Am 6.10.2020 hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG Lüneburg) geurteilt, dass die dort gerichtlich behandelten sieben Überwachungskameras der Polizei Hannover rechtswidrig sind bzw. waren und nicht weiter betrieben werden dürfen.
Hat sich das OVG zwar einen sehr schlanken Fuß gemacht, indem es im später erst veröffentlichten schriftlichen Urteil eine Reihe von Behauptungen aufstellt, die vor Gericht gar nicht ver- und behandelt worden sind, so schreibt es doch in seiner Pressemitteilung zum Verfahrensausgang so zutreffend wie deutlich:
„Polizeiliche Videobeobachtung öffentlich zugänglicher Orte in Hannover aktuell insbesondere wegen ungenügender Kenntlichmachung rechtswidrig“
Auch die im Berufungsverfahren gar nicht behandelten, 26 von einst 79 verbliebenen Polizeikameras in Hannover sind alleine aufgrund der schäbigen „Kennzeichnung“ der Kameras mittels Aufkleber an Pfosten und Rohren aktuell rechtswidrig!
Logischerweise forderte der Kläger die Polizei Hannover also am 4.11.2020 schriftlich dazu auf, diese 26 Kameras ebenfalls abzuschalten, zu verhüllen oder abzubauen.
Das lehnte die Polizei Hannover in einem Schreiben vom 18.11.2020 – kurz vor Ablauf der gesetzten Frist – ab. Ging sie in ihrem Schreiben auf einige der genannten Kritikpunkte inhaltlich gar nicht ein, so schrieb der Oberjustiziar der Polizeidirektion Hannover zur Frage der unzureichenden Kennzeichnung:
„Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Kennzeichnung der genannten 26 Kameras gegenwärtig gemäß den aktuellen Entwicklungstendenzen der neuesten Rechtsprechung aktualisiert wird (Beschilderung). Soweit die Kennzeichnung also gegenwärtig im Einzelfall eventuell noch nicht der aktuellen Rechtslage entsprechen sollte, wird diesem Umstand in Kürze abgeholfen sein.“
Klingt gut, ist es aber nicht.
Es ist sogar unrichtig, um nicht von „gelogen“ zu sprechen. Denn es gibt keine „Einzelfälle“ noch nicht neu beschilderter Polizeikameras in Hannover. Es gibt noch nicht einmal Einzelfälle neu beschilderter Überwachungskameras:
Aktuell – so haben unsere Überprüfungen vor Ort ergeben – ist genau gar keine der 26 Polizeikameras neu beschildert worden!
Offensichtlich spielt die Polizei Hannover hier auf Zeit, erweist der Absicht, Vertrauen in ihr Handeln und Wirken zu erzeugen aber einen Bärendienst, wenn Sie derartige Falschbehauptungen in die Welt setzt.
In Sachen gerichtlicher Auseinandersetzungen um die polizeiliche Videoüberwachung in Hannover dürfte so noch keine Ruhe einkehren.
Erst zu Jahresbeginn 2020 war es zu einem ähnlichen Eklat gekommen. So hatte die Polizei in Hannover heimlich vier neue Überwachungskameras im öffentlichen Raum in Betrieb genommen, deren Existenz aber verschwiegen. Von den Kameras erfuhr die Öffentlichkeit nur durch einen Zufall durch Gerichtsakten des o.g. Gerichtsverfahrens und aufgrund weiterer Nachfragen durch uns zur Sache verwickelte sich die Polizeibehörde nachhaltig in Widersprüche und tut nun aber – vor Gericht und via Landesinnenministerium sogar dem Landtag gegenüber – so, als wäre das alles nicht passiert.
Derweil geht aus der aktuellen Beantwortung einer Kleinen Anfrage (Niedersächsische Landtagsdrucksache 18/7730 vom 23.10.2020) hervor, dass die Polizei plant, ihre Videoüberwachung des öffentlichen Raums rund um den Hauptbahnhof Hannover erneut auszuweiten. Im verballhornenden Behördendeutsch klingt das dann so:
„Im Zuge der weiteren Umsetzung der Kampagne „bahnhof.sicher“ ist eine Modifikation der Videoüberwachungsmaßnahmen im Nahbereiches des Hauptbahnhofes Hannover beabsichtigt.“
Aus der Drucksache geht übrigens auch noch hervor, in welchem immensen Umfang die Polizei im Zuge von Demonstrationen ihre zuvor betriebenen Dom-Überwachungskameras hat abdecken lassen müssen – es geht dabei um insgesamt 86 temporär verhüllte, mittels Plastiksäcken eingetütete Polizeikameras bei insgesamt 55 Versammlungen.
Es ist bemerkenswert, wie detailliert die Polizei hier Buch führt, wer wann welche (zumeist „friedliche“ und „störungsfreie“) Demonstrationen durchführt.
Ganz zu schweigen von der Frage, was das alles gekostet haben mag. Wir schätzen, dass die Polizei alleine in diesem Zuge einen hohen fünfstelligen Euro-Betrag zur Durchsetzung ihrer Videoüberwachungs-Vorliebe hat aufbringen müssen, wenn nicht gar einen sechsstelligen … Steuergelder, wohlgemerkt.