NPOG-LUPE: § 69 (4) – Taser-Elektroschock-Waffen für die niedersächsische Polizei. Was ist geplant und wie vertrauenswürdig sind die besänftigenden Aussagen zum nicht-flächendeckenden Einsatz der Taser?

In Niedersachsen wird derzeit über ein von SPD und CDU vorgeschlagenes neues Polizeigesetz („NPOG“) gestritten. Eine der Änderungen, die auch in der Medienberichterstattung häufiger Beachtung findet ist die formelle Einführung der Taser-Elektroschocker (euphemistisch als „Elektroimpulsgerät“ bezeichnet) als Waffen im Sinne des Gesetzes. Sowohl Kritiker als auch Parteipolitiker sind in ihren Äußerungen nicht selten unsachlich oder unredlich.

Dass Taser-Elektroschock-Waffen in den Händen der Polizei (aber nicht nur dort!) alles andere als „nicht-tödliche Waffen“ sind und darüberhinaus ein hohes und verführerisches Missbrauchspotential derart besitzen, in einschüchternder, entwürdigender und erniedrigender Weise eingesetzt werden zu können, das ist an vielen Stellen nachlesbar und soll hier der Kürze wegen nicht weiter erläutert und besprochen werden.

Wir möchten im Folgenden ein wenig zur Rechtslage aufklären und ein Status Quo des jetzigen und des kommenden Einsatzes von Taserwaffen durch die niedersächsische Polizei zu beschreiben versuchen. Dazu gliedern wir diesen Blogbeitrag wie folgt:

1. Derzeitige Praxis und Rechtslage in Niedersachsen
2. Geplante Änderungen im neuen Polizeigesetz
3. Äußerungen der Regierungsparteien SPD und CDU
4. Äußerungen der Opposition und kritischer Öffentlichkeit
5. Bewertung
6. Fazit

 

Derzeitige Praxis und Rechtslage in Niedersachsen

Im aktuellen Polizeigesetz Niedersachsens („NdsSOG“) gibt es keinerlei Erwähnung der Taserwaffe. Dennoch wird der Taser seit September 2001 den Sondereinsatzkommandos der niedersächsischen Polizei (SEK) zur Verfügung gestellt und dessen Einsatz erlaubt. Damals verantwortlich für die Einführung des Tasers war der CDU-Innenminister Uwe Schünemann. Die Zulässigkeit des Tasereinsatzes im SEK ist in einem Erlass aus dem niedersächsischen Innenministerium festgeschrieben, dessen letzte Ausführung vom 4.6.2013 ist. Was darin im Einzelnen steht wird als geheim eingestuft („VS-NfD“) und der Öffentlichkeit vorenthalten.

 

Geplante Änderungen im neuen Polizeigesetz

Geändert werden soll der Absatz 4 des § 69 im Polizeigesetz, der Definitionen und Regeln zum „unmittelbaren Zwang“ festlegt. „Unmittelbarer Zwang“ kann grob – wenn auch nicht in allen Facetten gerecht werdend – als „Polizeigewalt“ beschrieben werden und im Absatz 4 wird aufgezählt, welche Waffen in diesem Zusammenhang durch die Polizei eingesetzt werden dürfen. Eingefügt wird nun an dieser Stelle das „Elektroimpulsgerät“ als zusätzlich erlaubte Waffe der Polizei.

Die verantwortlichen Politiker werden in diesem Zusammenhang nicht müde zu betonen, dass es bei der bisherigen Einsatzpraxis – also der Verwendung des Tasers ausschließlich für das SEK – keinerlei Veränderungen geben soll und dass diese Änderung nur der rechtlichen Klarstellung des Tasereinsatzes dienen soll. (Etwas, was in 2005 unter der schwarz-gelben Landesregierung noch ausdrücklich als nicht notwendig bezeichnet worden ist.)

Drei Punkte sind erwähnenswert:

1.)

In dem (nicht-offziellen aber von uns veröffentlichten) NPOG-Entwurf vom 19.1.2018 rangierte der Taser in der Aufzählung noch nach dem Schlagstock und vor der Pistole. Diese Reihenfolge wurde nun im aktuellen und offiziellen Entwurf vom 8.5.2018 verändert, so dass der Taser als Einsatzwaffe an erster Stelle steht (siehe nachfolgendes Bild oder auch die von uns mit-erarbeitete und veröffentlichte Synopse).

Von Kritikern auf die Reihenfolge der Aufzählung angesprochen reagieren SPD- und CDU-Landespolitiker beschwichtigend und betonen hartnäckig, dass der Reihenfolge der Aufzählung der Waffen keine Bedeutung zuzumessen sei. Es stellt sich unter Zugrundelegung dieser Behauptung dann aber die Frage, warum die Änderung in der Reihenfolge dann (eigentich heimlich) geändert worden ist?

2.)

Der Erlass, der den Einsatz der Taserwaffe auf die SEK’s beschränkt sind nicht nur nicht öffentlich (warum eigentlich nicht?), sondern können auch jederzeit und ohne parlamentarische Beteiligung sowie heimlich durch den amtierenden Innenminister eigenmächtig geändert werden. Das Gesetz gibt diese Beschränkung jedenfalls nicht her bzw. die Beschränkung der Tasernutzung auf SEK-Polizeien ist dort nicht festgeschrieben worden, auch wenn das formell gar kein Problem gewesen wäre. Diese Umstände sind für das Misstrauen verantwortlich, das viele Menschen gegenüber den für den Gesetzentwurf Verantwortlichen in dieser Sache haben.

3.)

In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (auf Seite 76):

„Bei erkennbar schwangeren Frauen, herzvorgeschädigten Personen oder bei Personen unter Drogeneinfluss wird aus vorbeugenden Gründen auf den Einatz verzichtet.“

Ähnliches gilt für den Einsatz von Pfefferspray. Wer sich die Einsatzpraxis von Pfefferspray und Taser näher anschaut oder aus der eigenen Lebenserfahrung kennt, der weiß, dass derlei hehre Ansprüche und Absichten in der Realität nur bedingt greifen. Woran sollen Polizisten beispielsweise eine im fünften Monat schwangere Frau im Zuge eines Einsatzes erkennen geschweige denn deren Schwangerschaft oder Nicht-Schwangerschaft vor dem Einsatz überprüfen können? Und warum kam es erst jüngst zu zwei Tote durch im Zusammenhang mit dem polizeilichen Einsatz von Pfefferspray? In mindestens einem der Fälle scheint der beim Polizeieinsatz gestorbene Mensch unter Drogeneinfluß gestanden zu haben.

Angesichts dessen allen erscheint die in der Gesetzesbegründung notierte Einsatzbeschränkung als lebensfremd und zynisch und undurchdacht, wenn nicht gar menschenverachtend.

4.)

Auch das vorherig geplante, aber nie umgesetzte Polizeigesetz Niedersachsens, für das SPD und die „Grünen“ verantwortlich gewesen sind und das im November 2016 im Innenausschuss diskutiert worden ist, hat die hier beschriebene Festschreibung der Taserwaffe für die niedersächsische Polizei schon beinhaltet.

 

Äußerungen der Regierungsparteien SPD und CDU

Als Grundlage hierfür dienen zum einen die Äußerungen des innenpolitischen Sprechers der CDU Niedersachsen, Sebatian Lechner, vom 29.8.2018 auf unsere Anfragen, die NPOG-PR-Kampagne der niedersächsischen SPD vom 28.8.2018 sowie die Äußerungen des SPD-Innenpolitikers Karsten Beckers und des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) am 13.9.2018 zum NPOG im Niedersächsischen Landtag.

In dieser Reihenfolge die Äußerungen jeweils zusammengefasst:

1.) Sebastian Lechner (CDU) auf freiheitsfoo-Anfrage hin

Die Taser-Ausweitung auf weitere Polizeieinheiten sei „aktuell [!] nicht geplant“.

Herr Lechner versucht zu beschwichtigen, indem er meint, Taser könnten z.B. per se gar nicht im Zuge von Demonstrationen eingesetzt werden, weil sie sich „in der Verhältnismäßkeitsabwägung zwischen Schlagstock und Schusswaffe bewegen“ würde. Das erklärt nun gar nicht die oben beschriebene von den Gesetzentwurfverfassern nachträglich geänderte Reihenfolge der Aufzählung der Waffen und lässt auch sonst die Frage offen, warum denn angeblich Taser nicht im Zuge von Protesten eingesetzt werden dürfen. Polizeiliche Schlagstockeinsätze auf Demos sind hinlänglich bekannt. Warum dann nicht auch Taser? Und im Zuge der G20-Proteste wurden mehrfach Schusswaffen eingesetzt, ja sogar abgefeuert. Darüber hinaus war in unserer Frage gar nicht die spezielle Sorge bezeichnet worden, Taser könnten (insbesondere?) im Zuge von Demonstrationen eingesetzt werden.

Herr Lechner betreibt weiter Augenwischerei indem er argumentiert, der Taser soll ja „nur“ als Waffe im Absatz 4 des § 69 eingeführt werden, nicht aber als „Hilfsmittel körperlicher Gewalt“ in dessen Absatz 3. Daraus wird ein normaler Mensch nicht schlau. Auch Streifenpolizisten tragen und benutzen Waffen wir Schlagstock und Pistolen. Was spräche also formell (und vom oben beschriebenen Erlass abgesehen) dagegen, dass Streifenpolizisten dann auch Taserwaffen tragen und nützen dürften?

2.) SPD Niedersachsen im Zuge der NPOG-PR-Kampagne

Die SPD schreibt zur Wirkungsweise des Tasers:

„Durch den entstehenden geschlossenen Stromkreis werden elektrische Impulse geleitet, die eine kurzzeitige Lähmung der oberflächlichen Muskeln auslösen. Der Angreifer wird für einen Moment bewegungsunfähig.“

Das ist eine mehr als verharmlosende Beschreibung dessen, was ein Taser tatsächlich an einer von diesem getroffenen und mit Elektroschocks traktierten Menschen bewirkt und physisch wie psychisch auslöst! Kein Wort über den Schmerz und die psychisch erniedrigende Wirkung des Tasers, die dieser verursacht. Von etwaigen Spätfolgen oder Traumata ganz zu schweigen!

Und auch die folgende Behauptung zur Ungefährlichkeit des Tasers kann man getrost als grob fahrlässige und bewusste Verharmlosung, wenn nicht als Lüge bezeichnen:

„Übrigens: Bekannte Folgeschäden hat der Einsatz eines „Tasers“ bei einem sachgerechten Einsatz nicht. Medizinische Studien haben sogar gezeigt, dass moderne Herzschrittmacher und implantierte Defibrillatoren, deren elektrische Leistung die vom „Taser“ abgegebenen elektrischen Impulse um ein Vielfaches übersteigt, nicht von der Wirkung eines „Tasers“ beeinträchtigt werden.“

3.) Karsten Becker und Boris Pistorius (beide SPD) in der Landtagsdebatte vom 13.9.2018

Auf die Nachfrage eines Grünen-Politikers, warum denn nicht ins Gesetz hineingeschrieben worden ist, das Taser nur durch das SEK eingesetzt werden dürfen, antwortet der SPD-Innenpolitiker (und Ex-Polizeibeamter) Herr Becker zunächst gar nicht (bzw. sagt etwas, was mit der Frage gar nichts zu tun hatte!) um auf weiteres Nachhaken seitens der Opposition sich auf die Behauptung zurückzuziehen, dass eine solche Beschränkunge im Gesetz „viel zu kleinteilig“ sei … o_O

Bemerkenswert aber in diesem Zusammenhang: Auch der rot-grüne Entwurf für ein Polizeigesetz (LT-DS 17/6232) enthielt eine wie nun von den Grünen lauthals geforderte gesetzlich verankerte Beschränkung des Taser-Einsatzes nur für die SEK’s nicht!

Innenminister Pistorius führt nur kurz aus:

„Sie als Haushaltsgesetzgeber haben übrigens jederzeit die Möglichkeit, darauf zu achten, dass wir nicht Geld für die Beschaffung von Tasern ausgeben. Aber dazu hat niemand Lust. Niemand will, dass Taser in allen Einheiten der Polizei eingesetzt werden.“

Neben dem überspezifischen Dementi des letzten Satzes verdient die Tatsache Aufmerksamkeit, dass in der im November 2016 stattgefundenen Anhörung zum rot-grünen Polizeigesetzentwurf außergewöhnlicherweise das Taser-Unternehmen zur Abgabe einer mündlichen Stellungnahme eingeladen worden ist, währenddessen keine einzige kritische Gruppe der Zivilgesellschaft vortragen durfte. Zwar hat der Taser-Vertreter angeblich nur für dessen Bodycam-Produkte geworben, das aber macht den Umstand des gezielt eingesetzten und parlamentarisch geförderten Lobbyismus nicht besser und unterstreicht vor allem die besondere und insofern bedenkliche Nähe zwischen dem Taser-Unternehmen (heute: Axon) und niedersächsischen Parteipolitikern.

 

Äußerungen der Opposition und kritischer Öffentlichkeit

Wir haben auf einer eigenen Wikiseite die Äußerungen und Stellungnahmen bezüglich der Taser-Waffen-Einführung im NPOG gesammelt und zitiert. Von den dort versammelten, insgesamt 31 schriftlichen Stellungnahmen enthalten lediglich sechs einen Bezug auf die Taser-Bewaffnung der niedersächsischen Polizei. Geäußert haben sich dazu amnesty international (ai), die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Niedersachsen, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen, die Humanistische Union, das noNPOG-Bündnis und das freiheitsfoo. Zusätzlich zu dem findet sich in den von uns veröffentlichten Niederschriften der mündlichen Anhörungen im Innenausschuss auch noch eine wenn auch kurze und wenig eigenständige Stellungnahme des DGB.

Der amnesty-Beitrag ist am ausführlichsten. ai kritisiert die im Gesetz fehlende Beschränkung des Einsatzes von Tasern auf das SEK, weist ausführlich auf Risiken für Gesundheit und Leben der von Tasern Getroffenen hin, warnt vor hohem Missbrauchsrisiko, dabei insbesondere vor dem „Kontaktmodus“, bei dem die bereits von den Tasern getroffenen Menschen nachträglich noch mit gezielten Stromstößen versetzt werden können: In 44 Prozent der im Rahmen einer niederländischen Studie untersuchten Fälle wurde dieser Kontaktmodus bedient – das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe fordert einen Verzicht auf diese Einsatzmöglichkeit der Taser-Waffe. Schließlich beklagt ai das starke Erkenntnisdefizit bezüglich der Auswirkungen beim Einsatz von Elektroschockwaffen und verlangt mehr Forschung und sachliche Evaluation hierzu.

Die DPolG Niedersachsen wünscht sich eine rechtliche Sonderstellung des Tasers, um ihn nicht entweder als Waffe (wie vorgesehen) oder als „Hilfsmittel körperlicher Gewalt“ einordnen zu müssen. Hintergrund ist die Sorge der konservativen Polizeigewerkschaft, dass ansonsten von den Polizisten verlangt werden könne, mehr Taser als Pistole einsetzen zu müssen und das könne dann zu einer Gefährdung der Gewerkschaftsmitglieder führen …

Sehr ähnlich, ja auffallend ähnlich fordert die GdP wie die DPolG Niedersachsen eine rechtliche Sonderstellung der Taserwaffe im Gesetz. Die GdP stellt bereits entsprechende Überlegungen an für den Fall, dass der Taser über den bisherigen auf das SEK beschränkten Einsatz auch für sämtliche Polizeibeamte und -beamtinnen zur Verfügung stehen könnte.

Die Humanistische Union verweist auf die gesundheitlichen Risiken des Tasereinsatzes bis zum Tod sowie auf die fehlende, im Gesetzestext nicht auftauchende Beschränkung auf den Einsatz durch SEK-Polizisten. Dass die weiteren Details hierzu und zum Einsatzmodus in einem Erlass definiert werden sollen hält die HU für verfassungswidrig.

Das #noNPOG-Bündnis (bzw. deren Vertreter) sehen keine Notwendigkeit zur polizeirechtlichen Klassifizierung des Tasers als Waffe, warnen vor Gesundheitsrisiken und vor einem „massenhaften Einsatz wie beim Reizgas“.

Das freiheitsfoo warnt vor gesundheitlichen Risiken und lehnt den Tasereinsatz grundsätzlich ab. Und erinnert auf die beachtenswerte Tatsache, dass dem Taser-Unternehmen in der Anhörung zum vorherige unter Rot-Grün geplanten Polizeigesetz eine so außerordentlich hervorragende Stellung eingeräumt worden ist.

Der DGB drückt sich vor einer eigenen Haltung und verweist lediglich auf die (offenbar miteinander abgesprochene) schriftliche Stellungnahme zum Taser durch die GdP. Dadurch macht sich der DGB die Haltung zueigen, den Einsatz des Taser nicht nur für das SEK sondern auch ggf. darüber hinaus im breiten Einsatz für Streifenpolizisten zu unterstützen!

Seitens der derzeitigen parteipolitischen Opposition im niedersächsischen Landtag (derzeit Grüne, FDP, AfD) gibt es keinen Widerstand gegen das Vorhaben, den Taser im Gesetz pauschal als Waffe der Polizei zu verankern. Die AfD tritt sogar offensiv dafür ein, den Taser für alle Polizisten zur Verfügung zu stellen und fordert ein Pilotprojekt dafür (siehe TOP 6 der Niederschrift der Innenausschuss-Sitzung vom 16.8.2018).

 

Bewertung

Wir haben Mathias John von amnesty international als Experten für Waffentechnologie dazu gefragt, wie er die Haltung der SPD-CDU-Regierungsfraktion zum Taser und deren Beteuerungen zur Beschränkung auf den Einsatz durch das SEK bewertet.

Herr John ist skeptisch, was die Haltbarkeit dieser Einschränkung betrifft. Die Skepsis begründet er wie folgt:

1.) Im Gesetz ist keine ausdrückliche Beschränkung zum Einsatz des Tasers auf SEK-Polizeikräfte zu finden. Der ministerielle Erlass, der einen breiten Taser-Einsatz durch die niedersächsische Polizei beschränkt, kann ohne weitere parlamentarische Beteiligung, geschweige denn öffentlicher Debatte durch den Innenminister alleine und jederzeit geändert werden.

2.) Das immer wieder genannte Argument, allein die Einstufung von Elektroschockwaffen wie Tasern als „Waffe“, nicht als „Hilfsmittel körperlicher Gewalt“, würde eine Verwendung im allgemeinen Polizeidienst verhindern, ist falsch. Diese Einstufung ist für die Verwendung letztlich unerheblich, was auch am praktischen Beispiel der Ausweitung der Taserwaffe bei der Polizei in Rheinland-Pfalz deutlich wird. Die dort ebenfalls von der SPD (zusammen mit FDP und Grünen) geführte Landesregierung beschloss Ende April 2018 nach einer einjährigen Testphase den flächendeckenden Einsatz der Taserwaffe für die rheinland-pfälzische Polizei.

In diesem Zusammenhang verweist Herr John ergänzend auf die Tatsache, dass sich die Paragraphen zur Klassifizierung des Tasers als Waffe der Polizeigesetze von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen fast bis aufs Wort gleichen (verlgeiche dazu den § 69 NdsSOG mit dem § 58 des POG Rheinland-Pfalz). Das alleine stellt klar, dass die geplante Gesetzesänderung mittels NPOG-Entwurf keinerlei Hürde für eine spätere flächendeckende Ausweitung des polizeilichen Taser-Einsatzes in Niedersachsen darstellt und Ausführungen wie die des innenpolitischen Sprechers der CDU dahingehend wertlos sind.

Im Zuge der Rheinland-Pfalz-Entscheidung zum allgemeinen Einsatz des Tasers bei der dortigen Landespolizei hat amnesty international im dortigen Innenausschuss schriftlich Stellung bezogen. Diese Stellungnahme stellen wir hiermit der Öffentlichkeit zur Verfügung und möchten auszugsweise aus dem 6seitigen Dokument die Zusammenfassung zu den menschenrechtlichen Risiken des Einsatzes von Taserwaffen zitieren:

„Der Einsatz von Elektroschockdistanzwaffen ist mit hohen Risiken verbunden und daher nicht unbedenklich:

Der Einsatz solcher Waffen birgt hohes Missbrauchspotenzial, die Hemmschwelle für die Anwendung vorgeblich „nicht—tödlicher Waffen“ ist geringer als bei Schusswaffen, damit steigt die Gefahr unverhältnismäßiger Anwendung von Elektroschocks, was grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bis hin zu Folter bedeuten kann.

Es sind schwere gesundheitliche Schäden bis zum Tod im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Waffen dokumentiert.

Dokumentiert sind auch immer wieder Einsätze gegen Menschen mit Behinderungen, Kinder, Schwangere, Kranke oder auch Menschen mit Alkohol-/Drogenintoxikation mit unabsehbaren Folgen für die körperliche Unversehrtheit.“

Herr John geht davon aus, dass der „Dammbruch“ in Rheinland-Pfalz auch in Niedersachsen über kurz oder lang einen flächendeckenden Einsatz des Tasers zur Folge haben kann und damit verbunden entsprechende Skalierungseffekte bezüglich von Verletzten, Misshandelten und Toten durch den breiten Einsatz der Elektroschockwaffen, weil die vorgebliche geringere Gefährlichkeit der Elektroschockwaffen leicht zur Senkung der Hemmschwelle für die unverhältnismäßige Anwendung führen kann.

 

Fazit

Taser-Elektroschock-Waffen sind keineswegs harmlos oder „nicht-tödlich“. Sie senken die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt, beinhalten ein großes Missbrauchspotential zum Einsatz erniedrigender, entwürdigender und an Folter grenzender Polizeigewalt.

Wie das Beispiel Rheinland-Pfalz eindrucksvoll belegt, kann der NPOG-Gesetzentwurf dazu dienen, die Taser-Waffe auch in Niedersachsen flächendeckend einzusetzen. Die Beteuerungen der Parteipolitik, dieses nicht anzustreben bieten keine Gewähr gegen eine deartige Ausweitung. CDU und Polizeigewerkschaften deuten an, einen flächendeckenden Taser-Einsatz für alle Polizeibeamte anzustreben.

Dass genaue Einsatzszenarien lediglich mittels ministeriellen Erlass geregelt werden (und damit jederzeit durch den jeweils amtierenden Innenminister geändert werden können) ist undemokratisch, weil intransparent und unter Ausschluss von Landtag und Öffentlichkeit möglich. Möglicherweise ist diese Praxis sogar verfassungswidrig.

Die derzeitige Debatte zum Taser ist zum Teil von Übertreibungen und Populismus geprägt. Das sowohl auf Seiten der Taser-Befürworter als auch auf Seiten der Kritiker. Besonders besorgniserregend ist allerdings die Methodik der an der Landesregierung Niedersachsen beteiligten SPD und CDU, die Eigenschaften der Taserwaffe zu verharmlosen und Kritik an der Verankerung der Taserwaffe im Polizeigesetz über Gebühr und in unsachlicher Art und Weise zu verurteilen. Beispielhaft dafür sei die Intervention von CDU- und SPD-Politikern des Innenausschusses bei der Anhörung des #noNPOG-Bündnisses genannt, nachlesbar in der Niederschrift vom 16.8.2018.

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