Niedersachsen: Mit einem möglicherweise erneut (in Teilen) rechtswidrigen Feuerwerksverbot in das neue Jahr

F1-Ganzjahresfeuerwerk in Zeiten der Corona-Pandemie

Das erste, weit umfassende und äußerste pauschale Verbot des Landes Niedersachsen zum Erwerb, Verbringen und Abbrennen von Feuerwerk jeglicher Art im Zuge der Corona-Pandemie hat das OVG Lüneburg am 18.12.2020 mit süffisanten Worten als nichtig erklärt:

„Ein umfassendes Verbot aller Arten von Feuerwerkskörpern und anderen pyrotechnischen Gegenständen sei nicht erforderlich. Jedenfalls Feuerwerkskörper der Kategorie F1 (sog. Kleinst- und Jugendfeuerwerk, das ab dem 12. Lebensjahr ganzjährig erworben und verwendet werden darf, bspw. Wunderkerzen, Knallerbsen und Tischfeuerwerk) hätten kein Potenzial, infektionsrelevante Ansammlungen einer größeren Zahl von Personen zu provozieren, und kaum Potenzial, in nennenswerter Zahl krankenhausbehandlungsbedürftige Behandlungen zu verursachen. Die schlichte Verhinderung allein subjektiv zu beurteilender Vergnügungen sei kein legitimes Ziel staatlichen Handelns. Die vom Verbot darüber hinaus umfassten „anderen pyrotechnischen Gegenstände“ (etwa pyrotechnische Gegenstände für Fahrzeuge als Komponente von Airbags, für Bühnen und Theater oder für andere technische Zwecke) ließen jedweden Bezug zu infektionsschutzrechtlich relevanten Geschehen vermissen.

Die niedersächsische Staatskanzlei respektive das Nds. Gesundheitsministerium musste also nachlegen und erließ ein neues Feuerwerks-Verbot. Angepasst wurden die Regeln und Verbote zum Erwerb, dem „Mitführen“ und dem Abbrennen von Feuerwerk, nun nur noch für das typische Silvesterfeuerwerk der Klasse F2 geltend.

Doch auch die neuen Regeln sind möglicherweise unhaltbar und so haben wir dem Ministerium und der Staatskanzlei in Hannover am 27.12.2020 eine Presseanfrage gestellt und um Beantwortung bis zum 28.12.2020 gebeten. Leider wurde diese Presseanfrage bis zum Redaktionsschluss (31.12.2020) nicht beantwortet, es gab auch keine andere Rückmeldung dazu.

Mal ganz davon abgesehen, dass in der derzeit gültigen Verordnung u.a. das „Mitführen“ von Feuerwerkskörpern (zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten) verboten ist, im Zuge von Explosivstoff-Gesetzgebung allerdings nur der Terminuns des „Verbringens“ üblich und rechtsklar ist, halten wir diese Regelungen für im Einzelfall unhaltbar, vor allem unverhältnismäßig und damit für rechtswidrig.

In §10a (1) Satz 2 der Verordnung wird das Mitführen von F2-Feuerwerk in den als Verbotszonen definierten Gebieten temporär untersagt. Es heißt dort im vollen Wortlaut:

„In der Zeit vom 31. Dezember 2020, 21.00 Uhr, bis zum 1. Januar 2021, 7.00 Uhr, ist auch das Mitführen der in Satz 1 genannten Gegenstände auf den dort genannten Straßen, Wegen, Plätzen und Flächen untersagt.“

Diese Verbotszonen sind mitunter (siehe Beispiel der Region Hannover) in ihrer Menge und Ausdehnung recht umfangreich (und unübersichtlich!), so dass es im Einzelfall nicht leicht fallen oder gar unmöglich sein dürfte, auf dem Weg zu einer Verabredung oder zu einem Treffen diese Gebiete zu umgehen, um das Verbot nicht zu brechen. Mehr als schwierig, nämlich unmöglich ist es sogar, mit F2-Feuerwerk im Gepäck in den genannten Zeiten zu einer privaten Verabredung zu gelangen, wenn sich die Wohnung des Gastgebers/Freundes/Freundin/etc. selber in einer Verbotszone befindet.

Doch das OVG Niedersachsen machte in seinem Urteil vom 18.12.2020 (Az. 13 MN 568/20) aber auch noch ein zweites, weiteres Problemfeld auf, dass die Rechtmäßigkeit dieses „Mitführ-Verbots“ als fraglich erscheinen lässt.

So heißt es in der Randnummer 42 des Urteils aus Lüneburg:

„Das nach § 10a Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung [hier gemeint der alte, inzwischen runderneuerte und nicht mehr gültige Teil der Nds. Corona-Verordnung, Anm. d. Red.] untersagte „Mitführen“ von Feuerwerkskörpern und anderen pyrotechnischen Gegenständen steht in keinerlei Bezug zu infektionsrelevanten Kontakten zwischen verschiedenen Personen.“

Da die Landesregierung (vielleicht aus guten Gründen) eine Antwort auf unsere Presseanfrage schuldig bleibt (oder aussitzt) und – soweit uns bekannt – auch niemand Betroffenes gerichtlich gegen die angesprochenen Fragwürdigkeiten gerichtlich zur Wehr setzt wird das bald in Wirkung tretende Mitführverbot wohl gerichtlich ungeprüft und medial unhinterfragt durchgesetzt werden.

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Butter bei die Fische: Welche Berufsgruppen infizieren sich am häufigsten mit Covid19? Surprise: Erzieher*innen, nicht Polizist*innen [UPDATE zum Rang von Polizist*innen]

Ohne weiteren Kommentar:

Zehn Berufsgruppen mit den höchsten und niedrigsten Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19, Erkrankte je 100.000 erwerbstätige AOK-Mitglieder von März bis Oktober 2020. (Quelle: Pressemitteilung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK – WIdO – vom 21.12.2020)

Quelle: AOK-Statistik. Die AOK hat 13,2 Millionen Versicherte und von März bis Oktober 2020 ca. 155.000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Zusammenhang mit Corona verzeichnet.

 

UPDATE 11.1.2021

Auf Nachfrage zum Rang von Polizist*innen und Bediensteten des „Sicherheitsgewerbes“ in der Statistik teilt das WIdO uns mit:

„Unter den AOK-versicherten Beschäftigten sind leider nur wenige Beschäftigte in der von ihnen nachgefragten Berufsgruppen von Polizisten/Polizistinnen und anderen Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe zu finden, die wir Ihnen somit leider nicht zur Verfügung stellen können. Die Ursache für die geringen Fallzahlen könnte daran liegen, da sich verbeamtete Polizist*innen auch privat krankenversichern können.“

Schade. Aber auch interessant und merkenswert zu wissen …

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Bundesgesundheitsministerium unter Spahn stellt sich dumm oder ist es, will nicht aufschlüsseln, wie groß die Bevölkerungsgruppen der Priorisierungen nach der Corona-Impfstrategie sind

Vergleich Corona-Impfreihenfolge BRD: STIKO-Empfehlung versus BMG-Impfverordnung (auch als pdf verfügbar)

Anknüpfend an unseren letzten Blogbeitrag vom 23.12.2020 zur vom Bundesgesundheitsministerium ohne Parlaments- und Öffentlichkeitsbeteiligung erlassene Coronavirus-Impfverordnung:

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sträubt sich nach wie vor zu erläutern, wie groß die Bevölkerungsgruppen der neuen 4stufigen Corona-Impfstrategie sind.

Nach mehreren Nachfragen lautet die letzte Aussage der BMG-Pressesprecherin:

Die Reihenfolge der Impfungen in der Rechtsverordnung baut auf die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission auf.

Die Zahlen im Einzelnen (≥ 80 Jahren, Personen in stationären Einrichtungen etc.) haben sich nicht geändert, diese können Sie auf Seite 48 in der STIKO-Empfehlung nachlesen und zuordnen.

Weitere Details kann ich Ihnen nicht übermitteln.

Dass man aus den „Zahlen im Einzelnen“ der STIKO-Empfehlung Rückschlüsse auf die Bevölkerungsgrößen entsprechend der erlassenen Impfverordnung ziehen kann ist offensichtlicher Unsinn. Dazu reicht es, die Empfehlung der STIKO mit der Gestaltung der Priorisierung in der neuen Corona-Impfverordnung zu vergleichen. Da geht es nämlich keineswegs nur um Verschiebung einzelner, größenmäßg bekannter Teilgruppen der Bevölkerung.

So werden Polizist*innen beispielsweise nun in zwei nur sehr unbestimmt zu differenzierende Teilgruppen aufgegliedert. (Alleine das wäre eine eigene Kritikschrift wert.) Wie groß sich diese beiden Teilgruppen darstellen erschließt sich nicht, soll sich – böserweise Absicht unterstellt – vielleicht auch gar nicht erschließen.

Darauf deutet übrigens auch die verlautbarte Mitteilung des BMG hin, dass man sich zudem Priorisierungen innerhalb der einzelnen Kategorien vorbehalte. Diese weitere Untergliederung bleibt genau so intransparent und nicht öffentlich nachvollziehbar wie die Entstehungsgeschichte der Verordnung selber.

Um einen Vergleich der Empfehlung mit der erlassenen Verordnung zu erleichtern, haben wir ein tabellarisches Dokument erstellt (siehe Bild rechts am Rand oder hier als pdf-Dokument.)

Unklar bleibt, warum das Ministerium keine Angaben zu den Zahlen machen will oder kann bzw. warum es sich so dumm stellt.

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Supi: Polizei-Lobbyist Rainer Wendt (u.a.) macht Polizist*innen erneut zu besseren und „gleicheren“ Menschen als andere und sorgt für eine weitere Bevorzugung in der Impfverordnung – auf Kosten von Gesundheit und Leben von weniger lobbymächtigen Bevölkerungs- und Berufsgruppen

Der Herr Rainer Wendt von der von manchen Menschen als rechtspopulistisch erlebten „Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)“ hat es mal wieder geschafft: Mit einem am 10.12.2020 angestoßenen Rant werden Polizist*innen nun mitunter als „bessere“ oder „wichtigere“ Menschen behandelt. Oder im Wortsinne aus George Orwells „Animal Farm“:

„ALL ANIMALS ARE EQUAL.
BUT SOME ANIMALS AR MORE EQUAL THAN OTHERS“

Was heißt das?

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission („Stiko“) hatte für die nun bald beginnenden Coronavirus-Impfungen eine Empfehlung zur Reihenfolge der zu bevorzugenden Bevölkerungsgruppen vorgelegt. Darin (siehe Seite 46 des Dokuments) gab es insgesamt sechs Kategorien, die letzte davon umfasste mit ca. 45 Millionen Menschen ohne besondere Priorisierung mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Polizisten und Polizistinnen sollten in der Kategorie fünf bevorzugt geimpft werden.

Soweit so gut, doch das war dem Herrn Wendt nicht gut genug.

In einer DPolG-Pressemitteilung vom 10.12.2020 heißt es selbstbewusst [Hervorhebungen durch uns]:

„„Polizistinnen und Polizisten sollten bei den anstehenden Impfungen gegen Corona in der Priorisierung mit als erste berücksichtigt werden.“ Die Reihenfolge des vorgesehenen Impfplans sieht die Polizei erst an vorletzter Stelle vor und damit sollen Polizei-beschäftigte im Prinzip zeitgleich mit allen Bürgerinnen und Bürger geimpft werden. DPolG Bundesvorsitzender Rainer Wendt: „Polizistinnen und Polizisten kommen täglich in ihrem Dienst mit den verschiedensten Menschen in Kontakt in unterschiedlichen, auch gefährlichen Situationen. Abstand zu halten, ist dabei nicht immer möglich, das liegt in der Natur der Sache. Die Polizei hat ihren Auftrag zu erfüllen und das heißt im Zweifel physische Maßnahmen vorzunehmen. Schon jetzt sind zahlreiche Polizistinnen und Polizisten bei der Bundespolizei und den Länderpolizeien mit dem Corona-Virus infiziert. In manchen Dienststellen führt das bereits zu spürbarem Personalmangel. Für Sicherheit und Schutz vor Kriminalität gibt es jedoch keinen Lockdown-Knopf, den man nach Belieben betätigen kann. Die Polizei ist immer im Dienst!“ Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert deshalb, den Impfplan zu überarbeiten und die Polizeibeschäftigten in die erste Stufe der Impfungen aufzunehmen.

Mann beachte – nebenbei und vorab angemerkt – die sachlich falsche Darstellung, dass die Polizist*innen „im Prinzip zeitgleich mit allen Bürgerinnen und Bürger geimpft werden“ sollen. Diese Aussage erzeugt einen grundlegend falschen Eindruck, wie das maßstabsgerechte Balkendiagramm der Bevölkerungsgrößen der sechs Stiko-Kategorien gut veranschaulicht. Diese Behauptung ist also fahrlässig manipulativ. Ein bekanntes Stilmittel des Herrn Wendt.

Aber zurück zur Sache:

Die 61 Seiten lange und gut begründete Stiko-Impfempfehlung missachtete die Argumente der DPolG gar nicht, sah aber den Schutz von besonders alten und kranken Menschen vorrangig und bewertete das Risiko anderer Berufsgruppen und deren gesellschaftliche Relevanz anders als Herr Wendt. Und das durchaus nachvollziehbar. Wieso sollten bspw. Erzieher*innen, die ganztägig ohne Mund-Nase-Schutz und zurecht und aus guten Gründen ganz ohne die Einhaltung körperlicher Distanz zu den Kindern arbeiten – das sogar mitunter bei offenen Konzepten mit bis zu 100 oder 150 Kindern en bloc – schlechter behandelt werden als Polizist*innen, die eher sporadischen und „nur“ Einzelkontakte zu Anderen haben – wenn überhaupt?

Doch Sachargumente haben Herrn Wendt bislang nur wenig gekümmert und wer nur laut genug schreit, erheischt manch mediale Beachtung. Jedenfalls mündete die DPolG-Offensive in einer medialen Behandlung wie bspw. in der folgenden DLF-Kurznachricht vom 13.12.2020:

„Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Wendt, fordert eine stärkere Priorisierung von Polizeikräften bei der Corona-Impfung. Wendt sagte der „Rhein-Neckar-Zeitung“, Polizeibeamte seien ständig einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Sie könnten niemanden auf zwei Meter Entfernung festnehmen und durchsuchen. Insofern werde die Empfehlung der Impfkommission, die Polizei auf den vorletzten Platz der Prioritäten-Liste für die Impfungen zu setzen, den Realitäten des Polizeialltags nicht gerecht. (…)“

Es ist wohl Unsinn anzunehmen, dass es irgendjemanden gäbe, der behaupten würde, dass Festnahmen und Durchsuchungen auf zwei Meter Entfernung durchführbar wären. Auch dieses also wieder eine verbale Nebelkerze bzw. eine manipulative Formulierung.

Weiteren Support für Herrn Wendt gab es dann Schlag auf Schlag. Erst unterstützte der von Menschenrechtlern nicht minder verrufene Herr Schäuble den Ruf des Herrn Wendt mittels Sonntagszeitungs-Interview, dann wurde – mit der üblichen Verzögerung – ein Beschluss der zeitgleich zur DPolG-Pressemitteilung tagenden Innenministerkonferenz (IMK) bekannt, die der Polizei in Sachen Impf-Reihenfolge ebenfalls eine „besondere Priorisierung“ zuteil werden lassen wollte.

Und das Ergebnis?

Der Bundesgesundheitsminister durfte – „dank“ seiner mittels im März 2020 aufgebohrten Befugnisse via Infektionsschutzgesetz (IfSG) – eigenmächtig eine neue Reihenfolge für die Covid19-Impfungen erstellen und per Verordnung manifestieren. Nun gibt es nur noch insgesamt fünf vier statt sechs Kategorien und in diesem 5er- 4er-Raster sind die Polizist*innen nun – wen wundert’s – von vormals Rang 5 auf Rang 2 bzw. Rang 3 vorgerückt.

Das bedeutet, dass andere zurückstehen müssen und im schlimmsten Fall mit Gesundheit oder Leben bezahlen.

 

Wir möchten dem noch vier Anmerkungen hinzufügen:

 

Wieso beantwortet Herr Wendt und die DPolG keine Fragen zur Sache bzw. ist sich selbst für eine Rückmeldung zu fein?

Wir haben der DPolG und Herrn Wendt am 13.12.2020 eine Presseanfrage zukommen lassen: Worin begründet sich die stärkere Bevorzugung von Polizist*innen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, wie hoch ist die Impfbereitschaft unter seinen Kolleg*innen, wie steht Herr Wendt zu einer Impfpflicht, wie viele Polizist*innen sind mit Corona aktuell infiziert (das war eines seiner Argumente) und wie sind die konkreten Zahlen von Personalausfall wegen Covid19-Dienstunfähigkeiten (ein weiteres Argument)?

Darauf erhielten wir trotz Nachhakens bis Redaktionsschluss (23.12.2020) keine Antwort, ja noch nicht einmal irgendeine Rückmeldung.

 

Wieso kann uns das Bundesgesundheitsministerium (bislang) nicht mitteilen, wie groß die Bevölkerungsgruppen nach neuer Coronavirus-Impfverordnungs-Kategorisierung jeweils sind?

Die Coronavirus-Impfverordnung wurde am 18.12.2020 erlassen und auch erst dann im Laufe dieses Tages veröffentlicht.

Wir haben beim BMG am 19.12.2020 nachgefragt, wie bevölkerungsstark die in der Verordnung definierten Gruppen der Kategorien 1 bis 4 jeweils sind.

Erst am 22.12.2020 erhielten wir (und das auch erst aufgrund Nachhakens von uns) eine „Antwort“, die uns nicht weiter hilft. Denn man verwies uns auf die Stiko-Empfehlung, deren Zahlen aufgrund der veränderten Kategorisierung ja nun aber gerade nicht mehr stimmen!

Warum liegen dem Ministerium keine Berechnungen oder Schätzungen vor oder – wahlweise – warum kann oder will man diese Frage nicht beantworten?

 

Wieso kann der Bundesgesundheitsminister ohne parlamentarische Beteiligung und ohne Beratung der „Zivilgesellschaft“ über derart wichtige Fragen von Leben und Tod diskussionsbefreit entscheiden?

Es geht bei der Ausgestaltung der Coronavirus-Impfverordnung de facto um Leben und Tod. Die Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe vor einer anderen wird zwangsweise immer irgendjemandem zum Verhängnis werden, auf Kosten von Gesundheit oder gar Leben einzelner Menschen.

Dass derlei Entscheidungen ohne Parlamentsbeteiligung, ohne Gesetzgebung und ohne (ausreichend) öffentliche Diskussion alleine durch den Bundesgesundheitsminister hinter verschlossenen Türen (und, wie hier beschrieben, unter dem Einfluß von mächtigen Lobbygruppen) getroffen werden ist einer freiheitlichen, demokratisch angedachten Gesellschaft eine schallende Ohrfeige.

Menschen von Bevölkerungsgruppen ohne Lobby werden die Leidtragenden sein.

Dass die vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verantwortete Impfverordnung bis zum letztmöglichen Zeitpunkt unveröffentlicht blieb, sich damit einer öffentlichen Debatte entzog und sogar rückwirkend zum 15.12.2020 gelten soll, das sei nur additiv kritisierend erwähnt.

 

Noch immer nicht genug! Niedersachsens SPD noch immer unzufrieden mit der Stellung der Polizei im Impfplan.

Doch selbst die die Polizeimenschen stark bevorteilende Impfverordnung geht der SPD in Niedersachsen noch nicht weit genug. In einem am 18.12.2020 von der konservativen „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ)“ verbreiteten Bericht unter dem Titel „Werden Polizei, Lehrkräfte und Verkäuferinnen zu spät geimpft?“ werden niedersächsische SPD-Politiker wie folgt zitiert.

Niedersachens Ministerpräsident Weil:

Es sei bedauerlich, dass Berufsgruppen, die ebenfalls beruflich oft direkten Kontakt zu anderen Menschen hätten, „noch eine gewisse Zeit lang warten müssen, bis sie geimpft werden können“, sagte Weil. Als Beispiele nannte er Polizisten, Lehrer, und Mitarbeiter im Einzelhandel.

Der niedersächsische Innenminister Pistorius:

Zuvor hatte bereits Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gefordert, dass Polizeibeamte schneller gegen das Coronavirus geimpft werden als von der Ständigen Impfkommission empfohlen. „Wenn wir jetzt möglicherweise Impfzentren und Transporte schützen, können wir es uns nicht erlauben, dass ein Teil des Polizeipersonals wegen Corona-Infektionen ausfällt“, sagte Pistorius.

Man mag es auch hier als geschickten, rhetorischen bis propagandistischen Schachzug werten, „Polizisten, Lehrer und Mitarbeiter im Einzelhandel“ in einem Atemzuge zu nennen und somit eine falsche Gleichheit vorzugaukeln, die die neue Impfverordnung gar nicht widerspiegelt.

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Causa Rolf Gössner – Eine Zustandsbeschreibung der Geheimdienst-Verselbständigung in Deutschland: 38 Jahre zu Unrecht vom „Verfassungsschutz“ überwacht – 15 Jahre harter Rechtsstreit, um das schlussendlich gerichtsfest belegen zu können

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Verfassungsrechtlich nicht haltbare pauschale Versammlungsverbote zur Jahreswende: Ein Blick auf den Bundesländer-Flickenteppich

Corona-Flickenteppich der pauschalen Demoverbote zu den Jahreswechseltagen 2020/2021

Als hätten Bund und (einige) Länder nichts aus dem Desaster des ersten „harten Lockdowns“ aus dem Frühling 2020 gelernt verfügte die am 3. Advent verkündend tagende Bund-Länder-Runde ihn ihrem Corona-Krisen-Beschluss folgende, versammlungs- bzw. verfassungsrechtlich nicht haltbare Linie:

„Am Silvestertag und Neujahrstag wird bundesweit ein [An- und] Versammlungsverbot umgesetzt.“

Nun kann das der Bund rechtlich gar nicht bestimmen und durchsetzen, die Bundesländer müssen diese (und die anderen) Regelungen im Rahmen von Verordnungen in einen rechtlichen Rahmen gießen.

Wir haben uns die Mühe gemacht und herausgesucht, wie die Umsetzung der Corona-Verordnungen diesbezüglich (mit Stichtag zum 18.12.2020) in den 16 Bundesländern vonstatten gegangen ist. Das Ergebnis ist – wenig verwunderlich – flickenteppichmäßig und im einzelnen wie folgt.

Pauschale („totale“), ausnahmslose Versammlungsverbote für die Jahreswende (31.12.2020 und 1.1.2021 jeweils ganztägig) haben folgende sechs Bundesländer verordnet:

  1. Bayern
  2. Berlin
  3. Brandenburg
  4. Mecklenburg-Vorpommern
  5. Nordrhein-Westfalen
  6. Sachsen-Anhalt

Die folgenden sechs Bundesländer haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und kein pauschales Versammlungsverbot für die Jahreswende erlassen oder zumindest eine formelle Schlupftür für Ausnahmeregelungen eingefügt:

  1. Hamburg
  2. Niedersachsen
  3. Rheinland-Pfalz
  4. Saarland
  5. Schleswig-Holstein
  6. Thüringen

Bleiben noch vier Bundesländer, in deren aktuellen Verordnungen noch gar keine Regelungen für den Jahreswechsel zu finden sind, so dass dort möglicherweise noch Änderungen oder Einschränkungen zu erwarten sind:

  1. Baden-Württemberg
  2. Bremen
  3. Hessen
  4. Sachsen

Zwar kann in diesen Zeiten keine Garantie für die Durchsetzung von Versammlungsgrundrechten gegeben werden … und dennoch sind denjenigen Bundesländern, die meinen, das Versammlungsgrundrecht ohne Einzelfallprüfung pauschal und ausnahmslos aussetzen zu können, diesen Bundesländern also sind kritische und klagefreudige Bürger zu wünschen, die dem obrigkeitsstaatlichen Denken und Duktus zumindest an dieser Stelle eine Schranke setzen.

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Next Level der EU-Cryptowars-Propaganda: „Hintertüren“ heißen jetzt nicht mehr Hintertüren, sondern „Abgriffe im Endgerät“ und „serverseitiger Datenabgleich“ – vorinstallierte Zwangstrojaner und Uploadfilter für alle!

Der Wunsch der EU-europäischen Innen- und Justizminister*innen: ein zwangsinstallierter Staatstrojaner auf jedem Smartphone.

Die meiste mediale wie persönliche Aufmerksamkeit richtet sich derzeit auf die Corona-Pandemie samt allen Nebenwirkungen und -effekte. Diesen Umstand missbrauchen viele für eigene Zwecke, so auch bspw. die Bundesregierung die ohne wirklich erkennbaren Grund wichtige und umfangreiche Gesetzgebungsverfahren in unerhört kurzfristiger Gangart im wahrsten Sinne des Wortes durchpeitscht. So z.B. die Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) mit einer Kommentarfrist von 48 Stunden für 450 Seiten Entwurfstext oder auch das neue IT-Sicherheitsgesetz, für dessen Kommentierung durch Experten und Sachkundige gar nur 24 Stunden eingeräumt werden, so dass selbst als „seriös“ geltende Kreise dieses nicht anders als „ministeriellen Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft“ titulieren können.

Immerhin: Relativ viel Öffentlichkeit hat die Absicht der EU erzeugt, zukünftig Ende-zu-Ende-verschlüsselte Telekommunikation (TK) (also z.B. WhatsApp, Telegram, PGP-Mails etc.) in ihrer Technik und Programmierung so zu verändern, dass staatlichen Institutionen (Polizeien, Geheimdienste etc.) ein Zugang zu den Nachrichten und ihren Inhalten gewährt werden kann. (Siehe auch den Offenen Brief des freiheitsfoo’s an das Bundesinnenministerium vom 8.12.2020)

Damit hat die EU eine neue Schlacht der so genannten „Cryptowars“ eröffnet, auch wenn dieses Anliegen gar kein neues ist sondern ein – wenn auch medial sehr viel weniger bis gar nicht beachtetes – mehrjähriges Vorspiel hatte und insofern im Grunde gar nicht überraschend ist.

Wie auch immer: Derzeit wird medial allermeist vor dem Einbau von sogenannten „Hintertüren“ oder „Generalschlüsseln“ berichtet und gewarnt. Tatsächlich würden diese die Vertraulichkeit in Ende-zu-Ende-verschlüsselte TK untergraben mit gravierenden Folgen für Demokratie und die Menschen, aber auch für Wirtschaft und Verwaltung. Der Aufschrei der Zivilgesellschaft konnte kaum überraschen.

Nun scheint sich ein neuer Zweig in der zum Vorhaben der EU vermittelten Propaganda abzuzeichnen: Man wolle und werde (unter Vorbehalt!) gar keine Hintertüren oder Zugänge via Generalschlüssel erzwingen und einbauen. Stattdessen werde man „nur“ vor dem Verschlüsseln und Versenden von Nachrichten und Dateien deren Hash-Wert mit den Hash-Werten verbotener Medien abgleichen. Es müsse also gar keine Verschlüsselung geknackt werden, da die Daten in noch unverschlüsselter Form ausspioniert (Neusprech: „detektiert“) werden. Der Abgleich der Hash-Werte erfolge dabei vorzugsweise mit Servern von Dritt-Parteien, an die das verdächtige Material (vulgo: die Daten der Endnutzer.innen) dann geschickt werden.

Diese und andere Szenarien der Verschlüsselungs-„Umgehung“ werden – in recht nüchterndem Bürokratie-Technik-Deutsch verfasst – in einem von der „Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITIS)“ als Anlage zur Kurzinformation „Zum Brechen oder Umgehen von Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen“ des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags veröffentlichten Dokument beschrieben. Sie nehmen alle Bezug auf ein Arbeitspapier  der EU-Kommission, das vom Magazin Politico geleakt wurde und das technisch wohl am interessantesten ist. Dieses Arbeitspapier scheint die (argumentativ schwache) Basis der Hintertüren der Hintertüren zu bilden. Absicht aller Maßnahmen sei doch „nur“ das Verfolgen von Kinderpornografie-traftaten.

Staatstrojaner für alle

Das alles klingt zunächst recht beruhigend, doch hat diese Beruhigungs-Pille erhebliche Nebenwirkungen, die dem Einbau von Hintertüren oder der Möglichkeit der Verwendung von hinterlegten Generalschlüsslen zur Entschlüsselung in nichts nachstehen:

Tatsächlich handelt es sich bei dem favorisierten Verfahren um Staatstrojaner für alle, um Spionagesoftware, deren erklärter Zweck es ist, Uploadfilter zu erzwingen. Im Endergebnis bekommen Endanwender.innen das Schlechteste aus beiden Welten, der Welt der Staatstrojaner und der Welt der Uploadfilter, vereint im App-Store ihres früheren Vertrauens frei Haus.

Staatstrojaner sind grundrechtlich mehr als heikel, ihre technische Sinnhaftigkeit höchst fraglich und ihre soziale oder auch nur ordnungspolitische Wirksamkeit niemals nachgewiesen worden. Eine diffuse Panik der Staatsmacht vor einem vorgeblichen „Going Dark“ hat hier zu keinerlei Zuwachs argumentativer Stärke geführt – aber zu höchst bedenklichen Kontroll- und Überwachugsbefugnissen der Dienste und Polizeien. Soweit das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von Staatstrojanern nicht komplett verworfen hat, war der Einsatz immer an enge Vorgaben gebunden. Staatstrojaner dürfen nur dort eingesetzt werden, wo sehr gewichtige Rechtsgüter in sehr konkreter Gefahr schweben. Staatstrojaner richten sich nur gegen die unmittelbaren Urheber der Gefahr und ihr Einsatz ist sofort zu beenden, wenn die Gefahr vorbei ist.

Nach dem Szenario oben soll eine entsprechende Software aber möglicherweise zwangsweise in alle Ende-zu-Ende-verschlüsselnden Messenger und Dienste eingebaut werden und ständig abhorchen, was da kommuniziert wird. Alle Nutzer.innen von z.B. Signal wären betroffen, von WhatsApp oder anderen entsprechenden Diensten. Alle wären verdächtig, alle würden entsprechend ausgeforscht und dies ständig, sobald sie ihre Messenger benutzen. Alle stehen unter Generalverdacht.

Uploadfilter

Dass dazu die Inhalte an Server im Internet übertragen werden sollen, vergrößert nicht nur die Angriffsfläche für interessierte Viertparteien immens. In den Arbeitspapieren von EU-Kommission und Innenministerium ist von Hash-Werten die Rede, die auf Servern mit solchen inkriminiertem Materials verglichen werden sollen. Aber auch die serverseituge Untersuchung unverschlüsselten Materials wird erwogen. Letzteres insbesondere, um die vetraulichen Daten der Endnutzer zum kostenlosen Datenmaterial für Künstliche-Intelligenz-Training zu missbrauchen. Dass es eine solche Überlegung überhaupt bis in die Arbeitspapiere der Ministerien geschafft hat, macht fassungslos.

Aber auch die Verwendung von Hashwerten kommt mit zusätzlichen Nachteilen daher. So sind Übereinstimmungen von Hashwerten durch kleinste Änderungen im Ausgangsmaterial umgehbar. Kriminelle, die ihr Handwerk verstehen, können solche Filter mit wenig Aufwand austricksen. So zeigt sich, dass die favorisierten Verfahren der EU-Kommission und des Innenministeriums zur Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung viele der Nachteile von Uploadfiltern teilen. Und das ist kein Wunder, denn es handelt sich von der Funktionsweise her um lupenreine, zwangsimplementierte Uploadfilter – mit all den Nachteilen, die schon bei den Gesetzesvorhaben zur Urheberrechtsreform 2018, bei der jüngst diskutierten TERREG-Verordnung und all den anderen Uploadfilter-Vorhaben ruchbar wurden. Von Falschtreffern über wettbewerbsverzerrende Effekte bis hin zu Chilling-Effekten, dass etwa Eltern sich nicht mehr trauen Bilder ihrer badenden Kinder an die Großeltern zu schicken, oder generell in Diskussionen Wörter zu vermeiden, die beim Filter „anschlagen“ könnten. Uploadfilter sind schlecht für eine demokratische Gesellschaft.

All diese Details sind endlos ausführbar und belegbar. Manches lässt sich vielleicht partiell in der ein oder anderen Richtung fixen, aber ein Grundproblem aller dieser Ansätze kann nicht hintergangen werden: Die Vertraulichkeit der Kommunikation ist dahin, wenn die Daten der Menschen auf für diese nicht nachvollziehbare Weise zu Servern zur Kontrolle geschickt werden. Das betrifft sämtliche Umgehungs-Varianten, die im Arbeitspapier vorgelegt wurden. Es scheint, dass hier ein weiterer Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft gestreckt wird. Das ist nicht weniger schlimm als Hintertüren. Das ist nur anders schlimm.

Morgen, am Montag, den 14.12.2020 wollen die EU-Justiz- und Innenminister*innen in einer EU-Rats-Sitzung die geleakte Resolution verabschieden, die einen jederzeitigen Zugang für Behörden zu verschlüsselter Kommunikation fordert. Es wäre mehr als naiv anzunehmen, dass sich die dort versammelten Verantwortungträger eines Besseres besinnen werden und diese Resolution nicht annehmen.

Die Cryptowars 2.0 werden fortgeführt.

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Breites Bündnis ruft dazu auf, den Ökumenischen Kirchentag 2021 nicht zur Bühne für „Bundeswehr“-Propaganda werden zu lassen

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Ein Offener Brief der Initiative „freiheitsfoo“ zur Absicht der EU zur Aufweichung der Sicherheit Ende-zu-Ende-verschlüsselter Telekommunikation an das dafür zuständige Bundesinnenministerium

„Familienfoto“ des EU-Innenminister-Treffens vom 7.7.2020, Quelle: BMI

Angeregt durch einen freundlichen Hinweis via Twitter haben wir heute dem Bundesinnenministerium als eine der hauptverantwortlichen Stelle im Geflecht der EU-europäischen Strippenzieher*innen einen Offenen Brief versendet, in der wir dringend vor der Aufweichung der bislang recht harten und abgesicherten Ende-zu-Ende-Verschlüsselungs-Telekommunikation bspw. durch die Einführung staatlich zugänglicher Hintertüren warnen.

Nachfolgend der Brief als Dokument für die Öffentlichkeit, verbunden mit einem Hinweis auf die lesenswerte Chronologie zu den durch die EU, Polizeibehörden und Geheimdienste re-initiierten „Cryptowars“.

Von: freiheitsfoo, info@freiheitsfoo.de
An: Bundesinnenministerium, COSI.DE2020@bmi.bund.de

Hannover, den 8.12.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Schreiben es EU-Rats vom 18.9.2020 („Security through encryption and security despite encryption“) wird angeregt, Kritik an der geplanten Einführung von Hintertüren bei Systemen zur Unterstützung und Durchführung Ende-zu-Ende-verschlüsselter Telekommunikation an Sie zu richten. Leider hat uns dieses Schreiben erst jetzt erreicht und so konnten wir die gesetzte zeitliche Frist zum 7.10.2020 nachvollziehbarerweise nicht einhalten. Anlässlich der anhaltenden öffentlichen Diskussion zu diesem Vorhaben ergreifen wir dennoch die Gelegenheit und möchten Sie auf Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 25.11.2020 mit dem Titel

„Für den Schutz vertraulicher Kommunikation durch eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – Vorschläge des Rates der Europäischen Union stoppen“

hinweisen.

Dieses zwei Seiten umfassende Dokument ist schnell gelesen und wir sind sicher, dass Sie dafür genügend Zeit und Konzentration aufbringen können. Dennoch möchten wir einen uns wichtig erscheinenden Absatz hervorhebend zitieren:

„Würden die Vorschläge des Rates der Europäischen Union umgesetzt, würde eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben und notwendiges Vertrauen zerstört, ohne dass das angestrebte Ziel, die Ermittlungsmöglichkeiten von Sicherheitsbehörden zu verbessern, nachhaltig und effektiv erreicht wird. Hintertüren in Verschlüsselungsverfahren stellen die Sicherheit und Wirksamkeit dieser gänzlich in Frage. Die Aushöhlung von Verschlüsselungslösungen würde zudem unweigerlich zu einem Ausweichen auf Umgehungstechniken führen, derer sich sowohl Kriminelle und Terroristen als auch technisch versierte Bürgerinnen und Bürger bedienen könnten. Gleichzeitig würde der Einsatz wirksamer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für technisch weniger versierte Bürgerinnen und Bürger faktisch unmöglich gemacht.“

Dem bleibt nichts hinzufügen und wir unterstützen die Haltung der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden uneingeschränkt, selbst wenn wir den Fokus des Problems weniger auf die negativen Folgen für Wirtschaft und Verwaltung legen würden denn auf die negativen Effekte und Risiken für die Menschen in Deutschland und in der EU in der Ausübung ihrer Freiheits- und Menschenrechte und hinsichtlich einer freien und staatlicherseits möglichst unberührten Entwicklung einer eigenen, autonomen und starken, verantwortungsvollen Persönlichkeit.

Der renommierte Computerwissenschaftler und Kryptologe Bruce Schneier hat die Gefahren, die von Hintertüren und Verschlüsselungseinschränkungen ausgehen (ohne dabei wirkliche Sicherheit gewährleisten zu können) ausführlicher analysiert (Bruce Schneier, Click Here to Kill Everybody, New York 2018). Er hat die immensen Gefahren untersucht, die damit für freie Gesellschaften in einer immer vernetzteren Welt verbunden sind und vor sechs Regelungen gewarnt, die Politiker.innen grundfalsch machen können. Von diesen sechs schlimmsten Punkten werden im Rats-Vorschlag gleich mehrere auf einmal gefordert:

  • Hintertüren
  • Beschränkung der Verschlüsselung
  • Massenüberwachung (denn Hintertüren der geforderten Art schwächen alle)

Wir empfehlen, wenigstens das elfte Kapitel dieses Buches („Welche Fehler die Politik begehen kann“) zu lesen. Schneier bringt dabei nur auf den Punkt, was unter Techniker*innen allgemein bekannt ist: es gibt keine Hintertüren „nur für die Guten“. Sie treffen vor allem die 99% rechtstreuen Menschen und schwächen alle Systeme bis hin zur kritischen Infrastruktur.

Was meinen Sie zu dem allen und wie wird sich die breite Kritik an den Plänen der EU auf diese auswirken?

Welches sind die zeitlich nächsten Schritte bei den Überlegungen zu den Plänen auf EU-Ebene?

Viele gute Grüße von den Menschen der Initiative „freiheitsfoo“.

Veröffentlicht unter Meinung/Kommentar | Kommentare deaktiviert für Ein Offener Brief der Initiative „freiheitsfoo“ zur Absicht der EU zur Aufweichung der Sicherheit Ende-zu-Ende-verschlüsselter Telekommunikation an das dafür zuständige Bundesinnenministerium

Moralisches Armutszeugnis: Stadt Hannover stellt Strafanzeige gegen Menschen, die amtlich verschuldet leerstehende Häuser für Menschen ohne Bleibe besetzen

In Winter- und Kältezeiten während der Corona-Pandemie denjenigen Menschen praktisch und faktisch zu helfen, die keine Bleibe und kein Zuhause haben hieße, sich für eine lebenswürdige Unterkunft für die Obdach- und Wohnungslosen einzusetzen.

Das tut die Verwaltung der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover derzeit wenn überhaupt nur halbherzig und steht so seit über einem Monat unter der Kritik einer Initiative „Sonst besetzen wir!“

Deren Aufforderung, diese menschliche Misslage endlich tatkräftig anzugehen verhallte bei den in den Ämtern weitgehend ungehört, so dass es – nach entsprechender Ankündigung – am vergangenen Samstag zur Besetzung von seit rund 1,5 Jahren leerstehender Sozialwohnungen im Besitz der Landeshauptstadt kam. Diese stellte ohne großes Zögern Strafanzeige gegen die elf besetzenden Aktivist*innen, womit der Polizei die Gelegenheit zum Räumen der besetzten Wohnungen gegeben worden ist.

Offensichtlich gibt es bei der Stadt Hannover für die Anliegen und Nöte der Besitzlosen weder Fein- noch Mitgefühl und anstelle unbürokratischer Maßnahmen werden nun diejenigen Bürger*innen kriminalisiert, die über mehr Empathie und Handlungskraft verfügen.

So löst man keine Probleme und wir möchten die nun als „Jetzt besetzten wir“ bezeichnete Initiative wenigstens soweit unterstützen, indem wir deren Pressemitteilung vom 6.12.2020 wiedergeben.

Der Vollständigkeit halber hier noch ein Link zu einem Beitrag der monpolistisch wirkenden hannoverschen Tageszeitung „HAZ“, die in ihrer Berichterstattung wie gewohnt ausschließlich oder mindestens stark tendenziös die Sicht von Polizei und anderen Behörden wiederkäut.

Aktivist_innen besetzen Häuser in Vinnhorst – über 800 Menschen demonstrieren erfolgreich für würdige Unterkünfte für Wohnungslose – Polizei drangsaliert Unterstützer_innen

Pressemitteilung der Initiative „Jetzt besetzen wir!“

Über ein dutzend Menschen haben die Initiative „Jetzt besetzen wir!“ unterstützt und am 5.12. mehrere Häuser in Vinnhorst besetzt, um gemeinsam mit Wohnungslosen Unterkünfte zu beschaffen. Die Stadt Hannover hat ihr zynisches Verhalten gegenüber Wohnungslosen beibehalten und die in ihrem Besitz befindlichen Häuser räumen lassen. Zudem führte der große Polizeieinsatz dazu, dass viele Wohnungslose abgeschreckt wurden und von der Straße zusehen mussten, wie eine weitere Hoffnung zerstört wird. Allerdings bekamen diese und die Besetzer_innen sehr viel Zuspruch von den verbliebenen Mietparteien der Siedlung. Andere Nachbar_innen brachten sogar selbstgebackene Kekse und heißen Tee vorbei. Es zeigt sich, dass große Teile der hannoverschen Bevölkerung nicht auf Seiten der Regierenden stehen. Das freut uns.

Andererseits wurden viele Unterstützer_innen, die von der Demonstration kamen, von der Polizei drangsaliert, geschlagen und eingekesselt. Eine angemeldete Spontandemonstration zur Unterstützung der Besetzung wurde von der Polizei rechtswidrig verhindert.

Trotz eines Gesprächsangebotes von Seiten der Besetzer_innen hat die Stadt Hannover sich dem Dialog verweigert und die Häuser räumen lassen. So ist es wieder nicht gelungen, Wohnraum für Wohnungslose zu erkämpfen. Wir sagen aber deutlich: Das ist erst der Anfang. Die Aktivitäten zur Erkämpfung würdiger Unterkünfte haben erst begonnen. Die Stadt Hannover macht sich etwas vor, wenn sie glaubt, sie könne verhindern, dass sich Wohungslose und solidarische Menschen zusammentun. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen auf der Straße sterben, weil sie keine Unterkunft finden.

Alle Sachbeschädigungen an den Häusern sind durch das Verhalten der Polizei entstanden, als sie zur Räumung der Häuser eine Ramme einsetzten. Im Interesse der Wohnungslosen war von den Besetzer_innen darauf geachtet worden, keine Schäden zu verursachen.

Wir forden die Stadt Hannover auf, den Strafantrag gegen die Aktivist_innen zurückzuziehen. Wenn die Stadtverwaltung glaubt, soziale Probleme und Konflikte polizeilich lösen zu können, wird sie weitere Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringen. Daran haben wir keinen Zweifel.

Wir forden die Stadt auf, unverzüglich alle in ihrem Besitz befindlichen Immobilien für Wohnungslose zu öffnen.

Wir werden keine weiteren Ultimaten mehr stellen.

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