Section Control Pilotprojekt Hannover: Verfassungsbeschwerde eingereicht

Beschilderungs-Situation an den KFZ-Kennzeichen-Erfassungs-Brücken des Section Control Pilots im Oktober 2020.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius möchte sein technisches Lieblingsprojekt der „Section Control“, also der Geschwindigkeits-Abschnitts-Kontrolle unter zwischenzeitlicher Erfassung und Identifizierung aller die Strecke befahrenden Fahrzeuge – gerne bundesweit und vielfach im Einsatz sehen. Dafür warb er auf der Anfang Dezember 2020 hybrid-virtuell stattgefundenen Innenministerkonferenz (IMK) nachhaltig und ließ auch die Medien an seinem Herzenswunsch teilhaben.

Was der Innenminister sowohl auf dem Vortrag der IMK sowie auf dem dazu veröffentlichten 16seitigen Anhang aber wohlweislich verschweigt oder sogar gänzlich falsch darstellt: Der Rechtsstreit zur Sache ist keineswegs beigelegt.

So hat der erstklagende Anwalt nach dem Scheitern der Beschwerde zur Erzielung einer Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht inzwischen und fristgerecht eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, die wir hiermit veröffentlichen:

Verfassungsbeschwerde gegen die Section Control

Zudem befindet sich eine zweite Klage gegen das Section Control Pilotprojekt aus den Reihen des freiheitsfoo und mit Unterstützung des EU-Abgeordneten Patrick Breyer beim Verwaltungsgericht Hannover in einer Parkposition, denn das Gericht dort meint, die Sache erst dann weiter behandeln zu wollen/müssen, wenn die Erstklage alle Instanzen durchlaufen hat.

Das alles straft den Innenminister Pistorius Lügen, wenn dieser wohlfeil behauptet und verbreiten lässt:

„Ein betroffener Bürger reichte nach der Inbetriebnahme der Anlage Rechtsmittel vor dem Verwaltungsgereicht (VG) Hannover ein, denen das Gericht stattgab und in seinem Urteil am 12. März 2019 der Ansicht des Klägers folgte. Noch am gleichen Tag wurde die Anlage außer Betrieb genommen. Im Mai 2019 trat das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) in Kraft. Dieses Gesetz verfügt mit § 32 Absatz 6 NPOG über eine spezifische Rechtsgrundlage für die Abschnittskontrolle. (…) Damit ist eine spezifische Rechtsgrundlage für den dauerhaften Betrieb der Abschnittskontrolle gegeben, die im weiteren Verlauf letztinstanzlich bestätigt und damit rechtskräftig ist.

Ebendiese „letzte Instanz“ hat die Section Control aber erst noch vor sich!

Wir wünschen dem Kläger für das Verfahren in Karlsruhe viel Erfolg und Öffentlichkeit!

Darüber hinaus: Wie der SPD-Innenminister aus den äußerst geringen Fallzahlen der Verkehrsstatistik (siehe Seite 15 des IMK-Berichts) meint eine mathematisch signifikante Entwicklung meint ableiten und damit die Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit der Anlage begründen zu können, bleibt völlig unklar.

Wir wünschen Herrn Pistorius eine ausführliche Diskussionsstunde mit einem statistisch-mathematisch geschulten und versierten Menschen, damit jener in Zukunft möglichst nicht erneut – aus rein fachlicher Sicht betrachtet – Unsinn verbreitet.

Auch spannend, wenn auch substantiell aus unserer Sicht eher nebensächlich: Die Polizei Hannover hat bei Einnahmen von ca. 60.000 Euro Buß- und Verwarngeldern bislang im Gegenzug 320.000 Euro Mietkosten bezahlen müssen. An wen, fragt man sich da. (Vermutlich wird sich die Jenoptik Robot GmbH die Hände reiben.) Und: Ist das noch verhältnismäßig oder wäre die Aufstellung von – sagen wir mal – zwei bis fünf üblichen „Blitzergehäusen“ mit einer einzelnen, in unregelmäßigen Abständen umgebauter Erfassungstechnik nicht günstiger und ähnlich effektiv oder gar effektiver gewesen?

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