Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte warnt Polizei Hannover und deren Verhandlungspartner vor rechtswidrigem Einsatz von Überwachungskameras – Übersichtsaufnahmen haben potentiell gleiche Grundrechtseingriffstiefe wie Porträtaufnahmen

Als Reaktion auf unsere Veröffentlichung vom 4.2.2018 hat sich die Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel mit einer Pressemitteilung vom 9.2.2018 zu Wort gemeldet.

Sie warnt vor einem rechts- und verfassungswidrigen Weiterbetrieb polizeilicher Überwachungskameras, die nach Meinung der Polizei der „Verkehrslenkung“ dienen sollen – und weist auf die alles andere als unerhebliche Bedeutung von Übersichtsaufnahmen bezüglich der Einschränkung von Grundrechten hin.

 

Die Polizei Hannover hatte in einem inhaltlich von uns in Teilen veröffentlichten Schreiben an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg angekündigt, 46 bislang als Polizeikameras betriebene Überwachungskameras formell an verschiedene andere Behörden oder Kommunen zu übertragen.

Bei vielen dieser Kameras handelt es sich um Kameras, die strategisch wichtige Straßenverkehrsknotenpunkte überwachen. Dessen Betrieb hat das Verwaltungsgericht Hannover in einem Urteil aus dem Jahr 2016 als unzulässig untersagt, wogegen die Polizei Berufung eingelegt hatte.

Schon in einem Urteil aus 2011 hat das Verwaltungsgericht Hannover die derzeit gültige Rechtsgrundlage (im §32 NSOG) als verfassungswidrig bezeichnet.

Die Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte:

Das derzeit geltende Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) enthält mit § 32 Absatz 3 keine ausreichende Rechtsgrundlage für Bildaufnahmen zur Verkehrslenkung. Die Regelung ist zu unbestimmt und daher verfassungswidrig. (…) Trotz mehrfacher Ankündigungen hat es die bisherige Landesregierung versäumt, die Regelungen zur Videoüberwachung verfassungskonform zu überarbeiten.“

Völlig zurecht weist Frau Thiel auch darauf hin, dass „das Bundesverfassungsgericht 2009 entschieden hat, dass nach dem heutigen Stand der Technik aus Übersichtsaufnahmen ohne weiteres Einzelpersonen identifiziert werden können, so dass ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anzunehmen ist.“

Übersichtsaufnahmen sind also – bezüglich ihrer das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beschneidenden und beeinträchtigenden Wirkung – mitunter mit Porträt- oder hochauflösenden Szenenaufnahmen gleichzusetzen.

Im vollen Wortlaut aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 17.2.2009 zum bayrischen Versammlungsgesetz (1 BvR 2492/08), dort der Absatz 130:

„Dabei ist die Anfertigung solcher Übersichtsaufzeichnungen nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, da auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind. Sie können, ohne dass technisch weitere Bearbeitungsschritte erforderlich sind, durch schlichte Fokussierung erkennbar gemacht werden, so dass einzelne Personen identifizierbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht diesbezüglich, jedenfalls nach dem Stand der heutigen Technik, nicht.

Man kann nur hoffen, dass Polizei, Stadt und Region Hannover sowie die Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen als derzeitige und potentiell zukünftige Betreiber der Überwachungskameras die Warnung der Landesdatenschutzbeauftragten wahr- und ernstnehmen.

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