Erfolgreicher Angriff auf die IT-Infrastruktur der Volkszählung 2021 – BSI spricht von „schwerwiegendem Sicherheitsereignis“ – BMI will den Hacker-Angriff kleinreden, Zensus-PR verschweigt ihn gar

Jenseits der Corona-Blase: Vorbereitungen für die Volkszählung auf der letzten Etappe

Logo des ehemaligen Arbeitskreis Zensus (AK Zensus)

Die Vorbereitungen für die (zumindest nach außen hin) wegen Corona auf 2022 verschobene Volkszählung (ehemals „Zensus 2021“, jetzt „Zensus 2022“) laufen auf Hochtouren. Es sind weniger als sechs Monate bis zum amtlichen Stichtag des 15. Mai 2022.

Wie üblich werden ohne Wahrnehmung der Öffentlichkeit weiter Meldedaten aller in Deutschland lebenden Menschen zentral zusammengeführt und aktualisiert. Die auch diese Problematik behandelnde Verfassungsbeschwerde liegt weiter auf Eis.

Der aktuelle amtliche Newsletter der staatlichen Statistiker zum Zensus vom 19.11.2021 teilt mit, dass bereits seit September dieses Jahres den ersten Wohungseigentümer*innen Vorbefragungs-Fragebögen zugestellt worden sind, dass die „Ziehung“ der Stichproben von Haushaltsanschriften, deren rund 10 Millionen Bewohner*innen mit ausführlichen Fragestellungen konfrontiert werden am oder ab 1.9.2021 erfolgreich vonstatten gegangen ist und dass die von Tür zu Tür ziehenden Befrager*innen (Neusprech: „Personenerheber“) schon geschult werden. Und ja, auch ein „Hygienekonzept“ wurde bereits erfolgreich erstellt. (Wie konnte es eigentlich jemals soweit kommen, dass das Statistische Bundesamt mit seiner personellen wie institutionellen historischen NS-Vorbelastung sich einen derart ebenfalls NS-belasteten Begriff so unschuldig zu verwenden traut?)

Was der offizielle Zensus-Newsletter verschweigt? Seit der Herausgabe des letzten Newsletters vom Mai 2021 ist öffentlich geworden, dass es einen erfolgreichen und schwerwiegenden Angriff auf die IT-Struktur des Zensus gegeben hat.

Was ist passiert?

Ende September 2021 melden einige Medien einen erfolgreichen Angriff auf die IT-Infrastruktur des Statistischen Bundesamts. Die Aufregung ist zunächst groß, steht doch die Bundestagswahl bevor und wird ein Zusammenhang damit vermutet.

Doch dann wird abgewiegelt. Die Wahlserver seien ungefährdet, wird erklärt. Auf tagesschau.de heißt es am 24.9.2021 dazu:

„Betroffen sei zudem Technik für den Zensus, also der Erhebung von Bevölkerungsdaten in Deutschland. Diese Server seien aber vom Wahlserver komplett getrennt. Es gebe keine Gefahrenlage.“

Dementsprechend schwindet die öffentliche Aufmerksamkeit zur Sachen ebenso schnell wie sie entstand. Nichts neues in dieser Zeit blitzlichartiger Konzentration- und Erregungspunkte.

Rund einen Monate später beginnen wir, beim zuständigen Bundesinnenministerium (BMI) zum weiteren Ausgang der Sache und zu weiteren Ergebnissen des Hackerangriffs nachzuhaken.

Alle unsere Fragen und Nachfragen und die dazugehörigen Rückmeldungen des BMI grob zusammengefasst kann man folgendes stichpunktartig festhalten:

  • Es gab einen erfolgreichen Angriff Dritter auf die IT-Infrastruktur zum bevorstehenden Zensus.
  • Den Angreifern gelang es, so genannte „Webshells“, also Fernzugänge in Form von Schadsoftware auf zwei Servern der Zensus-IT zu installieren.
  • Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), eine ebenfalls dem BMI unterstehende Behörde, bewertet das als „Major Incident“, als „schwerwiegendes Sicherheitsereignis“.

Wann dieser Angriff stattgefunden hat und wie lange es gedauert hat, bis er entdeckt worden ist, dazu möchte das BMI „grundsätzlich“ nichts mitteilen.

Widersprüche

Ab dann wird es spannend. Denn im weiteren folgen eine Reihe Entwarnungen und Beschönigungsversuchen, die im Gesamten nicht überzeugen.

Das BMI meint behaupten zu können, dass es keine „Möglichkeit zur Manipulation von Daten auf den dem Zensus zugeschriebenen IT-Systemen inklusive der betroffenen Server gegeben“ habe. Und weiter, dass es zu keinerlei „Manipulation (Datenverarbeitung durch die Angreifer) oder Datenabfluss bei den betroffenen Servern oder damit verbundenen IT-Systemen gekommen“ sei.

Im Angesicht der zugleich vom BMI bestätigten erfolgreichen Installation von Schadsoftware auf zwei Zensus-Servern durch unbekannte Dritte, also durch die Angreifer, ist diese Behauptung offensichtlicher Unsinn und kann nur als Beschwichtigungsversuch gedeutet werden.

Diese Widersprüchlichkeit unterminiert damit die Glaubwürdigkeit weiterer Behauptungen des BMI, wonach

  • es keine Möglichkeit gegeben habe, auf Daten und Strukturen des Zensus zuzugreifen,
  • keinerlei Datenabfluss festgestellt werden konnte,
  • „zu keinem Zeitpunkt Daten des Zensus gefährdet“ gewesen seien.

Auch dass keinerlei weitere IT-Angriffe auf die Zensus-Infrastruktur bekannt sei erscheint uns als sehr fragwürdig.

Warum überhaupt die ganze Aufregung?

Wenn hier von „Zensusdaten“ die Rede oder Schrift ist, dann klingt das zunächst langweilig und harmlos. Doch der Schein trügt.

Im Zuge des Zensus wurden (und werden fortlaufend) umfangreiche Daten über jeden in Deutschland lebenden und gemeldeten Menschen von den Meldeämtern abgefragt und zentral zusammengeführt. Nicht nur die Gesamtheit, auch einzelne Bestandteile der Datensätze sind hochsensibel. Insofern handelt es sich bei alleine schon bei diesen Datenbanken um ein äußerst lohnenswertes Beuteziel für staatliche Akteure (Geheimdienste) wie auch für profitorientierte Datenräuber.

Wir haben den Umfang dieser Datenbank in einem Blogbeitrag anläßlich einer noch im Endergebnis unbehandelten Verfassungsbeschwerde Angang 2019 versucht deutlich zu machen.

Erst wenn man sich verinnerlicht hat, wie brandgefährlich die Zensus-Datenbanen sind, wird einem deutlich, wie eklatant die Verniedlichungsversuche des BMI im Zuge des anerkannten und zugestandenen so erfolgreichen wie schwerwiegenden IT-Angriffs sind.

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Kurz notiert: Bundesinnenministerium kauft 55 neue Panzerwagen für die Bundespolizeien bei Rheinmetall ein

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Wie Banken ihre Kund*innen nötigen – am Beispiel der GLS-Bank (aber nicht nur dort)

Mitgliederbegehren für informationelle Selbstbestimmung der GLS-Kunden und Nachhaltigkeit im erweiterten Sinn einer zunehmend digitalisierten Lebenswelt – damals, in 2013, gescheitert an einer praxisuntauglichen GLS-Satzung und einem Vorstand, der sich nicht für eine echte Mitgliederbeteiligung einsetzen wollte.

Die GLS-Bank in Bochum ist zweifellos eine der „besten“ Banken in Deutschland, soweit man Banken als Teil eines kapitalistisch organisierten Gesellschaftssystems überhaupt als positiv bewerten kann – das mag und soll jede*r für sich entscheiden.

Bei allen guten Seiten dieser Bank hat sie sich hinsichtlich gelebter Transparenz, Mitglieder-Mitmach-Praxis und in persönlichkeitsrechtlicher Hinsicht allerdings schon in 2013 eine glatte Blöße gegeben.

Und auch in diesem Jahr zeigte sich die Bank unter dem noch immer gleichen Vorstandsvorsitzenden von einer kalten und unfreundlichen Seite, als es darum ging, unter den „Bestandskunden“ mit bereits älteren Verträgen eine Vertragsänderung durchzusetzen, wonach angespartes Geld unter gewissen Bedingungen seitens der Bank besteuert wird.

Mit welchen Mitteln und welcherlei repressivem Charakter die Bank und ihre dort tätigen Banker*innen diese – rechtlich sehr fragwürdige – Änderungen „freiwillig“ erzwungen haben, das haben wir beispielhaft auf einer Wiki-Seite dokumentiert.

Im folgenden geben wir einen Gast-Kommentar von Chris Carlson von Radio Flora aus Hannover wieder, der einen eigenen Blick auf die Praxis einiger Banken wirft.

 

* * *

Wie Banken ihre Kund*innen nötigen

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Bundesjustizministerium droht dauerhafte Beschneidung von Konzernkritik auf Hauptversammlungen an – Beschränkungen der Aktionär*innen-Rechte heimlich bis August 2022 verlängert, inklusive eines massiven Gesetzes-Konstruktionsfehlers

Mindestens einmal jährlich müssen in Deutschland ansässige Aktiengesellschaften (AG) eine Hauptversammlung (HV) abhalten, Vorstand und Aufsichtsrat über ihre Arbeit Rechenschaft ablegen. Auf diesen Versammlungen hat jede*r Aktionär*innen ein gesetzlich verbrieftes Frage- und Auskunftsrecht. Die Nutzung und Belebung dieses Rechts ist oftmals einer der wenigen Wege, um einerseits verbindliche Informationen über das Wesen und die Handlungen einer Aktiengesellschaft zu erhalten und andererseits im persönlichen Gegenüber kritische Fragen und Anmerkungen an die Lenker der Konzerne zu richten. Es ist insofern ein (halb-)öffentliches Tribunal, bei dem sich die Manager zu rechtfertigen haben. Dass sie bei kritischen Fragen nicht selten ausweichend und vernebelnd antworten zu versuchen ist nichts neues. Doch haben die Aktionär*innen dann immerhin das Recht nachzufragen und nachzubohren, sofern sie sich nicht von dem selbstbewussten Auftreten der Gutbezahlten einschüchern lassen.

Hier wird zwar nicht das Fragerecht belebt. Und doch: Proteste und Kritik im Angesicht der Verantwortlichen werden mit den derzeitigen Regelungen faktisch verunmöglicht und von der Regierung unterbunden. Bilder von den Protesten zur Rheinmetall-AG-HV 2019, Quelle: Initiative „Rheinmetall entwaffnen“

Doch halt – mit Aufkommen der Corona-Pandemie wurden ebendiese wichtigen Frage- und Auskunftsrechte weitgehend beschnitten, zu Teil ganz aufgehoben. Wir hatten im Januar 2021 über diese unheilvolle Entwicklung berichtet.

Zu Beginn wurde argumentiert, es handele sich um eine nur vorübergehende Einschränkung der Aktionär*innen-Rechte. Nun entpuppt sich das als Lüge, denn nicht nur wurde – heimlich, still und leise und bislang fast ohne jede öffentliche Beachtung – diese Ausnahmeregelung bereits zum zweiten mal verlängert – bis zum 31.8.2022 nämlich. Nein, diese Beschränkungen sollen – so droht das Bundesjustizministerium auf unsere Nachfragen hin – auch nach Corona so oder so ähnlich gesetzlich fortgeschrieben werden. Das klingt in bürokratisch vernebelnder Schriftart so:

„Die Erfahrungen, die in den Jahren 2020 und 2021 durch die Abhaltung entsprechender virtueller Hauptversammlungen gewonnen werden konnten, werden in die weiteren Überlegungen zu einer möglichen gesetzlichen Neuregelung der virtuellen Hauptversammlung einfließen.

Die erneute Verlängerung der Zulässigkeit „virtueller Hauptversammlungen“ bei gleichzeitiger starker Beschneidung der Rechte von Aktionär*innen wurde – ebenfalls erneut – in einem Gesetzespaket mit ganz anderem Inhalt versteckt:

„Die erneute Verlängerung erfolgte durch Artikel 15 und 16 des Aufbauhilfegesetzes 2021 vom 10. September 2021. Damit können Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften noch bis Ende August 2022 als virtuelle Hauptversammlungen abgehalten werden.“

[Wohl eher Abbau statt Aufbau. Aber das nebenbei.]

Und schlimmer noch: Diese mit Corona begründeten Einschränkungen sind ganz unabhängig davon möglich, ob und wie sehr die Pandemie weiter existiert. Also selbst wenn die Corona-Inzidenzen sinken würden und ganz unabhängig von allen anderen Randbedingungen (Masken, 3G, 2G …) – die Konzerne dürfen virtuelle Hauptversammlungen ohne Präsenz von Aktionär*innen durchführen:

„Das Gesetz (…) hat eine eigenständige Außerkrafttretensregelung (31.08.2022), die nicht an die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ anknüpft.“

Ein echter Gesetz-Konstruktions-Fehler, wenn man die Begründung der Corona-Pandemie für die Änderungen ernst nimmt.

Manager*innen, die Kritik und öffentliche Debatten über ihr Tun und Lassen fürchten, freut’s sehr.

Klar ist:

Der Konstruktionsfehler muss behoben werden und Hauptversammlungen müssen künftig wieder in der alten Form und mit allen bisherigen Rechten für die Halter/Besitzer der Aktionspapiere durchgeführt werden können. Das schließt ja nicht aus, dass „hybride Hauptversammlungen“ möglich sind. Also die wahlweise Online- oder Realwelt-Teilnahme an den HVs.

Es ist wichtig, diese Forderung jetzt zu erheben, bevor hinter den verschlossenen Türen der Ampel-Koalitionsverhandlungen mit den entsprechenden konzernfreundlichen Teilnehmern andere Weichen gestellt werden – ganz unabhängig davon, ob diese dann konkret im Koalitionsvertrag benannt werden oder nicht.

Immerhin: Erste Kritik an den virtuellen HV regt sich selbst in konservativen Kreisen.

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Ein fiktiver Blick in die Zukunft: Bürger- und Menschenrechtspolitik der sich anbahnenden Ampel-Bundesregierung [UPDATE]

 

Achtung, Ampel!

Am 4.9.2021, ca. drei Wochen vor der Bundestagswahl, haben wir die Wahlprogramme einiger Parteien hinsichtlich ihrer Aussagen zu bestimmten „bürgerrechtlichen“ Themen analysiert und in einer übersichtlichen Zusammenfassung auf einer Seite zum Vergleich veröffentlicht.

Die Wahl ist inzwischen vergangen. Es bahnt sich – aus heutiger Sicht – eine Bundesregierung in Form einer Ampel-Koalition aus SPD (28% der Sitze im kommenden Bundestag), GRÜNEN (16%) und FDP (12,5%) an. Damit ist die Zeit reif, einen Blick in die Glaskugel zu wagen und zu überlegen, wie sich diese Regierungskoalition im kommenden Koalitionsvertrag zu den von uns ausgewählten Themen positionieren und wie sie den dann konkret umsetzen wird.

Diese nun folgende Prognose ist selbstverständlich völlig subjektiv und (zunächst einmal) fiktiv. Die Zukunft wird zeigen, inwiefern sie sich mit der Realität decken wird. In mancherlei Hinsicht mag man sich wünschen, das sich die Prognose im Nachhinein statt zu realistisch lieber zu pessimistisch darstellen wird …

Neben der nun folgenden fiktionalen Vorausschau auf die Bundespolitik der nächsten vier Jahre haben wir die u.a. zugrundeliegenden Stellungnahmen aus Wahlprogrammen erneut in einem 1seitigen Dokument zusammengefasst.

PROGNOSE

Videoüberwachung

Kein Rückbau des kranken de-Maizierschen „Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes“. Beibehaltung des Status Quo. Keine gesetzliche Verankerung der Zulässigkeit automatisierter biometrischer Identifizierungsmaßnahmen bspw. via Gesichtserkennung. Aber Verankerung oder Duldung automatisierter Verhaltenserkennung und -auswertung von Individuen und Menschengruppen.

Versammlungsfreiheit

Keine Stellungnahme zum [Versammlungsgrundrecht] und keine faktische Aufwertung des Versammlungsgrundrechts.

Staatstrojaner

Beibehaltung des Status Quo, also der Zulässigkeit des Einsatzes von Staatstrojanern bei Bundespolizeien, Zoll und Geheimdiensten. Möglicherweise Einführung einer zeitlichen Beschränkung der Zulässigkeiten in Zusammenhang mit einer [symbolischen] Evaluationsformel und phrasiger Vorgabe, das Grundrecht auf Gewährleistung von Gewährleistung und Integrität von IT-Systeme zu achten.

Geheimdienste

Keine Abschaffung von GTAZ, GETZ und weiteren gemeinsamen Arbeitszentren von Geheimdiensten und Polizeien. Kosmetische Reformen zum Inlandsgeheimdienst [„Verfassungsschutz“] und zur parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste.

Vorratsdatenspeicherung

Rücknahme oder Beschneidung der zuletzt 2015 gesetzlich neu verankerten Vorratsdatenspeicherung, deren Umsetzung zwischendurch gerichtlich gestoppt worden ist. Dieser Schritt wird dann vermutlich als politischer Erfolg von GRÜNEN und FDP gefeiert werden.

Polizei

Mehr Polizei, d.h. höhere Gehälter, mehr Polizist*innen, mehr und bessere technische Ausrüstung, Zubilligung weiterer Befugnisse, keine Abkehr von der Besserstellung von Polizist*innen durch das in 2017 eingeführte Polizei-Sonderstrafrecht des StGB. Mehr Zusammenarbeit [und Datenaustausch] mit den Geheimdiensten, dem Trennungsgebot zuwider laufend. Engagement für den Ausbau von Europol zum „EU-FBI“, obwohl das die EU-Verträge nicht zulassen.

Frontex

Keine Abschaffung von Frontex und keine Verabschiedung von der EU-Festungs-Politik. Bemühung um Aufarbeitung von Pushbacks [, da sich diese aufgrund der umfangreichen medialen Beweisführung von NGOs und anderen inzwischen nicht mehr verleugnen lassen].

 

[UPDATE 15.10.2021]

Nur drei Tage nach unserem Blogbeitrag veröffentlichen SPD, GRÜNE und FDP ein 12seitiges Dokument mit dem Namen „Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP“.

Zwar sind die darin versammelten Standpunkte und Haltungen sehr schwammig und dehnbar, aber insgesamt scheint der pessimistische Tenor unseres „Zukunftsblicks“ nicht ganz falsch gewesen zu sein. Beispielhaft zitiert hier der Ausschnitt zum Thema „Sicherheit und Polizei“:

„Wir wollen unser sicheres Land noch sicherer machen. Jede und jeder in Deutschland soll sich sicher fühlen – ob auf der Straße, zu Hause oder im Netz. Dafür kommt es vor allem auf mehr präventive Sicherheit an. Dazu brauchen wir motivierte, gut ausgebildete und ausgestattete Polizistinnen und Polizisten. Ihre Präsenz und Bürgernähe macht sie für uns zu einem unerlässlichen Partner. Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit sind die Maßstäbe, nach denen sie ihren Dienst für alle tun. Wir wollen dafür sorgen, dass sie die verdiente Anerkennung und den Respekt für ihre wichtige Arbeit erfahren.“

Verlangen nach totaler gefühlter Sicherheit, der Begriff der „präventiven Sicherheit“, eine „Bürgernähe“, von der manchmal nichts zu spüren ist, ein zuletzt nicht nur durch die Corona-Pandemie begründete stark erhöhte und zugleich distanzierte Präsenz von Polizei im öffentlichen Raum, die manche*n gar nicht wohler fühlen lässt, mehr Befugnisse und Aus- oder Aufrüstung, die Aufzählung von Maßstäben für Polizeiarbeit, die obrigkeitsstaatlich von einem Wunsch zu einer (Schein-)Realität deklariert werden, die unredliche und unhinterfragte Rede vom „unerlässlichen Partner“ und dann das erneute Gerede von „verdienter Anerkennung und Respekt“. Etwas, was man ebenfalls nicht von oben herab verordnen kann, sondern das erarbeitet und mit Vertrauen langfristig (wieder-)gewonnen werden muss. Und dass dann auch überhaupt längst nicht nur oder bevorzugt für :eute bei der Polizei gelten darf. Es stinkt nach weiterer Bevorteilung der Polizei gegenüber anderen Teilen oder dem „Rest“ der Gesellschaft.

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Polizei verschweigt den Einsatz eines Taser-Elektroschockers bei einem Polizeieinsatz in Garbsen bei Hannover, bei dem ein Mann „gesichert“ wurde und anschließend verstorben ist und erklärt die Beantwortung dringender Fragen von öffentlichem Interesse als „geheimhaltungsbedürftig“

Mensch, von einem Taser-Elektroschocker getroffen

Am 1.10.2021 rückt ein „Spezialeinsatzkommando (SEK)“ der niedersächsischen Polizei an, um einen offensichtlich verwirrten Menschen in einem Wohngebiet in Garbsen nahe Hannover zu überwältigen. Am Abend desselben Tages verstirbt der Mensch in einem Krankenhaus.

Warum und woran stirbt der 39jährige Mann nach seiner „Sicherung“? Dazu gibt bis heute, acht Tage später, noch immer keine Auskunft und keine öffentlichen Informationen.

So weit, so schlimm.

Schlimmer ist, dass die Polizei Hannover in ihrer Pressemitteilung zur Sache nicht mitteilen wollte oder mochte, dass die hochgerüsteten Polizisten den nun Verstorbenen zuvor mit einem Taser-Eletroschocker-Pistole beschossen haben. (Die Neusprech-Vokabel für den Elektroschocker lautet: „Distanzelektroimpulsgerät“. Oder abgekürzt noch einmal realitätsfremder: DEIG.) Taser stehen im gut begründeten Verdacht, bei Menschen mit Herzproblemen, mit psychischen Einschränkungen oder unter Einfluß von Alkohol, Rauschmitteln und bestimmten Medikamenten den Tod herbeiführen zu können.

Warum es die Polizei nicht für wichtig erachtete, die Verwendung des Tasers bei diesem tödlich ausgehenden Polizeieinsatz zu erwähnen, bleibt unklar. Dazu äußert sich die Behörde nicht. Die Nutzung eines Tasers wurde erst vier Tage später durch die aktive Nachfrage der HAZ öffentlich. (Dafür darf man der sonst sehr polizeifreundlich agierenden Zeitung danken!)

Klar ist dagegen, dass das Landespolizeipräsidium im Innenministerium in Hannover nun mauert und presserechtlich fragwürdig die Auskunft auf wichtige Fragen verweigert:

Wie viele Taser hat das „SEK“ im Einsatz? Wie häufig setzte es diese Waffe bislang ein? Und wie oft wurden dabei Menschen nachhaltig verletzt oder gar getötet?

Die Antworten auf diese Fragen seien allesamt „geheimhaltungsbedürftig“, findet das niedersächsische Innenministerium. Selbst nach ausdrücklichem Hinweis auf ein dringendes öffentliches Interesse an der Beantwortung dieser Fragen beharrt das Ministerium auf seiner Geheimhaltungsstrategie. Es geht nicht mal auf unseren Hinweis ein, dass die Beantwortung dieser Fragen in keiner erkennbaren Weise die Arbeit des SEK behindern oder beeinträchtigen könnte.

Warum sich die Polizei Niedersachsen derart mürrisch und schmallippig gibt bleibt alleine ihr Geheimnis. Andere Bundesländer haben mit der Beantwortung dieser Fragen gar keine Probleme. Wir können über die Gründe dieser Haltung also nur mutmassen:

Gibt es etwas zu verbergen, das die Bürger*innen besser nicht erfahren sollten? Gab es weitere Taser-Einsätze mit Todesfolgen in Niedersachsen? Werden wir als polizeiarbeitkritischer Blog wieder einmal anders, also schlechter oder gar nicht beauskunftet als andere, polizeifreundlicher eingestellte Medienkonzerne? Alles Spekulation, angefeuert durch die begründungsfreie Auskunftsverweigerungshaltung der Behörde.

Derweil stellen sich weitere Fragen an die Staatsanwaltschaft Hannover, die diese aber Medienberichten zufolge nicht beantworten möchte:

  • Welchen metallischen Gegenstand hielt der nun gestorbene Mann tatsächlich in seiner einen Hand?
  • Gab/gibt es polizeiunabhängige Zeug*innen vom Geschehen?
  • Was genau passierte beim Eintreffen des SEK und wie war der weitere Ablauf nach dem „Tasern“?
  • War ein Krankenwagen schon vor Ort oder musste der erst gerufen werden und wie lange dauerte es bis zu medizinischen Erstversorgung, wie lange, bis der Mensch im Krankenhaus (in welchem) eintraf?
  • Wie geht es den SEK-Leuten jetzt? Gab/gibt es eine seelsorgerische Betreuung der eingesetzten Beamten und der Angehörigen des Toten?
  • Gab es Anzeichen dafür, dass der nun tote Mann evtl. Drogen oder Alkohol zu sich genommen hatte oder unter einer psychischen „Erkrankung“ litt?
  • Hat man im zeitlichen Vorfeld vor dem SEK-„Zugriff“ versucht, weitere Informationen über den Betroffenen zu erhalten, also nicht nur polizeiliche, sondern auch medizinische und psychische? Anderen Medienberichten zufolge hätte die Polizei dafür drei Stunden Zeit gehabt.
  • Was für einen sozialen und kulturellen Jintergrund hatte der Verstorbene, um was für ein Wohngebiet handelt es sich bei seiner Wohnanschrift?

Das alles ist bedauerlich und schürt Vorbehalte gegen Polizei und Staatsanwaltschaft und ihre Verhältnisse zur Öffentlichkeit und zu den Bürger*innen Niedersachsens, die doch (formell) ihre Mandatgeber*innen sind.

Solange es keine unabhängige und nüchterne Untersuchung des tödlich verlaufenden Polizeieinsatzes in Garbsen gibt bleibt unklar, ob der Taser-Elektroschocker für den Tod des Menschen (mit)verantwortlich ist. Schon jetzt ist aber deutlich geworden: Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei im Zusammenhang mit dieser euphemistisch als „nicht-tödlich“ bezeichneten Waffe muss sich verändern. Taser gehören verboten. Solange das Verbot nicht verhängt wird, gehört eine Veröffentlichungspflicht von Tasereinsätzen zum Mindesten einer demokratisch ausgerichteten Polizei.

Wir haben derweil versucht, die (bekannt gewordenen) Polizeieinsätze in Deutschland von Tasern mit Todesfolgen zu sammeln und aufzulisten.

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Schmerzen eines „getaserten“ Menschen

Bedrückend bleibt, wie wenig andere journalistische Medien über die Wirkung eines Tasereinsatzes zu wissen scheinen. Taser-Pistolen haben das Zeug, als Folterinstrument missbraucht zu werden, wenn nach dem Verschießen der Elektroden mehrfach Stromstöße erteilt werden können. Und die wirken deutlich anders, nämlich schmerzhafter, brutaler und vor allem menschlich entwürdigender, als es andere Berichterstattende nüchtern beschreiben.

Einige Beispiele verharmlosender Berichterstattung:

  • NDR: „Ein Taser verursacht eine kurzzeitige Lähmung im Nervensystem. Aus den Geräten fliegen Pfeilelektroden in den Körper des Angreifers. An daran befestigten Kabeln werden anschließend Stromimpulse abgegeben.“
  • HAZ: „Die Stromstöße [eines Tasers] machen den Getroffenen bewegungs- und damit handlungsunfähig.
  • „RND“: „Die Elektroschockpistole kann eine Person in bis zu sieben Metern Entfernung außer Gefecht setzen, indem sie zwei Widerhaken mit Drähten verschießt. Elektroschocks mit 50.000 Volt gelangen durch diese Drähte in den Körper.“

Bleibt nur noch – fast anekdotisch – anzumerken, dass die Polizeien Deutschland immer häufiger Taser-Waffen einsetzen (im ersten Halbjahr 2021 mehr Taser­einsätze als im gesamten Jahr 2020, so melden selbst konservative Medien) und dass der Einsatz von Taserwaffen nicht zu weniger Einsätzen von Schusswaffen führt. Das alles wurde von uns und anderen Kritikern im Zuge der Einführung eines neuen Polizeigesetzes für Niedersachsen („NPOG“) detailliert kritisiert und im Anhörungsverfahren betont … und diese Kritik wurde von den Befürwortern der Taserwaffen (CDU, SPD, AfD und inzwischen sogar Bündnis90/Grüne. Die nds. FDP hat sich um Taser bislang nicht positionieren wollen.) stets als Schwarzmalerei niedergemacht und öffentlich abgewertet.

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BKA beklagt sich über angeblich zunehmende Gewalt an Polizist*innen – über eine sich selbst als „Opfer“ stilisierende Polizei und die Werkeuge zur Zeichnung eines solchen Bildes

[Gastkommentar eines Menschen mit Erfahrung in den Reihen der Polizei]

Die Strafrechtsparagrafen für Gewalt, Widerstand und tätliche Angriffe auf Polizist*innen wurden in jüngster Vergangenheit mehrfach neu gefasst und dabei vor allem enorm ausgeweitet. Was zudem als Angriff gewertet wird und damit Eingang in die Kriminalstatistik (PKS) findet, liegt wegen bewusst schwammig gehaltener Paragrafen weitestgehend in der Definitionsmacht von Polizist*innen – und das bei enorm hoher Bereitschaft von Polizist*innen zur Erstattung entsprechender Anzeigen. Zugleich wurde die PKS vor gar nicht langer Zeit extra darauf ausgerichtet (Erfassungsrichtlinien) besonders hohe Opferzahlen vor allem in den Reihen der Polizei abzubilden. Mit diesen PKS-Zahlen geht es vor allem darum, der verqueren Opfererzählung aus den Reihen der Polizei immer neu Nahrung zu verschaffen. Dem folgen dann regelmäßig und seit Jahren immer neue Forderungen der Polizei (Gewerkschaften) nach mehr Ausstattung und noch schärferen Gesetzen. Wissenschaftler und Kriminologen kritisieren seit langem die Praxis der Polizei, sich über die Maßen zum Opfer zu stilisieren – und dabei in hoher Zahl Bürger*innen justiziabler Verfolgung auszusetzen, sie also immer mehr auch bewusst ungerechtfertigt zu kriminalisieren. Übrigens immer wieder auch, um eigene Fehler und ungerechtfertigte Polizeigewalt zu verdecken. Insoweit ist 85.000 tatsächlich eine erschreckende Zahl – aber weit mehr kennzeichnend für den Schrecken und die Lage, in die Bürgerinnen und Bürgern durch die Praxis der Polizei immer mehr und immer häufiger geraten.

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Anmerkungen bzw. ergänzende Verweise der Redaktion zum Thema des Gastkommentars:

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Mittelbare Impfpflicht: Nach 3G- und 2G-Zwängen und Nicht-Lohnfortzahlung für Ungeimpfte nun Bändchen-Kennzeichnungspflicht für Ungeimpfte an geschichtsvergessenen Universitäten

Die Diskussion um Impfungen gegen die Corona-Pandemie sind (freundlich formuliert) vielfältig und bunt – und nicht selten von Übertreibungen und Unsachlichkeiten auf allen Seiten geprägt. Es ist gut, dass umfangreich über eine etwaige Impfpflicht gegen Corona diskutiert wird, denn es gibt bei nüchterner Betrachtung gewichtige Argumente für und gegen eine solche staatlich verordnete Pflicht.

Doch ganz egal, wie man dazu steht, eine Impfpflicht im Zuge der Corona-Pandemie gibt es aktuell nicht.

Dennoch lassen sich die seit Wochen in zunehmenden Umfang eingeführten Einschränkungen für Ungeimpfte nicht anders als „Impfpflicht durch die Hintertür“ bzw. als „mittelbare Impfpflicht“ bewerten.

Ob sich ein Mensch gegen Corona impfen lassen möchte oder nicht, sollte – ja: muss – ohne bestehende Impfpflicht seine höchstpersönliche, eigene und freie Entscheidung sein und bleiben. Niemand sollte dazu gezwungen werden, über die eigene Willensbildung Auskunft erteilen zu müssen, sich zu „outen“ oder rechtfertigen zu müssen. Doch diese Grundsätze werden nun mehr und mehr ausgehöhlt.

Im Einzelnen:

3G

Wer als Ungeimpfte*r am öffentlichen Leben teilnehmen möchte (Besuch eines Restaurants, eines Schwimmbads, Fußballspiels oder einer Behörde), der wird (als Erwachsener) zukünftig nicht nur Geld für einen tagesaktuellen Test bezahlen müssen (ab 11. Oktober 2021 vermutlich zwischen 10 und 20 Euro), sondern muss zu dessen Durchführung zudem – schon jetzt – einen mitunter hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand betreiben. Spätestens durch die Abschaffung der Gratistests kann das in vielen Fällen zum faktischen Ausschluss von sozialer Teilhabe führen. Hierbei sind insbesondere besonders vulnerable Gruppen wie z.B. Arbeitslose, Student*innen, illegalisierte Menschen, Arme etc. betroffen.

2G

Noch schärfer ist die 2G-Regelung, soweit zulässig und angewandt. Und tatsächlich führen immer mehr Bundesländer nach dem Vorbild des Vorreiters Hamburg eine 2G-Regelung ein. Als Ungeimpfte*r erhält man damit nun pauschal gar keinen Zutritt mehr zu den entsprechenden Orten und Veranstaltungen. 2G heißt: „Ungeimpfte sind hier unerwünscht.“ Ein definitorischer Ausschluss von sozialer Teilhabe für all diejenigen, die sich – aus welchen zunächst erst mal rein persönlichen Gründen auch immer – nicht haben impfen lassen. Wenn nicht schon die 3G-Regelung, so halten wir mindestens die 2G-Regelung für verfassungsrechtlich unzulässig.

Keine Lohnfortzahlung für Ungeimpfte im Quarantäne-Fall

Ungeimpfte Menschen, die aufgrund eines möglicherweise noch nicht einmal von ihnen selber verschuldeten Falls einer Corona-Erkrankung oder nach der Rückkehr von einer (Dienst-)Reise in ein als Corona-Risikogebiet klassifiziertes Land in Quarantäne gehen müssen, erhalten (bundesweit ab 1. November 2021, mitunter gerne früher) keine Lohnfortzahlung, sofern sie nicht selber direkt erkrankt sind. Insbesondere Menschen mit wenig Geld wird mittels dieser repressiven Maßnahme faktisch ein Impfzwang auferlegt. Ganz offen wird dieser Zwang seitens konservativer Medien begrüßt und als „Zermürbungstaktik“ gefeiert. Es klingt wie Krieg. Gedroht wird zugleich mit weiteren Konsequenzen:

„Fehlt eigentlich nur noch, dass die Krankenkassen bei (gewollt) Ungeimpften höhere Beiträge verlangen, um die exorbitanten Kosten für die Behandlung von schweren Covid-19-Erkrankungen abzudecken. Aber selbst das wird bereits diskutiert – zumindest in der privaten Krankenversicherung. Auf die Frage, ob das alles gerecht und angemessen ist, gibt es eine klare Antwort: Ja.“

Kennzeichnungspflicht mittels Armbändchen

Dieses ist nun der aktuell letzte Negativ-Höhepunkt in der Auseinandersetzung. Einige Hochschulen (Bsp. Hochschule Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität [sic!], siehe auch beispielhafte Liste von weiteren Hochschulen) verpflichten alle Hochschul-Mitarbeiter, Studierenden und Besucher zum Tragen eines Armbändchens. Mittels unterschiedlicher Farben der Bändchen wird sofort ersichtlich, wer geimpft ist und wer nicht. Selbst wenn einige der Hochschulen (Bsp. Hannover, dort gibt es nur Bändchen für Geimpfte und Genesene) das Tragen dieser Bändchen als freiwillige Maßnahme bezeichnen, so ist auch hier klar: Geimpfte werden sich aus guten Gründen der Erleichterung des Armbändchens bedienen (müssen) und die „Freiwilligkeit“ geriert zur Pseudo- bzw. Scheinfreiwilligkeit. Studierende und Hochschulmitarbeiter*innen ohne Armbändchen oder mit andersfarbigen Bändchen stellen mittels Armbändchenpraxis die durch diese äußerlich stigmatisierte Gruppe der „Anderen“ dar. Diesen „Anderen“ kann nun leicht die Schuld für organisatorischen Mehraufwand und die andauerende Krise im allgemeinen gegeben werden. Der Weg dahin wird von den Universitäten selber geebnet, wenn die Uni Dortmund beispielhaft bereits im Vorfeld droht:

„Da die Kontrollen [derjenigen, die die TU-App zur Erleichterung der 3G-Kontrolle nicht nutzen möchten] et­was länger dauern kön­nen, kann es in diesen Fällen zu Wartezeiten kom­men.“

Und wer will heutzutage schon gerne warten?

Und was ist mit Menschen, die sich nicht impfen lassen möchten?

Ungeimpfte Menschen, die sich aus organisatorischen oder monetären Gründen keinen täglichen Test unterziehen möchten, wird die Teilnahme am Studium bzw. die Arbeit verunmöglicht. Sie werden ausgeschlossen und abgehängt. Wenn das keine mittelbare Impfpflicht ist, was dann?

Der Präsident der Universität Hannover (Leibniz-Universität-Hannover, „LUH“), Volker Epping, drückt das dann auch klar aus:

„Der Lehrbetrieb ist grundsätzlich in Präsenz durchzuführen.“

„Grundsätzlich gilt ab 1. Oktober für alle Präsenzveranstaltungen des Studienbetriebes, dass für die Teilnahme an den Veranstaltungen ein Impf-, Genesenen- oder negativer Testnachweis (3G-Nachweis) vorzulegen ist.“

„Das Betreten der Gebäude der LUH ohne Legitimation über negatives, offizielles Testergebnis, Impf- oder Genesenennachweis gilt als Hausfriedensbruch und wird strafrechtlich verfolgt.

Fazit: Geschichtsvergessenheit, Mühlenwasser und Zwangsdigitalisierung

Wenn die Universitäten nun mit Beginn des anstehenden Wintersemester mit der Umsetzung von 3G-Vorschriften bei zugleich nicht-kostenfreien Testmöglichkeiten in Kombinationen mit anlaßlosen Identitätskontrollen innerhalb der Hochschulen und mit markierenden Armbändchen-Zwang beginnen, dann zeugt diese (im Sinne des Wortes) Diskriminierung mit Blick auf die Vergangenheit Deuschlands von einer bedrückend geschichtsvergessenen Haltung der dafür Verantwortlichen. Die Dimensionen der Folgen der Zwangskennzeichnung damals und heute sind zwar (derzeit) nur schwer vergleichbar. Und doch ist es für die Betroffenen mitunter sehr belastend, verletztend und entwürdigend, sich mittels Zwang kennzeichnen und hinsichtlich einer sensiblen politischen Frage outen zu müssen. Damit trägt die Armbändchenpraxis an Hochschulen zweifellos aktiv zu einer Spaltung der Gesellschaft bei. Dies ist besonders bedrückend, da von Universitäten als Bildungsstätten mit Blick auf die Vergangenheit ein anderes Selbstverständnis erwartet werden sollte. Und zuletzt schütten sie damit auch noch reichlich Wasser auf die Mühlen all jener Impf-Kritiker*innen, die sich mangels kritischer Selbstreflektion an Geschichtsvergleichen ergötzen und solche Kennzeichnungspflichten schon seit längerem prognostiziert hatten.

Schließlich und bislang medial völlig unterbelichtet:

Wenn dann einige Universitäten wie in Dortmund auch noch damit beginnen, dieses Kontroll- und Überwachungssystem mittels eigens dafür gestrickten Apps zu etablieren und zwangsdigitalisieren zu wollen, so drohen Datenschutz- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen großen Ausmaßes.

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Kommunalwahlen Hannover: Massenhafte, straßenweite Nicht-Zustellung von Wahlbenachrichtigungen. Und eine das wenig ernst nehmende und beschwichtigen wollende Stadt Hannover

In Niedersachsen fanden am 12.9.2021 Kommunalwahlen statt. So auch in Hannover, weswegen es am kommenden Sonntag – parallel zur Bundestagswahl – zur Stichwahl zwischen zwei Kandidat*innen für das Präsident*innenamt der Region Hannover kommen wird.

Eher zufällig erfuhren wir, dass viele Wahlberechtigte aber gar keine Wahlbenachrichtigungskarte zur Kommunalwahl erhalten haben. So wurde in mindestens einer komplette Straße im politisch eher links orientierten Stadtteil Linden-Nord gar keine einzige Wahlbenachrichtigung zugestellt – so die Aussage eines für die Durchführung der Wahl verantwortlichen Menschen aus dem dafür zuständigen Wahlkreisbüro. Wir können nur schätzen, wie viele wahlberechtigte Menschen dadurch nicht aktiv zur Teilnahme an der Wahl eingeladen worden sind und gehen von grob 200 bis 400 Menschen aus – eine nicht zu unterschätzende Menge.

Wir haben deswegen bei der Stadt Hannover zur Sache nachgefragt und nachgehakt und erhielten daraufhin beschwichtigende und verharmlosende Antworten. Über den Umfang solcher Probleme und ob und inwiefern weitere Straßenzüge ohne Wahlbenachrichtigung geblieben sind – darüber kann oder will uns der Pressesprecher der Landeshauptstadt keine Auskunft erteilen und antwortet und entsprechende Nachfragen nun einfach gar nicht mehr.

Zunächst fragten wir allgemein nach dem Bekanntsein solcher Probleme nach und erhielten beschwichtigende Antworten:

Es seien „vereinzelte Meldungen“ über nicht eingegangene Wahlbenachrichtigungskarten eingegangen. Das aber alles „insgesamt ungefähr in dem Umfang wie bei anderen Wahlen“.

Erst, nachdem wir in einer Nachfrage konkret den Namen der Straße benannt haben, in der unseren Informationen zufolge gar keine Wahlbenachrichtigungen zugestellt worden sind bestätigte man dieses, wenn auch nur in Teilen:

„Tatsächlich haben wir dieses Mal mehrere Meldungen aus der Kochstraße erhalten und bei entsprechenden Nachfragen über die Wahlmodalitäten informiert aber und neue Wahlbenachrichtigungen zugeschickt. (…) Eine flächendeckende Nichtzustellung in dieser Straße können wir aber ausschließen.“

Insgesamt zieht sich die Pressestelle der Stadt Hannover – stark zusammengefasst – auf folgende argumentative Position zurück:

  • Probleme mit nicht zugestellten Wahlbenachrichtigungen gibt es bei jeder Wahl. Das ist also nichts neues.
  • Wenn sich Leute aktiv melden und den Nichteingang der Karte bemängeln, dann werden sie darauf hingewiesen, dass auch ohne Karte gewählt werden kann.

Und dann noch die folgende argumentative Nebelkerze:

„Bei jeder Wahl gibt es einen gewissen Rücklauf nicht zugestellter Wahlbenachrichtigungskarten, eine genaue Zahl haben wir aber nicht vorliegen. Das muss auch so sein, da der Postdienstleister angewiesen wurde, keinesfalls in falsche (oder unbeschriftete) Briefkästen zuzustellen. Auch sind nicht immer alle Briefkästen zugänglich.“

Das hat allerdings rein gar nichts mit dem von uns benannten Vorfall zu tun, wonach in mindestens einer ganzen Straße keine einzige Karte zugestellt worden ist!

Die Verteidigung und Beschwichtigungen der Stadt Hannover blenden vor allem folgendes aus:

  • Eine nicht zu unterschätzende Zahl von Menschen dürfte erst mittels Zustellung der Wahlbenachrichtigungskarte auf den Umstand des Wahlzeitpunkts hingewiesen worden sein. Daher auch der Name der Karte: „Wahlbenachrichtigung“
  • Dass die Menschen, die den Kommunalwahltermin auf den Schirm haben und wählen möchten, dann noch im Wahlamt anrufen (und dort jemanden erreichen!) und insofern auf die Möglichkeit der Wahl ohne Karte hingewiesen werden, das ist schön, stellt aber eine Hürde dar, die nicht jede*r zu nehmen weiss. Diese Entschuldigung dürfte verfassungsrechtlich nicht hinreichend sein.
  • Schließlich wird den Menschen ohne Wahlbenachrichtigungskarte die Möglichkeit der Briefwahl genommen. In den Zeiten zunehmender Briefwahlquote unter Corona-Bedingungen ist das alles andere als vernachlässigbar.
  • Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass es lange Schlangen vor den Wahlbüros in Hannover gab. Berichtet wurde von Wartezeiten von bis zu eineinhalb Stunden. Das dürfte weiterhin dazu beigetragen haben, dass Menschen auf ihr Wahlrecht verzichtet haben, insbesondere dann, wenn sie selber keine Wahlkarte in der Hand halten und dadurch möglicherweise verunsichert waren.

Die letzten, von uns an die Stadt Hannover gestellten Fragen blieben von der Pressestelle auch nach fünf Tagen Wartezeit unbeantwortet:

  • Woraus schlußfolgert die Stadt, dass die „eingegangenen Meldungen über nicht eingegangene Wahlbenachrichtigungskarten insgesamt ungefähr in dem Umfang wie bei anderen Wahlen“ entsprechen, wenn sie – wie später auf unsere Nachfrage hin beteuert – eine „genaue Zahl dazu gar nicht vorliegen hat“?
  • Gibt es weitere Straßen oder Gebiete, die flächendeckend oder nahezu flächendeckend keine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten haben?

Und vor allem:

  • Warum hat die Stadt bzw. das Wahlamt der Stadt Hannover keine Initiative ergriffen, die – wie nun bekannt – nicht mittels Wahlbenachrichtigungskarte versorgten Wähler*innen wenigstens nachträglich und rechtzeitig vor der übermorgen stattfindenden Stichwahl über ihre Wahlmöglichkeit zu informieren?

Dass die Stadt diese wesentlichen Fragen nun nicht mehr beantwortet und damit praktisch aussitzen will, das spricht für sich … und ist aus unserer Sicht ein Skandal. Denn die vom Umfang her uns bekannt gewordene faktische Nicht-Benachrichtigung von Wähler*innen hat dem Umfang nach das Zeug, den Ausgang einer Wahl entscheidend zu beeinflussen, zu verfälschen. Die Bedeutung des Wahlrechts wird nicht ernst genommen.

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Das freiheitsfoo wird heute 1000 Jahre alt …

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