In 2017 hat Niedersachsen bundesweit als erstes Bundesland überhaupt damit angefangen, den als Folge des parteipolitischen 9/11-Terroranschlags-Aktivismus eingeführten Abschiebeparagraphen 58a des Aufenthaltsgesetzes erstmals praktisch anzuwenden.
Mittels dieser Rechtsgrundlage dürfen die Landesbehörden (in diesem Fall verantwortlich: das Niedersächsische Innenministerium) Menschen ohne vorherigen Ausweisungsbescheid abschieben, also auch unter Anwendung von Gewalt gegen ihren Willen in ein anderes Land verbringen, und zwar
„auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr.“
Nach diesem bundesweiten Dammbruch hat Niedersachsen auch weitere Menschen unter Berufung auf diesen Paragraphen außer Landes bringen lassen, nun aber einen höchstrichterlichen Rückschlag einstecken müssen:
Am 14.1.2020 urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass eine von Nds. Innenministerium nach §58a AufenthG verfügte Abschiebung rechtswidrig war und ist. Mit der „auf Tatsachen gestützte Prognose“ war es in diesem Fall also nicht so weit her. Das Bundesverwaltungsgericht schreibt in seiner Pressemitteilung vom 14.1.2020:
„Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute der Klage eines als islamistischer Gefährder eingestuften türkischen Staatsangehörigen stattgegeben und die gegen ihn vom Land Niedersachsen verfügte Abschiebungsanordnung aufgehoben. (…) Eine Gefahr i.S.d. § 58a AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst – gar vollständig oder nachhaltig – ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen „einspannen“ lässt. Auch nach diesem konkretisierten Maßstab gelangt der Senat in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des Verhaltens des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen zu der Bewertung, dass die festgestellten Tatsachen im Ergebnis nicht die Bewertung tragen, dass aktuell von dem Kläger mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine nach § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr ausgeht.„
Mit anderen Worten: Die Durchsetzung dieser Abschiebung hätte das Innenministerium rechtswidrig durchgeführt, den §58a also mutmasslich zur Durchsetzung politischer Ziele missbraucht, zumindest diese Regelung nicht sorgfältig abwägend angewendet. Mit heiklen Folgen für den Betroffenen und seine Familie …
So viel zur Wertigkeit und juristischen Haltbarkeit polizeilicher Prognosen, mittels derer die Niedersächsische Polizei dank des neuen Niedersächsischen Polizeigesetzes („NPOG“) inzwischen eine ganze Menge Dinge an und mit Menschen tun darf, die gar keine Straftaten begangen haben („Gefährdern“). Übrigens: In NRW (und nicht nur dort) hat die Polizei ihre dort ebenfalls neu eingeräumten Befugnisse eines neuen Polizeigesetzes nicht gegen (angebliche) Terroristen oder staatsgefährdende Attentäter angewendet, sondern gegen Demonstranten, die sich gegen die sinnlose und klimakatastrophale Abholzung eines Waldes im Zuge der Braunkohlegewinnung eingesetzt haben … Doch zurück zum eigentlichen Fall:
Was wäre wohl dabei herausgekommen, wenn sich auch alle anderen mittels dieses Paragraphen abgeschobenen Menschen juristisch bis zum höchsten Verwaltungsgericht dagegen gewehrt hätten?
Diese Frage kann nur unbeantwortet bleiben und dem Innenministerium in Hannover dürfte das auch ziemlich egal sein. So wie ihm auch diese Rechtssprechung folgenlos bleibt. Nicht nur, dass nicht ein einziger Mensch in der Behörde für diese juristische Backpfeife verantwortlich zeichnet und mit Konsequenzen zu rechnen hat – der erfolgreiche Kläger soll nun mittels anderer Rechtsgrundlagen abgeschoben werden.