Nach der Volkszählung ist vor der Volkszählung – mit dem „Lebenszeichenansatz“ auf dem Weg zum „Registerzensus“. Mit absehbarer Verschiebung?

Während sich derzeit die Menschen an den jüngst veröffentlichten Daten zur letzten Volkszählung (Zensus 2022) erfreuen arbeiten Behörden und Statistiker wie üblich ohne weitere Öffentlichkeit bereits an der Vorbrereitung des nächsten „Zensus“, der ganz anders laufen soll als zuletzt.

Der nächste „Zensus 2031“ soll noch weniger öffentlich und unter möglichst wenig aktiver Mitwirkung der hier in Deutschland lebenden Menschen erfolgen, es soll ein „Registerzensus“ werden. Dabei soll so weit wie möglich auf Befragungen der Menschen verzichtet werden, weil stattdessen über diese Menschen eine große Zahl von persönlichen Informationen von mehreren behördlichen Stellen („Registern“) Daten abgefragt bzw. von den jeweils zuständigen staatlichen Stellen zugeliefert werden.

Neu ist dabei die Idee des „Lebenszeichenansatzes“. Jeder Kontakt eines Menschen mit einer Behörde wird als „administratives Lebenszeichen“ interpretiert. Zwar sollen einerseits keine Informationen darüber geliefert und gespeichert werden, welchen Grund und Inhalt dieser Kontakt jeweils hatte, andererseits betont das hübsche Statistikervideo auch:

Sollten Unstimmigkeiten  zwischen Melderegister und Vergleichsregistern auftreten werden diese aufgeklärt.

So ein Registerzensus soll dann – ist er erst einmal ausgereift – dann möglichst sogar jährlich, also quasi ständig durchgeführt werden.

Um die notwendige Technik und „Methoden“ zum neuen Volkszählungsverfahren zu erproben haben Bundestag und Bundesrat inmitten der Corona-Pandemie, im Mai 2021 ein „Registerzensuserprobungsgesetz“ mit der nach Erpressung klingenden Abkürzung „RegZensErpG“ verabschiedet und in Kraft gesetzt. Mit dem als Grundlage werden bereits jetzt (ab 31.12.2023 beginnend) jährlich umfangreiche Daten über jede*n Einwohner*in Deutschlands von den Meldebehörden an die Statistiker geliefert (§4) und dort aufbewahrt und verarbeitet.

Haben Sie das gewusst?

Auch wurden weitere Daten über uns Menschen bereits von folgenden Stellen an die Statistiker geliefert (§7):

  • gesetzliche Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte
  • Bundesagentur für Arbeit
  • Kraftfahrt-Bundesamt
  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
  • personalabrechnende Stellen des Bundes und der Länder
  • gesetzliche Unfallversicherung

Und, ach ja: Die Statistiker dürfen selbstverständlich auch Daten aus dem jüngsten „Zensus 2022“ für die Erprobung ihrer neuen Algorithmen und Systeme nutzen und mit allen anderen Daten verknüpfen und verarbeiten §6).

Doch scheint es – erneut und wie gewohnt – Verzögerungen und Probleme mit dem Testen zu geben. In der jüngsten Innenministerkonferenz (IMK) vom Ende Juni 2024 wurde ein Bericht zum Arbeitsstand der Zensusregistererprobung „zur Kenntnis genommen“ und unter TOP 85 wie folgt kommentiert:

„[Die IMK] stellt fest, dass die Umsetzung des Registerzensuserprobungsgesetzes bereits erhebliche zeitliche Verzögerungen aufweist. Die Umsetzung der vorgesehenen Arbeitsphasen in den Statistischen Ämtern der Länder bei der Methodenerprobung wird dadurch deutlich beeinträchtigt und eine belastbare Personal- und Finanzplanung stark behindert.“

Bei der letzten Volkszählung kam Corona gerade recht, um als Ausrede zur Verschiebung der Volkszählung 2021 auf 2022 zu dienen. Ob es in sieben Jahren wieder eine Verschiebung geben wird?

Der „Zensus 2022“ soll übrigens ca. 1,5 Milliarden Euro gekostet haben.

Fazit

  • Erneut laufen Datenzusammenführungen über alle Menschen in Deutschland samt der dazugehörigen Gesetzgebung weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit.
  • Das Registerzensuserprobungsgesetz erinnert bzgl. des freien Umgangs mit einer großen Anzahl personenbezogener Daten aller im Land erfassten Menschen frappierend an das Zensusvorbereitungsgesetz 2021, gegen das Verfassungsbeschwerde eingelegt, diese dann aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zur Entscheidung angenommen worden ist. Der bei den Statistikbehörden nun dauerhaft angelegte personenbezogene Datensatz aller Menschen in Deutschland dürfte für Datensammler und -jäger staatlicher wie privater Natur von größtem Interesse sein.
  • Zur genauen Ausgestaltung der „Klärung von Unstimmigkeiten“ – wer diese bspw. auf welchem Wege durchführt und inwiefern das mit Konsequenzen für die Betroffenen verbunden ist – ist bislang nicht viel bekannt.
  • So oder so entwickelt sich der „Zensus“ dank der geplanten Alljährlichkeit zu einem staatlichen Instrument, bislang noch nicht erfasste Menschen zu identifizieren und zu nummerieren.
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