
Entscheidungsgatter des Verwaltungsgerichts Hannover zur Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten in niedersächsischen Polizeidatenbanken
Immer wieder wurde und wird in Niedersachsen – in anderen Bundesländern aber durchaus noch häufiger – bekannt, dass die Polizei in ihren Datenbanken (gern auch als „Vorgangsbearbeitungssystem“ verklausuliert) Informationen über Menschen speichert, die an friedlichen Demonstrationen teilgenommen, sich aber sonst nichts zuschulden haben kommen lassen.
Bereits in 2016 wurde öffentlich, dass die Polizei Niedersachsens „masssenhaft“ (Zitat eines Sprechers der Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachsens) unzulässigerweise, weil ohne Rechtsgrundlage Daten über friedliche, unschuldige Demonstranten erfasst und in ihre Datenbanken eingepflegt hatte. Nachdem das Nds. Innenministerium sich zunächst weit über ein Jahr weigerte, auf diese Vorwürfe überhaupt zu reagieren wurden die bekannten Dateneinträge in 2017 angeblich entfernt. Doch selbst danach tauchten weitere solcher Fälle rechtswidriger Polizeispeicherpraxis auf.
Nachfolgend veröffentlichen wir einen Bericht der Aktivistin Hanna Poddig, der sich u.a. auf diese unrühmliche Polizeigewohntheit bezieht. Im Erlebnisbericht werden zwei bemerkenswerte, aus unserer Sicht rechtswidrige Vorgänge bzw. Zustände bei der Polizei offenbar:
Zum einen erlaubte sich die Polizeidirektion Osnabrück, Frau Poddig in der niedersächsischen Polizei-Datenbank NIVADIS zu speichern, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hatte und am selben Tag, wenn auch an anderer Stelle, eine Sachbeschädigung vorgenommen worden ist. So wurde ein personenbezogener Zusammenhang hergestellt, den es gar nicht gegeben hat. Das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Unschuldsvermutung sowie eine Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.
Zum anderen offenbart die Polizei Osnabrück, dass es das NIVADIS-System tatsächlich (oder nur angeblich?) technisch gar nicht zulasse, die Speicherdauerfrist, die die Polizei ebenfalls fehlerhaft um das doppelte zu hoch angesetzt hatte, zu korrigieren. Das ist datenschutzrechtlich fragwürdig oder gar ebenfalls unzulässig.
Das NIVADIS-System ist hoch umstritten, handelt es sich dabei doch um eine so genannte „Mischdatei“, in der sowohl Ermittlungs- und Strafverfolgungsverfahren als auch reine Verwaltungsvorgänge zusammen eingetragen werden. Das ist deswegen heikel, weil dadurch unschuldige Menschen in Kombination aller dort über sie verfügbaren Daten zu Unrecht Verdächtigungen oder Vorverurteilungen ausgesetzt sind, wenn Polizeibeamte Niedersachsens Einblick in den gesamten Datenbestand erhalten.
Ob dieses NIVADIS-Polizei-Mischdatenbank auf verfassungsrechtlich festem Boden steht ist höchst umstritten. Nicht zuletzt deswegen wurde der Versuch der SPD-CDU-Landesregierung zunächst aufgegeben, die für diese Fragen relevanten Paragraphen §§ 38/39 des Nds. Polizeigesetzes im Zuge des jüngst versabschiedeten umstrittenen neuen Polizeigeseztes („NPOG“) zu ändern. Das wolle man sich – wie vieles andere auch – für eine nächste Polizeigesetznovelle aufheben und die komplexen Fragen in Ruhe behandeln. (Siehe dazu auch LT-DS 18/3723, Seite 62ff.)
Hier nun der Bericht von Hanna Poddig:
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