Bericht von der Hauptversammlung der Rheinmetall AG: Schwelgen in Zeiten maximaler Gewinne und einem „Zeitenwende“-Imagewandel. Und jetzt auch endlich Kamikazedrohnen und neue autonom tötende Waffen für die „Bundeswehr“.

Wie auch den vergangenen Jahren hier ein Bericht von der Hauptversammlung des in diesem Jahr in den DAX aufgestiegenen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Ohne wirklich nachvollziehbaren Grund hat die in Düsseldorf ansässige und in Deutschland hauptsächlich im fernab jeder größeren Stadt liegenden niedersächsischen Unterlüss produzierende AG die Hauptversammlung „virtuell“ abgehalten, nachdem der FDP-Justizminister Buschmann diese Variante auch nach dem Ende der Corona-Pandemie per Gesetzesänderung als zulässig deklariert und den Großunternehmen, die sich sonst viel kritische Fragen und Vorhaltungen ausgesetzt sehen würden, ein schönes Geschenk gemacht hat. Die virtuelle Hauptversammlung lief übrigens nicht für alle Teilnehmer reibungslos ab, so gab es Aussetzer des Live-Streams nach Beendigung von Wortbeiträgen die das Weiterverfolgen des Streams mit wichtigen Informationen für die Aktionär*innen in Teilen verunmöglichten.

Wie auch immer: Die seitens eines Mitglieds unserer Redaktion gestellten fast 70 Fragen samt Antworten und Nicht-Beauskunftungen vom 9.5.2023 haben wir im vollständigen Umfang in unserem Wiki dokumentiert.

Nachfolgend lediglich eine Zusammenfassung einiger Details aus den so gewonnenen Informationen, die uns – rein subjektiv – als besonders erwähnenswert erscheinen. Das alles ohne Rang oder besondere Sortierung:

Der Polizeipanzerwagen „Survivor R“, den die Rheinmetall AG derzeit als neuen Standard bundesweit einzuführen versucht. Bild von Rheinmetall, unter Creative Commons Lizenz CC-BY-SA 4.0

Bundespolizei und Bereitschaftspolizeien haben bei Rheinmetall 55 Stück Panzerwagen bestellt („Survivor R“). Neu zu wissen: Es gibt eine Option auf 35 weitere dieser Fahrzeuge für den Einsatz im Inneren.

Rheinmetall ist alleine im Frühjahr 2023 zwei mal erfolgreich gehackt worden. Ob dabei wichtige Daten geklaut oder manipuliert worden sind kann man heute noch nicht sagen.

Rheinmetall bereitet gerade gemeinsam mit der israelischen Firma UVision einen Großvertrag über die Lieferung von Kamikazedrohnen (Neusprech: „Loitering Munition“, Typ HERO) vor.

Auch die Niederlande und UK haben Intereses an den HERO-Kamikaze-Drohnen. Und – besonders wichtig – auch Deutschland! Rheinmetall-Chef Papperger: „Ich denke, dass auch Deutschland die HERO irgendwann kaufen wird.“ Dazu passt die frische Nachricht aus dem Bundestag via heise.de/Stefan Krempl:
Die Bundesregierung hat erstmals eingeräumt, sich praxisnah mit dem Einsatz von Kamikazedrohnen auseinanderzusetzen. „Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr führt derzeit eine Studie zur Erstellung einer Strategie für Loitering Munition mit dem Auftragnehmer AMDC GmbH durch“, erklärte der parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Thomas Hitschler (SPD) vor Kurzem auf eine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. (…) In diesem Rahmen seien „drei Systemen unterschiedlicher Hersteller“ aus Israel – Rafael Advanced Defense Systems, Israel Aerospace Industries (IAI) und Uvision Air – „zur weiteren Begutachtung“ bereits beschafft worden. (…) Im September 2022 hatte die Regierung in einer Antwort auf Anfrage der Linksfraktion noch betont: „Die globale Proliferation von ‚Loitering Munition‘, die durch vergangene und aktuelle Konflikte und Kriege forciert wird“, stelle aus sicherheitspolitischer Perspektive „unabhängig vom Automatisierungsgrad der Systeme eine besorgniserregende Entwicklung dar.“ Dies gelte vor allem auch mit Blick „auf die Bedrohungspotenziale gegenüber der Bundeswehr und den Streitkräften verbündeter Staaten“. Damals seien noch keine Projekte zur Beschaffung solcher smarten Waffen verfolgt worden.
Die Zeiten ändern sich flugs. Rheinmetall und deren Aktienbesitzer freuts, die Zukunft unserer Welt verdüstert sich dagegen.

Rheinmetall entwickelt weitere Kamikazedrohnen-Systeme, zum Teil in Eigenregie, zum Teil zusammen mit UVision auf deren HERO basierend.

Und auch die von Rheinmetall hergestellt Luna-NG-Drohne soll „an aktuellen Bedürfnissen angepasst“ fortentwickelt werden.

Neu ist ebenfalls, dass Rheinmetall nun im Auftrag der Bundeswehr die von der (Achtung: Neusprech in Reinstform) „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme mbH“ hergestellte SMART-155-Artillerie-Munition weiterentwickelt und zukünftig an die Bundeswehr wieder liefern wird. Die SMART-155 ist eine – soweit bislang hergestellt und genutzt – Fire-and-forget-Munition z.B. für die Panzerhaubitze 2000. Einmal in das Zielgebiet abgeschossen wirft sie dort zwei an Fallschirmen taumelnde Hohlgeschoss-Waffen ab, die jeweils für sich selber die Umgebung abscannen und anhand eines Algorithmus selbständig und ohne weitere Freigabe durch das Militär entscheidet, ob es sich am Boden bspw. um ein Militärfahrzeug oder um ein Zivilfahrzeug handelt, das es dann im ersteren Fall (sofern nicht falsch erkannt!) abschießt. Wohl u.a. deshalb, weil die Bundeswehr einiges an SMART-155 an die Ukraine ausgeliefert hat (die dort derzeit eingesetzt wird!) will die Bundeswehr zukünftig die autonom tötende Munition neu produzieren lassen. Alleine für die Weiterentwicklung gibt es fast 100 Millionen € und die „Bundeswehr“ bezeichnet den autonomen Killer verniedlichend als „präzise, intelligente Artilleriemunition“.

Rheinmetall ist guter Dinge, bald Aufträge für die Lieferung von Hochenergie-Laser-Waffen auf deutschen Schiffen zu erhalten.

Der Umsatz von Rheinmetall mit dem Bundes“verteidigungs“ministerium betrug 2022 ca. 1,5 Milliarden €, weitere 60 Millionen erhielt der Konzern alleine als Unterstützung für Fertigung und Entwicklung von Waffen.

In 2022 gönnte sich Rheinmetall ca. 15.000 € Spenden an die CDU, weitere ca. 15.000 € Spenden an die SPD und auch ca. 15.000 € Spenden an die FDP.

Weiterhin erhielten folgende politische „Institutionen und Formate“ Geldspenden von Rheinmetall:
Arbeitskreis der Seeheimer der SPD: 10.000 €
– Grüner Wirtschaftsdialog der Grünen-Partei: 15.000 €
– Wirtschaftsrat der CDU: 15.000 €
– Wirtschaftsrat der SPD: 15.000 €

Dann gab es noch weitere 9.500 € Spenden an den CDU-Kreisverband Celle. Das ist der Kreisverband von Herrn Hennig Otte von der CDU, Mitglied im Bundestags-Verteidigungsausschuss und verteidigungspolitischer Sprecher von CDU/CSU mit sehr guten Kontakten und Beziehungen zu Rheinmetall.

Für weiteres Lobbying gibt Rheinmetall ebenfalls viel aus. Beispiels- bzw. auszugsweise seien genannt 500.000 € für die AUSA-Rüstungsmesse 2022 in Washington, ebenfalls 500.000 € Kosten in 2022 für ein Lobby-Büro mit drei Mitarbeitern in Brüssel oder auch 339.040 € Mitgliedsbeitrag in 2022 für den deutschen Rüstungs-Lobbyverband BDSV, dessen Vorsitzender der Rheinmetall-Chef Papperger in Personalunion ist.

Anstelle einer eigenen Panzerfabrik für den neuen Rheinmetall-Panzer „Panther“ KF 51 in der Ukraine will Rheinmetall nun „in den nächsten Wochen Kooperationen und Joint Ventures mit ukrainischen Unternehmen eingehen.“ Bei den Joint Ventures wird Rheinmetall eine Mehrheit besitzen.

[Update zu diesem Punkt vom 13.5.2023. Dazu passt eine ebenfalls heute veröffentlichte Pressemitteilung der Rheinmetall (Link). Auszug daraus: „Der deutsche Rüstungshersteller Rheinmetall gründet ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom. Auftakt zunächst im Bereich der militärischen Fahrzeuge. (…) Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung wurde jetzt von Vertretern beider Seiten unterzeichnet. Als Einstieg in die Kooperation soll in einem ersten Schritt – vorbehaltlich der erforderlichen behördlichen Genehmigungen – ein Joint Venture gegründet werden, das die Brücke zwischen Rheinmetall und der existierenden staatlichen Verteidigungsindustrie der Ukraine schlägt. Das Closing ist für Ende Juni 2023 vorgesehen, ab Mitte Juli 2023 soll das Joint Venture operativ sein. (…) In einem ersten gemeinsamen Schritt mit Ukroboronprom sollen Aktivitäten im Bereich der Instandsetzung solcher militärischen Fahrzeuge, die der Ukraine über Ringtausch-Projekte der deutschen Bundesregierung sowie durch Direktlieferungen bereitgestellt wurden, den Grundstein dieser Zusammenarbeit bilden. In späteren Phasen soll sich die Kooperation auf Basis eines umfassenden Technologietransfers der gemeinsamen Herstellung ausgewählter Rheinmetall Produkte in der Ukraine widmen. Zukünftig können im Zuge der Zusammenarbeit zwischen Rheinmetall und Ukroboronprom außerdem unter Beteiligung ukrainischer und deutscher Spezialisten gemeinsam neue militärische Systeme entwickelt und aus der Ukraine heraus exportiert werden.„]

Rheinmetall hat weltweit bislang ca. 50 Stück Gefechtsübungszentren und Gefechts-Simulationsanlagen „unterschiedlicher Art“ geliefert.

Rheinmetall hat Wandelanleihen in Höhe von 1 Milliarde € aufgenommen und damit den spanischen Rüstungskonzern EXPAL aufgekauft und damit weitere Kapazitäten in Munitions- und Sprengstoffproduktion erworben.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Der Rheinmetall-Chef Armin Papperger mit seinen Mitarbeitern Franz-Josef Jung (CDU, ehem. Verteidigungsminister) und Dirk Niebel (Ex-Generalsekretär der FDP und ehem. Entwicklungshilfeminister) bei der Rheinmetall-Hauptversammlung 2018.

Rheinmetall wird einer von fünf Hauptlieferanten für die europäische Fertigung des US-amerikanischen F-35-Kampfflugzeugs, der von der Bundeswehr als Atombomben-Träger (Büchel!) eingekauft werden soll. Rheinmetall ist damit „einer der großen fünf Lieferanten für die F-35“. Herr Papperger geht sogar davon aus, weitere Flugzeugkomponenten darüber hinaus bauen zu können und insofern in das Flugzeugbaugeschäft einzusteigen, man will allerdings bei Rheinmetall keine kompletten Flugzeuge bauen.

Der ehemalige Bundesverteidungsminister Franz Josef Jung (CSU) ist übrigens seit gut einem Jahr nicht mehr im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns. Hintergründe dazu liegen leider nicht vor.

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