Einschreiten der Datenschutzbehörde erbittet:

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