Cécile Lecomte ist als „Eichhörnchen“ bekannt, hat sie sich in vielen engagierten Fällen gegen Atomenergie und andere Formen der Umwelt- und Lebenszerstörung eingesetzt – und das längst nicht nur durch die gemeinhin bekannt gewordenen Kletteraktionen.
Frau Lecomte war zeitweise seitens der Lüneburger und anderer niedersächsischen Polizeibehörden als „relevante Person“ eingestuft worden. Damit eröffneten sich den Polizeien zahlreiche formell legale Überwachungs-, Unterwanderungs- und Repressionsmöglichkeiten. Meistens erfahren die derart betroffenen bzw. kategorisierten Menschen überhaupt nicht, dass sie derart „relevant“ sind.
Auf beharrliches Nachfragen und Klagen hin ruderte die niedersächsische Polizei zurück und nahm das Eichhörnchen aus der entsprechenden Datenbank „relevanter Personen“ heraus, ohne das näher zu begründen und ohne – und das ist das weitere Übel – Frau Lecomte darüber aufklären zu wollen, ob und in welchem Umfang man von den Überwachungs- oder anderen Maßnahmen Gebrauch gemacht hat. (Auch in anderen Zusammenhängen hat sich die Lüneburger Polizeidirektion übrigens als besonders grundrechtsfeindlich herausgestellt.)
Dagegen klagt nun Cécile Lecomte – das halten wir vom freiheitsfoo für richtig und notwendig und erklären uns deswegen hiermit solidarisch mit dieser Klage, unterstützen diese inhaltlich also in allen Punkten.
Das findet auch die „Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)“ und hilft dem Eichhörnchen auf diesem Klageweg. Wir möchten nachfolgend die dazugehörige Pressemitteilung der GFF im vollen Wortlaut zitieren und zum Lesen empfehlen, aber mindestens genau so den dazugehörigen Blogbeitrag von Frau Lecomte zur Sache zum Lesen ans Herz legen.
Die Klage kann auch im Kontext der Proteste gegen das geplante neue Polizeigesetz Niedersachsens („NPOG“) betrachtet werden und erhält dadurch eine besonders aktuelle Note: Dieses wird stets mit dem Kampf gegen „den Terrorismus“ begründet. Der Fall Cécile Lecomte zeigt, wie diese Gesetzgebung keinesfalls nur dazu ausgelegt und angewendet wird sondern vielmehr aus unserer Sicht berechtigten Protest gegen gesellschaftliche Mißstände zu unterdrücken versucht, denn auch „relevante Personen“ sind nach Definition des BKA entweder „Terroristen“ oder „Extremisten“ … oder eine „Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders“.!
Hier nun die GFF-Pressemitteilung vom 31.10.2018:
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützt die Klage der bekannten Umweltaktivistin Cécile Lecomte auf Auskunft über gegen sie gerichtete Überwachungsmaßnahmen durch die niedersächsische Polizei. „Die Klage soll offenlegen, welchen Formen der Überwachung Personen ausgesetzt sind, wenn die Behörden sie willkürlich als ‚relevant‘ einstufen, ohne dass sie sich dagegen wehren können“, sagt der GFF-Vorsitzende Dr. Ulf Buermeyer.
Lecomte erfuhr 2015 vom Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) im Zuge eines anderen Klageverfahrens von ihrer Einstufung als sog. „relevante Person“. Nach einer Überprüfung stellte das LKA fest, dass wesentliche Voraussetzungen für diese Einstufung nicht mehr gegeben seien, und löschte den betreffenden Eintrag. Warum sie nach Ansicht des LKA überhaupt einmal die Voraussetzungen für diese Einstufung erfüllte, erfuhr Lecomte nicht. Die Klage soll die Polizei dazu zwingen, wenigstens die Überwachungsmaßnahmen offenzulegen, denen Lecomte im Zeitraum ihrer Einstufung ausgesetzt war.
Die Polizei stuft nach einer Definition des Bundeskriminalamts eine Person als relevant ein, wenn sie „innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnimmt“ und objektive Hinweise „die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung (…) fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt.“ Wie eine Umweltaktivistin, die vor allem durch spektakuläre Kletteraktionen bekannt wurde (Spitzname: Das Eichhörnchen), die vorgenannten Kriterien je hatte erfüllen können, ist völlig unerfindlich. Die Einstufung als „relevante Person“ bietet den Behörden allerdings Anlass für verschiedene Arten der verdeckten Überwachung, beispielsweise eine langfristige Observation, den Einsatz von Vertrauenspersonen oder die Ausschreibung zur Kontrollmeldung.
Es handelt sich um einen der wenigen Fälle, in denen die betroffene Person überhaupt von ihrer Einstufung erfährt und über möglicherweise gegen sie gerichtete Überwachungsmaßnahmen Auskunft verlangen kann. Das bietet die seltene Möglichkeit, mehr über die ansonsten verdeckt durchgeführten Maßnahmen zu erfahren.
Lecomte erklärt dazu: „Ohne Wissen über die eigene Einstufung gibt es keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren und Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Wenn zudem nicht klar ist, welche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte durch Überwachungsmaßnahmen stattfinden und ob eine Kontrolle durch Dritte erfolgte, halte ich das für nicht tragbar. Das ist im Hinblick auf die Ausweitung der Überwachungs- und Kontrollbefugnisse der Polizei durch das neue niedersächsische Polizeigesetz beängstigend. Denn es ist schon jetzt festzustellen, dass Gesetze zur angeblichen Bekämpfung von Terrorismus schamlos gegen Bürger*innen, deren politisches Engagement den Behörden missfällt, angewendet werden.“
Für die GFF reicht die Bedeutung der Klage weit über den Einzelfall hinaus. „Deutsche Behörden stufen hunderte Personen als ‚relevant‘ ein – mit gravierenden Folgen, aber bisher ohne jede wirksame Kontrolle. Es wird Zeit, in diese undurchsichtige Praxis etwas Licht zu bringen“, resümiert Dr. Buermeyer.