Heute begannen die insgesamt drei Tage lang dauernden Anhörungen zum neuen Polizeigesetz für Niedersachsen. Auch das freiheitsfoo darf dort seine Ansichten und Meinungen zum „NPOG“ vorbringen und neben der bereits vor einigen Tagen veröffentlichten freiheitsfoo-Stellungnahme ergänzen wir diese heute mit einem weiteren Baustein, einer lesenswerten Stellungnahme des Strafrechtlers Dr. Andreas Hüttl, die wir hiermit veröffentlichen.
Ebenso haben bereits (vorgestern) der CCC und (gestern) netzpolitik.org ihre schriftlichen Stellungnahmen zum NPOG öffentlich gemacht – obwohl das der Landtagsverwaltung bzw. den dahinter stehenden politischen Kräften nicht lieb ist.
Nachfolgend ein paar (wenige) Auszüge aus der 8seitigen freiheitsfoo-Stellungnahme von Herrn Hüttl, die aus unserer Sicht besonders wichtige Aspekte beinhalten (Hervorhebungen durch unsere Redaktion):
Daneben ist festzustellen, dass es nachhaltige Bestrebungen gibt, Beschuldigten- und Angeklagtenrechte im Strafverfahrensrecht einzuschränken oder gänzlich abzubauen. Insoweit haben zB. die Forderungen des 2. Strafkammertages noch in den Koalitionsverhandlungen breite Zustimmung gefunden. Hiernach soll es insbesondere zu Einschränkungen von Befangenheitsanträgen, Besetzungsrügen und Beweisanträgen kommen. Die Verlesbarkeit von Urkunden soll erweitert und das Revisionsrecht eingeschränkt werden.
(…)
Es ist zu konstatieren, dass sich die politische Debatte – unabhängig von objektiven Tatsachen – kontinuierlich im Richtung einer drastischen Erweiterung der polizeilichen Befugnisse entwickelt. Insgesamt ist mit erheblichen Bedenken festzustellen, dass sich die Grundtendenz des Polizeirechts immer mehr von der konkreten Gefahrenbekämpfung zu einer Abwehr von abstrakten oder nur mutmaßlichen, vermuteten Gefahren, bzw. Gefährdern wandelt sowie das die Abgrenzung bisher alleine den Geheimdiensten vorgesehenen Handlungsweisen zunehmend verwässert.
(…)
Allgemeine Kritik
Weiterhin sind erhebliche Probleme bei der Wahrnehmung eines effektiven Rechtsschutzes für die Betroffenen zu befürchten.
Es besteht die Gefahr, dass im Zuge von zu erwartenden zahlreichen Rechtsstreitigkeiten aufgrund neuer, zusätzlicher Maßnahmen, die bereits jetzt schon erreichten Grenzen der Leistungsfähigkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit deutlich überschritten werden.
Insbesondere kurz vor den jeweiligen „gefährlichen Ereignissen“ erlassene Bescheide (Meldeauflagen, Betretungsverbote, Ingewahrsamnahmen usw.) werden unisono mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen werden. Der rechtsschutzsuchende Bürger muss sich mithin nach den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung nicht alleine per Klage (das Widerspruchsverfahren ist in Niedersachsen seit über einem Jahrzehnt abgeschafft) gegen die grundsätzliche Verbotsverfügung vor dem Verwaltungsgericht zur Wehr setzen, sondern ein weiteres gerichtliche Verfahren zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einleiten. Es fallen mithin doppelte, erhebliche Gerichts- und ggf. Anwaltskosten an.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist daneben die Tendenz festzustellen, dass der Gefahrenprognose der Polizeibehörden (als Fachbehörde) grds. ein überschießender Vertrauensvorschuss eingeräumt wird, der in diesem rein schriftlichen Verfahren im Wege einer summarischen Prüfung des Verwaltungsgerichts kaum widerlegt werden kann. Erinnert sei hier an den Vertrauensvorschuss, den Polizeibeamte grds. bei Vorwürfen wegen Körperverletzung im Amt erfahren und an die dortigen Verurteilungsquoten, die sich alleine im Promillebereich bewegen.