#noNPOG-Demonstration vom 8.9.2018: Die Schlacht um die Deutungshoheit der Teilnehmerzahlen und weitere Informationensbruchstücke zur Demo

Bereitstehende Wasserwerfer am 8.9.2018 in einer Seitenstraße zur Demoroute.

Am Samstag, den 8.9.2018 gingen in Hannover Tausende von Menschen im Rahmen einer friedlichen Demonstration auf die Straße, um gegen das für Niedersachsen geplante neue Polizeigesetz („NPOG“) zu protestieren. Wir haben diese im Zuge einer Demonstrationsbeaobachtung begleitet.

Nicht unüblich ist das anschließende Gerangel um die Deutungshoheit zur Angabe der „korrekten“ Teilnehmerzahl, dient diese doch oft als politisches Argument für oder wider einer Sache. So auch hier:

Die Polizei spricht in ihrer Pressemitteilung vom 8.9.2018 von „schätzungsweise 8.300 Teilnehmer in der Spitze“ und „zu Beginn der Abschlußkundgebung 6.400 Personen mit abnehmender Tendenz.“

Nur kurz zuvor hatte das #noNPOG-Bündnis 15.000 Menschen auf der Straße“ verkündet.

Diese beide Zahlen liegen weit auseinander – wir haben sowohl bei Polizei als auch beim Bündnis nachgefragt, wie sie jeweils zu den Zahlen kommen. Das Ergebnis:

Bei der Polizei hat man zwei „Ablaufzählungen“ durchgeführt. Einmal an der Herschelstraße, ein zweites mal beim Passieren des Demozuges des Nds. Innenministeriums.

Das Demobündnis hat dagegen durch drei verschiedene Personen/Gruppen zählen lassen und ist zu drei unterschiedlichen Ergebnissen gekommen: 11.000, 13.000 und 15.000 und letztere Zahl als offizielle Teilnehmerzahl angenommen.

Bei unserer Demonstrationsbeobachtung haben wir übrigens auch selber eine eigene Zählung durchgeführt, und zwar kurz vorm Einbiegen der Demo auf den Königsworther Platz. Dabei kamen wir auf 10.000 Demo-Teilnehmer, wobei wir nicht behaupten wollen, exakt haben zählen zu können – das ist aus praktischer Sicht unserer Ansicht nach in Form einer Ablaufzählung gar nicht möglich. Wir meinen daher, die Demoteilnehmerzahl nur mit circa 8.000 bis 12.000 Personen benennen zu können – bei vorsichtigerer Schätzung könnte der „Zähl-Fehler“ in beide Richtungen sogar noch größer sein.

Wieso die Polizei meint, vorm Innenministerium rund 2.000 Personen weniger als bei Demobeginn feststellen/zählen zu können, erschließt sich aus unseren Beobachtungen nicht. Der Demozug ist unserer Ansicht nach keineswegs zwischen den beiden polizeilichen Zählstellen geschrumpft. Und falls doch, dann in ganz anderen Dimensionen.

Aus den An- und Nachfragen an Polizei und Bündnis ergaben sich zudem noch folgende möglicherweise interessante Informationen:

  • Wie viel Polizisten und Polizistinnen eingesetzt und wie viel Wasserwerfer vorgehalten worden sind, will uns die Polizei auch auf erneutes Nachfragen hin nicht mitteilen: „Die Beantwortung würde polizeiliche Taktiken offenlegen.“ Eine aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Begründung. Wir denken, dass hier die Informationspflichten der Polizei gegenüber Presse und Öffentlichkeit schwerer zu gewichten sind als angeblich aus der Angabe der Zahlen erkennbarer Taktiken. Denn bei anderen Polizei-Großeinsätzen werden derartige Zahlen durchaus öffentlich, ohne dass die Polizei oder deren spätere Arbeit Schaden daran nimmt. (Wir haben übrigens mindestens vier Wasserwerfer zählen können – die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten war außerordentlich hoch, wenn sich die Einsatzkräfte doch auch z.T. nicht unbedingt zu erkennen gaben bzw. der Demo zeigten.)
  • Es gab keine (bekannten) Verletzte unter den Demonstranten, dagegen aber zwei verletzte Polizeibeamte. Deren Verletzungen haben allerdings nichts mit der Demonstration zu tun und weitere Angaben dazu möchte die Polizei lieber nicht machen. Warum auch immer …
  • Es gab nach Angaben der Bündnis-Pressesprecherin keinerlei Identitätsfeststellungen oder Ingewahrsamsnahmen von Demonstranten im Zusammenhang mit der Demo – friedlicher geht es also nicht und daran darf erinnert werden, falls es weitere Großdemos gegen das geplante Polizeigesetz in Niedersachsen geben sollte und die Polizei bzw. (in Hannover schwer davon trennbar) die Versammlungsbehörde (erneut) unter Verweis auf ihre selbst erstellten Gefahrenprognosen meint, der Demonstration grundrechtsbeschränkende Auflagen erteilen zu können …
  • Für die Akten: Die Polizei Hannover hat keine Kenntnis davon, dass von ihr oder anderen Stellen IMSI-Catcher eingesetzt oder Funkzellenabfragen in Verbindung mit der Demonstration durchgeführt worden sind.
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