
Am Hauptbahnhof Hannover im Juni 2019: Ein Obdachloser liegt weitab der Routen der Einkaufstouristen in einer Ecke. Wird von privater „Sicherheitsbeauftragter“ inklusive Schäferhund mehrfach und sehr „nachdrücklich aufgefordert“: „Aufstehen! Jetzt aber!“
Am frühen Freitag Nachmittag des 7.6.2019 lud die Polizeidirektion Hannover zu einer Pressekonferenz (PK) in die Räume der Sparkasse (!) in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof Hannover ein. Es ging um die Einrichtung einer neuen so genannten „Sicherheitskooperation“ unter dem Slogan „bahnhof.sicher“.
Ohne größere Umschweife sollen sich im Rahmen dieser Sicherheitskooperation diskriminierend angelegte Repressionen gegen ethnische Minderheiten und soziale Randgruppen richten. Angstkonstrukte und ein vorgeblich als „gestört“ erkanntes Sicherheitsempfinden müssen herhalten, um im Namen von Sauberkeit und Ordnung gegen als störend deklariert Menschen vorzugehen. Wo solchermaßen die Verbesserung eines imaginären „Sicherheitsgefühls“ als Ziel herhalten muss, heißt das immer auch, dass eine objektive Kriminalitätsentwicklung und deutlich erhöhte Fallzahlen tatsächlicher Kriminalität, die eine derartige Intensivierung der Repression vielleicht noch rechtfertigen könnten, offenbar gar nicht ins Feld geführt werden können.
Insgesamt sieben staatliche, kommunale und privatwirtschaftliche Akteure nehmen an der „Kooperation“ als Partner teil.
Wir haben die gut einstündige Veranstaltung zuhörend und fragend begleitet. Ein kompaktes und somit gut lesbares Stichwortprotokoll, der vollständige Audiomitschnitt sowie etwas Bildmaterial stellen wir hiermit der Öffentlichkeit zur Verfügung:
https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.20190607-PK-Sicherheitskooperation-Hbf-H
Anders als andere Medien möchten wir uns in unserer Berichterstattung jedoch auf die aus unserer Sicht besonders hervorhebungs- und kritikwürdigen Detailpunkte der zwischenzeitlich bereits in Gang gesetzten Repressionsinitistive von Polizeidirektion Hannover und Partnern konzentrieren und versuchen, die darin versteckten Gesamttendenzen eines zunehmend problematischen Agierens der formellen und selbsternannten (Protec) Sicherheitsorgane im verdachtsfreien Raum und Vorfeld aufzuzeigen.
Die sich mit der neuen „Sicherheitskooperation“ stellenden gesellschaftlichen Fragen sind vielfältig und komplex. Wir möchten versuchen, die folgenden Aspekte kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen:
- „Polizeiliche Kontrollörtlichkeit für anlaßlose Kontrollen“ als Präzedenzfall einer polizeilichen Interventionsmethode mitsamt den damit verbundenen Verdrängungseffekten und der Gefahr des Racial Profiling und der Diskriminierung. Außerdem: Von der Verwicklung der Polizei in Widersprüche.
- „Verbotszone des Mitführens ‚gefährlicher Gegenstände'“ als weiterer Präzedenzfall für die neue „Ordnungspolitik“ der Stadt Hannover
- „Einleitung aufenthaltsbeendigender Maßnahmen“ vulgo „Abschiebungen“ mitsamt „systematischem, optimierten Informationsaustausch zwischen Bundespolizei und Ausländerbehörde“ sowie die Frage nach den „Grenzen der Freizügigkeit von EU-Bürgern“. Missbrauch bestehender Regelungen zu nicht beabsichtigten Zwecken?
- Nutzung der im Zuge angeblicher Terrorismusbekämpfung eingerichteten polizeilichen Befugnisse (siehe auch die Diskussionen zum neuen Nds. Polizeigesetz NPOG) zur Vertreibung und Kriminalisierung so genannter „randständigen Gruppen“
- Fehlen einer unabhängigen Stelle zur Evaluation der „Sicherheitskooperation“
- Das „subjektive Sicherheitsempfinden“, populistische und reißerische Medienberichterstattung sowie in der Systematik fragwürdige Bürgerbefragungen als rechtlich unzulässige Begründung für das gesamte Maßnahmenpaket
- Ein genauerer Blick auf die Kriminalitätszahlen im/am Hauptbahnhof Hannover
- Sinn und Unsinn einer „Null-Toleranz“-Strategie
- Zusammenarbeit privater und öffentlicher „Sicherheitskräfte“ – über deren Zulässigkeit, Hintergründe und Auswirkungen
- Mediale Randnotiz: Kritikbefreiter Journalismus und Bevorzugung der Hausmedien des Madsack-Konzerns durch persönliche polizeiliche Vorabinformation
Bevor wir diese Punkte näher beleuchten möchten wir noch auf den ganz frischen Beitrag „Polizieren der Armen: Polizei an den Rändern der Gesellschaft“ von Norbert Pütter, Professor für Politikwissenschaft an der BTU Cottbus-Senftenberg hinweisen, erschienen in der neuen CILIP 118/119. Dieser lesenswerte Artikel ist leider nicht online verfügbar. Dafür aber der im gleichen Heft erschienene Beitrag „Racial Profiling in Deutschland: Keine Frage individuellen Fehlverhaltens“ von Bafta Sarbo aus dem gleichen Heft. Frau Sarbo ist im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Sie beschreibt das Phänomen des „Racial Profiling“ innerhalb der Polizei. Etwas, was wir im folgenden ebenfalls kurz anreißen werden.
Nun aber unsere 10 Punkte im Detail:















