Scheinheilige Luftnummer: Niedersächsisches Innenministerium beteuert, den heiklen Polizei-Messenger NIMes auf privaten Polizei-Smartphones loswerden zu wollen. Tut aber nichts dafür.

Screenshot aus dem Apple App Store – nicht gerade die besten Bewertungen für NIMes. Das sieht auch beim Google Appstore nicht anders aus. Dort reicht für die Installation der aktuellsten Version 3.20.0 vom 2.2.2021 schon ein altes Android 6.0 aus …

Was bisher geschah

Die niedersächsische Polizei betreibt gegen Lizenzgebühren einen eigenen Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengerdienst für ihre Polizistinnen und Polizisten – Chats, Channels, die Übertragung von Photos, Videos und Dateien, alles kein Problem. Der als „NIMes“ bezeichnete Dienst kämpft mit erheblichen IT-Sicherheitsproblemen und hat zudem das Potential, von etwaigen rechtsgerichteten Strömungen in der Behörde missbräuchlich genutzt zu werden.

Ersteres – die IT-Unsicherheit von NIMes – beruht zum Teil auf der Tatsache, dass die NIMes-App in den allermeisten Fällen auf den privaten Smartphones der Polizeimenschen installiert und genutzt wird. Dieser einzelne Umstand rief dann sogar die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte auf den Plan: Diese kritisierte – wenn auch recht lammfromm – nach monatelang dauernder Prüfung der als geheim eingestuften NIMes-Datenschutzfolgeabschätzung die Nutzung der App auf privaten Geräten (Stichwort: BYOD – Bring your own device), woraufhin sich das Innenministerium aus Hannover auf folgende Verlautbarung einließ, die wohl zur Beruhigung der gar nicht so umfänglichen öffentlichen Diskussion dienen sollte:

„Der Landespolizeipräsident Axel Brockmann hat in Aussicht gestellt, dass der Ansatz des „Bring your own device“ (BYOD) durch die Anschaffung dienstlicher Geräte minimiert und „perspektivisch voraussichtlich sogar komplett entfallen“ soll.“

Und nun?

Wir haben beim Niedersächsischen Innenministerium nachgefragt, was das genau bedeuten soll. Und erhielten – zusammengefasst und interpretiert – zur Antwort:

  • Derzeit ist auf ca. 22.000 Geräten die NIMes-App installiert. Im September 2020 waren davon 20.800 Installationen auf privaten Wald-und-Wiesen-Handys der Polizist*innen ohne besonderen IT-Schutz. Der Rest der Installationen auf Dienstgeräten.
  • Bis Ende 2021 will man bis zu 5.000 Polizei-Smartphones und -Tablets in die Behörde eingebracht haben.
  • Alleine dadurch – und nicht etwa durch einen Aufruf oder gar ein Verbot, die NIMes-App auf Polizisten-privaten Geräten einzusetzen – soll die Nutzung der App auf privaten Geräten auslaufen.
  • Und zu wann sollen die NIMes-Apps auf privaten Geräten ganz verschwunden sein? Antwort: Irgendwann.

Fazit

Das Innenministerium schert sich nicht um die – sowie so schon sehr beschränkte und eingeengte – Kritik der Landesdatenschutzbeauftragten. Eigentlich macht sie genau so weiter wie zuvor: Ein paar mehr Dienstgeräte anschaffen. NIMes weiter betreiben und bezahlen. Und nicht einmal zu wissen, was und wer dort was miteinander bespricht und verhandelt und an Daten verschiebt. Ja noch nicht einmal, wie viele der 22.000 NIMes-Installationen auf Dienstgeräten und wie viele auf privaten Smartphones laufen weiss die Polizei.

Es scheint dem Niedersächsischen Innenminister Pistorius herzlich egal zu sein, dass er und sein Ministerium den Polizist*innen Niedersachsens eine vollverschlüsselte, exklusive und von Steuergeldern finanzierte Kommunikationsplattform an die Hand gegeben hat, die nicht nur Gefahr läuft, Daten aus dem Polizeibetrieb an Dritte zu verlieren (von dem Reigen an fiesesten Manipulationsmöglickeiten selber mal ganz zu schweigen!) und zudem rechtsextremen Gruppierungen innerhalb der Exekutivbehörde einen digitalen Rückzugsraum bietet, der nicht mal von der Polizei selber übersehen und kontrolliert werden kann.

NIMes ist derweil längst zur unbeherrschbaren und unkontrollierbaren Kommunikationsplattform der Polizei mutiert.

Dieser Beitrag wurde unter Bericht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.