In drei Wochen, am 9.10.2022, findet in Niedersachsen eine Landtagswahl statt. Derzeit bilden SPD und CDU in diesem Bundesland eine große (Regierungs-)Koalition. Grüne, FDP und „AfD“ befinden sich in der Landtagsopposition. Die Partei „Die Linke“ ist im Parlament derzeit nicht vertreten und befindet sich den aktuellen Umfragen nach unterhalb der 5%-Hürde.
Schon seit 2009 haben wir (bzw. unsere Vorgängergruppe) zu Landtags-, Bundestags- und Europawahlen Wahlprüfsteine mit Bezügen zu Menschen-, Bürger- und Persönlichkeitsrechten erstellt. So auch zu dieser Landtagswahl.
22 Fragen haben wir an alle ebenfalls 22 an der Wahl teilnehmenden Parteien gestellt und bis zu drei mal um Antworten gebeten. Nach diesem Prozedere haben wir von genau drei Parteien Antworten erhalten. Dies waren (in chronologischer Reihenfolge) die FDP, die Piratenpartei und die Partei „Die Linke“. [Update: Nach unserer Veröffentlichung hat dann auch noch die „AfD“ geantwortet.]
Zum Vergleich: Zur Bundestagswahl 2009 hatten noch neun Parteien geantwortet, darunter alle damals bezüglich der Wahlergebnisse „relevanten“ Parteien. Und auch zur Landtagswahl Niedersachsens in 2013 gab es immerhin von acht angeschriebenen Parteien gehaltvolle Antworten zu unseren damaligen Fragen. Als einzige Partei mit Aussicht auf ein Landtagsmandat verweigerte sich damals nur die SPD. Und auch bei den Landtagswahlen 2017 in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beteiligten sich bei der Beantwortung alle „Großparteien“ bis auf je eine (mal die SPD, mal die „AfD“).
Vorab-Fazit: Die politischen Parteien versuchen in zunehmenden Maße, im Vorfeld von Wahlen sich der Beantwortung konkreter Fragen mit Bezug auf eine etwaige zukünftige Regierungsverantwortung zu entziehen.
Begründet wurde das uns gegenüber mit „mangelnden Kapazitäten“. Das lassen wir bei den Parteien gelten, die bislang nicht im Landtag vertreten sind und die mit entsprechend wenigen Mitarbeitenden und Geld ausgestattet sind.
Wenn aber Großparteien wie CDU und SPD (beide aktuell landesregierungsbildend!) und Bündnis90/Grünen (in froher Erwartung der Landesregierungsbeteiligung) „aus Kapazitätsgründen“ keine Antworten auf unsere Fragen geben wollen, so ist das aus unserer Sicht nicht hinnehmbar und nur eine billige Ausrede. Mit Blick auf die Straßen und öffentlichen Räume Niedersachsens dieser Tage werden ja keine Kosten für (meistens gehaltlose oder -arme) Wahlwerbung gescheut. Und das Geld für eine Mitarbeiterin, die die Beantwortung von 22 Fragen leisten kann ist demgegenüber nicht vorhanden? Unglaubwürdig oder mit Blick auf das sich offenbarende Selbstverständnis dahinter zumindest bitter enttäuschend.
Die SPD gab uns gegenüber an, „eine dreistellige Anzahl an Wahlprüfsteinen erhalten“ zu haben und uns deswegen bis zu Wahl keine Antworten geben zu können. Unsere Nachfrage, wie viele Wahlprüfsteine die SPD denn genau (eher 100 oder eher 1000) erhalten hat und wie viele von denen beantwortet worden sind, diese Nachfrage blieb seitens der SPD trotz Fristsetzung bis dato unbeantwortet …
Unter allen größeren Parteien war die „AfD“ schließlich die einzige, die – trotz dreifacher Nachfrage! – uns noch nicht einmal eine Rückmeldung oder Absage auf unsere Anfrage gab. Selbstkommentierend.
Doch zum inhaltlichen:
Unsere 22 Fragen gliedern sich in folgende fünf Unterbereiche auf:
- Landespolizei (9 Fragen)
- Versammlungsfreiheit (3 Fragen)
- Landesgeheimdienst/“Verfassungsschutz“ (3 Fragen)
- Informationsfreiheit (1 Frage)
- Datenschutz (6 Fragen)
Wie üblich baten wir die Parteien um maximal 250 Zeichen lange Antworten zu unseren Fragen. Überlange Antworten haben wir entsprechend abgeschnitten. Die vollständigen Antworten sowie ergänzende und weiter erläuternde Erklärungen der Parteien sind sekundär verlinkt.
Die Kurzantworten haben wir ebenso wie eine graphisch-schematische Übersicht einer subjektiven Bewertung dieser Antworten in je einem PDF-Dokument zusammengefasst und können der Schaffung einer jeweils eigenen Meinung dienlich sein:
- Graphische Übersicht der subjektiven Bewertung der Antworten aller „relevanten Parteien“
- Kurzantworten der drei teilnehmenden Parteien im Überblick
Die Partei „Die Linke“ lieferte uns – aus unserer Sicht – die prägnantesten Antworten und vermitteln den Eindruck, dass die verfassende Person Haltung besitzt und wusste, worüber sie schreibt.
Ähnlich, wenn auch mit einigen Abstrichen, die Piratenpartei. Zu einigen Fragen bleiben die Antworten im Detail etwas schwammig. Dafür gibt es bei anderen wenigen Fragen überlange Antworten und ausführliche Erläuterungen.
Die FDP, das kann man ihr im Vergleich zu den beiden anderen Teilnehmenden (Piratenpartei und Die Linke) attestieren, besitzt aus unserer Sicht ein deutlich weniger menschen- und persönlichkeitsrechtsfreundliches Profil. Und doch muss man der FDP anerkennend zugestehen, dass diese sich wie auch die Piraten und die Linken überhaupt die Arbeit mit der Beantwortung der Fragen gemacht hat. Das ist eine Form der Ehrlichkeit, die SPD, CDU, Grünen und AfD sehr vermissen lassen. Alleine aus diesem Grund halten wir die letztgenannten Parteien für nicht oder deutlich weniger wählbar.
Ergänzend und abschließend sei noch der Wahl-O-Mat zur Niedersachsenwahl 2022 empfohlen, wenn auch nur – und das gilt auch für diesen, unseren Beitrag! – in Verbindung mit einem nüchtern-kritischen Blick.
[Update 20.9.2022]
Nach Verbloggen mitsamt Pressemitteilung dazu erhielten wir am 19.9.2022 auch von der „AfD“ noch Antworten und haben diese in den pdf-Dokumenten nachgetragen.