Polizei Hannover: 50.000 Euro für eine einwöchige PR-Kampagne – ohne Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit – und mit unklaren Zielen

Will immer für „uns“ da sein: Die Polizei Hannover. Bild der PR-Kampagne vom August 2020.

„Wir sind für euch da.“ nannte sich eine PR-Kampagne der Polizeidirektion Hannover, die eine Woche lang im August 2020 in der niedersächsischen Landeshauptstadt betrieben worden ist.

Wer sich dafür interessiert, warum und mit welchem Hintergrund diese Kampagne gestartet worden ist, der steht zunächst im Dunklen. Weder gab es auch nur die geringste Öffentlichkeitsarbeit für die Kampagne (warum eigentlich nicht?) noch lieferten die von uns getätigte Presseanfrage samt einiger dazugehöriger Nachfragen uns zufrieden stellende Antworten.

Der Rahmen

Für die PR-Kampagne mit dem Titel „Wir sind für dich da“ ließ die Polizeidirektion ein Plakatmotiv sowie einen Werbefilm erstellen. Diese ließ sie auf zahlreichen Plakatwänden in der Stadt sowie im Fahrgastfernsehen der hannoverschen Stadtbahnen sieben Tage lang im August 2020 abbilden bzw. laufen:

„Die Kampagne erstreckte sich auf 100 City-Light-Poster sowie einen Spot, der flottenweit auf 1.430 Bildschirmen in 286 Stadtbahnen und 38 Großbildschirmen in acht stark frequentierten U-Bahn-Stationen jeweils bis zu 100 Mal am Tag ausgestrahlt wurde. Sowohl die Plakate als auch der Spot waren jeweils für eine Woche zu sehen.“

Die angebliche Absicht

Es geht vorgeblich um „Imagewerbung“ und um die „Erhöhung des Sicherheitsgefühls“. Hier die gesamte, aus unserer Sicht merkwürdige Antwort der Polizei auf unsere Frage nach Zweck und Absicht der Kampagne:

„Neben der tatsächlichen Präsenz von Einsatzkräften der Polizei Hannover sollte die Kampagne dazu dienen, die Menschen für die Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft der Polizei zu sensibilisieren und so auch in den Köpfen wirken. Die Kampagne diente damit sowohl der Imagewerbung als auch der Erhöhung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung, indem an die dauerhafte Präsenz der Polizei erinnert wird.“

„Sensibilisieren für die 24/7-Bereitschaft der Polizei“ und „auch in den Köpfen wirken“ soll die Kampagne. Hmm …

Verwunderliche Nicht-Öffentlichkeitsarbeit zur Kampagne

Es gab zu dieser Kampagne keinerlei Öffentlichkeit – keine Berichterstattung in den Medien, keine begleitende Pressearbeit der Polizei Hannover, nicht einmal eine Pressenotiz. Das ist äußerst ungewöhnlich für die Presseabteilung der Polizeidirektion Hannover, die sonst auch weitaus geringere Gelegenheiten als Anlaß nimmt, sich öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Wir selber sind lediglich durch einen Hinweis eines Menschen aus Hannover auf diese Kampagne aufmerksam geworden.

Wir haben dazu nachgefragt und nachgehakt und um Erklärung gebeten. Stückweise wurde wie folgt argumentiert:

  1. „Ein Bild sagt sprichwörtlich oft mehr als tausend Worte.“
  2. Es gab nicht genügend „personelle Ressourcen (…) der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“.
  3. Ein „Pressetermin in Präsenzform“ sei aufgrund der Corona-Pandemie nie in Erwägung gezogen worden.

Diese Argumente erscheinen und schwach bis unsinnig:

Ad 1) Gegen diesen Allgemeinplatz ist nichts einzuwenden. Das Sprichwort begründet allerdings nicht, warum nicht ergänzende Pressearbeit geleistet worden ist.

Ad 2) Nicht genügend Ressourcen in der Presseabteilung zu haben ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und war noch nie ein Grund oder Ausrede für die Polizei Hannover, keine Imagepflege in eigenem Interesse zu betreiben. Im einwöchigen Zeitraum der Kampagne hat die Polizei Hannover 19 Pressemiteilungen verfassen können, darunter beispielsweise „Diebstahl einer Handtasche endet mit großem Polizeieinsatz in der hannoverschen Innenstadt“ (17.8.2020), „Graffiti-Sprayer auf frischer Tat ertappt“ (19.8.2020) oder auch andere weltbewegende Ereignisse wie „Betrunkene Frau stört den Dienstbetrieb und beleidigt Polizeibeamte“ (23.8.2020). Warum da nicht mindestens Zeit für eine Pressemitteilung zur Kampagne gewesen sein soll, erschließt sich uns nicht.

Ad 3) Einen Präsenz-Pressetermin hat ja niemand verlangt. Aber mindestens eine Pressemitteilung wäre der übliche und deswegen erwartbare Umfang der Polizei-Pressearbeit gewesen.

Was kostet die Welt?

Wir haben gefragt, was die gesamte Kampagne gekostet hat. Dazu will uns die Polizei keine Angaben erteilen, denn es ginge dabei doch um „Vertragsinhalte mit privaten Anbietern“ …

Mit dieser Begründung kann jegliche Transparenz bei Fragen zum Umgang mit Steuergeldern ausgehebelt werden.

Wir haben selber nachgerechnet und geschätzt und vermuten, dass die PR-Kampagne den Menschen in Niedersachsen mindestens rund 50.000 Euro gekostet haben wird.

Und wer ist verantwortlich für das alles?

Tja, und wer hat die Kampagne eigentlich initiiert bzw. was war der Anlass für die teure Plakat- und Werbefilm-Aktion? Auf die Frage hierzu erhielten wir folgende ominöse Anwort:

„Die Umsetzung der Imagekampagne ist aufgrund eines Angebots durch die Behördenleitung angeregt worden.“

Diese auffällige Wortwahl lässt uns stutzen: Der Polizeipräsident („Behördenleitung“) bietet eine Kampagne an. Was soll das heißen? War das ein Angebot oder eine Aufforderung? Warum drückt man sich hier sprachlich um eine klare Aussage, wer für das alles verantwortlich ist?

Fazit

Auch für „uns“ und für allem für diejenigen da, die juristisch hilflos und angesichts mächtiger Behördenapparate, Polizeigewalt-Erfahrungen und Bevorzugungsrechten und besonderen Privilegien für Polizist*innen und Soldat*innen verzweifelt sind: Die Rote Hilfe.

Uns stößt auf und wundert, dass die Polizei Hannover fernab der sonst geliebten Medienöffentlichkeit eine umfangreiche Imagekampagne im öffentlichen Raum betreibt.

Zigtausende Euro werden für Eigenwerbung ausgegeben, wobei der Zweck schleierhaft oder nur wenig nachvollziehbar bleibt.

Möglicherweise versucht die Polizei mittels der Werbemaßnahme das derzeit derzeit angekratzte Image der Behörde (im gesamten, nicht nur auf Hannover bezogen!) zu reparieren. Immerhin hat die Berichterstattung über Missbrauchsfälle, rechtsextreme und autoritäre Strömungen bis Ausrichtungen in der Polizei sowie die zunehmende Kritik und öffentliche Wahrnehmung zur Polizeigewalt in den letzten Monaten stark zugenommen. Doch falls diese Vermutung stimmt – zugeben mag die Polizei das nicht.

Warum mauert die Polizei bei Fragen zu den Kosten dieser staatlicen Werbeaktion in eigener Sache? Warum wird nicht klar darüber gesprochen, wer und warum das alles passiert ist? Und wieso erklärt uns niemand (schlüssig) das völlige Fehlen der Öffentlichkeitsarbeit dazu?

Uns liegt ein mündlicher Hinweis vor, wonach die Polizei mehrere Plakatmotive verwendet hat. Nach Angaben der Polizei gab es aber nur ein einziges Motiv (siehe Bild oben rechts am Rand). Wir haben zu dem Hinweis keinerlei Belege und konnten diese Behauptung also nicht untermauern oder stützen. Was bei uns in der Redaktion dazu zurückbleibt – insbesondere aufgrund inhaltlichen Gesamtstimmung zu unseren Presseanfragen, die ansonsten immerhin recht flott beantwortet worden sind! – ist ein ungutes Gefühl.

Über den Umfang der „Social-Media“-Arbeit des Presseteams der Polizei Hannover im Zuge dieser Kampagne können wir gar nichts sagen – ein weiteres, noch genauer zu beleuchtendes Kapitel angesichts ausufernder und zum Teil bewusst irreführender Nutzung dieser (a)“sozialen Medien“ durch die Behörde.

Mehr Transparenz und Offenheit in Sachen Polizei-Eigenwerbung auf Kosten der Steuerzahler*innen würde dazu beitragen, das Vertrauen zur Polizei zu erhöhen. Und mehr Vertrauen in die Polizei ist doch eigentlich das, was die Kampagne bezwecken sollte, oder?

Die Frage, ob das alles gut angelegtes Geld ist, muss jede*r selber für sich beantworten.

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Anlässlich des Rücktritts von Herrn Caffier …

Eine „Glock 19“-Pistole, wie sie Herr Caffier meint zum Jagen zu benötigen und deswegen von einem rechtsextremen Prepper gekauft hat. (Bearbeitung eines Bildes von Cyrillic, CC-BY-SA 3.0)

[Ein Kommentar]

… und der zugrundeliegenden unsäglichen … und völlig enthemmten Berichterstattung“ und der damit verbundenen „extrem großen Belastung“ für Herrn Caffier zur Empfehlung der Trailer eines sehenswerten Films, „Deportation Class“.

In diesem Film spielt der jagdbegeisterte (Ex-)Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns eine der Polit-Hauptrollen, auch wenn das aus den Trailer-Ausschnitten nicht hervorgeht.

Mit seinem Nachfolger, Herrn Renz, hat die „CDU“ einen sicherlich würdigen neuen Landes-Innenminister gefunden. Aus einem NDR-Bericht vom 17.11.2020:

„Renz zollte Caffier Respekt für dessen Rücktrittsentscheidung. „Ich kann menschlich absolut verstehen, dass die vergangenen Tage auch an jemandem wie Lorenz Caffier nicht spurlos vorübergehen.“ Er hoffe, dass die „zum Teil unwürdigen Diskussionen über Caffier damit ein Ende finden“, so der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion.“

Wir wünschen Herrn Renz ähnlich viel Empathie bei allen folgenden Entscheidungen in seinem Amt, möglichst auch im Umgang mit den Schicksalen von Menschen, die ihm nicht so nah stehen wie Herr Caffier. Nicht, dass da auch etwas „Unwürdiges“ passiert.

Und vielleicht ließe sich auch noch klären, wozu ein Jäger zum Jagen eine Pistole benötigt …

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linksunten.indymedia-Verbot: Nicht genug, dass das Bundesinnenministerium im Zuge einer Durchsuchung eines Freiburger Kulturzentrums bewusst Falschmeldungen in die Welt gesetzt hat – die Durchsuchungsanordnung war auch noch klar rechtswidrig!

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Im Bundestag: Der „Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ – ein Gesetzgebungs-Desaster mit Ansage

Frei nach Paul Klee: Hat weder Kopf, Hand, Fuß noch Herz.

Bundesregierung und Bundestag haben sich in Sachen Gesetzgebung zur Corona-Pandemie wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Bei der ersten Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) traute sich praktisch niemand aus der parlamentarischen Opposition, inhaltliche Kritik zu äußern. Man mag das mit den hektischen und unübersichtlichen Umständen entschuldigen, richtig macht es das alles dennoch nicht.

Derzeit plant die Bundesregierung – erneut im gesetzgeberischen Sauseschritt – eine erneute Änderung des IfSG, um diejenigen Einschnitte in die Freiheiten der Menschen (nachträglich) rechtfertigen zu können, die schon mindestens seit dem Beginn des „Lockdown light“ am 2.11.2020 praktiziert werden.

Doch dem Gesetzgebungsverfahren fehlt es an Hand und Fuß.

Viel mehr soll hier gar nicht gesagt werden, stattdessen sei verwiesen auf den sehr lesenswerten Online-Beitrag „Neue IfSG-Grundlage für Corona-Maßnahmen – ‚Ver­fas­sungs­widrig und voller hand­wer­k­li­cher Fehler'“ von Hasso Suliak auf Legal Tribune Online (LTO) vom 12.11.2020.

Für Freunde des Podcasts sei das knapp 9minütige Gespräch mit der Bochumer Staats- und Gesundheitsrechtlerin Dr. Andrea Kießling im DLF, ebenfalls vom 12.11.2020 wärmstens empfohlen. Frau Kießling hat als eine der wenigen Sachverständigen im Gesundheitsausschuss des Bundestags bei der Anhörung zur eiligst anberaumten Gesetzesänderung vortragen können und – wie auch die anderen Vortragenden – vor der Umsetzung des Gesetzentwurfs in der vorgelegten Form gewarnt bzw. streng davon abgeraten.

Derlei kopflose Gesetzgebung spielt den Populisten und den rechten Strömungen in die Hand und trägt letztenendes zur gesellschaftlichen Spaltung des Landes bei.

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Niedersachsen: Landesregierung (SPD-CDU) stellt sich auch weiterhin dumm in Sachen Funkzellenabfragen – will nicht wissen, wie häufig und ob im Zusammenhang mit Demonstrationen diese durchgeführt werden und ob Funkzellenabfragen überhaupt ihren Zweck erfüllen.

Der Umgang niedersächsischer Behörden (Polizei, Geheimdienst) mit Funkzellenabfragen ist bereits länger ein Thema, insbesondere in 2016 gab es dazu eine parlamentarische Anhörung im Innenausschuss.

Spätestens damals erhob sich mangels des Wissens und des Interesses der damaligen Landesregierung über den Umfang der Anwendung von Funkzellenabfragen und deren (Un)Sinn die Forderung, endlich eine statistische Erfassung dieser Überwachungsmaßnahme durchführen zu lassen.

Ohne die Zahlen und Informationen, die sich aus so einer Statistik ergeben würden kann keinerlei Aussage über Verhältnismäßigkeit und Zweckerfüllung der Maßnahme getroffen werden.

Warum also ist keine Evaluation der Funkzellenabfragen in Niedersachsen gewünscht?

Diese Frage wird auch mittels zweier weiterer Kleiner Anfragen der FDP im Niedersächsischen Landtag (LT-DS 18/7338 vom 14.9.2020 und LT-DS 18/7771 vom 2.11.2020) nicht beantwortet, dafür beinhaltet die letztere Drucksache immerhin folgende technische Informationen, die wir für teilenswert halten:

„Die Bearbeitung von Funkzellenabfragen erfolgt im Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen mittels einer entsprechenden Software. Bis zum Jahr 2016 wurde die Software „Odin“ für die Bearbeitung und Verwaltung von Verkehrsdaten- und Funkzellenabfragen im LKA Niedersachsen benutzt, die in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei und dem Netzbetreiber O2 (heute Telefónica) maßgeblich entwickelt worden ist. Im Zuge diverser Gesetzesänderungen (u. a. Unzulässigkeit des technischen Übertragungsweges von Anordnungen oder Auskünften per Telefaxversand) wurde die Weiterentwicklung dieser Software eingestellt. Seit 2017 kommt das Produkt „InfReq100“ des Herstellers DIaLOGIKa im LKA Niedersachsen zum Einsatz.

Während aus der Software „Odin“ die entsprechenden Kennzahlen gezielt extrahiert werden konnten, ist dies mit dem Nachfolgeprodukt nicht mehr möglich. Eine Statistikfunktionalität, wie sie zur Beantwortung dieser Anfrage erforderlich wäre, ist im Produkt nicht enthalten.

Eine zahlenmäßige Erhebung von Funkzellenabfragen wäre nur anhand manueller Datenbankabfragen und vor dem Hintergrund der Komplexität der Software sowie einer Vielzahl kreuzreferenzierter Datenbanken nur mit einem nicht unerheblichen personellen Aufwand möglich. Eine Inanspruchnahme kostenpflichtiger Unterstützungsleistungen der Herstellerfirma wäre daher zusätzlich zum manuellen Aufwand notwendig.“

Mobilfunkantennen in Hannover, Stand 2012, Quelle: devianzen.de

In der vorhergehenden Kleinen Anfrage hieß es zu der Frage, ob auch im Zuge von Demonstrationen Funkzellenabfragen durchgeführt worden sind:

Der Landesregierung sind hierzu keine entsprechenden landesweiten statistischen Erhebungen bekannt. Zur Beantwortung der Frage wäre eine manuelle Einzelauswertung bei den Polizeidienststellen notwendig. Damit wäre ein Arbeitsaufwand verbunden, der ohne Zurückstellung der eigentlichen Aufgaben der Polizei und Staatsanwaltschaft nicht möglich wäre und zudem im Rahmen der Beantwortung einer kleinen Anfrage nicht geleistet werden kann.“

Zusammengefasst kann also gesagt werden:

  • Mittels der genannten Software-Umstellung hat die Polizei Niedersachsens einen Rückschritt bezüglich der Transparenz der Überwachungsmaßnahme vollzogen, da nun noch weniger statistische Daten zur Evaluation zur Verfügung stehen als zuvor.
  • Hinsichtlich der verfassungsrechtlich bedeutsamen Frage, ob die Polizeien und der Geheimdienst in Niedersachsen Funkzellenabfragen im Zuge von nach Artikel 8 GG geschützten Versammlungen einsetzt verweigert das Nds. Innenministerium die Aufklärung.

Interessant und lesenswert übrigens auch die Angaben zu den Kosten und der Anzahl der übermittelten Datensätze der Jahre 2013-2016 aus der LT-DS 17/8036 vom 11.5.2017.

So kosteten die Funkzellenabfragen dem Land in 2016 bspw. fast eine Million Euro für rund 70.000 „Antwortdateien“ aus diesen.

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Niedersächsische Groko aus SPD und CDU verweigern die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes. Ausrede: Stattdessen gibt es eine „Open-Data-Strategie“. Ausdrücklich aber ohne Auskunftsrecht für Bürgerinnen und Bürger.

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Bundespolizei lässt heimlich, still und leise Kennzeichnung von Bodycams entfernen – Bundesdatenschutzbeauftragter weiss von nichts [UPDATE 14.11.2020]

Bodycams …

… nennt man jene kleinen, in etwa handygroßen Kameras, die meist im Brustbereich von Uniformen und Jacken befestigt werden.

In 2013 begann die Welle, in der die Länder- und Bundespolizeien damit angefangen haben, ihre Polizist*innen mit diesen Kameras zur Aufzeichnung von Bild und Ton auszustatten.

Ob das vorgegebene Ziel, damit hauptsächlich zur Deeskalation beizutragen und zudem die Polizeibeamt*innen zu schützen tatsächlich erreicht wird, ist umstritten und unbelegt. Die zahlreichen dazu von Ländern und Bund angestrengten Evaluationen im Zuge pilothaftiger Einführungen der Geräte werden zwar zur Untermauerung des Sinns des Bodycam-Einsatzes durch (Partei-)Politik und Polizeigewerkschaften herangezogen und immer wieder argumentativ benannt, all diese Untersuchungen genügen jedoch nicht üblichen wissenschaftlichen Standards. Zudem wurden diese Evaluationen stets von den Polizeien oder von polizeinahen Institutionen selber und in Eigenregie durchgeführt, so dass eine neutrale, zumindest eine unabhängige Herangehensweise schwer in Zweifel gezogen werden darf.

Es gibt ein Unmenge an Kritik an den Bodycams (siehe z.B. unsere Stellungnahme an den Landtag Schleswig-Holstein vom April 2016), zudem zahlreiche Mindestbedingungen (ebenda, siehe Punkt Nr. 7), die jedoch nirgendwo in Deutschland eingehalten bzw. umgesetzt werden.

Einer der vielen Forderungen ist die Notwendigkeit einer ausreichend klaren und unmissverständlichen Kennzeichnung der kleinen und in der Praxis kaum auffallenden Kameramodule.

Dieser Forderung versuchten die Gestalter der Einsatzpraxis nachzukommen, indem sie bei öffentlichkeitswirksamen Einführungen der Geräte die Träger*innen der Bodycams mit einer Kennzeichnung an den Uniformen wie z.B. „Videoüberwachung!“ versahen.

So auch die Bundespolizei.

Am 29.1.2016 gab die Bundespolizei mittels Pressemitteilung bekannt:

„Die Bundespolizei erprobt ab heute (29.01.2016) am Kölner und Düsseldorfer Hauptbahnhof den Einsatz von mobilen Körperkameras. (…) An den Funktionswesten ist deutlich sichtbar die Aufschrift „Videoüberwachung“ angebracht.“

Und auch bei der Präsentation der ersten Bodycams für die Deutsche-Bahn-Mitarbeiter am 14.7.2016 in Berlin traten Bundespolizei-Bodycam-Träger öffentlichkeitswirksam mit entsprechender Kennzeichnung auf.

Soweit die öffentliche Vermittlung der Bundespolizei zur Kennzeichungspraxis bei Bodycams. Bis Ende des Jahres sollen bundesweit übrigens rund 2.300 Bundespolizei-Bodycams im Einsatz sein.

Und dann?

Nichts weiter. Außer, dass jemandem im Oktober 2020 in Hannover auffiel, dass die Bundespolizei gar keine solche Kennzeichnung (mehr?) trägt, gleichwohl die Bodycams aber alles andere als auffällig tragen und einsetzen.

Es folgte eine gewisse Anzahl an Fragen und Nachfragen an die Bundespolizei, wir wurden dabei von der Bundespolizeidirektion Hannover erst zum Bundespolizeipräsidium nach Berlin verwiesen, diese spiegelten letztendlich unsere Nachfrage dann wieder zurück nach Hannover.

Das Ergebnis dieser Fragerunden in prägnanter Kürze zusammengefasst:

Dass die Weste rechtlich nicht notwendig ist erläutern Bundespolizei und Bundesdatenschutzbeauftragter unisono und verweisen zur Begründung auf den § 27a des Bundespolizeigesetzes (BPolG), der das formell nicht verlangt. Dort heißt es im Absatz 2 so banal wie unschuldig:

„Auf Maßnahmen nach Absatz 1 [gemeint ist der Einsatz von Bodycams] ist in geeigneter Form hinzuweisen.“

Übrigens lesenswert ist die Bundestags-Drucksache 19/14620 vom 30.10.2019 mit der Beantwortung zahlreicher Fragen rund um den Einsatz der Bodycams bei der Bundespolizei. Ausgangspunkt dieser Kleinen Anfrage war die zuvor öffentlich gewordene Tatsache

Fazit

Aus unserer Sicht ist die Begründung der Bundespolizei zur Abschaffung der gut les- und erkennbaren Kennzeichnung der Bodycams mittels „Videoüberwachung“-Schriftzug an den Uniformen nicht nachvollziehbar:

  • Warum ist die angebliche praktische Untauglichkeit erst so spät aufgefallen?
  • Warum wurde nicht nach einer anderen Möglichkeit solch einer Kennzeichnung gesucht, die den Zugriff auf die Waffen nicht erschweren würde? Das vor allem mit Blick darauf, dass inzwischen nicht mehr die zu Beginn in 2016 eingesetzten, auf der Schulter montierten Bodycams, sondern andere handygroße Geräte Verwendung finden, die gar keinen Einsatz von zusätzlichen Westen mehr begründen würden!
  • Warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert bzw. warum bei öffentlichen Präsentationen und Verlautbarungen ein anderer Eindruck zur Kennzeichnungspraxis erweckt?
  • Warum wurde der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht über die Änderung informiert?
  • Und warum scheuen sich die verschiedenen Stellen der Bundespolizei so sehr vor einer klaren Beantwortung unserer Anfragen zur Sache?

Dass der § 27a BPolG formell keine Kennzeichnung des Bodycam-Pre-Recordings verlangt muss nicht bedeuten, dass diese Nicht-Kenntlichmachung sachlich, praktisch und verfassungsrechtlich richtig ist. Immerhin hat die Tatsache des Pre-Recordings das Zeugs dazu, einschüchternd zu wirken, also die freie Wahrnehmung der eigenen Grund- und Freiheitsrechte (z.B. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit) beim/bei der Einzelnen effektiv zu beschneiden. Und ein derart drastischer Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte verlangt unserer Auffassung nach im Gegenzug mindestens ein deutliche Kennzeichnung des Bodycam-Pre-Recordings.

Eine letzte Anfrage an die Bundespolizei steht zur Beantwortung noch aus. Wir werden hier mittels Update darüber informieren, sofern sich daraus gehaltvolles ergeben sollte.

 

[UPDATE 14.11.2020]

Wir erhielten nun Antwort von der Bundespolizeidirektion Hannover, interessanterweise versendet via E-Mail des Bundespolizeipräsidiums.

Der Inhalt kurz zusammengefasst:

  • „Anfang 2020“ habe das „Roll-out“ der Bodycams bei der Bundespolizei stattgefunden. Damit einher wurde eine „interne Dienstanweisung“ zur Erfüllung der Kennzeichnungspflicht verfügt. Und dadurch habe sich eine zusätzliche Kennzeichnung rechtlich erübrigt.
  • Einen Fototermin könne man uns nicht ermöglichen, stellte uns stattdessen Bilder der Pressestelle zur Verfügung.

Für uns bleiben weitere Fragen offen. Wir haben eine ergänzende Nachfrage gestellt.

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Amtsgericht Hannover: Verfahren gegen die Erteilung von Bußgeldern gegen Demonstrierende im Zuge früher Corona-Demonstrationen für Solidarität mit Geflüchteten in Moria, Obdachlosen und Betroffenen häuslicher Gewalt eingestellt – Polizei Hannover kann keine belastbaren Zeugen vorweisen

Über einen eklatanten Eingriff der Polizei Hannover in Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit von Demonstrierenden in Hannover im April 2020 hatten wir berichtet und später nochmals vergleichenden Bezug genommen, als sich herausstellte, dass die Polizei – seinerzeit – Proteste im Zuge der Corona-Pandemie ganz unterschiedlich „behandelt“ hat.

Nun hat das Amtsgericht den Widerspruch der mit einem Bußgeld belegten Protestierenden verhandelt und diese aufgehoben bzw. für rechtswidrig erklärt.

Wir rezitieren die Pressemitteilung des Ermittlungsausschusses (EA) Hannover von gestern:

Versammlungsfreiheit und Infektionsschutz sollten nicht im Widerspruch stehen – Prozesse wegen Bußgeldern eingestellt

Am 2. November kam es am Amtsgericht Hannover zur Hauptverhandlung gegen Aktivist*innen, welche Einspruch gegen Bußgeldbescheide eingelegt haben. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt: Die Beschuldigten müssen also ihre Anwaltskosten selbst tragen, aber nicht für die Prozesskosten aufkommen.

Ihnen wurde vorgeworfen, am 11.04. auf der Limmerstrasse in Hannover bei einer spontanen Kundgebung gegen die Corona-Allgemein-Verfügung verstoßen zu haben. Bei der Kundgebung ging es darum, Solidarität mit Geflüchteten in Moria sowie Obdachlosen und Betroffenen häuslicher Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Denn für all diese und weitere Leute war und ist es nicht möglich, coronakonform „einfach zu Hause zu bleiben“. Die 50 Protestierenden demonstrierten mit Mund-Nasen-Schutz in 2er-Grüppchen mit Mindestabstand und wurden dann von einem Großaufgebot der Polizei eingekesselt.

Gegen einen Demonstrierenden, der seinen Mund-Nasen-Schutz nicht ablegen wollte, wurde von Seiten der Polizei mit Gewalt reagiert. Kurz darauf wurden Protestler*innen sowie zufällig anwesende Passant*innen auf engsten Raum eingekesselt. Um die Demonstrierenden für die Durchsetzung der ausgesprochenen Platzverweise identifizieren zu können, wurden sie genötigt ihren Mund-Nasen-Schutz abzulegen. Auf die Aufforderung der Gekesselten an die Polizei, die Sicherheitsabstände einzuhalten, reagierten diese mit Drohungen und Schubsen. Keine*r der eng zusammenstehenden Polizist*innen trug eine Maske – die wenigsten Handschuhe.

Damals hat der Ermittlungsausschuss in einer PM treffend festgestellt: „Erst durch das Einschreiten der Polizei wurde die Situation für alle Beteiligten gefährlich und ein unnötiges Risiko für die Ansteckung mit Coronaviren produziert“.

Die Polizei leitete 15 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz ein. „Uns vorzuwerfen, wir wären unvorsichtig mit dem Infektionsschutz umgegangen, ist absurd“, sagte damals eine Demonstrantin. „Die Verstöße gegen die Schutzmaßnahmen wurden von der Polizei begangen.“

Die Rechtshilfegruppe kritisierte damals diesen Umgang der Polizei mit der Versammlungsfreiheit. Linke Aktivist*innen hätten schon in den vorherigen Wochen mehrfach gezeigt, dass die freie Meinungsäußerung auf der Straße auch unter Beachtung des Infektionsschutzes möglich sei. Dass die Polizei dies zu verhindern versuche, sei gefährlich: „Da wird ein zentrales demokratisches Grundrecht außer Kraft gesetzt“, sagte die Sprecherin weiter.

Einige Tage nach dem Vorfall wurde die Corona – Allgemein – Verfügung vom Verwaltungsgericht Hannover für rechtswidrig erklärt, da sie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht ausreichend berücksichtige. Trotzdem erhielten 13 Aktivist*innen Bußgeldbescheide über 200 € wegen Verstoß gegen die Corona – Verordnungen und damit gegen das Infektionsschutzgesetz.

Da das Versammlungsverbot verfassungswidrig war und die einzigen Menschen, die sich in der Situation rücksichtslos verhalten haben, Polizist*innen waren, wollten die meisten Betroffenen keine Strafe zahlen, sondern wehrten sich dagegen vor Gericht.

Die geladenen Zeug*innen konnten noch nicht einmal sagen, ob die Beschuldigten auf der Versammlung waren – sie kamen erst später und hatten sich auch schon gewundert, warum sie geladen wurden, aber nicht z.B. der „Gesamt-Führer“ (Zitat).

Der Richter konnte zwar niemanden verurteilen, verweigerte sich aber trotzdem einer staatlichen Übernahme der Anwaltskosten.

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Kurz notiert: Neue Corona-Verordnungen und 7-Tage-Infektions-Inzidenzen weit jenseits der 50 pro 100.000 Einwohner – Demonstrationen mit mehr als 100 Menschen weiterhin (theoretisch) möglich

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Die neue Waffenverbotszone am Hauptbahnhof Hannover: Eklatanter Mangel an Transparenz und drohendes Racial Profiling. Und: Vom neuen Recht der Kommunen, fast beliebig neue Waffenverbotszonen einrichten zu dürfen.

Wimmelbild-Aufgabe: Sie kommen von der Stadtbahn-Haltestelle und möchten über den Raschplatz zum Hauptbahnhof Hannover gehen. Ihre Aufgabe: Suchen und finden Sie das Schild, das Sie darauf hinweist, dass Sie gerade die neue Waffenverbotszone betreten. (Als kleine Hilfestellung haben wir das Bild bei Tageslicht aufgenommen.) Als Gewinn winkt Ihnen das womögliche Vermeiden eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 5.000 Euro. Viel Spaß!

In 2019 begann ein bemerkenswert zusammengesetztes Konsortium aus privaten, verdeckt halb-öffentlichen und öffentlichen Stellen für eine „Sicherheitskooperation“ am und um den Hauptbahnhof Hannover herum zu werben bzw. eigenen Angaben zufolge für mehr (gefühlte?) Sicherheit der Menschen am Bahnhof sorgen zu wollen.

Ein Teil der sichtbar gewordenen Strategie der substantiell von der Polizeidirektion Hannover angeführten Gruppe lag darin, hinter dem Hauptbahnhof (Nordausgang, Raschplatz) eine Waffenverbotszone einrichten zu wollen, nachdem die Polizei dank ihr zustehender Rechtsgrundlage bereits eine neue „Identitätskontrollzone“ eingerichtet hat. Zunächst haperte es an der rechtlichen Grundlage für so eine kommunale Waffenverbotszone, mittels der Hilfskonstruktion, dass der Hauptbahnhof doch angeblich ein „Kriminalitätsschwerpunkt“ sei, gelang es dann aber doch.

Zeitgleich machte sich der niedersächsische Innenminister Pistorius (SPD) auf Bundesebene via Bundesrat für eine Verschärfung des Waffengesetzes und die Legitimierung der Kommunen zur Einrichtung solcher Zonen stark. Mit Erfolg: Nach dem Durchwinken im Bundesrat und der bald zu erwartenden Umsetzung niedersächsischer Verordnungen dürfen Städte und Kommunen selbst dann rigide Verbotszonen ausrufen und definieren, wenn es dort konkret gar keine besondere Anhäufung von Straftaten gibt. Die populistische Begründung des niedersächsischen Innenministers dazu:

„Es gibt bestimmte Orte, an denen schlicht niemand eine Waffe oder ein Messer mit feststehender oder feststellbarer Klinge braucht.“

Nun – unter Verwendung dieses Schein-Arguments könnte man an fast jeder Stelle des öffentlichen Raums eine Waffenverbotszone begründen und einrichten.

Doch zurück zum konkreten Fall am Hauptbahnhof Hannover:

Die Stadt Hannover (als formell dafür verantwortliche Stelle) rief also mit Wirkung zum Januar 2020 eine Zone aus, in der täglich von 21 Uhr abends bis morgens um 6 Uhr das „Mitführen gefährlicher Gegenstände“ verboten ist. Wer dagegen verstößt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro Höhe belangt werden.

Wer jedoch zunächst mal in Erfahrung bringen möchte, was es genau mit dem neuen Verbot auf sich hat, der kommt nicht allzu weit.

„Rufen Sie das Bürgertelefon an!“

und

„Wenn Sie das googlen, dann finden Sie das.“

war die Antwort der Bundespolizisten vor Ort am Hauptbahnhof, als wir sie nach dem konkreten Inhalt und Sinn des neuen Verbots gefragt haben. Dass das Bürgertelefon insbesondere nachts, wenn das Verbot seine Gültigkeit entfaltet, nicht erreichbar sein dürfte schien die Polizisten genau so wenig zu interessieren wie die Tatsache, dass manche Menschen (zum Glück) aus welchem Grunde auch immer kein internetfähiges Smartphone mit sich herum tragen.

Zwar gibt es inzwischen einige von der Stadt angebrachte Hinweisschilder, die die Zone kennzeichnen und ausweisen sollen, die aber sind in Anzahl, Positionierung und in ihrer Gestaltung völlig unzureichend: Wir haben die aktuelle Beschilderungssituation dokumentiert und mittels der blauen Pfeile dargestellt, wo und wie man überall in die Verbotszone gelangen kann, ohne ein Schild zu Gesicht zu bekommen (siehe Grafik am Rande). Und das auch erstmal ganz unabhängig von der Frage, ob die Schilder dem/der „normalen, unbescholtenen Besucher*in“ überhaupt auffallen und ob die Schilder erklären können, worum es beim Verbot denn eigentlich geht. Was sich aus dem Schild u.a. nicht erschließt:

  • Geht es bei Verbot um das Besitzen, das Bei-sich-Tragen, den Verkauf oder Erwerb oder um das offene In-der-Hand-Tragen der dargestellten Gegenstände,
  • geht es nur um die dargestellten Gegenstände (eine Axt, ein Baseballschläger, ein Klappmesser), oder
  • sind bspw. Tierabwehr-Pfeffer- und Reizgassprays, Multifunktionstools, Schraubendreher, Tischbesteck-Messer, Taschenmesser, Schnitzmesser, Rasierklingen, Papiercutter, Holzstöcke, Besenstiele, Klobürsten und Schlagzeug-Stöcke auch vom Verbot betroffen oder nicht und
  • wo endet die Verbotszone eigentlich?

Das alles kann das Schild nicht erklären. Das würde höchstens ein Studium der vier Seiten langen und mit Verweisen auf das nicht allen Menschen im Kopf verfügbare Waffengesetz versehene Verordnung erläutern können. Doch die ist am Hauptbahnhof weder ausgehängt noch sonstwie einsehbar.

Vielmehr und besonders frappierend ist jedoch:

Nach Auffassung und Interpretation der geltenden Rechtslage meint die Stadt Hannover, dass selbst diese Kennzeichnung überhaupt nicht notwendig wäre! Noch nicht einmal die Öffentlichmachung der Verbotsverordnung vor Ort sei vonnöten, so die Pressestelle der Landeshauptstadt unserer Redaktion gegenüber.

Und das, obwohl beim Verstoß gegen die Regeln des den Leuten zumeist unbekannten Verbots, wie schon erwähnt, ein Bußgeld von „bis zu 5.000 Euro“ droht!

Und wer schließlich auf den Webseiten der Stadt Hannover nach dem Inhalt der Verbotsverordnung sucht, der wird auf normalem Wege nicht fündig. Selbst bei der Suche mittels verschiedenster Suchbegriffe findet man nicht den Weg auf die Seite mit den 118 (!) derzeit gültigen Verordnungen, auf die uns die Pressestelle auf Nachfrage hin verwiesen hat. Und selbst dann muss man zunächst mehr als einhundert (!) der Verordnungs-Überschriften lesen und zu verstehen versuchen, bis man ganz am Ende zur hier diskutierten Verbotsverordnung gelangt …

Wir halten diesen intransparenten und bürger*innen-unfreundlichen Umgang mit dieser Verbotszonenregelung für illegitim. Es kann nicht rechtens sein, wenn – so eine Fallkonstruktion – ein*e vom Verbot nichts wissender Reisende*r unwissentlich das Verbot missachtet und daraus resultierend ein Bußgeld bezahlen soll.

Dazu kommt, dass seitens der Stadt Hannover offen angekündigt wurde, die Verbotsregelungen nur selektiv anzuwenden. So hieß es in der Antwort auf eine Frage von uns seitens der Pressestelle:

„Es ist absolut weltfremd und lebensfern, dass ein Reisender der gerade ein Taschenmesser gekauft hat und bei sich trägt, oder eine alte Dame, die ein Küchenmesser gekauft hat, kontrolliert oder sanktioniert wird. Auch wenn dazu theoretisch das Recht bestünde. Die Verordnung zielt ihrem Sinn nach auf ganz etwas anderes, das ist Ihnen sicher bewusst.“

Bewusst oder klar ist uns das jedenfalls nicht und es leuchtet auch nicht ein. Denn was bedeutet es, wenn diese Verbote samt der Bußgelder nur selektiv, also bspw. an äußerlich nicht als Reisende erscheinenden Menschen angwendet werden würde? Was wäre das anderes als ein diskriminierendes Racial Profiling? Und warum überhaupt sollen die Verbotsregeln nicht für Reisende gelten? Sind die harmloser als Nicht-Reisende? Wer besitzt hier die Definitionsgewalt über die Frage, wer als potentiell bedrohlich oder gewalttätig gilt und wer nicht?

Oder genauer nachgefragt:

Welche Menschen oder welche Bevölkerungsgruppen sollen mittels dieser Verbotsverordnung eigentlich abgeschreckt und von der Gegend des Hauptbahnhofs effektiv und in repressiver Manier vertrieben werden?

An dieser Frage offenbart sich unserer Ansicht nach, dass es (ein) Ziel dieser Verbotszone und möglicherweise auch der Sicherheitskooperation sein mag, mehrheitlich unerwünschte, zumindest von Reisenden, Touristen und einkaufsfreudigen Menschen als unerwünscht angesehene Menschen aus dem Umfeld des Bahnhofs zu verscheuchen.

Eine aus unserer Sicht nicht hinnehmbare Praxis.

Veröffentlicht unter Bericht | Kommentare deaktiviert für Die neue Waffenverbotszone am Hauptbahnhof Hannover: Eklatanter Mangel an Transparenz und drohendes Racial Profiling. Und: Vom neuen Recht der Kommunen, fast beliebig neue Waffenverbotszonen einrichten zu dürfen.