Neulich beim Fährmannsfest

Fährmannsfest Hannover 1991

Fährmannsfest Hannover 1991

Vom dialektischen Ansatz her haben These und Antithese in dieser Nacht gleichermaßen nah am Wasser gebaut und könnten doch gegensätzlicher nicht sein. Am Ihmeufer in Hannover rockt das Fährmannsfest. Alles schön alternativ und mit vielen bunten Menschen – gern auch ganz überwiegend in schwarz gekleidet und mit Sicherheitsnadel als altbewährtem Accessoire aus besseren Tagen des Punk am Revers. Soll unsere Sicherheit ihrerseits nicht gerade die Nadel im Heuhaufen machen? Unsere schwarzen Sheriffs sind in diesem schwarzbunten Treiben jedenfalls nicht auszumachen. Anders beim Maschseefest zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt. Das kann nach Bekunden der hannoverschen Polizei nur mit ihrer deutlich erhöhten Präsenz stattfinden.

Am Ihmeufer spielt die Terrorgruppe frischen Punk und am Maschsee zeigt die schwer bewaffnete Staatsgewalt dem Terror harte Kante. Nach welchen Kriterien entscheidet die Polizei hier eigentlich über schützenswertes Leben? Klar ist die Polizei angesichts wachsender Terrorgefahren schon längst am Ende ihrer Kräfte und muss Prioritäten setzen. Mehr Kaufkraft kommt beim Maschseefest zusammen. Erst mal für die Besitzbürger da zu sein, könnte da Sinn machen. Vielleicht ist die Polizei auch nur schlau genug zu wissen, dass sie so dumm wie am Maschsee nicht jedem kommen kann. Alle Menschen gleichermaßen zu schützen geht bekanntlich sowieso nicht. Das würde ja noch mehr Polizei mit noch viel mehr Befugnissen brauchen, als uns das innenpolitische Mantra dieser neuen bleiernen Zeit schon jetzt unablässig eintrichtert.

Hier gilt es mal aufzumucken und daran zu erinnern, dass unsere Grundrechte vor allem der Abwehr gegen den Staat dienen. Freiheit braucht staatsfreie Räume und Intransparenz! Das geht nicht zusammen mit immer mehr Polizisten – schon weil in Beschäftigungsverhältnissen auf Lebenszeit auch dann noch Aufgaben gefunden werden müssen, wenn über Terrorgefahren in unserem Land einmal wieder etwas weniger virulent spekuliert wird. Das kennen wir schon angesichts jahrelang rückläufiger Kriminalitätszahlen. Da wird das Subjektive Sicherheitsempfinden als neues Betätigungsfeld reklamiert, um die Ressourcen der Polizei im Kampf gegen allerlei Unordnungszustände neu in Stellung bringen zu können. Macht euch auf einiges gefasst ihr Rad fahrenden Rotlichtverletzer, Kiffer und Respektverweigerer. Von wegen „legalize it“.

Am Morgen danach titelt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung auch noch: „Seepferdchen reicht nicht“. Mangels Schwimmkünsten waren im vergangenen Jahr also mal wieder fast 500 Tote durch Ertrinken zu beklagen. Dialektisch einwandfrei kann die Synthese nur lauten, dass Sicherheit hierzulande zuerst mal mehr Bademeister braucht – von mehr sozialer Arbeit, besserer Kooperation von Staat und Gesellschaft mit anderen als den christlichen Religionen und einigem anderen Notwendigen mehr hier gar nicht zu reden. Und wer meint, dass derartige Vergleiche die beklagenswerten Opfer des Terrors verhöhnen, dem sei ein wenig mehr Nachdenken darüber empfohlen, wer hier eigentlich wen verhöhnt.

(Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag, verfasst von einem in der Polizei tätigen Menschen.)

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