Ab 1.7.2018: Feingliedrige Überwachung, … pardon: Mautkontrolle der Fahrzeuge auf allen Bundesstraßen. Doch die Daten und Kommunikationswege „sind sicher“ …

Eine der neuen TollCollect-„Kontrollsäulen“ auf einer Bundesstraße in Niedersachsen.

Am 1. Juli 2018 wird das Straßennetz Deutschlands, auf dem LKW’s verpflichtet sind, für jeden gefahrenen Kilometer eine Mautgebühr zu entrichten, von 15.000 km auf 52.000 km ausgedehnt.

Das dadurch, dass ab dann nicht nur Autobahnen und kleinere Teile des Bundesstraßen-Netzes LKW-Maut-pflichtig sind, sondern pauschal alle Bundesstraßen. Der Bund, der für Abrechnung und Überwachung der Mautabgaben das TollCollect-Konsortium gegründet hat, erwartet in diesem Zuge rund 2 Milliarden (!) Mehreinnahmen pro Jahr.

Wir haben bereits verschiedentlich darüber berichtet und waren bei einer der Regional-Pressekonferenzen von TollCollect und dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) nun dabei, nachdem die eigentlich schon im November 2017 geplanten Pressekonferenzen mangels Medieninteresse kurzfristig abgesagt worden waren und wollen hier kurz darüber berichten:

 

Es werden nach heutigem Stand der Dinge 621 neue Überwachungssäulen auf Bundesstraßen errichtet – also grob gesagt alle 50 Bundesstraßenkilometer eine – die den vorbeirollenden Verkehr (in je eine Fahrrichtung auf bis zu zwei Spuren in einer Fahrrichtung) gänzlich erfassen und die Fahrzeuge identifizieren und nach ersten internen Auswertungen möglichst nur diejenigen Fahrzeuge weiterhin überprüft und mit anderen Daten abgleicht, die mutmasslich LKW-Maut-pflichtig sind.

Über die Überwachungssäulen und ihre Technik hatten wir bereits ausführlich im letzten Jahr berichtet, doch halt: TollCollect und BAG legen allergrößten Wert darauf, dass nicht von „Überwachungssäulen“, sondern von „Kontrollsäulen“ die Rede ist! Man kann über den semantischen Unterschied streiten, vermutlich stehen aber PR-Gründe hinter dieser Vorgabe.

Die Pressestelle von TollCollect betont nach wie vor, dass die LKW-Maut-Daten bislang in keinem Fall an Polizeien, Staatsanwalten oder Geheimdienste gegangen seien. Das sei ja so vertraglich geregelt. Ob es für diese Regelung eine Ewigkeitsgarantie gibt, zu dieser Frage steht die Antwort noch aus.

Die Beteuerungen, dass Datenschutz äußerst ernst genommen werde, dass die sehr sensiblen Daten, die via der in fast jedem LKW verbauten Onboard-Units (OBU) per Mikrowelle und Mobilfunk und von Überwachungssäulen ausschließlich per Mobilfunk durch den Äther gesendet werden, dass diese Daten also „sicher seien“, diese Beteuerungen sind in den Zeiten einer frischen EU-DSGV nicht ungewöhnlich und auch mit Blick auf die Erfahrungen und Erlebnisse der letzten Jahre nichts neues.

Was uns inhaltlich an Informationen sonst noch so auffiel (ausführlichere Informationen gibt es in unserem Arbeits- und Dokumentations-Wiki):

  • Die in vielen LKWs und sonstigen von der LKW-Maut betroffenen Fahrzeugen eingebauten OBU’s sind bidirektional kommunikationsfähig via Mikrowellen-Link (im Nahbereich) sowie via Mobilfunk für die weitreichende Kommunikation.
  • Sämtlichen eingebauten OBU’s wurde durch TollCollect im Zeitraum vom Oktober 2017 bis März 2018 mehr oder weniger unbemerkt via Mobilfunk ein neues Betriebssystem aufgespielt.
  • Mit dem neuen Betriebssystem wird die LKW-Maut-Erhebung grundsätzlich von dezentraler zu zentraler Verarbeitung geändert. Damit geht einher, dass die OBU’s sehr viel häufiger Fahrdaten an die TollCollect-Rechenzentrale via Mobilfunk übermitteln.
  • Damit einher geht zugleich die Möglichkeit für die Besitzer der Fahrzeuge, einen sehr viel feingliedrigeren Einblick in die Datensätze der Fahrdaten zu erhalten als bisher – das alles selbstverständlich mit größem Einverständnis der BfDI, so die Angabe von TollCollect und BAG.
  • Die Fehlerquoten („false positive“) der Überwachungsbrücken und -säulen liegt angeblich „deutlich unter einem Prozent“. Das ist äußerst bemerkenswert, denn zumindest die 300 auf den Autobahnen installierten Überwachungsbrücken sind mit KFZ-Kennzeichen-Scannern des Herstellers Vitronic ausgerüstet und deren Technik im Einsatz als KFZ-Kennzeichen-Scanner in Bayern weisen nach Angaben des Herstellers eine false-positive-Fehlerquote „von fünf bis acht Prozent“ auf (siehe Seite 6 eines Verhandlungsprotokolls des Bayr. Verwaltungsgerichtshofes vom 10.12.2012). Doch selbst bei der Annahme der vorgetragenen, geringeren Fehlerquote: bei grob 1,4 Millionen Fahrzeugen, die – je nach Einsatz – mehrfach täglich eine TollCollect-Überwachungsanlage passieren, ergibt sich so eine erkleckliche Anzahl von fehlerhaften Erfassungen.

Über die datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen erheblichen Risiken, die sich mit den nur zuletzt stichpunktartig aufgeführten Details aus der „dank“ der LKW-Maut errichteten Überwachungsinfrastruktur ergeben, dürfte sich jede*r technisch etwas Bewanderte und Erfahrene schnell im Klaren sein. Bleibt naiv zu hoffen, dass diese Daten nicht doch und anders als behauptet, unbefugt von Dritten abgegriffen oder manipuliert werden.

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