Neben vielen anderen bürgerschaftlichen und parlamentarischen Demobeobachtern haben auch wir vom freiheitsfoo die Demonstrationen und Blockaden von Freitag bis Samstag begleitet.
Zur Erläuterung: Bei der Demobeobachtung geht es ausdrücklich nicht um eine politische Bewertung des Demonstrationsgeschehens. Ziel ist die Beobachtung und Dokumentation von Versammlungen und Versammlungsumfeldern mit Blick auf die praktische und tatsächliche Wahrung und Durchsetzung der in Artikel 8 des Grundgesetzes verankerten Versammlungsfreiheit, damit verbunden auch die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz. Häufig steht dabei das polizeiliche Handeln und Verhalten im Vordergrund. Als Demonstrationsbeobachter sind wir keine Teilnehmer der Versammlung, intervenieren nicht in das Demonstrationsgeschehen und beziehen keine Stellung. In Einzel- und Ausnahmefällen stehen wir für neutrale Vermittlungen zwischen Polizei und Versammlung zur Verfügung. Bei besonders krassen Verstößen wenden wir uns mit Hinweisen und Nachfragen dazu an die Polizei vor Ort.
Im Folgenden möchten wir als kurze Zusammenfassung die von uns beobachteten aus unserer Sicht besonders hervorzuhebenden Geschehnisse zusammenfassen. Dieses stellt ausdrücklich keine endgültige oder abschließende Bewertung der Erlebnisse dar, angesichts einiger zum Teil schwer unausgewogenen oder verharmlosenden Berichte von den Protesten erscheint es uns aber wichtig, schon relativ kurzfristig auf Vorgänge und Rechtsverstöße seitens der Polizei hinzuweisen, die bislang keine oder unangemessen wenig öffentliche Beachtung erfahren haben. Wichtig zu wissen ist weiter, dass wir von unserer Gruppe aus nur punktuelle Beobachtungen vornehmen konnten, andere Gruppen waren an anderen Stellen präsent. Unsere Auflistung kann also nicht abschließend oder erschöpfend sein.
freiheitsfoo-Demonstrationsbeobachter wurden alleine aufgrund ihrer (neutralen, die Polizeikräfte nicht behindernden) Beobachtung mehrfach von der Polizei kontrolliert bzw. deren namentliche Identifizierung verlangt und durchgeführt. Wir wurden von der Polizei oft bei unserer Arbeit behindert – bei fragwürdigem oder aus unserer Sicht unzulässigem Verhalten der Polizei war das besonders zu spüren. In einem Fall wurde uns Gewalt angedroht.
Keine der von uns im Vorfeld an Polizei und Versammlungsbehörde gerichteten drei Bitten bzw. Aufforderungen fand bei den Behörden Gehör bzw. wurde umgesetzt: Neben der Behinderung unserer Arbeit konnten wir keinen Vertreter der Versammlungsbehörde vor Ort ausmachen und auch die Polizisten waren nicht identifizierbar gekennzeichnet, ja verweigerten sich sogar in nicht wenigen Einzelfällen der berechtigten direkt vorgetragenen Aufforderung, ihren Namen oder ihre Dienstnummer zu nennen.
Wir haben – stark zusammengefasst – Polizeieinsätze erlebt, die in einigen Fällen Auslöser von Eskalationen gewesen sind. Im Gegenteil dazu haben wir von verbalen Provokationen abgesehen nahezu ausnahmslos friedliche und gewaltlose Versammlungsteilnehmer erlebt.
Mittels in Hannover bis dato unbekannten Anzahl Größe von anlaßlosen Demonstrationsteilnehmer-Kontrollen und -Durchsuchungen, die in vielen Fällen einen entwürdigenden und herablassenden Charakter hatten, hat sich die Polizeidirektion ein fragwürdiges Mittel zur nur scheinlegitimen zeitlichen Festsetzung von Versammlungsteilnehmern erobert. Zugleich erzeugte die Polizei hierdurch eine angeheizte Atmosphäre, die leicht weitere Verletzte zur Folge hätte haben können.
Vorkontrollen, das Auffahren massiver paramilitärischer Polizeiausrüstung, zum Teil mehrreihige „Spaliere“ von Polizisten, die Demonstrationen zu „Wanderkesseln“ mutieren ließen, die damit einhergehende abschreckende Wirkung, sich an der Versammlung zu beteiligen, häufige Behinderungen der Außenwirkung der Versammlungen durch polizeiliches Abdecken von Transparenten, unzulässige Videoüberwachungen friedlicher Demos hinderten die Menschen häufig und effektiv daran, ihr Grundrecht auf freien Protest wahrnehmen zu können.
Zivile Polizeibeamte mischten sich zuwider den Regeln der Nds. Versammlungsgesetzes unter die Demonstranten und belauschten diese. Ob diese ggf. sogar als „agent provocateur“ aufgetreten sind, können wir nicht beurteilen oder belegen.
Schließlich der völlig unverhältnismäßige Einsatz von Polizeigewalt bei der Räumung von Blockaden.
Besonders eklatant ist der Vorfall, bei dem einem friedlichen und wehrlosen Demonstranten durch außer Kontrolle geratene Polizisten einer oder beide Unterbeine kompliziert gebrochen worden sind. Außer der „taz“ und dem nachfolgend der NDR – beide allerdings auch erst mehr als zwei ganze Tage nach dem Vorfall! – hat sich bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Blogbeitrages offenbar keine weitere Zeitung, kein Radio- oder Fernsehsender die Frage gestellt, wie es dazu kommen konnte, dass einem Demonstranten eine derart schwere Körperverletzung erleiden musste. Mehrfacher Beinbruch als selbstverschuldete Verletzung? o_O Stattdessen zitieren viele Sender und Zeitungen große Teile der Polizeiverlautbarungen ohne eigene Gedanken oder Nachforschungen dazu anzustellen.
Mit Bezug auf diesen Vorfall wirkt eine Nachricht des Deutschlandfunks von gestern abend beispielsweise wie der blanke Hohn. Darin heißt es:
„Bei Zusammenstößen wurden mindestens ein Demonstrant und ein Polizist verletzt.“
Alleine bei einer einzelnen, von uns selber beobachteten Blockaden-Räumung sind schätzungsweise Dutzende von Demonstranten von der Polizei unnötigerweise mindestens leicht verletzt worden. Dass diese Menschen in keiner Polizeistatistik auftauchen, jede noch so kleine Verletzung bei Polizeikräften allerdings pauschal zu einem „verletzten Polizisten“ führt, müsste derartige Meldungen mit der Nennung von vergleichenden Verletztenzahlen eigentlich von ganz alleine verbieten.
Wir wurden am gesamten Wochenende den Eindruck nicht los, als ginge es nicht unerheblichen Teilen von Polizeikräften oder -führung darum, die Demonstranten so viel zu schikanieren wie möglich. Neben den schon kritisierten diskriminierenden Vorkontrollen sind hier beispielhaft die Teileinkesselung der Abschlußdemo auf dem Georgsplatz oder die von uns beobachtete und dokumentierte Ingewahrsamsnahme von Personen aufgrund der Tatsache, dass diese von Wasserwerfern nass gewordene Kleidung trugen, zu benennen.
Das von uns gesammelte Bild-, Ton- und Filmmaterial werden wir den von Polizeigewalt betroffenen Menschen bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Verfügung stellen.
Nachfolgend die etwas genauere Auflistung wesentlicher Beobachtungen von uns in chronologischer Reihenfolge. Wir behalten uns vor, nicht alle von uns erlebten und dokumentierten Vorgänge und Details hier zu veröffentlichen.