Bundesamt für Güterverkehr verweigert Auskunft über Fehleranfälligkeit der TollCollect-Kennzeichenscanner: Diese Information würde die Mauteinnahme gefährden …

Die Toll Collect GmbH überwacht Autobahnen und Bundesstraßen mittels hundertfacher Kennzeichenscanner mit der Aufgabe, LKW-Maut-Preller ausfindig zu machen und dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Doch wie gut arbeiten diese Geräte, die jedes Fahrzeug auf diesen Straßen erfassen eigentlich? Also in welchem Maße werden die Kennzeichen falsch automatisiert ausgelesen?

Die Toll Collect GmbH dazu: Wir wissen das, wollen das aber nicht verraten.

Das Bundesverkehrsministerium: Keine Ahnung, fragen sie doch mal beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) nach.

Und das Bundesamt für Güterverkehr im Zuge einer IFG-Anfrage: Wir kennen die Fehlerraten zwar, aber verraten die ebenfalls nicht.

Begründung des BAG:

„Ein Bekanntwerden Ihrer gewünschten Informationen würde das Kontrollkonzept des Bundes im Zusammenhang mit der Maut erheblich beeinträchtigt werden. (…) Mit Veröffentlichung der von Ihnen beantragten Information könnte die ordnungsgemäße Kontrolle der Maut als hoheitliche Aufgabe und letztlich auch die vollständige Einnahme der Maut gefährdet sein.“

Daraus kann man schließen, dass die Nicht-Beauskunftung entweder unzulässig ist oder aber die Fehlerquoten der Kennzeichenscanner von Toll Collect dermaßen hoch sein müssen, dass das Bekanntwerden dieses Umstands dazu führen würde, dass einige/viele/alle LKW-Fahrer keine Sorge mehr um Funktion und Wirkung der Überwachungsbrücken und -säulen haben müssten und dementsprechend meinen, keine LKW-Maut entrichten zu müssen.

Dem abgelehnten IFG-Antrag werden nun wohl Widerspruch und Klage folgen müssen.

Technische Randnotiz: Die Überwachung der LKW-Maut passiert nicht ausschließlich mittels der stationären Toll-Collect-Scanner. Es gibt darüber hinaus auch mobile Kennzeichenscanner sowie auf den Autobahnen und Bundesstraßen fahrende BAG-Kontrollfahrzeuge, die mittels direkter Funk- bzw. Mikrowellenkommunikation mit den Maut-On-Board-Units (OBU) der LKW’s (sofern vorhanden) Daten austauschen können und LKW’s kontrollieren.

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NPOG: Neues Niedersächsisches Polizeigesetz seit 24.5.2019 in Kraft – Klagen gegen Section Control werden fortgeführt

Im Vergleich zur medialen Öffentlichkeit zu den Verhandlungen und Protesten im Zuge der Entstehung des neuen Polizeigesetzes für Niedersachsen („NPOG“) relativ unbeachtet geblieben ist die Tatsache, dass dieses am 23.5.2019 verkündet und am Folgetag in Kraft getreten ist.

Das NPOG ist inzwischen hier in seinem endgültigen Version – aus dem (unlesbaren) Gesetzentwurf und dem vorherigen Polizeigesetz (NdsSOG) zusammengepuzzelt – nachlesbar.

Dass das NPOG ausgerechnet am viel befeierten 70. „Geburtstag“ des Grundgesetzes amtlich verkündet wurde mag ein Zufall sein, hat aber angesichts der offensichtlichen verfassungswidrigen Anteile des Gesetzes einen bitteren Beigeschmack.

Davon unabhängig laufen die beiden Klagen gegen die Section-Control-Pilotanlage des Landes Niedersachsen weiter:

Das Urteil des OVG Lüneburg zur ersten Klage soll dem uns gegenüber bekundeten Willen des Nds. Innenministeriums neu verhandelt werden, nachdem das NPOG nun eine Rechtsgrundlage für die Section Control eingeführt hat.

In der zweiten Klage hatte die Polizeidirektion bislang versucht, die Klage auszuhebeln, was aber aus rechtlichen Gründen nicht zulässig ist. Da in dieser Klage die Regelungen des zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch in der Diskussion befindliche NPOG berücksichtigt worden sind, wird es nun darum gehen, ob es grundsätzlich verhältnismäßig ist, Durchschnitts-Geschwindigkeits-Kontrollen durchzuführen, indem man alle Fahrzeuge mindestens zweimal per Kennzeichenlesegerät automatisiert erfasst.

Damit handelt es sich bei der zweiten Klage um die erste konkrete Klage, die sich gegen einen Teil des NPOG wendet.

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Heuchelei ersten Ranges: Niedersachsens Innenminister Pistorius meint den Vorstoß zur staatlichen Abhörung/Überwachung von Sprachassistenten dementieren zu können, hat aber gerade erst zuvor den Niedersachsentrojaner zur Verwanzung von Smartphones eingeführt

freiheitsfoo-Variante einer Grafik von Digitalcourage-Braunschweig (CC-BY-SA)

Die Vorgeschichte:

Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verraten will, ob und inwieweit Nachrichtendienste digitale Sprachassistenten zum Abhören benutzen. Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte über eine Anfrage der Linken berichtet, zu der die Regierung mitteilte, diese Informationen könnte auch als Verschlusssache nicht herausgegeben werden. Sollten sie bekannt werden, würden die Nachrichtendienste eine Fähigkeit verlieren und es wäre „kein Ersatz durch andere Instrumente möglich“. Auch Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz äußerten sich nicht.“
(Zur Quelle hierzu siehe unsere Zeitzeichen 14 vom 7.6.2019)

Und dann heute das:

Pistorius: Smart-Home-Geräte sollen nicht abgehört werden – Der niedersächsische Innenminister Pistorius hat Berichte zurückgewiesen, wonach Daten von Sprachassistenten wie etwa Alexa für Ermittlungen ausgewertet werden sollen. Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz gehe es nicht darum, mögliche Datenquellen für die Polizeiarbeit zu erweitern, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Ein Blick nach China reiche, um zu sehen, wohin der hemmungslose Gebrauch von Daten führe. Dann hätte jeder, der Alexa oder Google-Home benutze, im Zweifel eine Abhörwanze im Wohnzimmer. Medienberichten zufolge gibt es eine entsprechende Beschlussvorlage mehrerer Minister von Union und SPD für die Konferenz in der kommenden Woche. Ziel ist es demnach, Aufzeichnungen aus Sprachassistenten nach richterlichem Beschluss zur Verbrechensaufklärung zu nutzen.
(Quelle: DLF-Kurznachricht von heute)

Das ist pure Heuchelei. Herr Pistorius hat als treibende Kraft erst vor wenigen Wochen das neue Polizeigesetz für Niedersachsen („NPOG“) vielen sachlichen Kritiken zuwider durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Das NPOG ist am 23.5.2019 (sic!) verkündet und am Folgetag in Kraft getreten und beinhaltet (u.a.) die Zulässigkeit des Einsatzes kleiner wie großer Staatstrojaner durch die Polizei. Diese Ausweitung polizeilicher Befugnisse, die die Polizei zu einer Art kleiner Geheimdienst degenerieren lässt, ist faktisch nichts anderes als das, was Herr Pistorius nun heute medienwirksam meint verhindern zu müssen: Das Potential zur Umwandlung unserer Alltagsgegenstände in eine Staatswanze. Es ist kein wesentlicher Unterschied, ob es sich bei dem Gegenstand dabei um einen Sprachassistenten oder um ein Smartphone oder unser Computer zuhause handelt.

Da bleibt nur eine Frage offen: Hat Herr Pistorius nicht verstanden, wovon er redet oder meint/versucht er, die Öffentlichkeit für dumm verkaufen zu können?

Bemerkenswert im übrigen das überspezifische Dementi des Herrn Pistorius. Er verleugnet lediglich die „Erweiterung möglicher Datenquellen für die Polizeiarbeit“. Kein Wort über Geheimdienste. Und wer weiß, auf welche Daten die Polizeibehörden via Abschöfung der Vorratsdaten bei den Diensteanbietern (Google, Amazon, Apple etc.) schon heute bei Bedarf zurückgreifen darf?

Als letztes: Alexa, Siri und Co. sind bereits jetzt Abhörwanzen, ganz egal, was die kommende Innenministerkonferenz (IMK) in undemokratischer Manier hinter verschlossener Tür beschließen wird oder nicht. Wer sich als „Nutzer“ (bzw. „Mastschwein“) dieser Dienste dessen nicht bewusst ist handelt schlicht unverantwortlich.

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Eine fette Backpfeife für Herrn de Maiziere und alle anderen Sicherheitsesoteriker dieser Zeit: Bundesverwaltungsgericht erklärt „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ für europarechtswidrig

Der Spaß sicherheitsfanatischer Parteipolitiker an der Schöpfung euphemistischen Neusprech-Vokabulars schien kein Ende zu finden, als die CDU/CSU-SPD-Bundesregierung im März 2017 unter dem damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere das entsprechend betitelte „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ mit fadenscheinigen und unsachlichen Begründungsmustern durch die Institutionen peitschte. Auch der Bundesrat segnete dieses Gesetz widerspruchslos ab.

Sinn der sich dahinter verbergenden Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes war und ist die massive Ausweitung der Befugnis zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Räume. Gerne auch durch Privatpersonen und Unternehmen, wobei sich Polizeien und Geheimdienste dann derer Bilder und Videos bedienen können sollte.

Im Innenausschuss gab es heftige Kritik dagegen, die jedoch weitgehend ignoriert oder nicht anerkannt worden ist. So kam es zur Gesetzesumsetzung mit bereits eklatanten Folgen bspw. in zeitlich folgender gerichtlicher Rechtssprechung konservativer Richter. Und das Bundesverfassungsgericht wollte sich mit einer Beschwerde gegen das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ erst gar nicht beschäftigen.

In einer jüngeren, sehr viel weniger (oder gar nicht!) öffentlich beachteter höchstgerichtlicher Rechtssprechung hat das Bundesverwaltungsgericht nun diesem Spuk zumindest in Teilen ein Ende gesetzt (Az. BVerwG 6 C 2.18 vom 27.3.2019).

Darauf möchten wir hiermit hinweisen und zitieren aus einer Kommentierung des Urteils durch den Hamburger Datenschutzbeauftragten, weil wir es nicht besser als dieser formulieren können:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 27. März 2019 deutlich gemacht, dass die Videoüberwachung durch private Stellen ausschließlich am europäischen Datenschutzrecht zu messen ist. (…) Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts regelt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Videoüberwachung durch Private abschließend. Folglich ist die nationale Bestimmung in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG europarechtswidrig und im Ergebnis unanwendbar. Private Videokameras können daher im Ergebnis nur auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO betrieben werden. Die danach zu erfolgende Güterabwägung ist nicht durch nationales Recht modifizierbar. (…)“

Ebenfalls lesenswert die zum gleichen Vorgang erschienene Kommentierung auf datenschutzbeauftragter-info.de.

[Anmerkung: Wir werden je nach zeitlicher Möglichkeit hier noch Auszüge aus das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ befürwortenden Aussagen der Groko-Bundesregierung aus 2017 nachtragen.]

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Zeitzeichen, 14

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

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In eigener Sache: Neue PGP-Schlüssel

Wir haben die PGP-Schlüssel der Kontaktadresse und der Redaktion vom freiheitsfoo erneuert.

info@freiheitsfoo.de
Fingerabdruck: 277E B0F3 DFF6 8F72 C0CC FD99 B128 C515 A120 E01B
Schlüsselkennung: 0xA120E01B
(Public PGP-Key)

redaktion@freiheitsfoo.de
Fingerabdruck: E536 9034 B9FC 380A 1C1B FFF8 F0AA 1B4B E826 0545
Schlüsselkennung: 0xE8260545
(Public PGP-Key)

Wir raten dringend dazu, jede E-Mail (an wen und mit welchem Inhalt auch immer) grundsätzlich PGP-verschlüsselt auszuführen, soweit das irgendwie möglich ist.

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Militarisierung der Polizei und Einschüchterung von Demonstrationsteilnehmern: Niedersachsen leiht der Berliner Polizei einen Polizeipanzer mit aufmontiertem Maschinengewehr, die „begleitet“ damit eine friedliche Demonstration

„Sonderwagen 4“ mit Maschinengewehr am 03.10.2018 in Berlin © Sören Kohlhuber

Am 3.10.2018 fand in Berlin ein Aufmarsch von Rechten statt, der mit einer Gegendemonstration beantwortet worden ist. Wie dem Bericht des Journalisten Sören Kohluber zu entnehmen und von diesem dokumentiert worden ist wurde in diesem Zusammenhang nicht nur (erstmals bei einer Demonstration?) die neue paramilitärisch ausgebildete und hochgerüstete „BFE+“-Polizeieinheit eingesetzt sondern auch ein von der niedersächsischen Zentralen Polizeidirektion ausgeliehender Panzerwagen (Polizei-Neusprech: „Sonderwagen 4“) mit aufmontiertem Maschinengewehr G8 von Heckler&Koch einer der Versammlungen als Begleitfahrzeug zugeteilt.

Das niedersächsische Innenministerium gibt sich auf Nachfragen dazu nüchtern und knapp, meint aber, dass das G8 gar kein Maschinengewehr sei, gibt dagegen immerhin zu, dass so ein Einsatz „in der Regel unzulässig sei.“ Weitere Details bleiben unter Verschluss.

Im Detail:

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Trotz anderslautender Behauptungen: Polizei Niedersachsen führt rechtswidrige Speicherungen unschuldiger Demonstrationsteilnehmer fort und hat die Polizeidatenbank NIVADIS datenschutztechnisch nicht im Griff

Entscheidungsgatter des Verwaltungsgerichts Hannover zur Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten in niedersächsischen Polizeidatenbanken

Entscheidungsgatter des Verwaltungsgerichts Hannover zur Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten in niedersächsischen Polizeidatenbanken

Immer wieder wurde und wird in Niedersachsen – in anderen Bundesländern aber durchaus noch häufiger – bekannt, dass die Polizei in ihren Datenbanken (gern auch als „Vorgangsbearbeitungssystem“ verklausuliert) Informationen über Menschen speichert, die an friedlichen Demonstrationen teilgenommen, sich aber sonst nichts zuschulden haben kommen lassen.

Bereits in 2016 wurde öffentlich, dass die Polizei Niedersachsens „masssenhaft“ (Zitat eines Sprechers der Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachsens) unzulässigerweise, weil ohne Rechtsgrundlage Daten über friedliche, unschuldige Demonstranten erfasst und in ihre Datenbanken eingepflegt hatte. Nachdem das Nds. Innenministerium sich zunächst weit über ein Jahr weigerte, auf diese Vorwürfe überhaupt zu reagieren wurden die bekannten Dateneinträge in 2017 angeblich entfernt. Doch selbst danach tauchten weitere solcher Fälle rechtswidriger Polizeispeicherpraxis auf.

Nachfolgend veröffentlichen wir einen Bericht der Aktivistin Hanna Poddig, der sich u.a. auf diese unrühmliche Polizeigewohntheit bezieht. Im Erlebnisbericht werden zwei bemerkenswerte, aus unserer Sicht rechtswidrige Vorgänge bzw. Zustände bei der Polizei offenbar:

Zum einen erlaubte sich die Polizeidirektion Osnabrück, Frau Poddig in der niedersächsischen Polizei-Datenbank NIVADIS zu speichern, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hatte und am selben Tag, wenn auch an anderer Stelle, eine Sachbeschädigung vorgenommen worden ist. So wurde ein personenbezogener Zusammenhang hergestellt, den es gar nicht gegeben hat. Das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Unschuldsvermutung sowie eine Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.

Zum anderen offenbart die Polizei Osnabrück, dass es das NIVADIS-System tatsächlich (oder nur angeblich?) technisch gar nicht zulasse, die Speicherdauerfrist, die die Polizei ebenfalls fehlerhaft um das doppelte zu hoch angesetzt hatte, zu korrigieren. Das ist datenschutzrechtlich fragwürdig oder gar ebenfalls unzulässig.

Das NIVADIS-System ist hoch umstritten, handelt es sich dabei doch um eine so genannte „Mischdatei“, in der sowohl Ermittlungs- und Strafverfolgungsverfahren als auch reine Verwaltungsvorgänge zusammen eingetragen werden. Das ist deswegen heikel, weil dadurch unschuldige Menschen in Kombination aller dort über sie verfügbaren Daten zu Unrecht Verdächtigungen oder Vorverurteilungen ausgesetzt sind, wenn Polizeibeamte Niedersachsens Einblick in den gesamten Datenbestand erhalten.

Ob dieses NIVADIS-Polizei-Mischdatenbank auf verfassungsrechtlich festem Boden steht ist höchst umstritten. Nicht zuletzt deswegen wurde der Versuch der SPD-CDU-Landesregierung zunächst aufgegeben, die für diese Fragen relevanten Paragraphen §§ 38/39 des Nds. Polizeigesetzes im Zuge des jüngst versabschiedeten umstrittenen neuen Polizeigeseztes („NPOG“) zu ändern. Das wolle man sich – wie vieles andere auch – für eine nächste Polizeigesetznovelle aufheben und die komplexen Fragen in Ruhe behandeln. (Siehe dazu auch LT-DS 18/3723, Seite 62ff.)

Hier nun der Bericht von Hanna Poddig:

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Datenschutz-Pfusch beim Zensus 2021: Erst die Daten, dann die Datenschutzfolgeabschätzung

Zum Stichtag des 13. Januar 2019 genehmigte die Bundesregierung den Landes- und Bundesstatistikbehörden die umfängliche Übermittlung und Zusammenziehung umfangreicher Meldeamtsdaten aller in Deutschland gemeldeten Menschen. Das mit Hilfe einer eilig durchgezogenen Änderung des „Zensusvorbereitungsgesetzes 2021“ (Einfügung des neuen § 9a) und mit der willfährigen Begründung „zu Testzwecken“.

Gegen diesen Vorgang gab es einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht, der zwar abgelehnt worden ist, wobei die Karlsruher Richter aber in ungewöhnlicher Klarheit die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde anregten, weil sie selber Bedenken und Klärungsbedarf am Vorgang haben. Diese Verfassungsbeschwerde wird in bälde eingereicht werden.

Davon unabhängig erscheint es merkwürdig, dass zu den immensen und heiklen Datenübertragungen, -verarbeitungen und -zusammenführungen, die in den Wochen nach dem 13. Januar 2019 bereits durchgeführt worden sind noch gar keine Datenschutzfolgeabschätzung gibt.

Zumindest mit Stand vom 22. Februar 2019 (!) schreibt das Statistische Bundesamt im Rahmen einer IFG-Anfrage auf die Frage „Wurde eine Datenschutz-Folgeabschätzung angefertigt?“ folgendes (Hervorhebungen durch uns):

Eine Datenschutz-Folgeabschätzung (DSFA) wird in Abstimmung mit der BfDI (Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) durch die behördliche Datenschutzbeauftragte im Statistischen Bundesamt erarbeitet. Eine DSFA ist ein spezielles Instrument, mit dessen Hilfe die Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten beschrieben, bewertet und eingedämmt werden sollen. Der Inhalt der DSFA bestimmt sich nach Art. 35 Abs. 7 DS-GVO und enthält insbesondere zur Bewältigung der identifizierten Risiken geplante Abhilfemaßnahmen. Dabei handelt es sich um technische und organisatorische Maßnahmen der Informationssicherheit.

In anderen, weniger komplexen Worten ausgedrückt:

Erst holt man sich die Daten aller Bürger und Einwohner des Landes und hinterher schaut man dann, welche Risiken bei Datenübertragung, -speicherung und -verarbeitung bestanden (oder ggf. noch weiter bestehen). Für die „Abhilfe“ dürfte es dann zumindest in einigen wesentlichen Fällen aber zu spät sein: Das ist Datenschutz-Pfusch.

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Gast-Kommentar aus den Reihen der Polizei: Die Verabschiedung des neuen Polizeigesetz Niedersachsens als Versagen der Demokratie

Ein Gastbeitrags-Komentar von Michael Schütte, Polizeibeamter in Niedersachsen:

Im Furor vermeintlich notwendiger Terrorbekämpfung haben SPD und CDU in der Landesregierung ein neues Polizeigesetz gestrickt und sich dabei offenbar gegenseitig im Erfinden und Ausweiten von Eingriffsbefugnissen überboten.
Herausgekommen ist ein geradezu dystopisch anmutendes Wunschkonzert der Polizei, dem die Fachleute des Gesetzgebers (der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Nds. Landtags) weitreichende Verfassungsbedenken attestieren.
Aber egal!
Gegen alle Bedenken wurde das Gesetz nun mit der willfährigen SPD/CDU Landtagsmehrheit verabschiedet. Und der Opposition sind angesichts der GroKo Machtverhältnisse im Landtag die Hände gebunden, weil ihr zur beabsichtigten Normenkontrollklage gegen das Gesetz die dafür notwendigen Mandate fehlen.
So geht es, wenn Demokratie offensichtlich versagt und Bürger- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden.

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