Karlsruhe duckt sich wortlos weg: Verfassungsbeschwerde gegen das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ nicht zur Entscheidung angenommen! [Update]

Am 28.6.2017 haben drei Einzelpersonen, allesamt Mitglieder der Piratenpartei, Verfassungsbeschwerde gegen die Erweiterung des § 6b BDSG – euphemistisch vom noch amtierenden Bundesinnenminister als „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ bezeichnet – eingelegt. Den 12seitigen Beschwerdetext hat die Piratenpartei dankenswerterweise hier veröffentlicht, Berichterstattungen dazu gab es von der Partei selber aber auch bspw. von der taz.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns nun auf Nachfrage hin mitgeteilt, dass diese Beschwerde bedauerlicherweise nicht zur Entscheidung angenommen worden ist:

„Das Verfahren 1 BvR 1410/17 wurde am 1. 8. 2017 durch eine Kammer des Ersten Senats erledigt. Da es sich um eine Nichtannahme ohne Begründung handelt, wurde der Beschluss nicht veröffentlicht.“

Es ist sehr bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht diese Beschwerde nicht behandeln möchte, sich noch nicht einmal dazu durchringen konnte, diese Entscheidung, die nur gut einen Monat nach Einreichung der Beschwerde erfolgte, zu begründen!

Auch schade und nicht nachvollziehbar, dass die Piratenpartei diese Entwicklung bis dato noch nicht öffentlich gemacht hat.

Die recht pauschal und entgrenzend formulierte Erweiterung der allgemeinen Befugnis, öffentliche Räume und öffentliches Leben anlasslos und pauschal per Videoüberwachung erfassen zu dürfen, hat bereits im September 2017 in einem Urteil des OVG Lüneburg erste Stilblüten getrieben und insofern ist eine höchstrichterliche Überprüfung dieser insgesamt doch wenig beachteten und allgemein in der Auswirkung stark unterschätzten Gesetzesänderung von großer Bedeutung.

In den Pressemitteilungen der Piratenpartei zur Einreichung der Beschwerde wird Frank Herrmann, einer der drei Beschwerdeführer wie folgt zitiert:

„Das ‚Videoüberwachungsverbesserungsgesetz‘ ist ein kleines Gesetz mit großer Wirkung. Durch nur zwei zusätzliche Sätze im alten Bundesdatenschutzgesetz wird den für die Aufsicht zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten die Möglichkeit genommen, Videoüberwachung im öffentlichen Raum zugunsten des Rechtes auf Privatheit einzelner einzuschränken. (…) Videoüberwachung wird hier per Gesetz als ‚wirksam‘ deklariert – das darf so nicht stehenbleiben! Wenn sich CDU und SPD im Bundestag vorbehaltlos der Meinung der Bundesregierung anschließen, entgegen dem Rat vieler Sachverständiger und Experten, dann müssen sie Belege liefern. Das tun sie aber im Gesetz an keiner Stelle. Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist ein ständiger Grundrechtseingriff. Und jeder Grundrechtseingriff, erst recht ein andauernder, bedarf einer ausreichenden, relevanten und belegbaren Begründung. An dieser fehlt es hier völlig!“

Wir sehen das ähnlich und finden es vor allem wichtig, die Öffentlichkeit über das Wegducken Karlsruhes vor der Klärung der Frage der gesamtgesellschaftlichen und rechtlichen Zulässigkeit der Gesetzesänderung zu informieren, damit evtl. andere Wege beschritten werden können, um sich dem ständig ausufernden Ausbau von Videoüberwachung zu widersetzen.

 

[Update 22.2.2018]

Der Datenschutzaktivist Werner Hülsmann schrieb uns die Variante einer weiteren Sichtweise auf den Vorgang, die wir gerne (mit)teilen möchten:

„§ 6b BDSG-alt gilt ja nur noch 91 Tage. Da kann ich schon verstehen, dass das BVerfG da wenig nutzen sieht. Evtl. wäre eine Verfassungsbeschwerde gegen das DSAnpUG-EU, Artikel 1 § 4 möglich. Das ist ja am 05. Juli 2017 verkündet worden.“

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