Heuchelei ersten Ranges: Niedersachsens Innenminister Pistorius meint den Vorstoß zur staatlichen Abhörung/Überwachung von Sprachassistenten dementieren zu können, hat aber gerade erst zuvor den Niedersachsentrojaner zur Verwanzung von Smartphones eingeführt

freiheitsfoo-Variante einer Grafik von Digitalcourage-Braunschweig (CC-BY-SA)

Die Vorgeschichte:

Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verraten will, ob und inwieweit Nachrichtendienste digitale Sprachassistenten zum Abhören benutzen. Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte über eine Anfrage der Linken berichtet, zu der die Regierung mitteilte, diese Informationen könnte auch als Verschlusssache nicht herausgegeben werden. Sollten sie bekannt werden, würden die Nachrichtendienste eine Fähigkeit verlieren und es wäre „kein Ersatz durch andere Instrumente möglich“. Auch Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz äußerten sich nicht.“
(Zur Quelle hierzu siehe unsere Zeitzeichen 14 vom 7.6.2019)

Und dann heute das:

Pistorius: Smart-Home-Geräte sollen nicht abgehört werden – Der niedersächsische Innenminister Pistorius hat Berichte zurückgewiesen, wonach Daten von Sprachassistenten wie etwa Alexa für Ermittlungen ausgewertet werden sollen. Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz gehe es nicht darum, mögliche Datenquellen für die Polizeiarbeit zu erweitern, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Ein Blick nach China reiche, um zu sehen, wohin der hemmungslose Gebrauch von Daten führe. Dann hätte jeder, der Alexa oder Google-Home benutze, im Zweifel eine Abhörwanze im Wohnzimmer. Medienberichten zufolge gibt es eine entsprechende Beschlussvorlage mehrerer Minister von Union und SPD für die Konferenz in der kommenden Woche. Ziel ist es demnach, Aufzeichnungen aus Sprachassistenten nach richterlichem Beschluss zur Verbrechensaufklärung zu nutzen.
(Quelle: DLF-Kurznachricht von heute)

Das ist pure Heuchelei. Herr Pistorius hat als treibende Kraft erst vor wenigen Wochen das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) vielen sachlichen Kritiken zuwider durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Das NPOG ist am 23.5.2019 (sic!) verkündet und am Folgetag in Kraft getreten und beinhaltet (u.a.) die Zulässigkeit des Einsatzes kleiner wie großer Staatstrojaner durch die Polizei. Diese Ausweitung polizeilicher Befugnisse, die die Polizei zu einer Art kleiner Geheimdienst degenerieren lässt, ist faktisch nichts anderes als das, was Herr Pistorius nun heute medienwirksam meint verhindern zu müssen: Das Potential zur Umwandlung unserer Alltagsgegenstände in eine Staatswanze. Es ist kein wesentlicher Unterschied, ob es sich bei dem Gegenstand dabei um einen Sprachassistenten oder um ein Smartphone oder unser Computer zuhause handelt.

Da bleibt nur eine Frage offen: Hat Herr Pistorius nicht verstanden, wovon er redet oder meint/versucht er, die Öffentlichkeit für dumm verkaufen zu können?

Bemerkenswert im übrigen das überspezifische Dementi des Herrn Pistorius. Er verleugnet lediglich die „Erweiterung möglicher Datenquellen für die Polizeiarbeit“. Kein Wort über Geheimdienste. Und wer weiß, auf welche Daten die Polizeibehörden via Abschöfung der Vorratsdaten bei den Diensteanbietern (Google, Amazon, Apple etc.) schon heute bei Bedarf zurückgreifen darf?

Als letztes: Alexa, Siri und Co. sind bereits jetzt Abhörwanzen, ganz egal, was die kommende Innenministerkonferenz (IMK) in undemokratischer Manier hinter verschlossener Tür beschließen wird oder nicht. Wer sich als „Nutzer“ (bzw. „Mastschwein“) dieser Dienste dessen nicht bewusst ist handelt schlicht unverantwortlich.

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