Schein und Sein – Von den Widersprüchlichkeiten polizeilichen Selbstverständnisses im Zuge des „Safer Internet Day“

Finde den Fehler – Screenshot des Internetauftritts der Polizeidirektion Hannover.

Seit 2008 gibt es den u.a. von der EU mit-initiierten „Safer Internet Day“. Auch die Polizeidirektion Hannover beteiligt sich an dem diesjährig am heutigen 9.2.2021 stattfindenden Aktionstag und beschreibt dessen Ziel wie folgt:

„Ziel dieses Tages ist es unter anderem, die Sensibilität für das Thema „Sicheres Internet“ zu fördern und Menschen aller Altersgruppen dazu zu bewegen, der Sicherheit im Internet mehr Aufmerksamkeit zu schenken.“

Nun – die Polizeidirektion könnte ihre Glaubwürdigkeit stärken, wenn Sie mit Blick auf ihre Vorbildfunktion voranschreiten würde und ihre Präsenz auf Facebook, Twitter und Instagram endlich aufgeben würde.

Das würde auch gut zu dem Schwerpunktthema des Jahres 2021 passen, denn das lautet:

„Wem glaube ich? Meinungsbildung zwischen Fakt und Fake“

Denn dass die Polizeien ihre Facebook-Profile zuweilen rechtswidrig genutzt haben oder ihre Twitter-Accounts auch mal zur umstrittenen Verbreitung von Unwahrheiten und Unterstellungen (neudeutsch: „Fake News“) missbraucht haben, das ist nichts neues.

Dass aber auch die Forderung zur bewussten Entziehung der Unterstützung von Facebook und Co. keine spinnerte Meinung ist belegt der folgende Auszug aus dem 25. Tätigkeitsbericht der Niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten 2019. Dort heißt es auszugsweise auf den Seiten 165 ff. (Hervorhebungen durch uns):

Fanpages – Landesregierung setzt EuGH-Urteil nicht um

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 zur gemeinsamen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Fanpage und des Unternehmens Facebook war für den Datenschutz sehr wichtig. Allerdings führt selbst ein Urteil des EuGH offensichtlich nicht unmittelbar dazu, dass Verantwortliche in der Praxis Konsequenzen ziehen. (…)

Öffentliche Stellen haben Vorbildfunktion

Die Entscheidung des EuGH gilt gleichermaßen für öffentliche wie für nicht-öffentliche Stellen, die eine Fanpage bei Facebook betreiben. Allerdings vertrete ich die Auffassung, dass die öffentlichen Stellen in besonderer Weise an die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gebunden sind. Sie haben eine Vertrauensstellung gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen und sollten eine Vorbildfunktion ausüben.

Daher informierte ich zunächst mit Schreiben vom 21. Juni 2018 die Staatskanzlei und alle niedersächsischen Ministerien über die Entscheidung des EuGH. Das Schreiben enthielt die klare Aufforderung, bestehende Fanpages (unverzüglich) zu deaktivieren. Auf dieses Schreiben erhielt ich keine Reaktion. (…)

Landesregierung handelt bewusst datenschutzwidrig

Auf ein weiteres Schreiben an die betroffenen Stellen, das ich Ende Mai 2019 versandt habe, erhielt ich schließlich Anfang Juli 2019 eine schriftliche Stellungnahme der Staatskanzlei im Namen der gesamten Landesregierung. Darin wird bestätigt, dass das Unternehmen Facebook hinter den Vorgaben der DS-GVO zurückbleibt und weitere Maßnahmen zur Herstellung der Rechtskonformität notwendig seien.

Es sei dennoch in einer Gesamtabwägung zwischen dem Verstoß gegen die DS-GVO durch den Betrieb von Fanpages durch Teile der Landesregierung einerseits und der „Wahrnehmung des Informationsauftrags und der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten der Politikverdrossenheit andererseits“ bewusst entschieden worden, die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram weiterhin zu nutzen. Zudem weist die Staatskanzlei darauf hin, dass es auch darum ginge, „den Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen zu zeigen, dass Politikerinnen und Politiker ganz normale Menschen mit Schwächen und Stärken sind und mitunter auch mal schräge Dinge tun.“ Die Landesregierung handelt somit bewusst und gewollt datenschutzwidrig.

Der Abwägungsentscheidung der Staatskanzlei kann ich nicht zustimmen. Das Verhalten der Landesregierung bestätigt und festigt die Vormachtstellung des Unternehmens Facebook in seinem datenschutzwidrigen Geschäftsgebaren. Solange sich nicht einmal die staatlichen Stellen aus dem sozialen Netzwerk zurückziehen, wird kein Änderungsdruck auf das Unternehmen ausgeübt. Gerade diese müssen als Vorbild wirken, an dem sich u.a. Wirtschaftsunternehmen orientieren können.

Durchsetzung des EuGH-Urteils wird erschwert

Durch den fortgesetzten Betrieb der Fanpages der Landesregierung fühlen sich die Unternehmen unter Umständen darin bestätigt, ebenfalls nicht auf die Nutzung von Facebook zu verzichten. Letztlich verhält sich die Landesregierung nicht nur datenschutzwidrig, sondern bewirkt zudem, dass mir die Rechtsdurchsetzung der EuGH-Entscheidung auch im nicht-öffentlichen Bereich gegenüber Unternehmen, Handwerk, Freiberuflern und Vereinen erheblich erschwert wird. (…)

Bonmot zum Schluß:

Auf den Hinweisschildern der Polizei Hannover zu ihrer Videoüberwachung des öffentlichen Raums wird stets auf folgende URL verwiesen:

www.polizei-hannover.de

Wer versucht, mittels TOR-Browser diese Seite aufzurufen, scheitert. Auch das kein Zeichen dafür, dass es die Polizei Hannover ernst damit meint, „Medienkompetenz“ fördern zu wollen. Auch das ist immerhin ein öffentlich erklärtes Ziel des „Safer Internet Day“.

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