In Hamburg hat sich – als zweite Stadt nach Berlin – eine Initiative gegen die in den letzten Jahren zumeist unbemerkt massiv ausgedehnte Werbeflächen im öffentlichen (Lebens-)Raum der Großstadt gebildet:
Das ist zu begrüßen, infiltrieren und belästigen diese nicht abschaltbaren und nicht ausweichbaren „Zwangsglotzen“ doch alle sich im öffentlichen Raum bewegenden Menschen, ganz unabhängig davon, wie diese der Dauerberieselung mit nicht selten zweifelhafter Werbung gegenüberstehen.
Die Initiative beschreibt ihre Absichten und sich selber wie folgt:
„Wir wollen eine ökologische, hübsche, freie, interessante, warme und menschenfreundliche Stadt.
Der öffentliche Raum und die Aufmerksamkeit von uns Menschen sollten nicht privatisiert und kommerzialisiert werden.
Das Geschäftsmodell von Firmen wie DSM/Ströer und Wall/JCDecaux, die Stadt in eine Dauerwerbesendung zu verwandeln, halten wir für grundfalsch. Außenwerbung nutzt nur wenigen großen Firmen. Sie belästigt und manipuliert Menschen durch unterbewusst wirkende Botschaften und fördert das Gefühl von Mangelhaftigkeit und bewirkt ungesundes und unnötiges Konsumverhalten.
Die Umweltschäden durch Strom- und Papierverbrauch sowie durch Lichtverschmutzung sind enorm.
Darum starten wir eine Volksinitiative und anschließend ein Volksbegehren. Zur Europawahl 2024 werden wir den Volksentscheid durchführen.
Unser Gesetzentwurf wird Außenwerbung durch Änderungen im Bauordnungsrecht und im Wegegesetz weitgehend beenden.“
Und:
„Wir sind Hamburger:innen, denen ihre Stadt am Herzen liegt. Uns bewegen Themen wie Meinungsfreiheit, Umweltschutz, Ästhetik, Architektur, Stadtplanung und Verkehrssicherheit. Wir agieren unabhängig von Parteien und Organisationen. Vorbild und Partnerin ist für uns die Initiative Berlin Werbefrei, die für ihr Anliegen bereits über 43.000 Unterschriften sammeln konnte.
Wir sehen uns als Teil einer globalen Bewegung gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, gegen allgegenwärtigen Konsumdruck, gegen den Ausverkauf unserer Gegenwart an große Unternehmen. Weg mit dem Werbescheiß – dadurch wird Hamburg schöner und einzigartiger!“
Nachfolgend (erst-)veröffentlichen wir – durchaus mit Freude und ein wenig Stolz – die so kluge wie umfangreiche Kritik am Status Quo der Zwangsbeglückung durch moderne „Stadtmöblierung“. Sie kann als Fortsetzung einer bereits hier im Februar 2021 veröffentlichten Kritik an der öffentlich bislang wenig diskutierten Vereinnahmung der Städte durch einflußreiche Werbekonzerne verstanden werden.
Wir wünschen dem folgenden, vorzüglich mit Bildern aus der Realwelt dokumentierten Gastbeitrag eine breite Leserschaft und weite Verbreitung.
[GASTBEITRAG]
„Bitte nicht …“ – Über die Stadt Hamburg als Zwangs-Dauerwerbeveranstaltung
Dies ist Teil 2 der epischen Abrechnung mit dem Zwangsglotzen-System von JCDecaux.
Ein persönlicher Bericht eines werbekritischen Hamburgers, mit Bildern, Links, ironischen Kommentaren und aktuellen Bezügen.
Kann wieder Spuren von Polemik enthalten.
TL;DR? Wer den Text nicht lesen mag, ist trotzdem gern eingeladen, sich an den Bildern zu ergötzen und, Hand aufs Herz, zu sagen ob die Stadt durch die aggressive Werbung irgendwie besser wird …
Struktur …
… oder Gliederung? Auch diesmal Fehlanzeige. Dies ist noch das Stadium des Sammelns von Ideen, Bemerkungen, Argumenten. Obwohl ich versucht habe es zu vermeiden: manches ist dreifach gesagt, anderes fehlt; an der Strukturierung arbeite ich noch.
Der Text beinhaltet am Rande Exkurse in andere Fails aus Politik & Verwaltung. Ich halte mich dabei noch relativ stark zurück, denn erstens ist es nötig, ein Thema abzugrenzen; zweitens: mit diesen Fails (die auch im Freiheitsfoo-Blog und bei anderen Gruppen, die sich um Bürger- und Menschenrechte und Fairness im Digitalen kümmern, immer sehr schön thematisiert werden) lassen sich problemlos Bücher füllen.
Umsomehr gilt das auch für die Alternativ- und Verbesserungsideen. Bloßes Meckern wäre ja sinnlos; ich versuche oft den Ansatz eines Gegenentwurfs anzubieten, letztendlich bringt es aber mehr, den gemeinsam zu entwickeln!
Die Ausschweifungen in andere Gebiete stehen also großteils in Fuß/Endnoten und können ignoriert werden, ohne den Sinn des Haupttextes zu verändern. Manche Fußnoten sind aber wichtig. Einfach gucken und dann entscheiden …
A propos Gegenentwurf – warum sollte in manchen Fällen eigentlich mehr nötig sein als ein klares „nein“? Die Vermüllung unserer Städte und Köpfe durch aggressive Werbeglotzen ist ein Angriff, um den niemand gebeten hat.[angriff] Es ist nicht so, dass es niemals Beschwerden gegeben hätte – ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem ehemaligen Mitglied einer Bezirksversammlung, aus dem ich mitnahm, dass es durchaus viele Eingaben von Bürger:innen zu dem Thema gegeben habe – allerdings scheint es so zu sein, dass diese nicht angenommen werden[beschwerden].
Mein Gegenentwurf könnte also im Wesentlichen in „lasst das sein“ bestehen. Mehr sollte bei solch einer Attacke eigentlich auch nicht nötig sein – warum ist denn das Opfer in der Pflicht? Alles, was ich zusätzlich versuche anzubieten, ist also strenggenommen die Kür.
Trotzdem ginge da vieles. Angefangen mit dem Naheliegendsten. Die Werbeglotzen gelten als „Stadtmöblierung“. Wie wäre es denn mit richtiger Stadtmöblierung nebst Stadtbegrünung, also Bänken unter Bäumen?
Wer meinen ersten Artikel kennt, wird manches wiedererkennen. Die Story geht weiter – der Kampf hat gerade erst begonnen. Das Thema rückt ins Bewusstsein vieler engagierter Menschen und ich habe schon jetzt Material für einen Teil 3, dann eher mit Zahlen und Fakten.
Hier versuche ich Taktiken der Gegenseite zu beschreiben, und vor allem durch Bilder zu belegen, dass die Anlagen wirklich die Stadt zu einem schlechteren Ort machen. Außerdem habe ich wieder einen Haufen beißender Worte gefunden, mit denen ich die Werbeindustrie (gern auch: „-mafia“) und ihre Helfer bedenke.
Außerdem versuche ich, Argumentationsmuster der „Befürwortung“ zu verstehen und – noch sehr unvollständig – zu zerlegen. Da müsste noch einiges gehen, denn welche Argumente will man anführen für eine Infrastruktur, deren Sinn darin besteht, die vielfältigen eigenen Gedanken der Menschen brutal durch einfältige Konsumbotschaften zu überschreiben?
Von den 2000er Jahren bis heute
Als um 2007[j2007] die erste Zwangsglotze von JCDecaux an der Grindelallee auftauchte, mit drei stupide auf und ab scrollenden Plakaten für irgendwelche Produkte, dachte ich nur: oh nein, bitte nicht … schon zuvor hatte ich ein paar Schlüssel-Erlebnisse mit der Werbeindustrie gehabt, die dieser meine dauerhafte Antipathie sicherten. Und das war eindeutig die nächste Eskalationsstufe.
Eines dieser Erlebnisse: noch bevor die Anlagen mit Motoren zum Plakatscrollen ausgestattet wurden, überstrahlte, verunstaltete und trivialisierte in einem eigentlich wunderschönen verschneiten Winter eine zwar noch nicht scrollende, aber derart widerliche sexistische Werbung von Media Markt (die es nicht wert ist, weiter beschrieben zu werden) an den Bushaltestellen die Szenerie, dass ich mich ernsthaft fragte, was bloß in den Köpfen der Macher der Konsumgesellschaft vor sich geht. Ob ihnen nichts heilig ist und sie absolut keinen Sinn für den Sinn des Lebens, Ästhetik oder auch nur Anstand haben.
Dass sie den Winter nicht Winter sein lassen konnten, die Stadt nicht Stadt und die Gedanken der Passanten nicht respektieren konnten. Und was die Werber sich bei dem Motiv gedacht haben (vermutlich gar nichts weiter. Hirn weggekokst?) Die Bilder waren nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen, ebensowenig wie die nervigen Jingles[jingles] für den Hörfunk es sind. Es handelte sich also um ein ziemlich mächtiges Wirkmittel, das mit großer Zielgenauigkeit für absolute Trivitalitäten in Stellung gebracht wurde.
Auch stellte sich mir damals schon die Frage, was diese Botschaften mit einer Gesellschaft machen können. Ein Vorgeschmack auf die unwahrscheinliche Macht der Werbeindustrie, die innere Welt der Gedanken anzugreifen und gegen Geld für Dritte zu bulldozen, um sie durch lukrativere Objekte zu ersetzen.
Dass das eine gesellschaftspolitisch hochbrisante Nummer sein sollte, steht eigentlich außer Frage.
Die Frage, ob es „wichtigere Dinge“ gibt, taucht trotzdem oft auf und ich möchte das nochmal kurz beiseiteräumen. Die gibt es (zumindest wenn man die Zusammenhänge kappen will, die zwischen den unterschiedlichen Problemfeldern bestehen) – das ändert zum einen nichts daran, dass dieses System einem im Alltag viel Kraft rauben kann und dann auch nichts mehr für diese anderen Themen übrigbleibt; zum anderen ist Werbung ein Eckpfeiler der Konsumgesellschaft und wirkt direkt und explizit gegen Nachhaltigkeitsziele, und was gibt es dringenderes als diese? Also tut mir den Gefallen, den Traum von der Freiheit von hyperaggressiver Werbung nicht als unwichtig abzutun.
Städtebau kann nicht unwichtig sein, wenn über die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Räumen wohnt. Aber wer hat eigentlich mehr Recht, die unmittelbare Lebensumgebung zu gestalten? Und wer muss sich am Ende in der Stadt wohlfühlen? Menschen oder Marken?
In diesem Feld treffen also viele wichtige Fragen aufeinander.
JCDecaux führt ja wirklich die Behauptung auf der Homepage, ihre Anlagen seien „ästhetisch“. Über Geschmack lässt sich streiten, aber glatt und glänzend macht noch keine Ästhetik. Hinsichtlich des „ästhetischen“ Stadtbilds verweise ich auf die Fotos in diesem Artikel, die übrigens alle unter der CC-0[cc0]-Lizenz stehen, d.h. sie sind komplett frei weiterverwendbar[lizenz]. Auf Anfrage habe ich etwas größere Versionen, leider meist nur als JPEG.
Mittlerweile ist die ganze Stadt voller nervtötender, hirnzerfetzend auf-und-ab scrollender Werbeglotzen mit hirnlosen Konsumbotschaften. Das ein oder andere seltene schicke Plakat tut der generellen Widerwärtigkeit dieses Systems keinen Abbruch.
Es gibt seit wenigen Jahren auch eine neue Sorte von völlig übertrieben grellen digitalen Werbeglotzen, mit denen die Konzerne an einem klaren Tag den Himmel mit Trivialbotschaften überstrahlen können[himmel]. Die Dichte der Anlagen in der Stadt[geo] ist derart hoch, es ist unmöglich, dem auszuweichen, ohne die Augen zu schließen. Auch das Ignorieren kostet Kraft.
Das ist nicht einfach so passiert, es wurde ihnen ausdrücklich von Senat und Bürgerschaft in dieser Form über unsere Köpfe hinweg vertraglich gestattet und die Bezirksbauämter erteilen die Genehmigungen. Es gibt Verantwortliche. Es gab sicher die besten Absichten, und man hat es sich schöngeredet. Und nun werden wir die visuelle Vermüllung nicht mehr los … oder?
Es ist auch gar nicht vorgesehen, dem ausweichen zu können. Ich nenne die Anlagen daher Zwangsglotzen, nicht bei ihren offiziellen, verharmlosenden Namen wie etwa „city lights“.[sia]
In Hamburg gibt es zwei Firmen, die sich das „Recht“ auf aggressive und unausweichliche Außenwerbung teilen: Wall GmbH, Teil des JCDecaux-Konzern (in Deutschland werden beide Marken verwendet) und Stroeer. Stroeer versucht mehr auf corporate social responsibility zu machen, hat kürzlich angefangen das Ehrenamt zu branden (HHelpingHands), hat meist etwas weniger aggressive Werbemotive (wobei das in einer gegebenen Woche auch mal anders herum sein kann), zeigt manchmal sogar die Regenbogenflagge (natürlich auch mit der Marke mittendrauf). Außerdem blenden sie, vermutlich als Köder, auch irgendwelche Privat-„News“ ein (was aber, wenn ich mit Absicht Abstand von dem hektischen Newscycle halten will? Darf ich das nicht mehr?)
JCDecaux sticht durch noch grellere, noch aggressivere, noch plumpere, noch glänzendere Anlagen hervor. Im direkten Vergleich sind die digitalen Werbeglotzen im Mega-Format von JCDecaux noch krasser, nerviger, greller, die Auswahl an Werbemotiven ist noch unschöner und weniger regional und sogar die Übergänge zwischen den grellen Bildern sind nicht schön gemacht, sondern krude, abrupt. Dieser Laden wirbt sogar explizit mit der Phrase „corporate social responsibility“, die mir schon immer suspekt war und in diesem Fall ganz besonders leer klingt … beide sind meines Erachtens keine wichtigen Partner für „Stadtmöblierung“ oder sonst etwas. Die Stadt wird durch ihre Anlagen in keiner Weise besser.Ich habe hier den Slogan (Werbedeutsch: „Claim“) von Wall, dem deutschen Inhaber der multinationalen Marke JCDecaux, etwas korrigiert: „Städte für Marken, nicht für Menschen“ statt „Für Städte. Für Menschen“.
Während des Lockdowns war das sogar ganz offiziell der Fall. Die Werbeglotzen – demzufolge total wichtige systemrelevante Infrastruktur – zappelten nicht nur dreist und höhnisch weiter, sondern wurden auch weiter gepflegt und geputzt, während für die Bevölkerung etliche Einschränkungen galten, manche vernünftig und unvermeidlich, andere wiederum schief aufgezogen, unbegründet und unsozial.[corona1]
Das friedliche Paar, das ich um 21:00 noch auf dem Mittelstreifen der Grindelallee sah, war in der eigenen Stadt mutmaßlich illegal unterwegs[corona1] – obgleich es unstrittig ist, dass SARS-Cov-2 vor allem Innenräume liebt – und hätte ganz offiziell von der Polizei für die Ausübung eines elementaren Grundrechts schikaniert werden können, während die ungebetenen Bilder weiter strahlen und zappeln durften, die ganze Nacht durch, wie immer. Nicht nur das; während des ganzen Lockdowns waren auch immer noch die Wagen von Wall unterwegs und es wurden jede Woche die Plakate in den mechanischen Zwangsglotzen gewechselt und die Scheiben geputzt. Nur in sehr, sehr wenigen Wochen war etwas mehr Ruhe, weil wohl die Kunden ausblieben und weil die Glotzen nicht zappeln, wenn sie mit nur einem Plakat bestückt sind.
Corona … Schulöffnungen … Schulen … ah. A propos Schulen. Hier ein paar Beispiele für die pädagogisch wertvollen Werbeinhalte, die die wertvolle Partnerschaft der Stadt mit JCDecaux/Wall auch Kindern und Jugendlichen „anbietet“ – um nicht zu sagen: auf dem Schulweg und sonstigen Wegen durch die Stadt und im Extremfall sogar beim Blick aus dem Fenster zuhause zwangsverordnet: wie das Geodatenportal Hamburg zeigt, stehen auch in der Nähe von Grundschulen und in Wohngebieten Werbeglotzen von Wall. Und selbst wo das nicht der Fall ist, stehen sie ja überall sonst an den Verkehrsachsen und -knotenpunkten und auch in U/S-Bahnhöfen wird fleißig für Zigaretten geworben!
Nur mal so nebenbei: die gleiche Politik, die das verbrochen hat, zieht Kinder- und Jugendschutz ganz und gar ungeniert heran, um z.B. Telekommunikation allgemein zensieren zu wollen. Zu dem Thema plane ich auch Anfragen. Wie kann es sein, dass Menschen von klein auf, vom Kindesalter an, der Werbeindustrie als Freiwild angeboten werden? Was für eine Art von Politiker tut so etwas? Gewissen beim Pförtner abgegeben oder was?
Und das geht schon wirklich lange so. So lange, dass manche sich gar nicht mehr erinnern, wie schön Hamburg einmal war.
Meine Wut kochte lange vor sich hin, bis ich mir ein Herz fasste und fürs Freiheitsfoo mein Störgefühl einmal in Worten beschrieb.
https://freiheitsfoo.de/2021/02/21/jcdecaux-stroeer-zwangsglotzen/
Nach einigen Überarbeitungen war auch wirklich das Meiste drin, was mich an dem ganzen Komplex stört – auf so vielen Ebenen ist daran, in meinen Augen, etwas grundfalsch, wenn Menschen ohne ihre Zustimmung derart missbraucht werden und das auch noWarench aus nicht besondern wertvollen Beweggründen (dazu später mehr Argumente).
Mittlerweile sind, auch durch meine Beschäftigung damit im Umfeld der neuen Volksinitiative, noch mehr Punkte hinzugekommen, aber im Wesentlichen ist schon alles drin.
Herausforderung angenommen
Nun haben wir auch in Hamburg eine Volksinitiative und können der im neoliberalen Status Quo verhafteten Politik das Heft des Handelns aus der Hand reißen und sie endlich zu der überfälligen Entscheidung drängen, die Werbekonzerne aus der Stadt zu jagen.
Bitte nicht partnerschaftlich, sondern mit einem Fußtritt.
Selbst wenn es nur auf eine starke Einschränkung der aggressiven Außenwerbung hinausläuft – eine Eindämmung auf ein erträgliches Maß – wäre das ein großer Gewinn.
In Berlin läuft solch eine Initiative zu einem Volksbegehren ja schon etwas länger, und es ist auch geplant, in andere Städte zu expandieren. Die Taktik der Gegenseite ist, wie nicht anders zu erwarten, sich dumm zu stellen und auf Zeit zu spielen (um sich vermutlich hinter den Kulissen dreckige Tricks zu überlegen – das ist zumindest meine Vermutung): Schlappe für den Senat vor dem Verfassungsgerichtshof
Dreiste Abwehrtaktiken der Gegenseite
Der Berliner Senat (rot-rot-grün!), sucht das Volksbegehren zu behindern, will sich wohl zu der richtigen Entscheidung zwingen lassen und klammert sich dabei an Strohhalme (um vor den Mächtigen nicht zu menschenfreundlich zu erscheinen? Es erschließt sich mir einfach nicht). Die Argumentation, warum das Volksbegehren so nicht ginge, ist vor Gericht zerschellt. Darin hieß es allen Ernstes:
Das Grundrecht von Grundstückseigentümern und Werbetreibenden (wohl das Lieblingsgrundrecht der Kapitalisten, das Recht auf Eigentum, Art. 14 GG) sei unverhältnismäßig betroffen.
Das allein finde ich einen Knüller.
Es ist so falsch! Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Dieser Trend, Grundrechte von Unternehmen pauschal über die von Menschen stellen zu wollen, ist allein schon bedenklich (und nach meinem Gerechtigkeitsempfinden meist das genaue Gegenteil von dem, was geboten ist); in diesem Fall kann das Recht auf Eigentum nicht stärker wiegen, denn das, was mit diesem Eigentum gemacht wird, wird ja gemacht um eine Wirkung auf Andere zu erzielen (und dann auch noch gegen ihren Willen und gegen ihr Interesse, genügsam zu leben)! Genauso plausibel wäre die Argumentation, der Folterknecht dürfe die Instrumente, die er besitzt und deren Eigentümer er oder sein Auftraggeber ist, allein deshalb auf sein Opfer anwenden: darf er nicht. Oder der Eigentümer einer Kläranlage dürfe den Inhalt seiner Bassins ungeklärt ins Grundwasser leiten. Darf er nicht!
Mir fielen jedenfalls viele Verwendungen von rechtmäßig erworbenem Eigentum ein, mit denen die Gegenseite sicher nicht einverstanden wäre. Ich verzichte mal auf graphische Beispiele.
Glücklicherweise sah es das Gericht wohl auch so, wenn ich das Urteil richtig verstehe.
Da wird noch mehr Abwehrtaktik kommen, denn es geht um großes Geld, aber nach meiner Überzeugung haben wir mit dem Ansatz des Verbots bestimmter Formen von aggressiver Außenwerbung Recht. Nicht nur moralisch sondern sicherlich auch mit der Chance, juristisch Recht zu bekommen. (Auch bei gewagteren Formen des Widerstands stellt sich doch die Frage – Adbusting ist kein Vandalismus, sondern Kunst und selbst in diesen Fällen ist es fraglich, wo die Grenzen des Legalen sind – sicherlich zu spießig und restriktiv, aber vielleicht nicht so restriktiv wie man meinen könnte?)[vandalismus]
Massenwerbung ist auch keine „Meinungsäußerung“, wie ich es von Tabaklobbyisten zu lesen bekam (eine Suche im Web ergibt leider einen Haufen brechreizerregender Treffer zu „Rechtsgutachten“, mit denen die Tabakindustrie das Recht verdrehen will, um ein drohendes Werbeverbot abzuwenden – auch Außenwerbung wird genannt). Das ist pervers, denn ein Zwang, Botschaften zu konsumieren, ist sicherlich keine bloße „Meinungsäußerung“. Das Recht auf Meinungsfreiheit beinhaltet ja auch nicht, dass ich jemandem, der das nicht will, täglich nachstellen und aus nächster Nähe etwas ins Ohr brüllen darf. Das wäre Stalking. Die Lobbyisten des Werbe-Stalkings sagen mit diesem „Argument“, dass Geld als Meinung zählen sollte und dass dabei jedes Mittel rechtens ist.
Auch mit der „Meinungsfreiheit“ wird versucht, ein Grundrecht im Sinne von Konzernen zu seinem Gegenteil zu verbiegen. Zu denen, die solche „Gutachten“ verbrechen (ich verlinke hier keines, Ihr werdet sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz fündig) und zu ihren Verdrehungen habe ich eine sehr drastische Meinung, die keinesfalls geeignet ist, in der Öffentlichkeit geäußert zu werden.
Auch mir als Laien ist es klar, dass es Rechtsgüterabwägungen gibt, und dass die von der Gegenseite bezahlten absichtlich einseitig sind und so sicherlich nicht durchkommen.
Dennoch muss man diese juristischen Pseudo-Argumente kennen, um sie besser bekämpfen zu können.
Aber vielleicht ist die beste Verteidiung der Gegenangriff?
Es scheint mir nämlich viel eher plausibel, dass die Werbetreibenden und ihre Helfershelfer sich der Nötigung in Millionen von Fällen schuldig machen – schließlich zwingen sie beispielsweise sowohl die, die Kraftfahrzeuge lenken, als auch andere Verkehrsteilnehmer:innen faktisch, ihre Bilder zu konsumieren oder einen Unfall zu riskieren – und habe auch vor, das juristisch klären zu lassen. Wenn aber das, was sie tun, als „legal“ angesehen werden kann, dann ist das Rechtssystem ohnehin noch kaputter, als ich gemeinhin denke.
Man kann sich aber als „Partner“ der Stadt auch als unentbehrlich hinstellen. Einerseits aus finanziellen Gründen, andererseits durch die Schaffung eines Nützlichkeitsmythos.
Eine neue Taktik von dieser Machart ist das Greenwashing, mit dem nun seitens des Konzerns Wall (JCDecaux) und seiner Partner in der Hamburger Politik[beewashing] einigen konstruktiven Vorschlägen aus der nichtkommerziellen Ecke, Bushaltestellen stattdessen zu begrünen, kurzerhand zuvorgekommen wurde und eine billige, kommerzielle, pervertierte Version davon mit aufgedrücktem Markenstempel und integrierter Werbeglotze realisiert wurde:
Eines muss man ihnen lassen, sie verstehen es, mit Entscheidern zu reden und den „Puls der Zeit“ zu erfassen. Ein leichter Gegner wird das nicht. Die Nähe ist auch viel zu groß.
Hier wird klipp und klar gemacht, dass auch das geringste Fleckchen Stadtbegrünung ohne Werbung nicht „finanzierbar“ sei (während bei etlichen Straßenerneuerungen die Büsche an den Rändern zerstört wurden und in der Mitte Werbeglotzen postiert wurden).[kunst]
In der sehr lesenswerten Antwort auf eine Große Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion[paw] schreibt der Hamburger Senat auch, die Anlagen wären auch für „niedrigschwellige Bürgerinformation“. Also Hilfsangebote und Stadtinformation gleichberechtigt neben kommerzieller Desinformation, die manchmal das Gegenteil fordert (z.B. auf der einen Seite feinstauberzeugende Tabakprodukte, die das Immunsystem schwächen können auf der anderen Seite eine Covid-Maskenkampagne – erstere monate-, jahrelang, letztere punktuell). Toll, soll ich applaudieren?
Aber dies ist die Art, wie sich für solche Infrastrukturen immer neue (Schein-)Verwendungen finden lassen, die es schwieriger machen, sie zu de-etablieren.
Doch die Wahrheit ist, dass wir diese Konzerne und ihre „Hilfe“ nicht brauchen. Wer würde nicht gern die unmittelbare Umgebung positiv mitgestalten und dafür z.B. auch ein bisschen Gärtnern?
Lasst uns einfach machen!
Wiederholung ohne Sinn und Maß
„Außenwerbung ist wichtige Information“, heißt es.
An manchen Orten, Verkehrsknotenpunkten, Verkehrsachsen oder auch Hauptbahnhöfen, ist es wirklich lächerlich. Da reiht sich eine Glotze an die nächste. An jeder Ecke steht eine, und wenige Meter weiter entlang der Straße die nächste, oft mit der gleichen, gleichgeschalteten Botschaft. Warum? Reicht nicht eine, um die vermeintliche „Information“ zu vermitteln oder das vermeintliche „Angebot“ zu machen? Offenbar nicht, sonst würde man das Geld sparen und nur eine Anlage hinstellen. Und – plumps – fällt das Lügengebäude, dass es sich bei aggressiver Massenwerbung um „Information“ handele, in sich zusammen.
Es geht vielmehr um Einschleifung durch Wiederholung. Deshalb ist auch jeder Vergleich mit irgendwelchen „zufällig“ hässlichen Dingen, die man nun mal punktuell zu sehen bekommen mag, fehl am Platze. Diese Industrie hat einen ganz anderen Charakter. Es geht um eine systematische, vorsätzliche Überreizung, um Widerstände per Zwang abzuschleifen. Eine Strategie der Übersättigung; eine Art Gehirnwäsche mit schmutzigem und ätzendem Wasser.[parallele] (Es ist mir als Verschwörungstheorie ausgelegt worden, aber ich unterstelle durchaus, dass schädliche psychologische Auswirkungen durch diese Störungen gut bekannt sind und zumindest billigend in Kauf genommen werden, wenn sie nicht sogar Teil der intendierten Wirkweise sind. Ein Mensch, der in sich ruhen darf, ist schließlich kein gutes Zielobjekt für die Konsumgesellschaft; dieser Mensch könnte sogar auf die Idee kommen, gar nichts von dem zu brauchen).
Weil Sinn und Maß fehlen, kann der groteske Exzess aber nicht als solcher erkannt werden und wird zur neuen Normalität: weil der Einsatz nicht auf einer rein rationalen Überlegung beruht, sondern auf „gefühlten“ Zusammenhängen – in dem einen Fall soll mehr Überwachung anscheinend zu entsprechend viel mehr angeblicher „Sicherheit“ führen, in dem anderen Fall soll der Kaufimpuls mit der Intensität der Dauerbelästigung steigen, gibt es auch keine Zielvorgaben, wann es denn „mal gut“ ist damit.
Auch in Richtung ihrer Kunden betreiben die Werbefirmen starkes Marketing, um die Werbeflächen feilzubieten. Warum, wenn nicht um die kauffördernde Wirkung überhöht darzustellen[online]?
Analyseversuche beiseite: hier kommen die Bilder.
Status Quo: Hamburg ohne Adblocker – unerträglich
Im Web gibt es Adblocker. Wer nicht kirre werden will, benutzt die auch. In der Stadt dagegen hat die Werbeindustrie das, was sie immer wollte[adblocker] – eine captive audience, verdonnert zum Rezipieren.
Hamburg will laut Standortmarketing „einzigartig“ sein. Bestimmt ist das der Grund, warum sogar an der Elbchaussee der Blick auf die Elbe weniger wichtig ist als die gleichgeschalteten Botschaften der Werbeindustrie: „Du bist hier nicht in der Freien und Hansestadt Hamburg, sondern in der Echokammer der Konsumgesellschaft“ (siehe jedoch meine Schlussbemerkung für ein positives Beispiel, wie es auch geht![tipp]).
Durch Hamburg zu gehen oder zu fahren, ist für mich seit Jahren eine Qual wegen der über-aggressiven Werbeglotzen. Ich habe mich schon genug im 1. Teil darüber ausgelassen. Die Wirkung ist kumulativ, als würde man an der gleichen Stelle immer wieder scheuern. Ich weiß auch, dass manche das Glück haben, weniger stark darauf zu reagieren. Doch die Hässlichkeit und Widersinnigkeit sollte nachvollziehbar sein.
Eigentlich möchte ich der Bürgerschaft einen Bildband schenken. Einen Bildband mit dem Titel: „F*ckt euch doch einfach mit eurer hirnlosen Werbescheiße“. Pardon my French.
Ich übertreibe nicht – die Konzentration auf Hauptverkehrsachsen bei gleichzeitig flächenartigem Befall ist auf der Karte deutlich zu sehen.
Die Bilder unten sind Standbilder. Sie wirken dadurch friedlicher und weniger ätzend als in der Realität: Filmaufnahmen würden zusätzlich das hirnzermarternde Auf- und Abscrollen der Anlagen wiedergeben, das zu ignorieren sehr schwierig ist (und garantiert auf genau diesen Effekt optimiert wurde). Wer das schon mal in echt gesehen hat, kann es sich ja dazudenken.Nicht allein das Motiv ist das Problem. In Tabakwerbung, die sich ja Schutzbehauptungen und „Richtigstellungen“ der Tabaklobby zum Trotz nachweislich[tabakzielgruppe] nicht an Erwachsene richtet, sehe ich einen relativ klaren Fall, dass auch der transportierte Inhalt hochproblematisch ist – in manchen Fällen ist das vielleicht debattierbar, aber dann ist immer noch die Form des Kanals indiskutabel, der ja eine zwangsweise Verabreichung der Bilder ohne Widerspruchsmöglichkeit vorsieht.
Die Helligkeit der digitalen Glotzen wird polarisierte Sonnenbrillen teils stark abgeschwächt. Es ist wahrscheinlich unklug, darauf hinzuweisen, denn der Anspruch ist total: die Botschaften müssen auf Biegen und Brechen allen Passanten ins Hirn gedrückt werden, auch gegen ihren erklärten Willen, von klein auf. Es darf keinen Ort und keine Zeit mehr ohne die konstante Präsenz der Botschaften in der Aufmerksamkeit geben. Die ständige Eskalation soll der dadurch verursachten Abstumpfung entgegenwirken, die insofern als ein Problem gesehen wird, als dass sie die Rezeption der Marken und Claims stört). Wie ein Werber freimütig zugab[0]:
„Konsumenten sind wie Kakerlaken – du besprühst sie und besprühst sie und nach einer Weile werden sie immun.“
Ein Werber (zitiert nach Naomi Klein, „NO LOGO“, Übersetzung meine)
Ich wiederhole dieses Zitat gern, weil es so treffend die spezifische Art der Menschenverachtung, derer sich Werber in meinen Augen schuldig machen wenn sie das „Nein“ eines Menschen, der nicht Konsument sein will, nicht respektieren, widerspiegelt.
Wenn das „NEIN“, das ich reklamiere, nicht akzeptiert wird, wenn der Widerspruch, die Ablehnung und im Extremfall die Gegenwehr nicht genauso beiläufig möglich und erlaubt ist wie der Angriff selbst, beweist das die Existenz eines unfairen Machtgefälles. Eine raubbauende Industrie und denjenigen, die nicht einverstanden sind, dass es sich bei der auszubeutenden Ressource um „terra nullius“ oder „res nullius“ handeln soll, begegnen sich nicht auf Augenhöhe.
Formal mögen Senat und Parlament berechtigt sein, diese Verträge abzuschließen – demokratisch wird es ohne Partizipation der Leidtragenden nicht und ich bitte alle, die in diese Entscheidungen involviert sind, sich das zumindest einmal klarzumachen – dass es Leidtragende gibt, dass das kein kostenloses Geld ist, auch wenn die Kosten externalisiert und zum Teil ideell sind.
Das folgende Beispiel finde ich besonders apart: der Bürgersteig ist für Marken da, nicht für Menschen. Hier ist noch ein Bisschen Platz; nahe der Uni habe ich schon etwas Ähnliches gesehen, bei dem tatsächlich kein Raum zum Passieren mehr war.
Muss man das hinnehmen, weil es „legal“ ist? Meiner Meinung nach definitiv nicht. Krimskrams oder Menschen? Was zählt mehr? Wenn es nach mir geht, wird diese falsche „Stadtmöblierung“ durch richtige ersetzt; wer Werbung gucken will, darf das gern zuhause auf der Couch, oder am Smartphone, oder sonstwo tun. Aber nicht alle, die den öffentlichen Raum nutzen, als „Gegenleistung“ dazu zwingen.
All diese hässlichen Beispiele dafür, wer momentan bestimmt, wie der öffentliche Raum verunstaltet werden darf und warum, und die Tatsache, dass wir Bewohner:innen daran gehindert werden, dem wirksam zu widersprechen, zeigen eines überdeutlich:
Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass das ganze Modell auf der Durchsetzung von Macht beruht. Da beobachte ich ein mindestens zweigleisiges Vorgehen: die fragliche Industrie (in diesem Fall die Werbeindustrie, die gierig nach der Ressource Aufmerksamkeit greift) wird den Menschen durch Gewalt ihren Willen aufzwingen – müssen.
Das kann sie nicht von allein, zum Flankieren werden die Gewalten des Staates instrumentalisiert, und zwar alle drei; das zweite Gleis sind public relations und der Versuch, die Meinungen zu beeinflussen: einerseits können Medienschaffende unter Druck stehen, sich nicht gegen Werbung zu wenden, damit auch nicht gegen die aggressivsten Exzesse dieser durch und durch amoralischen Branche; andererseits sind Werbekonzerne natürlich selbst geschickt in PR und werden sich als notwendiges Übel, wenn nicht als Freund der Gesellschaft darzustellen versuchen: einerseits durch den finanziellen Aspekt, andererseits durch die „Almosen“ der sorgsam beworbenen Sekundärverwendungen[sekundaer] und z.B. auch die Steuerung des Verhaltens durch positive Botschaften anbieten – als ob sich die negativen Effekte dadurch aufwiegen ließen.
Dieses digitale Ding stört? Soll es auch! Auch an sonnenklaren Tagen muss der Himmel überstrahlt werden, versteht sich von selbst. Das hört man aus der Nähe auch. Da brummen die Lüfter. Digitalisierung, juhu!
Auch als Olaf Scholz Weltzerstörer zum Palavern nach Hamburg einlud, als er zusätzlich tausende Randalierende und Polizisten einlud und die Menschen per Demonstrationsverbot in seinem „Schaukasten der Demokratie“, zur Belustigung der geladenen Autokraten, provozierte, waren am Samstag in einigen Kästen entlang einer (bald durch Grotes und Duddes unprofessionell geleitete Polizeieinheiten gemeingefährlicherweise blockierten) Demoroute selbstgemalte Protestplakate. Kudos and die, die das gemacht haben, es hat mich im Herzen gefreut! Bestimmt wurde humorlos ermittelt. Sicherlich vergeblich.[humor] Was rund um G20 geschah – das „Mainstreaming“ der autoritären Deutung der damaligen Ereignisse – ist nicht Thema dieses Artikels, dazu gibt es auch viel zu sagen, und wurde auch – vergeblich, denn die autoritäre Wende, die heute nicht mehr zu übersehen ist, hatte schon Fahrt aufgenommen.
Immerhin: die alternativen Botschaften werden gesehen, wenn auch nur kurz. Die Arbeit mag vergeblich erscheinen, ich kann aber sagen: sie hat sich gelohnt! Es war ein Zeichen, dass es Gleichgesinnte gibt.
Andernorts haben die Werbefirmen sogar Umweltaktivist:innen offenbar proaktiv verklagt, weil die es gewagt haben, kritische Botschaften in den Glotzkästen anzubringen, weil Information nämlich nach der Lesart des Konzerns und der Behörden nur von oben – von Staat und Konzernen – kommt und alles andere Desinformation sei (fast unnötig zu betonen, dass in Wahrheit oft das genau Gegenteil der Fall ist).[andernorts]
„Gorillas“, eure Werbung ist übrigens auch auf Papier Mist. Das wird auch durch übergroße Lettern im Schwarz-Weiß-Kontrast nicht besser, im Gegenteil … und „2021 in a nutshell“? Mehr Hybris geht ja wohl nicht. Ich wünsche euch dafür eine krachende Pleite.Wenn Werbung Information wäre und nicht Desinformation, dann würden solche Hintergrundinformationen wohl zumindest im Rahmen eines Gegendarstellungsrechts mit abgedruckt / angezeigt werden müssen. Müssen sie aber nicht. Von allein passiert es auch nicht. Also ist es doch Desinformation.
Mein persönlicher Negativ-Favorit bisher und so bezeichnend: vor dem UKE steht eine Zwangsglotze. Mit Zigarettenwerbung. Ob damit die Angestellten des Krankenhauses in der Coronakrise verhöhnt werden sollen – das beworbene Produkt schwächt das Immunsystem und schädigt chronisch den Körper, was ziemlich sicher schwere Covid-Verläufe begünstigt – oder die Angehörigen von z.B. an Lungenkrebs erkankten Patienten, ist nicht überliefert. Jedenfalls ist es pietätslos und passt zu einer Industrie, die dazu da ist, Menschen ungeachtet ihrer Lebenslage mit hirnlosen, oberflächlichen Botschaften ins Hirn zu pinkeln.
Werbung gucken müssen als faktische Bedingung, um jemanden im Krankenhaus zu besuchen: wer das genehmigt hat, ist in meinen Augen schlichtweg ein Unmensch.[unmensch]
Bushaltestellen, müsst ihr wissen, sind nämlich nicht „finanzierbar“, ohne die Leute zum Konsum von Dingen zu animieren, die sie sonst auch kaufen würden wenn sie sie brauchen (oder eben nicht, wenn sie sie nicht brauchen). Früher gab es demzufolge auch keine Bushaltestellen. Äh, Moment mal …
Der behauptete Zusammenhang, das Busnetz könnte nur betrieben werden, wenn gleichzeitig grelle Bilder an den Haltestellen flimmern, ist offensichtlich falsch und grenzt an eine Form von Cargo-Kult. Die Vorstellung, der Staat müsse seine Ausgaben auf die gleiche Weise gegenfinanzieren wie ein Unternehmen das tut, ist, soweit ich es verstanden habe, der zugrundeliegende Mythos der neoliberalen Denkschule. Ob eine Grund-Dienstleistung betrieben wird, ist letztlich allein eine Frage des politischen Willens – wenn es uns wichtig ist, ein für alle zugängliches, gutes Bus- und Bahnnetz in der Stadt zu haben, dann ist das möglich, solange wir das Material besorgen können und die Arbeitskraft bezahlen wollen.
Dass wir das wollen und dass der ÖPNV für eine Metropole eine Grundinfrastruktur der Daseinsvorsorge mit oberster Priorität ist und nicht den Status eines werbefinanzierten Gimmicks haben sollte, steht doch eigentlich außer Zweifel. Der kausale Zusammenhang besteht schlichtweg nicht: bauen wir die Werbeglotzen ab, werden die Busse immer noch rollen. Dafür wird die Stadt einspringen – na und? Wenn Hamburg ein gutes ÖPNV-Netz wichtig ist, dann ist das auch bezahlbar ohne zu tricksen. Das sollte überall drin sein, und gerade in einer reichen Stadt wie Hamburg sollte es besonders einfach sein – wozu dient sonst der ganze Reichtum, wenn wir davon keine Grundinfrastruktur bezahlen können?
Egal welcher wirtschaftlichen Schule man anhängt: es gibt keine Notwendigkeit, bei einem bestimmten Wirtschaftszweig, gar der Werbebranche, betteln zu gehen! Der einfachste Weg, um das nötige Geld aus der Privatwirtschaft zurückzubekommen, wird nämlich gern vergessen: Besteuerung. Ich schlage daher zunächst eine Sondersteuer oder -abgabe auf jegliche Werbe-Dienstleistung vor, um die Busnetze zu finanzieren. Es lohnt sich aber auch ein Blick darauf, wieviel Geld tatsächlich auf diesem Weg ins Budget für den Straßenbau und die Kassen der Verkehrsbetriebe kommt – und ob sich dieser Bruchteil eines Prozents[paw][hhh] des Haushalts dieser reichen Stadt sich wirklich nicht dauerhaft anders auftreiben lässt. Ich bezweifle das sehr.
Einwände entkräften
Warum ist diese Debatte so mühsam, obwohl etliche Menschen sich sehr arg gestört fühlen und kaum jemand so richtig begeistert ist von dieser einseitigen Vereinnahmung der Städte?
Eine Erörterung, warum Zeitgenossen die Kolonisierung des Geistes und der öffentlichen Meinung durch Werbung noch schönreden, ist hier out of scope. Aber man sollte die gängigsten Gegenargumente sammeln, dann antizipieren und entkräften.
Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies wird ein gemeinsames Projekt und ich skizziere nur einzelne Punkte, die aufkommen könnten.
Die Gegenseite wird mit schmutzigen Winkelzügen aufwarten. Beim Tauziehen um das Tabakwerbeverbot ist das bereits in vollem Gange und es werden juristische Argumente fabriziert, die belegen sollen, dass es sich bei Zwangswerbung für noch so schädliche Produkte um eine „Meinungsäußerung“ handelt. Aber es gibt auch einige „Mainstream-Argumente“ gegen Werbeverbote, die leider verbreitet sind und einer Entkräftigung bedürfen.
Über die behauptete Notwendigkeit, Grundinfrastruktur auf diese Weise gegenzufinanzieren, gäbe es sehr viel zu sagen. Hier wäre die Expertise von jemandem, der sich mit VWL auskennt und nicht der neoliberalen Schule folgt, wertvoll.
Über die behauptete Notwendigkeit, die Wirtschaft damit am Laufen zu halten – dieses verflixte Argument, kann ich selbst etwas sagen. Das Argument kann überhaupt nur insoweit relevant sein, als dass die Wirtschaft nötig ist, um echte Bedürfnisse zu befriedigen. Aber würde denn die Nahrungsmittelproduktion eingestellt werden, wenn bestimmte Marken sich nicht mehr exorbitant für die Anteilseigner lohnen? Das ist das gleiche eindimensionale Menschenbild, das der abgrundtief schäbigen und nachweislich falschen Behauptung zugrundeliegt, Impfstoffe und Therapien würden ohne „Geistiges Eigentum“ nicht mehr entwickelt werden.
Die meisten Menschen scheinen derzeit nur „Geld“ zu verstehen, und der Sinn für eine lebendige Gesellschaft ist zum Teil atrophiert. Es wird also wirklich nötig sein, diverse Arten von Vorurteilen zu entkräften, die sich auch um die Wirtschaft drehen.
Wenn ich höre, „Werbung ist nötig“, dann weiß ich: hier spricht nicht die Vernunft, hier spricht die indoktrinierte Phantasielosigkeit – oft genug mit dem Megaphon. Manche sind schon gar nicht mehr in der Lage, außerhalb dieser Bahnen zu denken. Wenn das ganze Leben nach Marktregeln funktionieren soll, dann gehören schließlich auch Marktschreier dazu.
Ich halte dagegen: eine Welt ohne aggressive Werbung ist sehr wohl denkbar und auch mit Marktwirtschaft sehr gut kompatibel.
Wirtschaftliche Aktivität kann sehr wohl ohne diese Exzesse, ohne diesen durch sinn- und maßlose Eskalation charakterisierten Überbietungswettbewerb, florieren. Das Gequengel, wenn man Einschränkungen vorschlägt, basiert teils auf dem Missverständnis, dass Werbung der einzige Motor sei, ohne den alles zum Erliegen käme, und dass ein Wettkampf ohne Limit – ein grenzenloses Wachstum, koste es was es wolle solange die Kosten externalisiert werden, statthaft wäre.
Aber das ist offensichtlich nicht wahr, schon aus einem einfachen Grund: wenn die großen Marken weniger Mittel hätten, um sich mit der Brechstange durchzusetzen, würden kleinere Alternativen relativ mehr beachtet und damit Monopolbildung vermieden und der Marktwirtschaft sogar noch gedient! Um den bloß durch Überreizung erzeugten Umsatz wäre es nicht schade; und Städte werden ohne exzessive, gleichgeschaltete Kommerzwerbung nicht grau und leer, sondern grün und lebendig, damit sogar attraktiver.
Weder mir noch den Volksinitiativen geht es darum, Plakate für lokale Angebote und Kulturveranstaltungen zu verbieten. Es geht auch nicht darum, Ladenschilder und Plätze eintönig zu gestalten – auch diesem Missverständnis begegnet man häufig. Es geht um ein ganz bestimmtes Business – um diese mit Absicht aggressiv gestalteten, geistlosen Anlagen, die die Negation von Kultur und Erbauung sind. Niemand wird denen nachtrauern und die lokale Wirtschaft wird ohne sie definitiv nicht eingehen, ganz im Gegenteil, weil die Stadt dann wesentlich menschlicher und attraktiver wird!
Es gibt sicher bessere Ansätze, um sich der wirtschaftlichen Frage zu nähern, aber ich schlage hier mal ein etwas surrealistisches Gedankenexperiment vor: man lasse die Geldflüsse im ersten Schritt unverändert, bezahle aber nun die Angestellten der Werbetreibenden fürs Nichtstun, statt die Zwangsglotzen zu pflegen. Klingt absurd? Ist es irgendwie auch, aber würde die Wirtschaft davon zusammenbrechen? Wenn ja, dann verfolge man die Kette der Konsequenzen weiter und es würde nach meinem Dafürhalten nichts wegbrechen, das die Gesellschaft braucht, um gut zu leben. Im Gegenteil – wir leben weit über unsere Verhältnisse – das ist ein Fakt, an dem kein Bilanztrick etwas ändert, die Umwelt schert sich nämlich nicht um unser Geld, nur um das, was wir damit letztendlich bewirken – und eine gewisse Schrumpfkur wäre in einigen Sektoren – Autoindustrie, die für einen bereits übersättigten Markt produziert und daher auf Werbung angewiesen zu sein meint? – gar nicht unbedingt falsch.
Verrat / Business as Usual
Und wer betreibt das und denkt sich nichts dabei? Eine Partei, die ich einst wählte, weil sie Umweltschutz im Wahlprogramm hat und auch einmal für Partizipation und Bürgerrechte stand:
Eine von diesen überflüssigen Glotzen verpulvert soviel Strom wie eine Handvoll Durchschnittshaushalte. Bestimmungszweck der Anlagen ist das Ankurbeln des Überkonsums durch Schaffung künstlicher Kaufimpulse sowie „Mindshare“ für große Marken. [warum] Die Grünen werben gern darauf und wollen den Werbekonzernen still und heimlich noch viel mehr davon erlauben – sehr viel mehr [mehr]. Die digitalen Glotzen, insbesondere die von Wall/JCDecaux, sind noch greller als die „herkömmlichen“ und verschlingen noch mehr Energie. Dazu gibt es ein Geldgeschenk.
Wie passt das alles zusammen?
Lektion 1: Rot-Grün in Hamburg ist es wichtiger, Wahlwerbung zu schalten als Mensch und Umwelt zu schützen. Das widerspricht ihren Wahlprogrammen, ist aber leider so.
Mir ist absolut klar, dass innerhalb der Regierungsfraktionen, die ja aus sehr unterschiedlichen Menschen bestehen, gerade in solchen Angelegenheiten Dissens bestehen muss, vielleicht ausgesprochen, vielleicht nicht. Wenn ich von „der Politik“ spreche, dann meine ich jene Zeitgenossen, die den Wandel zu verantwortlicherem Handeln strukturell blockieren, und die durch sie zementieren Strukturen.
Ich kann nur wieder und wieder an alle appellieren, das Gewissen niemals auszuschalten und nicht konform zu handeln. Was Ihr entscheidet, hat echte Konsequenzen für echte Menschen. Diese Verträge führen dazu, dass empfindliche Menschen jahrelang Qualen leiden, wenn sie nur auf die Straße gehen; dass niemandem zugestanden wird, nicht zuallererst Konsument und dann Mensch zu sein; dass wir alle als unfreiwillige Rezipienten missbraucht werden.
Außerdem werden Menschen, die in Hamburg leben, diesem auf Penetration optimierten Dauerfeuer schon, wie oben bemerkt, als Kinder schutzlos ausgesetzt. Auf der Straße, auf dem Weg zur Schule, mit etwas Pech sogar aus dem Fenster zuhause. Ich finde das ungeheuerlich, weil es komplett unnötig ist. Es ist klar, dass Werbung Kindern und Jugendlichen besonders schadet, sie auch besonders anfällig sind und deshalb eine beliebte Zielgruppe der Werbekonzerne (beim Tabak ist das sogar nachgewiesen). Wie zum Teufel wollt Ihr das rechtfertigen? Wie rechtfertigt Ihr es vor Euch?
Ich meine diese Fragen ernst, nicht rhetorisch.
Wie erklärt Ihr Euren Kindern und Enkeln, dass leider, leider, damit unsere heilige und zum Selbstzweck erhobene Wirtschaft (bis zum dann unvermeidlichen Crash) auch ja nicht die kleinste Veränderung erdulden muss, sie missbraucht werden müssen, zu Rezipienten einer wissenschaftlich optimierten Reizüberflutung gemacht, an eine von moralischen Grundsätzen unbeeindruckte Industrie zur Gehirnwäsche übergeben? Das Ganze zu dem Zweck, sie zu Konsumenten zu degradieren, nur damit unser Planet durch den Konsum noch schneller unbewohnbar gemacht werden kann?
Fraktionsdisziplin ist kein Wert an sich. Es ist wichtig, das Richtige zu tun und nicht das Bequeme. Macht diesem unheiligen Spuk ein Ende!
Lektion 2: der Geldfluss ist solange die Rechtfertigung für jeden Mist, bis ein „Partner“-Unternehmen jammert und mehr verlangt. Dann kehrt er sich punktuell sogar um.
Das ist insofern bemerkenswert, als dass die ganze Begründung für die „Partnerschaften“ offenbar auf wackligen Füßen steht. Warum gibt es ein großzügiges Geldgeschenk, obwohl der Verkauf von Außenwerberechten finanziell begründet wird und die Konzerne mitnichten notleidend sind (als ob das schlimm wäre – warum darf in der Marktwirtschaft ein Geschäftsmodell nicht versagen, sobald es einen gewissen Umsatz erreicht?). Oder war die Ansage vielleicht doch „eine Hand wäscht die Andere“? Eine zu große Nähe zu privaten Interessen tut der öffentlichen Hand nicht gut, finde ich, weil Entscheidungen so verzerrt werden (wie hier geschehen).
Die Vollkaskomentalität solcher „Unternehmer“ geht so weit, dass ein Geschäft ab einer gewissen Größe, unabhängig davon ob es netto einen sinnvollen Beitrag zu unserem Wohlergehen leistet, als per se schützenswert behandelt wird. Läuft es gut, feiert man sich für das erfolgreiche Management. Läuft es schlecht, wird gejammert und gequengelt, bis die Politik den Geldhahn aufdreht. Als ob nicht auch in anderen Branchen dringend Personal gefragt würde. Haben wir etwa Mitleid mit der Mafia, wenn das Drogengeschäft irgendwo einbricht oder das Schutzgeld versiegt, und fangen dann an sie zu reten? Wohl kaum![umsatzrueckgang]
Wenn man die Antworten des Senats auf die Fragen zu Problemen mit Außenwerbung[paw] liest, kommen weitere Erkenntnisse hinzu:
Lektion 3: die psychischen Auswirkungen auf die Menschen, die dem zwangs-ausgesetzt werden, sowie etwaiges Einverständnis spielen für diese Politik keine Rolle. Die Fragen dazu konnten nur beantwortet werden mit „dazu hat der Senat keine Erkenntnisse“.
Hat nicht interessiert.
In der Antwort des Senats heißt es auch allen Ernstes, es würde sich um „Hinweise“ handeln. Ist die Harpune des Walfängers etwa ein Hinweis oder ein Angebot an den Wal? Niemand braucht diesen Hinweis; die Produkte liegen alle im Laden aus. Da ist nichts Freundliches. Diese Werbeanlagen sind eiskalte Waffen im Kampf um die Hoheit über die Gedanken[harpune].
Dass ich das als respektlos dem Menschen gegenüber empfinde, mag ein subjektives Werturteil sein. Die Einschätzung, dass es um ein knallhartes Business geht, bei dem wir die Ressource sind, ist aber schwer zu bestreiten. Es ist eine milliardenschwere Industrie, deren Produkt die unlautere Einflussnahme auf die Gedanken ist. Sie wird betrieben, weil man von einer Wirkung ausgeht Gäbe es keine Wirkung, dann würden diese Milliarden für nichts ausgegeben werden – und zwar unabhängig davon, wie vorteilhaft sie wirklich ist: wie die Dienstleistungen der Werbeindustrie genutzt werden, ist ja wiederum von ihrem eigenen Marketing abhängig!
Der Charakter des öffentlichen Raumes wird maßgeblich bestimmt durch diese kommerziellen Anlagen; deren Botschaft ist nicht nur: „Kauf dies“. Die Botschaft ist auch: „Wir brennen dir jetzt diese Marke ein und du kannst und darfst nichts dagegen tun; wir dürfen das, denn wir sind eure Wohltäter“.[sekundaer]
Wir brauchen uns das nicht gefallen zu lassen. Eine menschlichere Stadt ist möglich.
Wenn das Problem in der Politik verortet ist, dann kann die Lösung auch dort liegen. Bringen wir uns also ein und nehmen wir alle mit, die am derzeitigen Kurs (ver)zweifeln!
Schlußbemerkung
Frage: Meckern ist ja schön und gut, aber was bringt das?
Antwort: Ideen entwickeln. Solange man nicht vergisst, dass in der kritischen Betrachtung fast jeder negativen Entwicklung gedanklich auch der Kern für positive Gegenentwürfe steckt, kann das sehr effektiv sein.[digi] Es gibt jetzt wie gesagt eine Volksinitiative gegen aggressive Außenwerbung in Hamburg, und natürlich haben wir viele Ideen, wie die Stadt durch ihre Bewohner:ïnnen gestaltet werden kann. Mach mit, wir können tatkräftige Hilfe gebrauchen!
Es handelt sich bei dem Werbeglotzen-System um eine Form der Machtausübung auf Kosten unserer Gesundheit und anderer schützenswerter und eigentlich nicht zum Verkauf geeigneter Güter.
Dass diejenigen, die das federführend betreiben, dies im vollen Bewusstsein dieser Konsequenz tun, steht für mich außer Frage. Daher betrachte ich sie nicht als Adressaten für Kritik. Mir würde es genügen, ihr illegitimes Geschäftsmodell zu zerstören; bei denen, die mitmachen und das ermöglichen, müsste über Verantwortung gesprochen werden. Denn das was sie tun wird auch dann nicht richtig, wenn es Geld bringt.
Übrigens, kleiner touristischer Tipp: die HafenCity ist weitgehend frei von derlei Verunstaltung – und zwar absichtlich! Wie es dazu kam, habe ich leider noch nicht in Erfahrung bringen können.
Adblock HH
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Fußnoten
[j2007] genau konnte ich nicht mehr sagen, welches Jahr es war. Hier ist eine Grafik, die die zeitliche Entwicklung zeigt (Quelle der Daten: [geo]; die Grafik habe ich mit den gängigen Python-Werkzeugen erstellt. Dazu ein anderes Mal mehr):
[sia] Der offizielle Name „Stadtinformationsanlage“ für den momentan am häufigsten anzutreffenden Typ ist derart lächerlich, unselbstironisch-unfreiwillig-ironisch und Orwell’sch, dass man es kaum glauben mag – Werbung ist mitnichten Produktinformation, wie einige aus der CDU, der „Volkspartei der Mitte“ (die jahrelang auch nur das kleinste Tabakwerbeverbot blockierte) ernsthaft behaupten, sondern ziemlich genau das Gegenteil – astreine Desinformation. Wer verbreitet denn über einen Werbekanal einen neutral vergleichenden Testbericht über das eigene Produkt? Keine Firma tut das. Im gegenteil, das Spektrum der Inhalte, die gezeigt werden, ist durch die weitgehende flächendeckende Gleichschaltung und Wiederholung der Botschaften (jahrelang „Parship“, monatelang „IQOS“ an allen Ecken) sehr eingeschränkt und damit als „Information“ sinnlos. „Stadtdesinformationsanlagen“ oder einfach „Stadtverblödungsanlagen“ trifft es wohl eher.
Oder wie man einst in einem Graffito in der Nähe der Holstenstraße lesen konnte: „Werbung = Verarsche + Verblödung“ (oder war es „Volksverdummung“? Ist lange her). Und dieser wahre Schriftzug war illegal und die durchweg verlogene Werbung, mit der wir täglich wie selbstverständlich zwangstraktiert werden, gilt dagegen noch als legal und wird geschützt …
[jingles] Beschallung (siehe https://freiheitsfoo.de/2021/01/20/hannover-in-der-hand-von-stroeer/) ist bei den Straßenspam-Anlagen zum Glück noch nicht dabei, aber man muss aufpassen – die Niedertracht der Werbekonzerne und ihrer Helfershelfer kennt keine Grenzen, keinen Anstand. Sie betrachten alle Sinneskanäle als exploitbare Einfallstore, um ihren Schadcode zu verabreichen. Bitte verzeiht die Computermetapher.
[cc0] https://creativecommons.org/share-your-work/public-domain/cc0/
[lizenz] Ha, Lizenzen auf Bilder aus der Stadt, das ist überhaupt eine Frage. Durch das aufdringliche Branding des Stadtbilds durch die „Partner“ der „Stadtmöblierung“ ist es auch Filmschaffenden deutlich erschwert und teilweise gar nicht mehr möglich, eine Szene ohne den Müll zu drehen. Und schließlich ist das ja Teil des Stadtbilds, soll es sein. Wer muss da am Ende noch an wen zahlen, kann mir das jemand sagen?
[himmel] Exkurs ins Weltall:
Die lukrative, aber fragwürdige Ideologie, dass alle immer überall permanent vernetzt zu sein haben, führt tatsächlich so weit, dass diese Industrie uns (auch der professionellen Astronomie) nun tatsächlich mit ultragrellen Satellitenflotten den Blick auf den Himmel verstellen wird!
https://www.theguardian.com/science/2020/sep/12/stars-astronomy-spacex-satellite-elon-musk
Durch diese ultimative Lichtverschmutzung können wir uns dann als Zivilisation endlich den ganzen Tag in der eigenen (Kommerz)-Soße wälzen und sehen nicht mal mehr mit den besten Instrumenten die unendlichen Weiten des Universums. Weil die ganze triviale Sülze nämlich „wichtiger“ ist. Hat die Konsumgesellschaft jedenfalls für uns alle so entschieden.
Zurück auf den Boden:
Warum meinen manche Menschen, so dringend Internet aus dem Satelliten zu brauchen? Weil die Politik vielerorts dysfunktional ist, sowohl in reicheren als auch in ärmeren Ländern als auch im globalen Zusammenhang (was ja auch das Armutsgefälle wieder festigt). Der vergleichsweise günstige Ausbau der terrestrischen Netze und vor allem die selbstbestimmte Vernetzung wird auch in etlichen Industrieländern auf Schritt und Tritt be- und verhindert. Oligopolisten oder staatliche Betreiber dürfen nach Gutdünken über diese Grundinfrastruktur schalten und walten; den Menschen wird eher misstraut, daher ist das oberste Gebot die Kontrolle der Vernetzung und die Kontrolle der Menschen durch zwangsweise Vernetzung.
Ein Anrecht auf eine grundlegende Internet-Versorgung wäre nämlich gut realisierbar, wenn der politische Wille da wäre – manche Länder, z.B. Finnland, schaffen das! Wenn man uns machen ließe, wenn man uns wirklich für voll nähme, dann bräuchten wir nur ein paar Fern-Kabel (vielleicht staatlich, vielleicht privat, aber jedenfalls ohne weitere Bedingungen daran zu knüpfen außer Verfügbarkeit und Netzneutralität), den Rest würden freie Vernetzungs-Initiativen wie Freifunk und Osmocom problemlos erledigen, und zwar zu viel besseren Konditionen als die Telekom-Oligopolisten es aktuell tun und können! Aber das ist wiederum politisch absolut nicht gewollt, weil selbstbestimmte und unüberwachte Telekommunikation der Staatsraison widerspricht – die sich damit wiederum als alles andere als freiheitlich entlarvt. Ein Beispiel (auch in den Pressemitteilungen des CCC, des FIfF und der (ex-)Piraten-Abgeordneten Julia Reda und Patrick Breyer findet Ihr haufenweise weitere Hinweise, wie verfehlt die Digitalpolitik momentan ist):
https://juliareda.eu/2015/10/dear-european-governments-dont-endanger-free-and-open-wifi-networks/
[geo] Ich habe selbst gestaunt, wie viele es davon mittlerweile gibt! Hier nachzuschauen im Geoportal Hamburg: https://geoportal-hamburg.de/geo-online/?layerIds=12883,12884,16101,19969,19968,10158,18727&visibility=true,true,true,true,true,true,true&transparency=0,0,0,0,0,0,0¢er=568987.077447925,5938843.763892601&zoomLevel=4#
[corona1] Exkurs in die Krisenpolitik:
In grotesker Umkehr der Pflicht, Entscheidungen zu rechtfertigen und verhältnismäßig zu gestalten, wurde in der Novemberwelle (die wohl eher durch bloß wahlkampftechnisch zu verstehende Schulöffnungen ohne Luftfilter oder Impfungen mit angeschoben wurde und nicht durch zuviele verbleibende Grundrechte) – auf der Grundlage bloßer Mutmaßungen und Behauptungen über die epidemiologische Wirkung[ard-faktenfinider], unter Zugrundenahme erst gar keiner, dann falsch interpretierter Studien [monitor], ein in mehrerlei Hinsicht verfassungswidriger[gff], absurder und infantilisierender nächtlicher Stubenarrest beschlossen, während der Gang zur Lohnarbeit selbstverständlich weiter verlangt wurde. Auch eine Evaluation fand nie statt.
Mit Sonderurlaub hätte eventuell ein faires Konzept draus werden können, aber das war den Regierenden nicht einmal eine Debatte wert. Stattdessen beschloss man überdies, den R-Wert wieder hochzuregeln, sobald ein unterer Inzidenz-Schwellwert unterschritten werden würde. Das ergibt regelungstechnisch nur dann Sinn, wenn man die Epidemie gar nicht stoppen will? Genau – das fehlende Konzepts war auch eines der Argumente der GFF, um die Verfassungswidrigkeit besagter „Maßnahme“ zu begründen.
Während Kulturveranstaltungen auch draußen untersagt waren, durfte die Werbung weiter ohne Gnade in die Köpfe gepumpt werden. Kein Problem, man ist ja unter Partnern auf Augenhöhe – anders als im Verhältnis zu uns Bürger:innen. Ich empfand das Ganze als einen Schlag ins Gesicht.
[ard-faktenfinder] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ausgangssperren-corona-101.html
[monitor] https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/ausgangssperre-116.html
[gff] https://freiheitsrechte.org/home/wp-content/uploads/2021/04/GFF-Gutachten-Ausgangssperren.pdf
[shits] http://brandalism.ch/issues/advertising-shits-in-your-head/ – es drängen sich auch eine Menge anderer unappetitlicher biologischer Metaphern auf.
[0] Consumers, marketing executive David Lubars told Klein in No Logo, in a moment of perfect candour, „are like roaches – you spray them and spray them and they get immune after a while.“ – Naomi Klein, „NO LOGO“
[vandalismus] Überhaupt habe ich ein Problem mit einem zu breiten Vandalismusbegriff. Sich gegen eine Sache zu wehren, mit der man konkret geschädigt wird, ist kein Vandalismus. Hier zeigt sich ein verkehrtes Wertesystem – Vandalismus am Geiste eines Menschen ist offenbar legal, aber wehe man verändert eine Sache auch nur reversibel, selbst wenn diese Sache bestimmungsgemäß auf Menschen einwirkt und diese sich gegen den widrigen Einfluss, der durch diese Sache bewirkt wird (um nicht Schaden zu sagen) nur wehren … das ruft die Staatsmacht auf den Plan. Könnte man auch noch eine ganze Menge zu sagen.
Droht demnächst etwa auch eine Pre-Crime-Präventivermittlung, wenn man beim Vorbeigehen an der Werbung wegguckt und damit der integrierten Kamera zu verstehen gibt, dass man Werbung ablehnt und vielleicht einer der „Vandalen“ ist? Scheint absurd, aber bis auf die Automatisierung ist es punktuell schon so weit: der „Bild getwittert -> Tatverdacht“-Vorfall https://18.re-publica.com/de/session/bild-getwittert-tatverdacht sowie die Bestrebungen quer durch die von GroKo-Denke kontaminierten Parteien (leider nicht nur die drei daran beteiligten), Protest etwa gegen Umweltzerstörung, Abschiebungen oder Polizeigewalt zu kriminalisieren gehen schon sehr in diese Richtung.
[kunst] Obwohl, eigentlich ist das Ding doch ein wahres Kunstwerk, ein Kleinod, das die ganze Absurdität verdichtet. Bei mir jedenfalls kommt die Message klar an: das Überleben der Wildbienen in der Stadt ist kein Wert an sich, sondern lediglich ein Marketing-Gimmick und muss direkt gegenfinanziert werden durch Werbung, also durch Überkonsum und Gedankenlosigkeit. Ohne die diese Bienen freilich gar nicht erst gefährdet wären …
Es gibt übrigens auch schon sinnvolle, größere Bienenbeete in der Stadt. Ohne JCDecaux. Nur mal so zum Realitätsabgleich.
[tabakzielgruppe] https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/Fakten/Factsheet_Tabakwerbeverbot.pdf – dass die Tabaklobby führt den Kampf gegen Werbeverbote mit schmutzigen Mitteln führt, dürfte weithin bekannt sein. Dazu zählen für mich auch die schmierigen „Rechtsgutachten“, die sie sich gekauft haben und ihre als Factchecker getarnten Desinformationsseiten, auf denen felsenfest behauptet wird, Kinder und Jugendliche wären überhaupt nicht die bevorzugte Zielgruppe.
[umsatzrueckgang] https://www.presseportal.de/pm/134579/4918386 – 2019 erzielte JCDecaux noch Rekordumsätze durch das Mining unserer Aufmerksamkeit unter billigender Inkaufnahme aller psychischen Folgen. 2020 fing das große Jammern an und es läuft im 1. Quartal 2021 weiter schlecht! Leider noch kein Anlass zum Aufatmen für die Opfer des Systems JCDecaux.
[paw] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/74399/probleme_durch_aussenwerbung.pdf
[parallele] Ich sehe Parallelen zu Überwachungskamers in Linienbussen. Auch das eine nutzlose „Infrastruktur“, die uns mit falschen Argumenten überzegogen wird, die gegen uns Menschen gerichtet ist, ein schäbiges Menschenbild voraussetzt und die Gesellschaft entsprechend schäbiger macht. In beiden Fällen ist eine ständige Tendenz zur Eskalation zu beobachten. Ich habe Busse mit bis zu 16 Kameras gesehen, die auch noch die Sitzplätze abfilmen und jeden Wimpernschlag zur späteren Auswertung speichern (und nicht etwa „Sicherheit“ erzeugen, denn weder ein Täter im Affekt noch einer mit einem bösen Vorsatz interessiert sich dafür).
[online] Die Online-Werbeindustrie (auch „adtech“ genannt) ist da z.T. sehr ängstlich: https://www.theguardian.com/world/2019/nov/05/targeted-ads-fake-news-clickbait-surveillance-capitalism-data-mining-democracy (und versucht dementsprechend auch wieder auf die Gesetzgebung zurück, um ihr wackliges Geschäftsmodell mit dem Hammer des Staates zu sichern – das mag lächerlich sein, ist für mich aber paradigmatisch für das ganze Vorgehen in der Branche: https://netzpolitik.org/2016/informationsfreiheitsanfrage-lobbyisten-fuer-ein-gesetzliches-verbot-von-ad-blockern/)
[harpune] Diese Form der penetranten und flächendeckenden Außenwerbung ist der Weg einer schreierischen Dummwelt, alle auf ihr Niveau zu drücken. Eigene Gedanken, geistige Betätigung? Brauchst du nicht, denk lieber an unsere Marken!
Gewalt ist natürlich nicht plump mit kinetischer Krafteinwirkung gleichzusetzen. Erst durch die Wirkung auf ein schützenswertes komplexes System (z.B. ein Biotop, die Psyche eines Menschen) wird es Gewalt. Bilder können genügen.
„Gewalt gegen Sachen“ mit Gewalt gegen Menschen gleichzusetzen ist ein in letzter Zeit häufig zu hörender, ärgerlicher Gemeinplatz. Ist es verboten, eine Sache zu zerstören? Die klare Antwort ist (ganz gleich ob es darum geht, ob es legal ist oder moralisch erlaubt sein sollte – man denke z.B. an den komplett legalen Abriss eines Hauses): es kommt darauf an.
Auch „Sachbeschädigung“ heißt ja nicht einfach, eine Sache wird beschädigt. Das Wort ist, wie bei juristischen Begriffen üblich, seltsam gewählt. Es gibt eine Menge Sachen, die auch ganz offiziell beschädigt werden dürfen. Entscheidend ist natürlich, um wessen Eigentum es geht.
Dass es sich bei dem Einsatz der Werbewaffen durch JCDecaux und Konsorten aber um Gewalt gegen Menschen handelt, um unterschwellige, aber dennoch organisierte und systematische Gewalt, steht für mich als (über)empfindlichen Betroffenem völlig außer Frage:
1) es wird mit harten Methoden und (aus meiner Sicht, die eine Rolle spielen sollte) mit Schädigungsabsicht auf meine Psyche eingewirkt, und zwar massiv, unausweichlich und nicht-konsensuell.
2) gleiches gilt für viele Menschen, von denen ich weiss dass sie sich dadurch ebenfalls missbraucht und eingeschränkt fühlen;
3) Mitmenschlichkeit im öffentlichen Raum weicht Frust und Unzufriedenheit; Werbung mit ihrem „Ich, ich, ich“-Fokus treibt die Vereinzelung voran;
4) Werbung spielt auf die Zerstörung der Fähigkeit zur Genügsamkeit und es ist meine feste Überzeugung, dass Mensch und Gesellschaft dadurch geistig ärmer werden;
5) Besonders niederträchtig – all dies geschieht mit voller Absicht* von Kindesalter an, um den ganzen Menschen möglichst komplett in dieser Richtung zu verformen oder kaputtzumachen;
6) Auch die Gegenseite wird eingestehen, dass Gier, Gleichgültigkeit und Überkonsum zur Zerstörung von Ökosystemen führen;
7) Die Art, wie die Werbung durchgesetzt wird, tut wiederum den demokratischen Strukturen Gewalt an.
Ich unterstelle übrigens, dass die Einwirkung auf Kinder kalkulierter Vorsatz ist – und kann die gegenteiligen Beteuerungen schon förmlich hören. Das abzustreiten ist unglaubwürdig, genau wie im Teilbereich der Tabakwerbung: es ist nicht möglich, den Schluss nicht gezogen zu haben, dass junge Menschen dem in der Stadt zwangsläufig genauso ausgesetzt werden wie Erwachsene, mit viel schlimmerer Wirkung; wenn den Werbeträgern also Kinder- und Jugendschutz ansatzweise wichtig wäre, würden sie die Anlagen nämlich auch um den Preis von Umsatzeinbußen abbauen.
Es handelt sich also um Gewalt mit Ansatzpunkten auf mehreren Ebenen – gegen das Individuum als Solches (die innere Welt soll plattgemacht, kolonisiert, überschrieben werden), das Individuum in seinem sozialen Zusammenhang, gegen jegliches Kollektiv und demokratische Strukturen, gegen die Umwelt.
[sekundaer] „Wohltäter“: erst einmal finanziell. Eine weitere Taktik ist aber die bereits angesprochene, eine einmal errichtete Infrastruktur mit weiteren Verwendungen zu überladen und sie als „zu wichtig zum abbauen“ zu etablieren.
https://www.presseportal.de/pm/134579/4697583
Genau wie bei Überwachungskameras oder digitalen Netzwerken, für die sich immer noch weitere Einsatzzwecke finden – teils auch nützliche – wird eine Legende der grundsätzlichen Nützlichkeit und Notwendigkeit aufgebaut, ohne den primären oder ursprünglichen Sinn der Anlagen weiter zu thematisieren. Die Anlagen für Katastrophenwarnungen zu verwenden, wäre – ohne den Kontext zu betrachten, in dem sie überhaupt existieren – sinnvoll. Aber niemand würde ernsthaft vorschlagen, riesige Bildschirme aufzustellen, damit irgendwann mal damit gewarnt werden kann, wenn das der einzige Zweck der Anlagen wäre. Andersherum hieße das, dass es OK wäre, wichtige Infrastruktur durch private Werbung zu finanzieren – dass sie nur dann möglich wäre. Was definitiv ein Unding ist.
[beewashing] [mehr] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76270/ausuebung_der_werberechte_auf_oeffentlichem_grund_ii.pdf
[digi] Das gilt natürlich auch für die Gestaltung des digitalen Raumes. Da ist das Umfeld des CCC (auch FIfF, Digitalcourage, …) eine gute Anlaufstelle.
[humor] Ach, bei „Sachbeschädigung“ kennt der Deutsche ohnehin keinen Humor. Einst las ich, dass eine S-Bahntür in Windeseile an einem Bahnhof mit Ytongsteinen zugemauert worden war. Wie geil! Was für ein phantastischer Ausbruch aus dem Alltag! Was für eine elegante Nummer, welche Geschicklichkeit, welche Chuzpe! Doch alles, wofür sich manch ein Leserbriefschreiber bei der MOPO interessierte, waren die ca. 10000 Euro für die Beseitigung der Steine. Gut investiertes Geld, um ihnen ihre eigene Humorlosigkeit vorzuführen, finde ich!
[unmensch] Es erinnert mich an eine Passage aus dem Bestseller „99 francs“ des ehemaligen Werbers Frédéric Beigbeder, bei der die Hauptperson zum unpassendsten Moment, aufgrund des werbefinanzierten Telefonvertrages, zuerst eine Werbeansage am Telefon zu hören bekommt. In Realität arbeitet die Branche also exakt so, wie es dort – scheinbar zynisch überspitzt – dargestellt wurde.
[hhh] https://www.hamburg.de/contentblob/14735978/8165fc138bd49265934557c9cbf9dbbc/data/gesamthaushalt-2021-2022.pdf Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg, s. 36 ff.
[gorillas1] https://taz.de/Arbeitskampf-bei-Lieferdienst-Gorillas/!5779066/
[gorillas2] https://www.businessinsider.de/gruenderszene/gorillas-datenleck-experte-eugd-a/
[beschwerden] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/43942/werbeanlagen_im_oeffentlichen_raum.pdf – diese Anfrage von 2014 zeigt eine Liste abgelehnter Beschwerden von Anwohnern wegen Sichtbehinderung, Unfallgefahr oder Wohnqualität+Gesundheit (Punkt 6). Die „Begründungen“ sind lapidar, herablassend und bequem: „aufgrund der weiten Entfernung liegt keine Beeinträchtigung vor“, Polizeikommissariat sagt: keine Verkehrsgefährdung. Es lohnt sich bestimmt, da nochmal nachzuhaken um mehr über die Prüfkriterien herauszubekommen und zu bekräftigen, dass auch eine „gefühlte“ Beeinträchtigung eine sein kann, zumal die Anlagen keinen unabdingbaren Nutzen haben und daher im Zweifel für den Menschen entschieden werden sollte … aber der Mensch, so mein bislang nicht entkräftbarer Eindruck, ist in diesem System nur als Statist, als ausbeutbare Resource, ggf. als Störfaktor vorgesehen – so lässt sich meine Kritik in diesem Punkt eigentlich ganz gut zusammenfassen.
[angriff] Für solche ungebetenen, großangelegten Angriffe gibt es weitere Beispiele, etwa das Begehren der Datenindustrie, unser gesamtes Leben zu erfassen: notfalls per gesetzlichem Rollout oder indirektem Zwang unabhängig davon ob wir selbst ihre sensorbewehrten, vernetzten Produkte kaufen oder es z.B. der Vermieter, die Firma oder eine Stadtverwaltung tut und wir auf einmal mit vernetzten, biometrischen Türschlössern, im Sekundentakt übermittelnden Digitalstromzählern und smarten Straßenlaternen konfrontiert sind! Warum das ein Problem ist und keine begrüßenswerte Innovationswelle, wird bei Digitalcourage gut erklärt; dort werden aktuell auch solche Erfahrungen gesammelt.
[warum] Eine der wichtigsten Fragen zuletzt: warum soll Werbung überhaupt funktionieren? „Ich falle doch nicht darauf herein!“ – davon abgesehen, dass es auch dann übergriffig ist, jemanden tagein tagaus mit ungewollten Bildern zu traktieren, wenn diese Person dann eine Boykottliste führt – was durchaus Sinn ergibt – wirkt es in der Breite durch eine Reihe von fiesen psychologischen Effekten, die der Branche sehr genau bewusst sind: https://en.wikipedia.org/wiki/Mere-exposure_effect