Bundespolizei lässt heimlich, still und leise Kennzeichnung von Bodycams entfernen – Bundesdatenschutzbeauftragter weiss von nichts [UPDATE 14.11.2020]

Bodycams …

… nennt man jene kleinen, in etwa handygroßen Kameras, die meist im Brustbereich von Uniformen und Jacken befestigt werden.

In 2013 begann die Welle, in der die Länder- und Bundespolizeien damit angefangen haben, ihre Polizist*innen mit diesen Kameras zur Aufzeichnung von Bild und Ton auszustatten.

Ob das vorgegebene Ziel, damit hauptsächlich zur Deeskalation beizutragen und zudem die Polizeibeamt*innen zu schützen tatsächlich erreicht wird, ist umstritten und unbelegt. Die zahlreichen dazu von Ländern und Bund angestrengten Evaluationen im Zuge pilothaftiger Einführungen der Geräte werden zwar zur Untermauerung des Sinns des Bodycam-Einsatzes durch (Partei-)Politik und Polizeigewerkschaften herangezogen und immer wieder argumentativ benannt, all diese Untersuchungen genügen jedoch nicht üblichen wissenschaftlichen Standards. Zudem wurden diese Evaluationen stets von den Polizeien oder von polizeinahen Institutionen selber und in Eigenregie durchgeführt, so dass eine neutrale, zumindest eine unabhängige Herangehensweise schwer in Zweifel gezogen werden darf.

Es gibt ein Unmenge an Kritik an den Bodycams (siehe z.B. unsere Stellungnahme an den Landtag Schleswig-Holstein vom April 2016), zudem zahlreiche Mindestbedingungen (ebenda, siehe Punkt Nr. 7), die jedoch nirgendwo in Deutschland eingehalten bzw. umgesetzt werden.

Einer der vielen Forderungen ist die Notwendigkeit einer ausreichend klaren und unmissverständlichen Kennzeichnung der kleinen und in der Praxis kaum auffallenden Kameramodule.

Dieser Forderung versuchten die Gestalter der Einsatzpraxis nachzukommen, indem sie bei öffentlichkeitswirksamen Einführungen der Geräte die Träger*innen der Bodycams mit einer Kennzeichnung an den Uniformen wie z.B. „Videoüberwachung!“ versahen.

So auch die Bundespolizei.

Am 29.1.2016 gab die Bundespolizei mittels Pressemitteilung bekannt:

„Die Bundespolizei erprobt ab heute (29.01.2016) am Kölner und Düsseldorfer Hauptbahnhof den Einsatz von mobilen Körperkameras. (…) An den Funktionswesten ist deutlich sichtbar die Aufschrift „Videoüberwachung“ angebracht.“

Und auch bei der Präsentation der ersten Bodycams für die Deutsche-Bahn-Mitarbeiter am 14.7.2016 in Berlin traten Bundespolizei-Bodycam-Träger öffentlichkeitswirksam mit entsprechender Kennzeichnung auf.

Soweit die öffentliche Vermittlung der Bundespolizei zur Kennzeichungspraxis bei Bodycams. Bis Ende des Jahres sollen bundesweit übrigens rund 2.300 Bundespolizei-Bodycams im Einsatz sein.

Und dann?

Nichts weiter. Außer, dass jemandem im Oktober 2020 in Hannover auffiel, dass die Bundespolizei gar keine solche Kennzeichnung (mehr?) trägt, gleichwohl die Bodycams aber alles andere als auffällig tragen und einsetzen.

Es folgte eine gewisse Anzahl an Fragen und Nachfragen an die Bundespolizei, wir wurden dabei von der Bundespolizeidirektion Hannover erst zum Bundespolizeipräsidium nach Berlin verwiesen, diese spiegelten letztendlich unsere Nachfrage dann wieder zurück nach Hannover.

Das Ergebnis dieser Fragerunden in prägnanter Kürze zusammengefasst:

Dass die Weste rechtlich nicht notwendig ist erläutern Bundespolizei und Bundesdatenschutzbeauftragter unisono und verweisen zur Begründung auf den § 27a des Bundespolizeigesetzes (BPolG), der das formell nicht verlangt. Dort heißt es im Absatz 2 so banal wie unschuldig:

„Auf Maßnahmen nach Absatz 1 [gemeint ist der Einsatz von Bodycams] ist in geeigneter Form hinzuweisen.“

Übrigens lesenswert ist die Bundestags-Drucksache 19/14620 vom 30.10.2019 mit der Beantwortung zahlreicher Fragen rund um den Einsatz der Bodycams bei der Bundespolizei. Ausgangspunkt dieser Kleinen Anfrage war die zuvor öffentlich gewordene Tatsache

Fazit

Aus unserer Sicht ist die Begründung der Bundespolizei zur Abschaffung der gut les- und erkennbaren Kennzeichnung der Bodycams mittels „Videoüberwachung“-Schriftzug an den Uniformen nicht nachvollziehbar:

  • Warum ist die angebliche praktische Untauglichkeit erst so spät aufgefallen?
  • Warum wurde nicht nach einer anderen Möglichkeit solch einer Kennzeichnung gesucht, die den Zugriff auf die Waffen nicht erschweren würde? Das vor allem mit Blick darauf, dass inzwischen nicht mehr die zu Beginn in 2016 eingesetzten, auf der Schulter montierten Bodycams, sondern andere handygroße Geräte Verwendung finden, die gar keinen Einsatz von zusätzlichen Westen mehr begründen würden!
  • Warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert bzw. warum bei öffentlichen Präsentationen und Verlautbarungen ein anderer Eindruck zur Kennzeichnungspraxis erweckt?
  • Warum wurde der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht über die Änderung informiert?
  • Und warum scheuen sich die verschiedenen Stellen der Bundespolizei so sehr vor einer klaren Beantwortung unserer Anfragen zur Sache?

Dass der § 27a BPolG formell keine Kennzeichnung des Bodycam-Pre-Recordings verlangt muss nicht bedeuten, dass diese Nicht-Kenntlichmachung sachlich, praktisch und verfassungsrechtlich richtig ist. Immerhin hat die Tatsache des Pre-Recordings das Zeugs dazu, einschüchternd zu wirken, also die freie Wahrnehmung der eigenen Grund- und Freiheitsrechte (z.B. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit) beim/bei der Einzelnen effektiv zu beschneiden. Und ein derart drastischer Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte verlangt unserer Auffassung nach im Gegenzug mindestens ein deutliche Kennzeichnung des Bodycam-Pre-Recordings.

Eine letzte Anfrage an die Bundespolizei steht zur Beantwortung noch aus. Wir werden hier mittels Update darüber informieren, sofern sich daraus gehaltvolles ergeben sollte.

 

[UPDATE 14.11.2020]

Wir erhielten nun Antwort von der Bundespolizeidirektion Hannover, interessanterweise versendet via E-Mail des Bundespolizeipräsidiums.

Der Inhalt kurz zusammengefasst:

  • „Anfang 2020“ habe das „Roll-out“ der Bodycams bei der Bundespolizei stattgefunden. Damit einher wurde eine „interne Dienstanweisung“ zur Erfüllung der Kennzeichnungspflicht verfügt. Und dadurch habe sich eine zusätzliche Kennzeichnung rechtlich erübrigt.
  • Einen Fototermin könne man uns nicht ermöglichen, stellte uns stattdessen Bilder der Pressestelle zur Verfügung.

Für uns bleiben weitere Fragen offen. Wir haben eine ergänzende Nachfrage gestellt.

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