Kleiner versammlungsrechtlicher Erfolg mittels freiheitsfoo-Presseanfrage: Hannoversche Versammlungsbehörde droht Demoanmeldern nun nicht mehr pauschal damit, für Schäden im Zuge von Demonstrationen persönlich haftend aufkommen zu müssen

Im Frühjahr 2018 erreichte unsere Redaktion die Kopie eines Demonstrations-Auflagen-Bescheides von der in der Polizei Hannover verorteten Versammlungsbehörde Hannover. Darin heißt es unter anderem in etwas drohendem und einschüchternden Ton:

Für alle eventuell entstehenden Schäden haften Sie in vollem Umfang. Hierzu gehören auch die Kosten, die für die Beseitigung von Schäden am öffentlichen Straßenraum entstehen. Sollten vor dem Aufbau für die Veranstaltung auf den zugewiesenen Standorten Schäden vorhanden sein, sind diese gemeinsam mit dem Fachbereich Tiefbau zu dokumentieren.“

Das ist Unsinn und rechtlich unhaltbar, denn einem Demoanmelder/einer Demoanmelderin kann nicht auferlegt werden für diejenigen Schäden aufkommen zu müssen, die durch Teilnehmer der Versammlung angerichtet werden. Das würde einen äußerst abschreckenden und die Versammlungsfreiheit zersetzenden Effekt haben mit der Folge, dass bald schon niemand mehr bereit wäre, als Anmelder*in oder Leiter*in einer Demonstration zur Verfügung stehen zu wollen.

Wir haben die Versammlungsbehörde Hannover am 18.4.2018 mittels Presseanfrage darauf angesprochen und gefragt, wie sie derartige Mitteilungen an Demoanmelder meint mit geltender Rechtssprechung (z.B. Brokdorf-Beschluß) in Einklang bringen zu können.

Danach passierte … erst mal gar nichts.

Heute nun – fast ein halbes Jahr später! – erhielten wir eine Rückmeldung von der Versammlungsbehörde. „Aufgrund starken Versammlungsaufkommens und eiliger Anfragen“ sei man nicht früher dazu gekommen, unsere Presseanfrage zu beantworten. Nun ja …

Und man teilt uns mit, dass der von uns zitierte Textbaustein seit April 2018 nicht mehr verwendet werden würde. Er hätte „in der Tat missverständlich aufgefasst werden können“.

Das fanden und finden wir auch und freuen uns, dass unsere Presseanfrage offenbar zum Nachdenken und Einlenken der Behörde in dieser Sache geführt hat. Dafür möchten wir uns zugleich an dieser Stelle bedanken.

Zugleich ist es bedauerlich, dass die Versammlungsbehörde derlei Aussagen an die Anmelder von Demonstrationen überhaupt erst richtet bzw. gerichtet hat und dass es erst auf eine Intervention hin nicht mehr dazu kommt bzw. angeblich kommen soll.

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NPOG-LUPE: § 32a – Wie die Polizei die Herausgabe von Smartphones erzwingen kann – notfalls auch unter Einsatz von Gewalt

Zur Veranschaulichung und Einführung eine kleine Geschichte:

Irgendwo in Niedersachsen: Eine Demonstration gegen den Aufmarsch rechter oder populistischer Gruppen oder Parteien.

Ein Teil dieser Gegendemo versucht, den Aufmarsch der Rechten zu blockieren, einige Protestierende setzen sich dazu an einer Stelle derer Marschroute auf den Weg und weigern sich aufzustehen.

Die Polizei fordert zunächst verbal zum Verlassen der Straße auf, wird dann aber handgreiflich und versucht z.B. mittels Schmerzgriffe, mittels des Verdrehens von Armen und Gelenken oder mittels Faustschläge die Gegendemonstranten zum Aufstehen zu zwingen (das alles wird euphemistisch als „unmittelbarer Zwang“ bezeichnet). Es kommt zu Verteidigungshaltungen der von der Polizeigewalt Betroffenen – diesen wird deswegen später wahlweise

Um alle an der Blockade beteiligten Demonstranten identifizieren zu können, fordert die Polizei noch während der Demo oder (ggf. mit „Rücksicht auf die Versammlungsfreiheit“) nach derer formellen Beendigung alle Demonstrierenden mit Verweis auf das neue Niedersächsische Polizeigesetz NPOG dazu auf, ihre Smartphones an die Polizei auszuhändigen, um die darin enthalten Foto- und Filmdaten abgreifen zu können. Dazu werden die Demonstranten eingekesselt und diese erst nach Abgabe ihrer Geräte sowie nach der Identifizierung der an der Demo Betreiligten freigelassen. Wer sich weigert, wird festgenommen bzw. festgehalten – oder es wird erneut „unmittelbarer Zwang“ ausgeübt.

Diejenigen, die ihre Smartphones ausgehändigt haben, erhalten diese erst viele Monate später von der Polizei zurück. Eine frühere Auswertung der Inhalte der Smartphones sei aus personellen Gründen leider nicht möglich gewesen, teilt die Polizei entschuldigend mit.

Eine fiktive und pointierte Geschichte, zugegeben. Aber im Sinne des geplanten neuen Polizeigesetzes für Niedersachsen („NPOG“) keine absurde oder utopische, denn der dort neu verankerte § 32a NPOG-E („Einsichtnahme und Herausgabe von Bild- und Tonaufzeichnungen von Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs“) würde das so oder zumindest so ähnlich ermöglichen und als rechtmäßig bewerten lassen.

Wesentlich ist der Absatz 1 des § 32a NPOG-E, der wie folgt lautet:

„Zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit oder den Bestand des Bundes oder eines Landes sowie für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, kann die Polizei im Einzelfall von Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs die Einsichtnahme und Herausgabe von Bild- und Tonaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume verlangen, wenn die Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“

Die darin enthaltene Bedingung zur Anwendung dieses Polizeigesetz-Paragraphen kann in der gelebten Praxis zu einer recht ausgedehnten Befugnis der Polizei führen, Bild- und Tonaufzeichnungen abzuverlangen bzw. abzugreifen. Wer dabei zunächst nur an den Zugriff auf Daten privat betriebener Überwachungskameras denkt, denkt zu kurz. Das klar zu machen sollte die einführende Kurzgeschichte dienen.

Die Gesetzesbegründung zum § 32a NPOG-E (auf Seite 58 der Landtagsdrucksache 18/850) betont noch einmal ausdrücklich, dass die Durchsetzung der Erlangung von Bild- und Tonaufnahmen „ggfs. mit Zwangswmitteln durchgesetzt werden“ darf und dass es für das alles keinen Richtervorbehalt gibt.

Im Rahmen der Anhörungen des Innenausschusses zum NPOG hat neben dem freiheitsfoo lediglich noch die Landesdatenschutzbeauftragte Kritik am § 32a NPOG-E geäußert. Diese schreibt in ihrer schriftlichen Stellungnahme (auf Seite 24) unter anderem:

Die Notwendigkeit für eine derartige Regelung (…) ist nicht erkennbar. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung geben keinen Aufschluss über die Gesetzgebungsmotive. Die Eingriffsintensität dieser Maßnahme ist erheblich. (…) Vom Regelungsgehalt und der Zielsetzung ist § 32a vergleichbar mit einer Beschlagnahme im Rahmen eines Strafverfahrens. Diese steht jedoch grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Anordnung durch das Gericht (…) Es sprechen also gewichtige Gründe daür, eine Anordnung nach § 32a Abs. 2 nicht nur unter den Vorbehalt der Behördenleitung zu stellen, sondern unter einen Richtervorbehalt.

Deutlicher als die Landesdatenschutzbeauftragte fordert das freiheitsfoo in seiner schriftlichen Stellungnahme an den Innenausschuss (auf Seite 18) die vollständige Streichung des § 32a NPOG.

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Zur Erinnerung – Fußball-EM 2024 in Deutschland bedeutet auch: Verfassungswidrige, von der UEFA verlangte und verordnete Demonstrationsverbote im Umkreis von 500 m um alle EM-Stadien …

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Niedersächsisches Innenministerium: Die Veröffentlichung des Erlasses zur Erlaubnis des Einsatzes von Elektroschockwaffen durch die niedersächsische Polizei (SEK) wäre „für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig.“ [Update]

Mit genau dieser vagen und im Detail für die Bürger nicht nachvollziehbaren, geschweige den prüfungsfähigen Begründung verweigert das Niedersächsische Innenministerium die Herausgabe/Veröffentlichung des Erlasses.

Wir gehen davon aus, dass es dem Innenministerium selber und frei von der Überprüfung durch eine unabhängige Stelle möglich ist, die Bewertung zur Klassifizierung des Taser-Erlasses als geheimhaltungsbedürftig oder nicht vorzunehmen … [Update: Ja, stimmt. Das Innenministerium darf selber und ganz alleine entscheiden, ob Dokumente wie dieser Taser-Erlass geheimgehalten werden oder nicht.]

Anmerkung am Rande: Die Presseanfragen in dieser Sache werden durch denjenigen Menschen im Ministerium beantwortet, der den Taser-Erlass auch namentlich verfasst hat, zumindest aber gezeichnet hat. Bei der Beantwortung unserer Anfragen befinden sich vier weitere Stellen im Nds. Innenministerium im CC.

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Veröffentlicht: Die Niederschriften/Wortprotokolle der mündlichen Anhörungen im Innenausschuss zum NPOG vom 9.8. und 10.8.2018 … und weitere

Anhörung des Innenausschusses zum NPOG-E am 9.8.2018 – Bildquelle: NDR-Fernsehbericht dazu (Screenshot)

Auf explizite Nachfrage hin hat uns die Verwaltung des Niedersächsischen Landtags freundlicherweise die Niederschriften der mündlichen Anhörungen im Innenausschuss zum geplanten neuen Polizeigesetz in Niedersachsen („NPOG“) vom 9.8. und 10.8.2018 zukommen lassen. (Der Landtagsverwaltung ist wichtig zu betonen, dass es sich bei den Niederschriften nicht um Wortprotokolle im eigentlichen Sinne handelt, sondern dass „nur die wesentlichen Inhalte der Verhandlungen wiedergegeben werden“. Unser Eindruck – zumindest von den NPOG-Anhörung-Niederschriften – ist nichtsdestotrotz der, dass diese erfreulich detailliert ausgeführt worden sind.)

Anders als bislang werden diese Niederschriften somit erstmals öffentlich – was in den meisten anderen Landtagen und im Bundestag längst schon eine Selbstverständlichkeit ist – und für diesen Wandel zu etwas mehr Transparenz des Niedersächsischen Parlamentbetriebs bedanken wir uns und freuen uns darüber!

Wir veröffentlichen hiermit also diese beiden Mitschriften vom 9.8.2018 und vom 10.8.2018 sowie alle weiteren Mitschriften der bisherigen öffentlichen Sitzungen des Innenausschusses im Niedersächsischen Landtag in 2018.

Sobald/sofern uns weitere Mitschriften (wie z.B. die des dritten NPOG-Anhörungstages vom 16.8.2018) vorliegen, werden wir diese ebenfalls auf unserer Wiki-Dokumentationsseite hinzufügen und so der interessierten Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Die Landtagsverwaltung hat angekündigt, im Zuge der Neuaufsetzung des Webauftritts diese Dokumente zukünftig generell allen Bürgern zugänglich zu machen.

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Veröffentlicht: Der aktuelle Erlass Niedersachsens zum Einsatz von Pfefferspray und anderen „Reizstoffen“

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NPOG-LUPE: § 12a (1) – Die Definition eines „Gefährders“ (bzw. einer „Gefährderin“) [Update]

In der aktuellen Diskussion um das geplante neue niedersächsische Polizeigesetz („NPOG“) wird seitens der Befürworter des Gesetzentwurfs immer wieder behauptet, es gäbe keine „Gefährder“-Definition darin.

Das ist allerdings falsch.

Zitiert aus dem § 12a (1) des NPOG-Entwurfs:

Verursacht eine Person eine Gefahr oder rechtfertigen bestimmte Tatsachen die Annahme, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird, so [handelt es sich bei dieser Person um einen Gefährder bzw. eine Gefährderin].

Das stand übrigens auch im vorherigen, wenn auch nicht final umgesetzten rot-grünen Polizeigesetz-Entwurf („NGefAG“) schon so drin.

Der eigentliche Skandal allerdings verbirgt sich hinter dem auch im NPOG-E so unreflektiert verwendeten, neusprechhaften „Gefährder“-Begriff. Und das sehr geschickt. Dessen Einführung repräsentiert die Schwere des (nicht nur) von SPD und CDU gewünschten Wandels des Polizeiwesens, der vielfach als „Paradigmenwechsel“ bezeichnet wird.

Dazu sehr zum Lesen empfohlen die sachliche und historische Analyse des „Gefährder“-Begriffs von Heiner Busch vom Februar 2017:

Kommentar: Wie sich der „Gefährder“ ins Recht schleicht

Oder siehe auch Punkt 10 der freiheitsfoo-Stellungnahme zum NPOG-E an den Innenausschuss des Niedersächsischen Landtags.

 

[Update 23.9.2018]

Aufgrund berechtigter Kritik folgende Ergänzungen und Erklärungen:

Das in diesem Blogbeitrag im Zitat des § 12a (1) NPOG-E in eckigen Klammern stehende wurde durch uns hinzugefügt und steht so nicht im Gesetzentwurf drin. Der § 12a behandelt „Gefährderansprachen“ und „Gefährderanschreiben“ und das von uns Zitierte soll die Bedingungen beschreiben, unter denen Menschen mit dem einen oder anderen konfrontiert werden dürfen, also im Sinne der Polizei als „Gefährder“ gelten und entsprechend in Datenbanken so geführt werden.

Es handelt sich dabei also nicht um eine gesetzestechnisch einwandfreie „Definition“ des „Gefährder“-Begriffs, praktisch läuft es aber doch auf eine solche hinaus. Und das selbst dann, wenn der derzeitige Innenminister Niedersachsens. Herr Pistorius (SPD) in einem aktuellem Videobeitrag mit Vehemenz und ein wenig Stolz darauf verweist, dass man im Gesetzentwurf absichtlich keine Definition des „Gefährders“ vorgenommen habe. (Und zugleich eine erstaunlich exakte Zahl der in Niedersachsen lebenden „Gefährder“ meint angeben zu können, was beweist, dass es durchaus irgendwo und irgendwie eine Definition dieser politisch definierten Menschengruppe geben muss, wenn man der Polizei und den „Sicherheitsbehörden“ nicht völlige Willkür unterstellen möchte.)

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#noNPOG-Demonstration vom 8.9.2018: Die Schlacht um die Deutungshoheit der Teilnehmerzahlen und weitere Informationensbruchstücke zur Demo

Bereitstehende Wasserwerfer am 8.9.2018 in einer Seitenstraße zur Demoroute.

Am Samstag, den 8.9.2018 gingen in Hannover Tausende von Menschen im Rahmen einer friedlichen Demonstration auf die Straße, um gegen das für Niedersachsen geplante neue Polizeigesetz („NPOG“) zu protestieren. Wir haben diese im Zuge einer Demonstrationsbeaobachtung begleitet.

Nicht unüblich ist das anschließende Gerangel um die Deutungshoheit zur Angabe der „korrekten“ Teilnehmerzahl, dient diese doch oft als politisches Argument für oder wider einer Sache. So auch hier:

Die Polizei spricht in ihrer Pressemitteilung vom 8.9.2018 von „schätzungsweise 8.300 Teilnehmer in der Spitze“ und „zu Beginn der Abschlußkundgebung 6.400 Personen mit abnehmender Tendenz.“

Nur kurz zuvor hatte das #noNPOG-Bündnis 15.000 Menschen auf der Straße“ verkündet.

Diese beide Zahlen liegen weit auseinander – wir haben sowohl bei Polizei als auch beim Bündnis nachgefragt, wie sie jeweils zu den Zahlen kommen. Das Ergebnis:

Bei der Polizei hat man zwei „Ablaufzählungen“ durchgeführt. Einmal an der Herschelstraße, ein zweites mal beim Passieren des Demozuges des Nds. Innenministeriums.

Das Demobündnis hat dagegen durch drei verschiedene Personen/Gruppen zählen lassen und ist zu drei unterschiedlichen Ergebnissen gekommen: 11.000, 13.000 und 15.000 und letztere Zahl als offizielle Teilnehmerzahl angenommen.

Bei unserer Demonstrationsbeobachtung haben wir übrigens auch selber eine eigene Zählung durchgeführt, und zwar kurz vorm Einbiegen der Demo auf den Königsworther Platz. Dabei kamen wir auf 10.000 Demo-Teilnehmer, wobei wir nicht behaupten wollen, exakt haben zählen zu können – das ist aus praktischer Sicht unserer Ansicht nach in Form einer Ablaufzählung gar nicht möglich. Wir meinen daher, die Demoteilnehmerzahl nur mit circa 8.000 bis 12.000 Personen benennen zu können – bei vorsichtigerer Schätzung könnte der „Zähl-Fehler“ in beide Richtungen sogar noch größer sein.

Wieso die Polizei meint, vorm Innenministerium rund 2.000 Personen weniger als bei Demobeginn feststellen/zählen zu können, erschließt sich aus unseren Beobachtungen nicht. Der Demozug ist unserer Ansicht nach keineswegs zwischen den beiden polizeilichen Zählstellen geschrumpft. Und falls doch, dann in ganz anderen Dimensionen.

Aus den An- und Nachfragen an Polizei und Bündnis ergaben sich zudem noch folgende möglicherweise interessante Informationen:

  • Wie viel Polizisten und Polizistinnen eingesetzt und wie viel Wasserwerfer vorgehalten worden sind, will uns die Polizei auch auf erneutes Nachfragen hin nicht mitteilen: „Die Beantwortung würde polizeiliche Taktiken offenlegen.“ Eine aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Begründung. Wir denken, dass hier die Informationspflichten der Polizei gegenüber Presse und Öffentlichkeit schwerer zu gewichten sind als angeblich aus der Angabe der Zahlen erkennbarer Taktiken. Denn bei anderen Polizei-Großeinsätzen werden derartige Zahlen durchaus öffentlich, ohne dass die Polizei oder deren spätere Arbeit Schaden daran nimmt. (Wir haben übrigens mindestens vier Wasserwerfer zählen können – die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten war außerordentlich hoch, wenn sich die Einsatzkräfte doch auch z.T. nicht unbedingt zu erkennen gaben bzw. der Demo zeigten.)
  • Es gab keine (bekannten) Verletzte unter den Demonstranten, dagegen aber zwei verletzte Polizeibeamte. Deren Verletzungen haben allerdings nichts mit der Demonstration zu tun und weitere Angaben dazu möchte die Polizei lieber nicht machen. Warum auch immer …
  • Es gab nach Angaben der Bündnis-Pressesprecherin keinerlei Identitätsfeststellungen oder Ingewahrsamsnahmen von Demonstranten im Zusammenhang mit der Demo – friedlicher geht es also nicht und daran darf erinnert werden, falls es weitere Großdemos gegen das geplante Polizeigesetz in Niedersachsen geben sollte und die Polizei bzw. (in Hannover schwer davon trennbar) die Versammlungsbehörde (erneut) unter Verweis auf ihre selbst erstellten Gefahrenprognosen meint, der Demonstration grundrechtsbeschränkende Auflagen erteilen zu können …
  • Für die Akten: Die Polizei Hannover hat keine Kenntnis davon, dass von ihr oder anderen Stellen IMSI-Catcher eingesetzt oder Funkzellenabfragen in Verbindung mit der Demonstration durchgeführt worden sind.
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Verwaltungsgerichte Sachsen-Anhalts verurteilen polizeilichen Platzverweis beim Protest gegen das Kriegsübungslager GÜZ nach vier Jahren Rechtsstreit aks rechtswidrig

Jedes Jahr findet in den Sommermonaten ein beachtenswerts Protestcamp gegen das Gefechtsübungszentrum („GÜZ“) Colbitz-Letzlinger Heide statt. Mit dem „War starts here“-Camp machen die daran teilnehmenden Menschen mittels Protest und Aktionen gewaltlosen Widerstands (und übrigens meistens von den Medien weitgehend unbeachtet oder gar totgeschwiegen) darauf aufmerksam, dass in dem gemeinsam von Rheinmetall und der Bundeswehr betriebenen Truppenübungsgebiet fragwürdige Auslandseinsätze, aber auch Kampfhandlungen der Bundeswehr in Städten und Gemeinden trainiert bzw. „gespielt“ werden.

Vor vier Jahren (vom 17.-24.8.2014) gab es zudem konzertierte Aktionen gewaltfreier Aktionen unter der Überschrift „Gewaltfreie Aktion GÜZ abschaffen“ in deren Rahmen eine große Zahl gewaltfreier Demonstranten (nach expliziter vorheriger Ankündigung ihrer Absichten!) u.a. mit einem Platzverweis belegt worden sind, der – so die nun endgültige und amtliche Rechtssprechung nach über vier Jahren im Gerichtsdschungel – seitens der Polizei Sachsen-Anhalt rechtswidrig ausgeführt worden war.

Das nützt den Friedensaktivisten nun reichlich wenig – mittels des polizeilichen (illegalen) Platzverweises wurde die Versammlungsfreiheit unzulässig und für den entscheidenen Moment der Meinungsäußerung und Versammlung unwiederbringlich entzogen. Dieser Verlust kann auch mit dem Erfolg vierjährigen Kampfes in den gerichtlichen Instanzen nicht wieder wett gemacht werden. Bösartig könnte man auch sagen: Aus der Sicht der Polizei wurde das Ziel erreicht – die nachträgliche Rehabilitation der Demonstranten bleibt innerhalb des Polizeiapparats vermutlich ohne konkrete, nachhaltige Folgen für die als Einsatzleiter dafür Verantwortlichen.

Auch dieses aktuelle Urteil belegt, dass die Polizei mitunter deutlich über das Ziel hinausschießt und gesetzliche Vorgaben missachtet bzw. überschreitet. Zur Erinnerung: Der Entwurf des von SPD und CDU für Niedersachsen geplanten neuen Polizeigesetzes („NPOG“) sieht unter anderem vor, dass die Polizei auf Basis eigener, interner Überlegungen und Mutmassungen entscheiden darf, ob Menschen ein Aufenthalts- oder sogar Kontaktverbot auferlegt werden kann. Das alles, ohne dass ein Richter die Entscheidungsgründe hierfür überprüft oder überprüfen kann. Manche Kritiker sprechen von einem Blankoscheck polizeilicher Repression. Das auch vor dem Hintergrund, dass diese Auflagen sogar in Kombination mit der Pflicht zum Tragen einer elektronischen Fußfessel ausgesprochen werden darf – ebenfalls ohne Richtervorbehalt.

Hier nun das, was einer der die Klagen führenden Rechtsanwälte, Herr Dietmar Sasse aus Berlin, zu der jüngsten Entscheidung an die 42 vom unzulässigen Platzverweis Betroffenen geschrieben hat. Er erläutert darin nochmals den Vorgang im Gesamten:

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Ein aktuelles Urteil des OLG Braunschweig als Beitrag zur NPOG-Diskussion: Polizei steckt Fußballfan zu Unrecht ins Gefängnis – „dank“ der von der Polizei selbst verfassten „Gefahrenprognose“ [UPDATE]

Im Zuge der NPOG-Diskussionen nachfolgend der Auszug eines aktuellen Urteils des OLG Braunschweig vom 30.8.2018 zur rechtswidrigen Gefangennahme („Gewahrsamnahme“) eines vorgeblichen „Ultras“ durch die Polizei.

Das Urteil stellt nur die Spitze eines Eisbergs des bereits heute üblich gewordenen rechtswidrigen Umgangs der Polizei mit vielen Fußballfans dar, weitere bereits rechtskräftig gewordene Urteile, die das belegen, könnten aufgezählt werden. Und doch beleuchtet dieser konkrete Einzelfall die Praxis der Polizei im Umgang mit der polizei-internen Erstellung von Gefahrenprognosen recht deutlich.

Zumindest in diesem Fall hat die Polizei eindeutig haltlos und rechtswidrig einen Menschen um seine Freiheit gebracht. Selbst das nun (bereits in zweiter Instanz) mühevoll und arbeitsintensiv erstrittene Urteil kann diesen Schaden nicht mehr wirklich gut machen. Und es stellt sich erneut die Frage: Wer haftet eigentlich innerhalb des Polizeiapparats für ein derart krasses Fehlverhalten? Wird es überhaupt irgendwelche Konsequenzen für die Verantwortlichen geben?

Und der Zusammenhang zum geplanten neuen Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“)? Es sind genau solche von der Polizei selbst verfasste Gefahrenprognosen, die zukünftig und ohne die (aus Zeitgründen mehr oder minder gründliche) Prüfung eines Richters/einer Richterin ausreichen sollen, um äußerst krasse Grundrechtsbeschränkungen vornehmen zu dürfen: Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote, Kontaktverbote – alles in möglicher Kombination mit elektronischer Fußfessel (Erläuterungen zu diesen harmlos klingenden Begriffen hier unter Nummer 3).

Nun also aus dem Urteil aus Braunschweig (Hervorhebungen durch die Redaktion):

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