Medienkritik: Zur Festnahme eines Terrorverdächtigen in Helmstedt/Niedersachsen. Und was daraus gemacht wird. [Update]

Am 21.11.2023 hat die niedersächsische Polizei in Helmstedt einen 20jährigen Iraker in „Präventionsgewahrsam genommen“, also verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, einen Anschlag auf Menschen im Zuge der Vorweihnachtszeit geplant oder zumindest mit dem Gedanken dazu gespielt zu haben.

Die bislang öffentlich gewordenen Fakten zu diesem Vorgang sind mager. Zeitungen und Nachrichtenportal verbreiten allerdings nahezu unisono, dass dieser Mann einen Anschlag auf „den“ Weihnachtsmarkt in Hannover geplant habe. Es gibt mehrere Weihnachtsmärkt in Hannover.

Der NDR am 1.12.2023 dazu:

„Ziel des Anschlags könnte nach Informationen von NDR und WDR möglicherweise der Weihnachtsmarkt in Hannover gewesen sein. Das „können wir derzeit nicht ausschließen“, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Landeskriminalamts (LKA) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.“

„Nicht ausschließen“ zu können ist als Tatsachenaussage wertlos.

In einem weiteren NDR-Bericht vom Vortag ist es sogar noch vager bzw. wird diese Annahme sogar konkret entkräftet. Die Nds. polizeifreundlich eingestellte Innenministerin Behrens – und wer sollte besser informiert sein als diese! – entkräftet sogar noch viel deutlicher:

„(…) Das Landeskriminalamt erklärt, der 20jährige Mann, der in Helmstedt festgenommen worden war habe sich in Chats dazu bereit erklärt, einen Anschlag für die Terrororganisation Islamischer Staat zu verüben – möglicherweise auf dem Weihnachtsmarkt in Hannover. (…) NDR-Interviewer Jan Starkebaum: „Frau Behrens, wie konkret waren diese Anschlagspläne des Mannes, der das festgenommen wurde?“. Innenminsterin Behrens: „Also so konkret waren sie glaube ich nicht, dass wir sagen können, für einen bestimmten Weihnachtsmarkt. Aber er hat angekündigt, dass er Anschläge im Zusammenspiel mit Großveranstaltungen in der Weihnachtszeit offensichtlich ausüben möchte und deswegen haben wir ihn in Präventionsgewahrsam genommen, damit wir sicher gehen können und diese Erkenntnisse vertiefen können.“ (…)

Das straft – nach bisherigem Erkenntnisstand – alle diejenigen Medien Lügen, die konkret von einem Anschlagsplan auf einen hannoverschen Weihnachtsmarkt schreiben oder – auch nicht viel besser – ihre Überschriften – so wie das Populismusblatt mit den vier großen Buchstaben gerne – mit Fragen schmücken. So lautet die Überschrift des o.g. NDR-Beitrag vom 1.12.2023 beispielsweise:

„Terroranschlag auf Weihnachtsmarkt in Hannover geplant?“

Nüchterne und faktenbasierte Berichterstattung geht anders.

Die Frage, warum sich diese Berichterstattung in den Vermutungsmodus begibt kann von hier aus nicht beantwortet werden.

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Update 4.12.2023

Ein weiterer Bericht des NDR zur Sache vom 4.12.2023 beginnt erneut mit der o.g., gar nicht rhetorischen Frage. Wichtiger ist, dass in dem Beitrag nun folgendes steht:

„Der Iraker steht nach Informationen von NDR und WDR im Verdacht, ein Attentat mit einem Messer auf einem Weihnachtsmarkt in Hannover geplant zu haben.“

Demnach besitzen NDR und WDR Informationen, die über den Kenntnisstand der Innenministerin neun Tage nach der Verhaftung des mutmasslichen Attentäters hinausgehen? Das wirft Fragen auf: Warum teilen die beiden Sendeanstalten ihre Informationen nicht mit Polizei und Staatsanwaltschaft? Und falls diese doch auf dem gleichen Wissensstand sein sollten: Warum verlautbart die Innenministerin dann etwas anderes?

Auch auf diese Fragen haben wir keine Antworten.

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