Bemerkenswerter Sinneswandel bei der Polizei: Spontanversammlungen sind auch solche Demos, die „dank moderner Kommunikationsformen abgesprochen worden sind“

stoerfaktor-karte01

Quelle: Störfaktor

Was ist eine „Spontanversammlung“?

Dieser Begriff entstammt u.a. dem für die juristische Interpretation der Versammlungsfreiheit wesentlichen Brokdorf-Beschluss vom 14.5.1985. Darin heißt es:

„Spontandemonstrationen sind Versammlungen, die sich aus aktuellem Anlaß augenblicklich bilden.“

Spontanversammlungen können bspw. im Anschluss an vorher stattgefundene Demos entstehen, so z.B. als Reaktion auf Polizeigewalt oder andere (mehr oder weniger) unerwartete Vorgänge. Oder im Zuge erst kurzfristig bekannt gewordener Ereignisse wie z.B. nächtlicher Abschiebungen.

Polizeien, die auf spontane und den Versammlungsbehörden gegenüber nicht „angemeldeten“ (Achtung: Demos müssen gar nicht angemeldet, sondern nur „angezeigt“, besser: angekündigt werden!) treffen, versuchen nicht selten, rechtswidrigerweise die Gruppe der Demonstrierenden dazu zu drängen, eine*n Verantwortliche*n, eine*n Demoleiter*in zu benennen und damit persönlich haftbar zu machen.

Hinweise, es handele sich doch um eine Spontanversammlung wird dann oft entgegnet, dass das nicht glaubhaft sei, wenn bspw. Plakate oder Protestbanner genutzt werden. Das jedenfalls weise auf eine vorherige Absprache hin und bei einer solchen handele es sich dann nicht um eine „Spontanversammlung“ sondern um eine „Eilversammlung“, die dann wieder einer Anmeldung bedürfte … und die Nichtanmeldung einer Demo wird als Ordnungswidrigkeit, wenn nicht gar als Straftat geahndet.

Doch nun hat die Polizei endlich ein Einsehen mit den bürokratiegeplagten Protestler*innen!

Auf die Anfrage eines Bewohners der Stadt Hannover an deren Polizeidirektion, ob denn auch die Ausübung der Meinungsfreiheit als „triftiger Grund“ gelte, um die Corona-Ausgangssperren nicht beachten zu müssen, weil ja ansonsten eine Entstehung von Spontandemos verunmöglicht und somit die Versammlungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beschnitten werde antwortete die Behörde wie folgt:

Polizeidirektion Hannover
Dezernat 22
Versammlungsbehörde

Sehr geehrter Herr xxx,

auf die von Ihnen gestellte Frage in Bezug auf Versammlungen während der Ausgangssperre antworte ich gerne. Ein Ein-Personen-Protest erfüllt den Versammlungsbegriff nicht. Folglich besteht hier kein Schutz durch Art. 8 GG. In einem solchen Fall ist die Ausgangssperre zu befolgen und das beschriebene Verhalten würde eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Gerade in der heutigen Zeit ist dank moderner Kommunikationsformen eine Absprache zu einer Spontanversammlung jederzeit auch außerhalb des öffentlichen Raumes möglich.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage

xxx
xxx
Dezernent
Polizeidirektion Hannover
Dezernat 22 (Recht)

Mal ganz davon abgesehen, dass es selbst unter diesen Bedingungen den Spontandemo-Willigen unmöglich ist oder zumindest sehr erschwert wird, die Ignorierung einer Ausgangssperre der Polizei gegenüber erfolgreich argumentativ zu verteidigen, durchzusetzen und zum Demoort überhaupt erst zu gelangen:

Merke, verstehe und weise bei Gelegenheit darauf hin: Eine Spontandemo ist nicht deshalb keine Spontandemo mehr, weil sie via Onlnie-Messenger, -Chats oder -Posts organisiert und verabredet worden ist.

Im wahrsten Sinne des Wortes (Be)Merkenswert!

Dieser Beitrag wurde unter Bericht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.