Der 3.10.2018 in Berlin – Niedersachsens Polizeipanzerwagen mit Schnellfeuergewehr als Mittel gegen vermeintlich „linke“ und stattdessen rechtsextreme Terroranschläge?

„Sonderwagen 4“ mit Maschinengewehr am 03.10.2018 in Berlin © Sören Kohlhuber

Am 21.5.2019 berichteten wir (im Nachgang zu einem Bericht von Sören Kohlhuber) über den ungewöhnlichen und rechtlich umstrittenen Einsatz eines aus Niedersachsen geliehenen und mit einem geladenen Schnellfeuergewehr aufmontiertem Polizeipanzerwagens an der Spitze einer rechten Demonstration.

Das war am 3.10.2018 in Berlin.

Die aktuell öffentlich diskutierten Details zu den Plänen der jetzt in der Anklage stehenden, rechten Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“ werfen ein neues, besonderes Licht auf diesen Vorgang.

Der Berichterstattung zufolge hatten einige Menschen aus diesem rechtsextremen Spektrum vor, im Zuge der o.g. Demonstration am 3.10.2018 in Berlin inszenierte „tödliche“ Gewalttaten zu organisieren und durchzuführen, die dann „linken“ Gruppen zugeordnet werden sollten.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass den Ermittlern diese Pläne sehr wahrscheinlich bereits am 1.10.2018 bekannt waren, also zwei Tage vor der Sichtung des bewaffneten Polizeipanzerwagens. Welche Ereignisse hat die Polizei also für den 3.10.2018 erwartet? Welche Rolle sollte der Polizeipanzerwagen an diesem Tag einnehmen und weshalb sollte er dann, in Kenntnis der Putschpläne der Nazis, augenscheinlich die Nazi-Demonstration schützen?

Wir zitieren nachfolgend selbstkommentierende Teile aus zwei Berichten von tagesschau.de („Rechte Terrorgruppe – Anklage gegen ‚Revolution Chemnitz'“ vom 25.6.2019 und „‚Revolution Chemnitz‘ – Mitglieder offenbar bundesweit vernetzt“ vom 28.6.2019):

„Die mutmaßlichen Mitglieder von ‚Revolution Chemnitz‘ hatten sich in einer verschlüsselten Chatgruppe zusammengeschlossen und sollen tödliche Anschläge am Tag der Deutschen Einheit in Berlin 2018 geplant haben.“

„Insbesondere sollen sie geplant haben, am 3. Oktober 2018 einen bürgerkriegsartigen Aufstand in Berlin anzuzetteln. Nach Informationen von NDR, WDR und ‚Süddeutscher Zeitung‘ wollte die Gruppe es so aussehen lassen, als hätten linke Gruppierungen die Anschläge begangen. Kurz zuvor – am 1. Oktober 2018 – waren die Beschuldigten allerdings verhaftet worden.“

„Fünf der jetzt Angeklagten führten im September 2018 eine erste Aktion durch, die sie als ‚Probelauf‘ bezeichneten. Gezielt griffen sie Menschen an, die sie als Migranten und Linke wahrnahmen.“

„Darüber hinaus waren einige der jetzt Angeklagten wohl in weiteren Chatgruppen aktiv, unter anderem in der Gruppe „Bündnis zur Bewegung“. Dort tauschten sich nach Erkenntnis der Ermittler rund 350 Rechte und Rechtsextreme aus zehn Bundesländern aus.

„Die Ermittler gehen davon aus, dass die Angeklagten auch versuchten, sich europaweit zu vernetzen. Christian K. bat demnach einen polnischen Bekannten, Kontakt zu polnischen Hooligans zu vermitteln. Er suchte womöglich nach Unterstützung für die Anschlagspläne am Tag der Deutschen Einheit und schrieb seinem Bekannten: ‚…brauchen die Jungs in großer Zahl am 3.10. in Berlin.'“

„Politische Gegner sollten ‚ausgerottet werden‘. Auf den Demonstrationen wollte sich die mutmaßlichen Mitglieder von ‚Revolution Chemnitz‘ diese ‚jagen‘ und ‚auf die Pirsch gehen‘.“

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Wie die Polizei bei der letzten noNPOG-Großdemo unrechtmäßig in die Versammlungsfreiheit eingriff

Die dritte und letzte Großdemo gegen das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) fand am 11.5.2019 statt und ist also schon ein wenig her. Inzwischen haben SPD und CDU das Gesetz der umfangreichen Kritik zuwider im Landtag durchgewunken, es wurde dann am 23.5.2019 verkündet und trat am Folgetag in Kraft.

Trotz dem allen hier noch ein dreiteiliger Blick auf das Verhalten der Polizei während dieser Demo, konkret drei Kritikpunkte an der Polizei, die unserer Ansicht demnach in unverhältnismäßiger Weise die Versammlungsfreiheit beschränkt hat – über die üblichen Beschränkungen und sonstigen Randbedingungen, wie z.B. eine massives Polizeiaufgebot, dass geeignet war, von außen bzw. von Dritten betrachtet der Demo einen abschreckenden Eindruck zu erzeugen.

Also:

 

Verweigerung des Demostandorts Steintor

 

Dem Demoanmelder wurde die Durchführung der Demo am Steintor untersagt und diese stattdessen auf den deutlich weniger prominenten und bzgl. der Öffentlichkeitswirksamkeit schlechter gelegenen Platz an der Goseriede verwiesen. Begründung: Die erwarteten 8.000 Demo-Teilnehmer würden nicht auf den Steintor passen. Auf diesen würden maximal 4.000 Menschen passen, auf den Goseriedeplatz dagegen 15.000.

Das ist in diesen Dimensionen nicht nachvollziehbar und ein invalides Argument.

Die Antworten auf die Frage, wie genau diese polizeilichen Schätzwerte entstehen fielen wenig konkret aus, die Nachfragen dazu sind bislang unbeantwortet geblieben.

Klar ist, dass alleine der Flächenvergleich beweist, dass hier eher von einer politischen denn einer sachlichen Entscheidung auszugehen ist, wonach der noNPOG-Demo der attraktivere Steintorplatz verwehrt wurde. Die Ausdehnung des Platzes in Richtung Kröpcke erlaubt an dieser Stelle jedenfalls – selbst unter Berücksichtigung striktester Auflagen zu Flucht- und Rettungswegen – deutlich mehr als nur 4.000 Demoteilnehmer und das wurde in der Vergangenheit mehrfach bewiesen.

 

Entsendung voll bewaffneter und ausgerüsteter Polizisten in die Demo herein

 

Bei der Abschlußkundgebung entsendete die Polizei eine Gruppe voll ausgerüsteter Polizeibeamte in die Mitte der Demo. Diese hielten sich dort längere Zeit auf, nahmen die Demoteilnehmer beobachtende Positionen ein und sorgten so für einiges an Verunsicherung bzw. für eine erhebliche Beeinträchtigung der Demonstrationsfreiheit.

Zur Erinnerung: Es handelte sich dabei um eine polizei- und polizeigesetzkritische Versammlung. In so einem Fall liegen die Latten der Verhältnismäßigkeit für das Eindringen von Polizeibeamten in die inneren räumlichen Strukturen der Demo besonders hoch.

Was sagt die Polizei dazu?

Es seien im vorherigen Verlauf der Demo Bengalfackeln eingesetzt worden. Das sei verboten und man wollte die Verantwortlichen dafür ermitteln.

Diese Begründung scheitert an den vorgenannten hohen Hürden der Verhältnismäßigkeit. Dieser Polizeieinsatz hat die in Artikel 8 fundierte Versammlungsfreiheit übermaßen verletzt und war rechtswidrig.

Schlimmer noch:

Die Polizei erweckt auf Nachfrage hin den Eindruck, dass dieser Einsatz mit dem Versammlungsleiter abgesprochen gewesen sei. Das ist allerdings nicht wahr. Der Versammlungsleiter hat uns gegenüber auf Nachfrage hin erläutert, dass er erst auf eigenes Intervenieren und aktives Nachfragen hin über den Einsatz der Polizei informiert worden sei.

 

Vermummung von Polizisten

 

Nicht nur, dass die Polizisten und Polizistinnen, die in Niedersachsen im Zuge von Demonstrationen immer noch oft nicht voneinander unterscheidbar sind und somit eine effektive Verfolgung von durch Polizeikräfte begangene Straftaten behindert oder gar vereitelt wird: Diesem Wunsch, diesem Zustand scheinen einige einzelne Polizeibeamte auch noch Nachdruck verleihen zu wollen, indem sie sich unter ihrem Helm eine Sturmmaske aufsetzen.

Auch hierzu haben wir bei der Polizei nach dem Grund dafür nachgefragt und bekamen den angesichts der tatsächlichen Situation auf der Abschlußkundgebung fast lächerlich wirkenden Erklärversuch vorgesetzt, dass sich diese Beamte vor Brandverletzungen schützen wollten und deswegen die Sturmmaske aufgesetzt hätten.

Alleine schon merkwürdig, dass offensichtlich (nach dieser Lesart) nur einzelne Beamte vor so etwas Sorge hatten.

Unserer Erfahrung nach wird dieser „multifunktionale Gesichtsschutz“ seitens einiger Polizeibeamten nicht selten dazu missbraucht, um sich aktiv und bewusst zu vermummen. Etwas, was in der öffentlichen Diskussion und in reißerischen Medienberichten allerdings ständig den Demonstranten vorgeworfen wird.

Eine etwaige Sorge von Polizeibeamten vor dem Fotografiertwerden wäre nachvollziehbar. Zugleich muss für diese mindestens das gleiche Vermummungsverbot gelten wie für Menschen, die an kritischen Demonstrationen teilnehmen und damit zum gesellschaftlich wertwollen Korrektiv gerieren.

Für die Polizei gilt, was der ehemalige Bundesverfassungsgericht-Richter Wolfgang Müller-Riem einst im Zusammenhang mit der Demonstrationsfreiheit sagte:

“Wo der Staat auftritt, muss er identifizierbar sein.”

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Protec – ein „privates Sicherheitsunternehmen“ mit Jedermann-Rechten – plus Tonfa-Schlagstock und Pfefferspray

Am Hannover-Hauptbahnhof im August 2016: Festnahme eines Menschen durch zwei Protec-Mitarbeiter. Man beachte die Blutlache rechts des am boden „fixierten“ Mannes …

Die protec Service GmbH ist ein in Hannover ansässiges Unternehmen der so genannten „Sicherheits- und Servicebranche“ und 100%ige Tochter der üstra Nahverkehrsbetriebe AG, die wiederrum über weitere Unternehmenskonstellationen mit großmehrheitlich der Landeshauptstadt Hannover gehört.

Die protec beschäftigt mehr als 220 Menschen und erzeugt einen jährlichen Umsatz von rund 11 Millionen Euro (Stand 2016).

Dass die protec bis 2012 ein noch viel größeres Unternehmen gewesen ist und nur durch eine Abspaltung eines Teils seiner Aufträge und Kundschaft in eine neues Unternehmen, die „primetec GmbH“ einer Sanktionierung durch die EU entging, dass die primetec dem berühmt-berüchtigten Chef des Fußballvereins Hannover 96 gehört, Herrn Martin Kind, und dass dieser für die Übernahme der Kunden und Auftragsverhältnisse keinen einzigen Cent bezahlt hat, das alles ist eine ganz andere Geschichte, um die es hier aber nicht gehen soll. (Mehr Details dazu hier und hier und hier.)

Die schon länger existierende Zusammenarbeit der Protec-Sicherheitsmitarbeiter*innen mit Polizeien und Stadt wurde jüngst erst im Rahmen einer aus unserer Sicht diskussionswürdigen „Sicherheitskooperation“ manifestiert und ausgebaut. So sollen Protec-Mitarbeiter am Hauptbahnhof Hannover gemeinsam mit Landes- und Bundespolizisten Streifendienst machen. Man könnte auch sagen, dass die Kosten jeder mit zwei Personen besetzten Streife somit deutlich gesenkt wird, werden die Protec-Mitarbeiter*innen doch erheblich schlechter entlohnt als ihre Kolleg*innen bei der Polizei von Bund und Polizeidirektion Hannover.

Dennoch erhalten die Protec-Mitarbeiter keine erweiterten rechtlichen Befugnisse, sie sind wie zuvor lediglich mit den Jedermanns-Rechten ausgestattet, darunter das Jedermann-Festnahmerecht.

Und das war’s? Nicht ganz.

„Ticking Tonfa“, Bild von dieser Seite entnommen: https://ovdinfo.org/

Die Protec-Leute tragen zudem Tonfa-Schlagstöcke und führen Pfefferspray mit. Weder das eine noch das andere darf von „Jedermann“ mit sich getragen geschweige denn gegen Menschen eingesetzt werden.

Warum darf die protec das dann doch?

1. Der Tonfa gilt als „erlaubnisfreie Waffe“, die nach § 42a des Waffengesetzes (WaffG) dann doch „bei berechtigtem Interesse im Zusammenhang mit der Berufsausübung“ mit sich geführt und eingesetzt werden darf, allerdings nur zur Selbstverteidigung und als technisches Hilfsmittel z.B. zum Einschlagen von Scheiben.

2. Das Pfefferspray ist ein „Tierabwehrspray“ und nichts anderes.

So (sinngemäß) die Antwort der protec auf unsere Nachfragen.

Etwas knapper fallen dann aber die späteren Antworten auf unsere Nachfragen aus, ob denn der Schlagstock bislang tatsächlich für nichts anderes als zur Selbstverteidigung genutzt worden sei und ob das Pfefferspray nicht doch schon irgendwann einmal gegen Menschen eingesetzt worden ist:

1. Nein, vom Einsatz der Tonfa gegen Menschen (außer zur „Selbstverteidigung“) ist der protec nichts bekannt.

2. Ja, das „Tierabwehr-Pfeffergel „wird wenige Male im Jahr in Situationen eingesetzt, in der sich unsere Mitarbeiter gegenüber Angreifern (mit Waffen oder in Gruppen) sichern müssen.“

Also doch ein Pfefferspray gegen Menschen ohne die rechtliche Befugnis dazu.

Inwiefern beim Einsatz des Tonfa-Schlagstocks Verteidigung von anderen Einsatzzwecken zu unterscheiden ist, bleibt unklar. Klar dagegen ist, dass die protec den Einsatz des Tonfas nicht statistisch erfasst oder evaluiert.

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Für mehr gefühlte (also unechte) Sicherheit am Hauptbahnhof Hannover: Polizeiliche Identitätskontrollzonen, Städtische Verbotszonen für „gefährliche Gegenstände“, „optimierte Datenaustausche“, Abschiebungen. Polizei und „Sicherheitskräfte“ auf schmalem Grat zum Racial Profiling.

Am Hauptbahnhof Hannover im Juni 2019: Ein Obdachloser liegt weitab der Routen der Einkaufstouristen in einer Ecke. Wird von privater „Sicherheitsbeauftragter“ inklusive Schäferhund mehrfach und sehr „nachdrücklich aufgefordert“: „Aufstehen! Jetzt aber!“

Am frühen Freitag Nachmittag des 7.6.2019 lud die Polizeidirektion Hannover zu einer Pressekonferenz (PK) in die Räume der Sparkasse (!) in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof Hannover ein. Es ging um die Einrichtung einer neuen so genannten „Sicherheitskooperation“ unter dem Slogan „bahnhof.sicher“.

Ohne größere Umschweife sollen sich im Rahmen dieser Sicherheitskooperation diskriminierend angelegte Repressionen gegen ethnische Minderheiten und soziale Randgruppen richten. Angstkonstrukte und ein vorgeblich als „gestört“ erkanntes Sicherheitsempfinden müssen herhalten, um im Namen von Sauberkeit und Ordnung gegen als störend deklariert Menschen vorzugehen. Wo solchermaßen die Verbesserung eines imaginären „Sicherheitsgefühls“ als Ziel herhalten muss, heißt das immer auch, dass eine objektive Kriminalitätsentwicklung und deutlich erhöhte Fallzahlen tatsächlicher Kriminalität, die eine derartige Intensivierung der Repression vielleicht noch rechtfertigen könnten, offenbar gar nicht ins Feld geführt werden können.

Insgesamt sieben staatliche, kommunale und privatwirtschaftliche Akteure nehmen an der „Kooperation“ als Partner teil.

Wir haben die gut einstündige Veranstaltung zuhörend und fragend begleitet. Ein kompaktes und somit gut lesbares Stichwortprotokoll, der vollständige Audiomitschnitt sowie etwas Bildmaterial stellen wir hiermit der Öffentlichkeit zur Verfügung:

https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.20190607-PK-Sicherheitskooperation-Hbf-H

Anders als andere Medien möchten wir uns in unserer Berichterstattung jedoch auf die aus unserer Sicht besonders hervorhebungs- und kritikwürdigen Detailpunkte der zwischenzeitlich bereits in Gang gesetzten Repressionsinitistive von Polizeidirektion Hannover und Partnern konzentrieren und versuchen, die darin versteckten Gesamttendenzen eines zunehmend problematischen Agierens der formellen und selbsternannten (Protec) Sicherheitsorgane im verdachtsfreien Raum und Vorfeld aufzuzeigen.

Die sich mit der neuen „Sicherheitskooperation“ stellenden gesellschaftlichen Fragen sind vielfältig und komplex. Wir möchten versuchen, die folgenden Aspekte kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen:

  1. „Polizeiliche Kontrollörtlichkeit für anlaßlose Kontrollen“ als Präzedenzfall einer polizeilichen Interventionsmethode mitsamt den damit verbundenen Verdrängungseffekten und der Gefahr des Racial Profiling und der Diskriminierung. Außerdem: Von der Verwicklung der Polizei in Widersprüche.
  2. „Verbotszone des Mitführens ‚gefährlicher Gegenstände'“ als weiterer Präzedenzfall für die neue „Ordnungspolitik“ der Stadt Hannover
  3. „Einleitung aufenthaltsbeendigender Maßnahmen“ vulgo „Abschiebungen“ mitsamt „systematischem, optimierten Informationsaustausch zwischen Bundespolizei und Ausländerbehörde“ sowie die Frage nach den „Grenzen der Freizügigkeit von EU-Bürgern“. Missbrauch bestehender Regelungen zu nicht beabsichtigten Zwecken?
  4. Nutzung der im Zuge angeblicher Terrorismusbekämpfung eingerichteten polizeilichen Befugnisse (siehe auch die Diskussionen zum neuen Nds. Polizeigesetz NPOG) zur Vertreibung und Kriminalisierung so genannter „randständigen Gruppen“
  5. Fehlen einer unabhängigen Stelle zur Evaluation der „Sicherheitskooperation“
  6. Das „subjektive Sicherheitsempfinden“, populistische und reißerische Medienberichterstattung sowie in der Systematik fragwürdige Bürgerbefragungen als rechtlich unzulässige Begründung für das gesamte Maßnahmenpaket
  7. Ein genauerer Blick auf die Kriminalitätszahlen im/am Hauptbahnhof Hannover
  8. Sinn und Unsinn einer „Null-Toleranz“-Strategie
  9. Zusammenarbeit privater und öffentlicher „Sicherheitskräfte“ – über deren Zulässigkeit, Hintergründe und Auswirkungen
  10. Mediale Randnotiz: Kritikbefreiter Journalismus und Bevorzugung der Hausmedien des Madsack-Konzerns durch persönliche polizeiliche Vorabinformation

Bevor wir diese Punkte näher beleuchten möchten wir noch auf den ganz frischen Beitrag „Polizieren der Armen: Polizei an den Rändern der Gesellschaft“ von Norbert Pütter, Professor für Politikwissenschaft an der BTU Cottbus-Senftenberg hinweisen, erschienen in der neuen CILIP 118/119. Dieser lesenswerte Artikel ist leider nicht online verfügbar. Dafür aber der im gleichen Heft erschienene Beitrag „Racial Profiling in Deutschland: Keine Frage individuellen Fehlverhaltens“ von Bafta Sarbo aus dem gleichen Heft. Frau Sarbo ist im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Sie beschreibt das Phänomen des „Racial Profiling“ innerhalb der Polizei. Etwas, was wir im folgenden ebenfalls kurz anreißen werden.

Nun aber unsere 10 Punkte im Detail:

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Bundesamt für Güterverkehr verweigert Auskunft über Fehleranfälligkeit der TollCollect-Kennzeichenscanner: Diese Information würde die Mauteinnahme gefährden …

Die Toll Collect GmbH überwacht Autobahnen und Bundesstraßen mittels hundertfacher Kennzeichenscanner mit der Aufgabe, LKW-Maut-Preller ausfindig zu machen und dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Doch wie gut arbeiten diese Geräte, die jedes Fahrzeug auf diesen Straßen erfassen eigentlich? Also in welchem Maße werden die Kennzeichen falsch automatisiert ausgelesen?

Die Toll Collect GmbH dazu: Wir wissen das, wollen das aber nicht verraten.

Das Bundesverkehrsministerium: Keine Ahnung, fragen sie doch mal beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) nach.

Und das Bundesamt für Güterverkehr im Zuge einer IFG-Anfrage: Wir kennen die Fehlerraten zwar, aber verraten die ebenfalls nicht.

Begründung des BAG:

„Ein Bekanntwerden Ihrer gewünschten Informationen würde das Kontrollkonzept des Bundes im Zusammenhang mit der Maut erheblich beeinträchtigt werden. (…) Mit Veröffentlichung der von Ihnen beantragten Information könnte die ordnungsgemäße Kontrolle der Maut als hoheitliche Aufgabe und letztlich auch die vollständige Einnahme der Maut gefährdet sein.“

Daraus kann man schließen, dass die Nicht-Beauskunftung entweder unzulässig ist oder aber die Fehlerquoten der Kennzeichenscanner von Toll Collect dermaßen hoch sein müssen, dass das Bekanntwerden dieses Umstands dazu führen würde, dass einige/viele/alle LKW-Fahrer keine Sorge mehr um Funktion und Wirkung der Überwachungsbrücken und -säulen haben müssten und dementsprechend meinen, keine LKW-Maut entrichten zu müssen.

Dem abgelehnten IFG-Antrag werden nun wohl Widerspruch und Klage folgen müssen.

Technische Randnotiz: Die Überwachung der LKW-Maut passiert nicht ausschließlich mittels der stationären Toll-Collect-Scanner. Es gibt darüber hinaus auch mobile Kennzeichenscanner sowie auf den Autobahnen und Bundesstraßen fahrende BAG-Kontrollfahrzeuge, die mittels direkter Funk- bzw. Mikrowellenkommunikation mit den Maut-On-Board-Units (OBU) der LKW’s (sofern vorhanden) Daten austauschen können und LKW’s kontrollieren.

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NPOG: Neues Niedersächsisches Polizeigesetz seit 24.5.2019 in Kraft – Klagen gegen Section Control werden fortgeführt

Im Vergleich zur medialen Öffentlichkeit zu den Verhandlungen und Protesten im Zuge der Entstehung des neuen Polizeigesetzes für Niedersachsen („NPOG“) relativ unbeachtet geblieben ist die Tatsache, dass dieses am 23.5.2019 verkündet und am Folgetag in Kraft getreten ist.

Das NPOG ist inzwischen hier in seinem endgültigen Version – aus dem (unlesbaren) Gesetzentwurf und dem vorherigen Polizeigesetz (NdsSOG) zusammengepuzzelt – nachlesbar.

Dass das NPOG ausgerechnet am viel befeierten 70. „Geburtstag“ des Grundgesetzes amtlich verkündet wurde mag ein Zufall sein, hat aber angesichts der offensichtlichen verfassungswidrigen Anteile des Gesetzes einen bitteren Beigeschmack.

Davon unabhängig laufen die beiden Klagen gegen die Section-Control-Pilotanlage des Landes Niedersachsen weiter:

Das Urteil des OVG Lüneburg zur ersten Klage soll dem uns gegenüber bekundeten Willen des Nds. Innenministeriums neu verhandelt werden, nachdem das NPOG nun eine Rechtsgrundlage für die Section Control eingeführt hat.

In der zweiten Klage hatte die Polizeidirektion bislang versucht, die Klage auszuhebeln, was aber aus rechtlichen Gründen nicht zulässig ist. Da in dieser Klage die Regelungen des zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch in der Diskussion befindliche NPOG berücksichtigt worden sind, wird es nun darum gehen, ob es grundsätzlich verhältnismäßig ist, Durchschnitts-Geschwindigkeits-Kontrollen durchzuführen, indem man alle Fahrzeuge mindestens zweimal per Kennzeichenlesegerät automatisiert erfasst.

Damit handelt es sich bei der zweiten Klage um die erste konkrete Klage, die sich gegen einen Teil des NPOG wendet.

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Heuchelei ersten Ranges: Niedersachsens Innenminister Pistorius meint den Vorstoß zur staatlichen Abhörung/Überwachung von Sprachassistenten dementieren zu können, hat aber gerade erst zuvor den Niedersachsentrojaner zur Verwanzung von Smartphones eingeführt

freiheitsfoo-Variante einer Grafik von Digitalcourage-Braunschweig (CC-BY-SA)

Die Vorgeschichte:

Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verraten will, ob und inwieweit Nachrichtendienste digitale Sprachassistenten zum Abhören benutzen. Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte über eine Anfrage der Linken berichtet, zu der die Regierung mitteilte, diese Informationen könnte auch als Verschlusssache nicht herausgegeben werden. Sollten sie bekannt werden, würden die Nachrichtendienste eine Fähigkeit verlieren und es wäre „kein Ersatz durch andere Instrumente möglich“. Auch Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz äußerten sich nicht.“
(Zur Quelle hierzu siehe unsere Zeitzeichen 14 vom 7.6.2019)

Und dann heute das:

Pistorius: Smart-Home-Geräte sollen nicht abgehört werden – Der niedersächsische Innenminister Pistorius hat Berichte zurückgewiesen, wonach Daten von Sprachassistenten wie etwa Alexa für Ermittlungen ausgewertet werden sollen. Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz gehe es nicht darum, mögliche Datenquellen für die Polizeiarbeit zu erweitern, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Ein Blick nach China reiche, um zu sehen, wohin der hemmungslose Gebrauch von Daten führe. Dann hätte jeder, der Alexa oder Google-Home benutze, im Zweifel eine Abhörwanze im Wohnzimmer. Medienberichten zufolge gibt es eine entsprechende Beschlussvorlage mehrerer Minister von Union und SPD für die Konferenz in der kommenden Woche. Ziel ist es demnach, Aufzeichnungen aus Sprachassistenten nach richterlichem Beschluss zur Verbrechensaufklärung zu nutzen.
(Quelle: DLF-Kurznachricht von heute)

Das ist pure Heuchelei. Herr Pistorius hat als treibende Kraft erst vor wenigen Wochen das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) vielen sachlichen Kritiken zuwider durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Das NPOG ist am 23.5.2019 (sic!) verkündet und am Folgetag in Kraft getreten und beinhaltet (u.a.) die Zulässigkeit des Einsatzes kleiner wie großer Staatstrojaner durch die Polizei. Diese Ausweitung polizeilicher Befugnisse, die die Polizei zu einer Art kleiner Geheimdienst degenerieren lässt, ist faktisch nichts anderes als das, was Herr Pistorius nun heute medienwirksam meint verhindern zu müssen: Das Potential zur Umwandlung unserer Alltagsgegenstände in eine Staatswanze. Es ist kein wesentlicher Unterschied, ob es sich bei dem Gegenstand dabei um einen Sprachassistenten oder um ein Smartphone oder unser Computer zuhause handelt.

Da bleibt nur eine Frage offen: Hat Herr Pistorius nicht verstanden, wovon er redet oder meint/versucht er, die Öffentlichkeit für dumm verkaufen zu können?

Bemerkenswert im übrigen das überspezifische Dementi des Herrn Pistorius. Er verleugnet lediglich die „Erweiterung möglicher Datenquellen für die Polizeiarbeit“. Kein Wort über Geheimdienste. Und wer weiß, auf welche Daten die Polizeibehörden via Abschöfung der Vorratsdaten bei den Diensteanbietern (Google, Amazon, Apple etc.) schon heute bei Bedarf zurückgreifen darf?

Als letztes: Alexa, Siri und Co. sind bereits jetzt Abhörwanzen, ganz egal, was die kommende Innenministerkonferenz (IMK) in undemokratischer Manier hinter verschlossener Tür beschließen wird oder nicht. Wer sich als „Nutzer“ (bzw. „Mastschwein“) dieser Dienste dessen nicht bewusst ist handelt schlicht unverantwortlich.

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Eine fette Backpfeife für Herrn de Maiziere und alle anderen Sicherheitsesoteriker dieser Zeit: Bundesverwaltungsgericht erklärt „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ für europarechtswidrig

Der Spaß sicherheitsfanatischer Parteipolitiker an der Schöpfung euphemistischen Neusprech-Vokabulars schien kein Ende zu finden, als die CDU/CSU-SPD-Bundesregierung im März 2017 unter dem damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere das entsprechend betitelte „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ mit fadenscheinigen und unsachlichen Begründungsmustern durch die Institutionen peitschte. Auch der Bundesrat segnete dieses Gesetz widerspruchslos ab.

Sinn der sich dahinter verbergenden Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes war und ist die massive Ausweitung der Befugnis zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Räume. Gerne auch durch Privatpersonen und Unternehmen, wobei sich Polizeien und Geheimdienste dann derer Bilder und Videos bedienen können sollte.

Im Innenausschuss gab es heftige Kritik dagegen, die jedoch weitgehend ignoriert oder nicht anerkannt worden ist. So kam es zur Gesetzesumsetzung mit bereits eklatanten Folgen bspw. in zeitlich folgender gerichtlicher Rechtssprechung konservativer Richter. Und das Bundesverfassungsgericht wollte sich mit einer Beschwerde gegen das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ erst gar nicht beschäftigen.

In einer jüngeren, sehr viel weniger (oder gar nicht!) öffentlich beachteter höchstgerichtlicher Rechtssprechung hat das Bundesverwaltungsgericht nun diesem Spuk zumindest in Teilen ein Ende gesetzt (Az. BVerwG 6 C 2.18 vom 27.3.2019).

Darauf möchten wir hiermit hinweisen und zitieren aus einer Kommentierung des Urteils durch den Hamburger Datenschutzbeauftragten, weil wir es nicht besser als dieser formulieren können:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 27. März 2019 deutlich gemacht, dass die Videoüberwachung durch private Stellen ausschließlich am europäischen Datenschutzrecht zu messen ist. (…) Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts regelt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Videoüberwachung durch Private abschließend. Folglich ist die nationale Bestimmung in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG europarechtswidrig und im Ergebnis unanwendbar. Private Videokameras können daher im Ergebnis nur auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO betrieben werden. Die danach zu erfolgende Güterabwägung ist nicht durch nationales Recht modifizierbar. (…)“

Ebenfalls lesenswert die zum gleichen Vorgang erschienene Kommentierung auf datenschutzbeauftragter-info.de.

[Anmerkung: Wir werden je nach zeitlicher Möglichkeit hier noch Auszüge aus das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ befürwortenden Aussagen der Groko-Bundesregierung aus 2017 nachtragen.]

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Zeitzeichen, 14

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

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In eigener Sache: Neue PGP-Schlüssel

Wir haben die PGP-Schlüssel der Kontaktadresse und der Redaktion vom freiheitsfoo erneuert.

info@freiheitsfoo.de
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Schlüsselkennung: 0xA120E01B
(Public PGP-Key)

redaktion@freiheitsfoo.de
Fingerabdruck: E536 9034 B9FC 380A 1C1B FFF8 F0AA 1B4B E826 0545
Schlüsselkennung: 0xE8260545
(Public PGP-Key)

Wir raten dringend dazu, jede E-Mail (an wen und mit welchem Inhalt auch immer) grundsätzlich PGP-verschlüsselt auszuführen, soweit das irgendwie möglich ist.

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