Polizei Hannover: 50.000 Euro für eine einwöchige PR-Kampagne – ohne Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit – und mit unklaren Zielen

Will immer für „uns“ da sein: Die Polizei Hannover. Bild der PR-Kampagne vom August 2020.

„Wir sind für euch da.“ nannte sich eine PR-Kampagne der Polizeidirektion Hannover, die eine Woche lang im August 2020 in der niedersächsischen Landeshauptstadt betrieben worden ist.

Wer sich dafür interessiert, warum und mit welchem Hintergrund diese Kampagne gestartet worden ist, der steht zunächst im Dunklen. Weder gab es auch nur die geringste Öffentlichkeitsarbeit für die Kampagne (warum eigentlich nicht?) noch lieferten die von uns getätigte Presseanfrage samt einiger dazugehöriger Nachfragen uns zufrieden stellende Antworten.

Der Rahmen

Für die PR-Kampagne mit dem Titel „Wir sind für dich da“ ließ die Polizeidirektion ein Plakatmotiv sowie einen Werbefilm erstellen. Diese ließ sie auf zahlreichen Plakatwänden in der Stadt sowie im Fahrgastfernsehen der hannoverschen Stadtbahnen sieben Tage lang im August 2020 abbilden bzw. laufen:

„Die Kampagne erstreckte sich auf 100 City-Light-Poster sowie einen Spot, der flottenweit auf 1.430 Bildschirmen in 286 Stadtbahnen und 38 Großbildschirmen in acht stark frequentierten U-Bahn-Stationen jeweils bis zu 100 Mal am Tag ausgestrahlt wurde. Sowohl die Plakate als auch der Spot waren jeweils für eine Woche zu sehen.“

Die angebliche Absicht

Es geht vorgeblich um „Imagewerbung“ und um die „Erhöhung des Sicherheitsgefühls“. Hier die gesamte, aus unserer Sicht merkwürdige Antwort der Polizei auf unsere Frage nach Zweck und Absicht der Kampagne:

„Neben der tatsächlichen Präsenz von Einsatzkräften der Polizei Hannover sollte die Kampagne dazu dienen, die Menschen für die Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft der Polizei zu sensibilisieren und so auch in den Köpfen wirken. Die Kampagne diente damit sowohl der Imagewerbung als auch der Erhöhung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung, indem an die dauerhafte Präsenz der Polizei erinnert wird.“

„Sensibilisieren für die 24/7-Bereitschaft der Polizei“ und „auch in den Köpfen wirken“ soll die Kampagne. Hmm …

Verwunderliche Nicht-Öffentlichkeitsarbeit zur Kampagne

Es gab zu dieser Kampagne keinerlei Öffentlichkeit – keine Berichterstattung in den Medien, keine begleitende Pressearbeit der Polizei Hannover, nicht einmal eine Pressenotiz. Das ist äußerst ungewöhnlich für die Presseabteilung der Polizeidirektion Hannover, die sonst auch weitaus geringere Gelegenheiten als Anlaß nimmt, sich öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Wir selber sind lediglich durch einen Hinweis eines Menschen aus Hannover auf diese Kampagne aufmerksam geworden.

Wir haben dazu nachgefragt und nachgehakt und um Erklärung gebeten. Stückweise wurde wie folgt argumentiert:

  1. „Ein Bild sagt sprichwörtlich oft mehr als tausend Worte.“
  2. Es gab nicht genügend „personelle Ressourcen (…) der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“.
  3. Ein „Pressetermin in Präsenzform“ sei aufgrund der Corona-Pandemie nie in Erwägung gezogen worden.

Diese Argumente erscheinen und schwach bis unsinnig:

Ad 1) Gegen diesen Allgemeinplatz ist nichts einzuwenden. Das Sprichwort begründet allerdings nicht, warum nicht ergänzende Pressearbeit geleistet worden ist.

Ad 2) Nicht genügend Ressourcen in der Presseabteilung zu haben ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und war noch nie ein Grund oder Ausrede für die Polizei Hannover, keine Imagepflege in eigenem Interesse zu betreiben. Im einwöchigen Zeitraum der Kampagne hat die Polizei Hannover 19 Pressemiteilungen verfassen können, darunter beispielsweise „Diebstahl einer Handtasche endet mit großem Polizeieinsatz in der hannoverschen Innenstadt“ (17.8.2020), „Graffiti-Sprayer auf frischer Tat ertappt“ (19.8.2020) oder auch andere weltbewegende Ereignisse wie „Betrunkene Frau stört den Dienstbetrieb und beleidigt Polizeibeamte“ (23.8.2020). Warum da nicht mindestens Zeit für eine Pressemitteilung zur Kampagne gewesen sein soll, erschließt sich uns nicht.

Ad 3) Einen Präsenz-Pressetermin hat ja niemand verlangt. Aber mindestens eine Pressemitteilung wäre der übliche und deswegen erwartbare Umfang der Polizei-Pressearbeit gewesen.

Was kostet die Welt?

Wir haben gefragt, was die gesamte Kampagne gekostet hat. Dazu will uns die Polizei keine Angaben erteilen, denn es ginge dabei doch um „Vertragsinhalte mit privaten Anbietern“ …

Mit dieser Begründung kann jegliche Transparenz bei Fragen zum Umgang mit Steuergeldern ausgehebelt werden.

Wir haben selber nachgerechnet und geschätzt und vermuten, dass die PR-Kampagne den Menschen in Niedersachsen mindestens rund 50.000 Euro gekostet haben wird.

Und wer ist verantwortlich für das alles?

Tja, und wer hat die Kampagne eigentlich initiiert bzw. was war der Anlass für die teure Plakat- und Werbefilm-Aktion? Auf die Frage hierzu erhielten wir folgende ominöse Anwort:

„Die Umsetzung der Imagekampagne ist aufgrund eines Angebots durch die Behördenleitung angeregt worden.“

Diese auffällige Wortwahl lässt uns stutzen: Der Polizeipräsident („Behördenleitung“) bietet eine Kampagne an. Was soll das heißen? War das ein Angebot oder eine Aufforderung? Warum drückt man sich hier sprachlich um eine klare Aussage, wer für das alles verantwortlich ist?

Fazit

Auch für „uns“ und für allem für diejenigen da, die juristisch hilflos und angesichts mächtiger Behördenapparate, Polizeigewalt-Erfahrungen und Bevorzugungsrechten und besonderen Privilegien für Polizist*innen und Soldat*innen verzweifelt sind: Die Rote Hilfe.

Uns stößt auf und wundert, dass die Polizei Hannover fernab der sonst geliebten Medienöffentlichkeit eine umfangreiche Imagekampagne im öffentlichen Raum betreibt.

Zigtausende Euro werden für Eigenwerbung ausgegeben, wobei der Zweck schleierhaft oder nur wenig nachvollziehbar bleibt.

Möglicherweise versucht die Polizei mittels der Werbemaßnahme das derzeit derzeit angekratzte Image der Behörde (im gesamten, nicht nur auf Hannover bezogen!) zu reparieren. Immerhin hat die Berichterstattung über Missbrauchsfälle, rechtsextreme und autoritäre Strömungen bis Ausrichtungen in der Polizei sowie die zunehmende Kritik und öffentliche Wahrnehmung zur Polizeigewalt in den letzten Monaten stark zugenommen. Doch falls diese Vermutung stimmt – zugeben mag die Polizei das nicht.

Warum mauert die Polizei bei Fragen zu den Kosten dieser staatlicen Werbeaktion in eigener Sache? Warum wird nicht klar darüber gesprochen, wer und warum das alles passiert ist? Und wieso erklärt uns niemand (schlüssig) das völlige Fehlen der Öffentlichkeitsarbeit dazu?

Uns liegt ein mündlicher Hinweis vor, wonach die Polizei mehrere Plakatmotive verwendet hat. Nach Angaben der Polizei gab es aber nur ein einziges Motiv (siehe Bild oben rechts am Rand). Wir haben zu dem Hinweis keinerlei Belege und konnten diese Behauptung also nicht untermauern oder stützen. Was bei uns in der Redaktion dazu zurückbleibt – insbesondere aufgrund inhaltlichen Gesamtstimmung zu unseren Presseanfragen, die ansonsten immerhin recht flott beantwortet worden sind! – ist ein ungutes Gefühl.

Über den Umfang der „Social-Media“-Arbeit des Presseteams der Polizei Hannover im Zuge dieser Kampagne können wir gar nichts sagen – ein weiteres, noch genauer zu beleuchtendes Kapitel angesichts ausufernder und zum Teil bewusst irreführender Nutzung dieser (a)“sozialen Medien“ durch die Behörde.

Mehr Transparenz und Offenheit in Sachen Polizei-Eigenwerbung auf Kosten der Steuerzahler*innen würde dazu beitragen, das Vertrauen zur Polizei zu erhöhen. Und mehr Vertrauen in die Polizei ist doch eigentlich das, was die Kampagne bezwecken sollte, oder?

Die Frage, ob das alles gut angelegtes Geld ist, muss jede*r selber für sich beantworten.

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