Zeitzeichen, 8

victor-klemperer-cc-by-sa-bundesarchiv_bild_183-s90733-mod-freiheitsfooIn unserer Kategorie „Zeitzeichen“ rezitieren wir in unregelmäßigen Abständen und in ebenso unregelmäßigem Umfang Nachrichtenschnipsel oder Zitate, die wir als möglicherweise stellvertretende Beispiele für größere Entwicklungen und gesellschaftliche Symptome empfinden: als Zeitzeichen.

Wir behalten uns vor, dieses oder jenes kurz zu kommentieren oder zu bewerten, oder auch nicht. :)

Der technologiegläubige neue Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, am 8.12.2017: „Wir brauchen digitale Beteiligungs-Möglichkeiten. Es muss möglich sein, sich zu vernetzen, Anträge zu erarbeiten, Positionen zu finden unabhängig von Zeit und von Ort. Ich kann heute von unterwegs mit meinem Smartphone mein komplettes Leben fast organisieren.“
Herr Klingbeil ist schon lange ein Freund von Google und Facebook, einer sachlichen Auseinandersetzung der Rolle diese (a)sozialen Netzwerke in der gesellschaftlichen Entwicklung und warum sich Herr Klingbeil 2013 so besonders werbewirksam von facebook in dessen „Leitfaden für Politiker und Amtsträger“ präsentieren ließ, diesen Fragen hat er sich aber leider bislang verweigert.

Anläßlich der Verbrennung von Flaggen im Rahmen von Demonstrationen gegen Israel kocht der Populismus zur noch weiteren Einschränkung der Demonstrationsfreiheit hoch. Ein Beispiel aus einer DLF-Berichterstattung vom 12.12.2017 für ein krudes und demkratiefeindliches Verständnis der Demonstrationsfreiheit: „Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, kritisiert das geltende Versammlungsrecht: Da die Organisatoren offenbar nicht garantieren könnten, dass es nicht zur Ausschreitung komme, müsse man prüfen, wie sich solche Demonstrationen generell verhindern ließen.“ Herr Schuster möchte Demonstrationsanmelder gerne für das gesamte Geschehen einer Versammlung verantwortlich sehen, hat das Wesen der Versammlungsfreiheit offenbar nicht verstanden.

Der niedersächsische Innenminister offenbart seine Lebensferne von dem, was verfassungsrechtlich unter Versammlungsfreiheit verstanden wird. Aus einem Interview mit der taz vom 19.12.2017:
„taz: Die Vermummung bei Demonstrationen soll wieder von der Ordnungswidrigkeit zur Straftat werden. Hatten Sie das nicht abgeschafft, um der Polizei die Arbeit zu erleichtern?
Pistorius: Das gehört zu den Dingen, die man in einer Koalition aushandelt. Das ist im Übrigen keine entscheidende Frage für die Demonstrationsfreiheit.“

Ein weiterer Gletscherabbruch der Errungenschaften menschlicher Vernunft, hier am Beispiel Polens, berichtet vom 2.1.2018: „Das polnische Justizministerium hat im Internet eine Datenbank mit Informationen zu Hunderten verurteilten Pädophilen öffentlich zugänglich gemacht. Die insgesamt 768 Personen in dem Online-Pranger hätten Kinder unter 15 Jahren missbraucht oder besonders brutale Vergewaltigungen begangen, so die Regierung. Das Recht „unsere Kinder zu schützen“, wiege schwerer als das Recht dieser Kriminellen auf Anonymität, begründet Justizminister Zbigniew Ziobro des „Rejestr Sprawców Przestępstw na Tle Seksualnym“. (…) Der Minister verweist anlässlich der Veröffentlichung des Registers auf ähnliche Datenbanken in anderen Staaten, darunter etwa den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie würden eine wirksame Kontrolle der Straftäter ermöglichen. Verschiedene Arbeitgeber wie Schulleiter müssen nun prüfen, ob Bewerber in der Liste aufgeführt sind. Bei Einstellung eines aufgeführten Sexualstraftäters drohen Geldstrafen.“

Zur Zukunft der Unsicherheit höchstsensibler Gesundheitsdaten:
a) heise.de am 17.1.2018: „Unbekannte Hacker haben offenbar mit einer DDoS-Attacke die Website des elektronischen Gesundheitssystems in Lettland lahmgelegt. (…) Der externe Zugriff auf das digitale Gesundheitsinformationssystem sei unmittelbar nach der Attacke vorübergehend gesperrt worden. (…) Das zentrale Gesundheitsinformationssystem wurde 2016 in Betrieb genommen. (…) Trotz Widerstands von Ärzten müssen sich seit Jahresbeginn alle Gesundheitseinrichtungen in Lettland verbindlich dem System anschließen, das wiederholt technische Probleme aufwies.“
b) Und noch einmal heise.de, vom 18.1.2018: „Professionelle Hacker sind in die Computersysteme einer norwegischen Gesundheitsbehörde eingedrungen und haben allem Anschein nach massiv Patienten-Daten kopiert. (…) Dabei hatten Hacker offenbar Zugriff auf Akten von 3 Millionen Patienten (…) Zum jetzigen Zeitpunkt ist unbekannt, wie die Hacker in das System eingedrungen sind. Unklar bleibt auch, ob die Angreifer noch Zugang zu dem attackierten Netzwerk haben. (…) Eventuell könnten die Angreifer die Daten für spätere Spionagezwecke missbrauchen. Schließlich befinden sich in dem Datensatz auch Infos zu Mitarbeitern des Militärs und der Regierung.“

Auszug aus einem euphemistischen Beitrag des „christlichen“ Noch-Bundesinnenministers de Maiziere auf seinem persönlichen Internetauftritt unter der Überschrift „Mein Engagement“ (vom 1.2.2018): „Die Aussetzung des Familiennachzugs wird bis zum 31. Juli dieses Jahres verlängert. Ab dem 1. August dieses Jahres gibt es dann keinen Anspruch mehr auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte. (…) Dieser Kompromiss steht für Humanität und Verantwortung, für Integration und Begrenzung, für Großzügigkeit und Realismus.“

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