Von den Lücken der landtagseigenen Protokollierung der Innenausschuss-Diskussionen zum neuen niedersächsischen Polizeigesetz

Seit ungefähr August 2018 führt der Innenausschuss des Niedersächsischen Landtags Anhörungen und Diskussionen zum geplanten neuen Niedersächsischen Polizeigesetz („NPOG“) durch. Und das in ungewöhnlicher Breite und Tiefe.

Ebenfalls erfreulich ist, dass die Landtagsverwaltung hierzu ihre vorherige Praxis der Geheimhaltung der Niederschriften von den Innenausschuss-Sitzungen aufgegeben hat. So konnten wir bereits einige der in diesem Kontext spannenden Ausschuss-Niederschriften erhalten und veröffentlichen.

Diese „Niederschriften“ sind – soweit wir das eigener Erfahrung und eigenem Wissen beurteilen können – insgesamt sehr wortgetreu, selbst wenn die Landtagsverwaltung ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich nicht um Wortprotokolle handelt, die Niederschriften dafür aber „den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen“ wiedergeben sollen.

Weniger erfreulich sind aber zwei aus unserer Sicht bemerkenswerte Ungenauigkeiten in den Niederschriften vom 9.8. und 16.8.2018, um nicht von „Kürzungen“ oder gar von „Zensur“ zu sprechen. Im ersten Fall haben die Verantwortlichen für die Niederschrift eine Aussage bzw. Bewertung der mündlichen Anhörung des freiheitsfoos zum geplanten Ausbau der polizeilichen Videoüberwachung gegen unseren Willen geändert, sozusagen verbal „geglättet“. Im zweiten Fall werden die Aus- und Ansagen des parlamentarischen Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) einfach völlig unterschlagen und bleiben unerwähnt.

Über beide Fälle der eigenmächtigen, das Wesen der Aussagen beträchtlich verändernden Änderungen in den Innenausschuss-Niederschriften möchten wir im folgenden etwas detaillierter berichten:

 

Ausweitung der Befugnisses polizeilicher Videoüberwachung: Was Quatsch ist, darf nicht Quatsch genannt werden!

In den Paragraphen 32 und 32a des NPOG-Entwurfs ist eine massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse zum heimlichen und offenen Einsatz von Videoüberwachungstechnik sowie ein heikles Recht der Polizei zum Abgriff von bestehenden Bild- und Tonaufzeichnungen in bestimmten Fällen vorgesehen. Im § 32 NPOG-E werden insgesamt sogar acht Absätze geändert bzw. neu eingefügt, die jeweils der Polizei ein bestimmtes Recht zum Einsatz von Videokameratechnik im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum einräumt.

In der Begründung des Gesetzentwurfs (dort die Seiten 54 bis 58) werden diese umfangreichen Erweiterungen und Neubefugnisse zum Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mal als „maßvoll“ oder als „der veränderten Sicherheitslage angepasst“ beschrieben bzw. gerechtfertigt. Der Einsatz von Bodycams sollen angeblich „deeskalierend“ wirken, die Ausweitung der Speicherdauer von Kameraufzeichnungen wird u.a. mit dem seit der Kölner Silvesternacht 2016/2017 als „Antanzen“ eingeführten bzw. bezeichneten Diebstahlsdelikt begründet.

Ob Bodycams (rein oberflächlich) deeskalierend wirken oder nicht, wurde bislang wissenschaftlich nicht belegt. Vielmehr haben das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) aber auch andere unabhängige Sachverständige bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Videoüberwachung keinen, zumindest keinen verhältnismäßigen nachhaltigen polizeilichen Mehrwert aufweist, weil diese – wenn überhaupt – nur an bestimmten Orten und zu bestimmten (Kleinkriminalitäts-)Delikten begrenzt wirksam ist. Doch in den vollmundigen Reden der die Videoüberwachung befürwortenden Politiker und Verantwortlichen ist hiervon keinerlei Rede.

Diese nüchternen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ignorieren und in populistischer Manier die polizeiliche Videoüberwachung öffentlichen Raums dennoch massiv ausbauen zu wollen haben wir in unserem mündlichen Beitrag zur Innenausschuss-Anhörung zum NPOG dann schlußfolgernd ausdrücklich als „großen Quatsch“ bezeichnet und haben auf genau dieser Bezeichnung beharrt, obwohl uns der Innenausschuss-Vorsitzende (Mitglied der CDU und ehemaliges führendes Mitglied des Polizeikaders) dieses ausreden wollte.

Durch Einsicht in die ansonsten fast wortgenauen Niederschriften konnten/mussten wir dann mit erst starker zeitlicher Verspätung erfahren, dass der „Quatsch“ durch die für das Protokoll Verantwortlichen heraus-editiert worden ist. Wie gesagt: Ohne unsere Genehmigung!

Wir fühlen uns dadurch unrichtig wiedergegeben und haben am 28.9.2018 darum gebeten, die Niederschrift entsprechend zu ändern.

Am 18.10.2018, gut drei weitere Wochen später, teilt uns die Landtagsverwaltung daraufhin mit:

„Der Vorsitzende des Innenausschusses hat ihre Email zur Kenntnis genommen und Ihren Wunsch auf Änderung der Niederschrift in der heutigen Sitzung vorgetragen. Der Ausschuss sieht keinen Anlass, die Niederschrift vom 9.8.2018 – die er in seiner 29. Sitzung am 6.9.2018 gebilligt hat – auf Grund Ihrer Email vom 28.9.2018 zu ändern.“

Herr Adasch beharrt also wiederum auf seine eigenmächtige Korrektur unserer Aussage vorm Innenausschuss.

Merke: Der Innenausschuss alleine darf festlegen, ob und wie Sachkundigen-Aussagen im Detail protokolliert bzw. diese im Detail abgeändert werden.

 

Lieber erst gar nicht dokumentieren: Die Ankündigung massiver verfassungsrechtlicher Bedenken durch die Hausjuristen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes

Frappierender erscheint uns die Auslassung eines wesentlichen Teils der Anhörung im Innenausschuss vom 16.8.2018. Dort erhob der GBD nach Abschluß der Sachkundigen-Anhörungen das Wort, wies auf umfangreiche juristische bzw. verfassungsrechtliche Bedenken im NPOG-Entwurf hin, teils aus eigener Erkenntnis heraus, teils aufgrund der zahlreichen Hinweise durch die Vortragenden der drei Anhörungstage.

Von alledem steht in der dazugehörigen Niederschrift aber kein einziges Wort – das Protokoll zum 16.8.2018 blendet diesen Teil der Sitzungsrealität vollständig aus und erwähnt die GBD-Intervention überhaupt gar nicht!

Wir haben am 29.9.2018 bei der Landtagsverwaltung nachgefragt, warum die GBD-Anteile der Anhörung nicht dokumentiert worden sind und erhielten am 18.10.2018 dazu die folgende Antwort:

„Niederschriften müssen die in der Sitzung gefassten Beschlüsse und den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen wiedergeben (§ 95 Abs. 1 S. 2 GO-LT). Ausführungen zum Verfahren – wie von Herrn Dr. Wefelmeier in der Sitzung getätigt – sind hiervon nicht erfasst.“

Warum die Ausführungen des GBD (vertreten durch Herrn Wefelmeier) „nicht wesentlich“ sein sollen, erschließt sich uns in keinster Weise. Erfreulicherweise konnten wir dessen ersten Teil der sehr ausführlichen und konkreten wie umfangreichen Kritik ja inzwischen im vollen Wortlaut veröffentlichen und die GBD-Kritik hat das inzwischen ihr gebührende öffentliche Aufmerksamkeit erhalten und zu entsprechend weitreichenden Konsequenzen geführt.

Man könnte also fast schlußfolgern, dass die zurecht entbrannte öffentliche (und innerparlamentarische) Diskussion der Landtagsverwaltung bei ihrer Nichtigkeits-Bewertung der GBD-Äußerungen eines Besseren belehrt hat.

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