Rheinmetall-Hauptversammlung 2018: Der ehemalige Verteidigungsminister hat uns belogen, was seine Trennung von Bundestags- und Aufsichtsratmandat betrifft / Die Bundespolizei wünscht sich 50 bis 100 Stück Panzer von Rheinmetall / Der Vorstandsvorsitzende freut sich über den „Nukleus für eine europäische Armee“

Es wächst zusammen, was nicht zusammen gehört: Armin Papperger (Vorstandsvorsitzender Rheinmetall AG), Franz Josef Jung (ehem. Bundesverteidigungsminister, CDU) und Dirk Niebel (ehem. Bundesentwicklungsminister, FDP) als Arbeitskollegen am 8.5.2018 in Berlin

Am vergangenen Dienstag fand in Berlin die alljährliche Aktionärs-Hauptversammlung der Rheinmetall AG, dem größten deutschen Rüstungs-, Militär- und Überwachungstechnikkonzern Deutschlands, statt.

Das Treffen haben wir umfangreich dokumentiert und möchten aus der Vielzahl interessanter und zum Teil erschreckender Informationen drei uns wichtig erscheinende Punkte herausgreifen:

 

Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung war am 9.5.2017 auf der vorherigen Rheinmetall-Hauptversammlung in den Aufsichtsrat des Konzerns gewählt worden. Allerdings war zeitgleich nicht nur Bundestagsabgeordneter der CDU sondern sogar stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, der u.a. die Anschaffungen Rüstungseinkäufe des Bundes bestimmt.

Von uns darauf angesprochen hatte Herr Jung im Juli 2017 auf Nachfrage beteuert, dass er bis zum Ende seines Bundestagsmandats weder an Aufsichtsratsitzungen teilnehme (noch an anderer informationeller Arbeit in/bei Rheinmetall teilnehme!) noch Geld für sein Aufsichtsratmandat erhalte (wir haben im August 2017 darüber berichtet).

Nun stellte sich auf der Hauptversammlung 2018 heraus, dass beide Behauptungen nicht stimmen: Herr Jung nahm sowohl an der Aufsichtsratsitzung im Zuge seiner Wahl (vermutlich am 9. oder 10.5.2017) als auch an einer außerordentlichen Aufsichtsratsitzung vom 21.8.2017 teil. Und er erhielt für seinen Sitz im Rat für das Jahr 2017 das gleiche Geld (48.493 Euro) wie der zeitgleich in das gleiche Gremium gewählte Klaus Draeger.

Herr Jung hat uns also die Unwahrheit gesagt! Sein zeitgleiches Beschäftigtsein, Wirken und Bezahltwerden sowohl im/vom Bundestag als auch bei/von Rheinmetall ist aus unserer Sicht ein handfester politischer Skandal!

Im Anhang dieses Beitrags zitieren wir zur Verdeutlichung noch einmal das, was uns Herr Jung im Juli 2017 mitteilte bzw. autorisiert mitteilen ließ.

 

Rheinmetall hat für die paramilitärische Aufrüstung der Polizeien einen Panzerwagen mit der reißerischen Produktbezeichnung „Survivor R“ entwickelt und bislang bereits fünf Stück davon an deutsche Landespolizeien verkauft. Zwei Exemplare gingen an die sächsische Polizei (und glänzen durch einen Skandal aufgrund ihrer Bestickung der Sitze mit einem umstrittenen Logo), zwei weitere an die Berliner Polizei (einer bereits ausgeliefert, der zweite für 2020 zur Auslieferung vorgesehen) sowie ein weiteres Exemplar rechtzeitig zum G20-Gipfel an die Hamburger Polizei (auf beharrliches Nachfragen durch den Vorstand so bestätigt – es handele sich um die „kleine Ausführung“, was immer das heißen mag.) Wikipedia zufolge soll auch Brandenburg so einen Radpanzer erhalten haben, was der Vorstand auf der Hauptversammlung jedoch einem dazu fragenden Aktionär verschwieg.

Neu ist die Information, dass die Bundespolizei bei Rheinmetall Interesse an „50 bis 100 Stück“ dieser Panzerwagen bekundet hat und es entsprechende Gespräche oder Verhandlungen gibt. Die Bundespolizei strickt also weiter an ihrer „Entwicklung“ hin zu einer in Teilen militärisch oder paramilitärisch ausgerüsteten Inlandsarmee/-polizei.

 

Für Insider vielleicht nicht neu, aber trotzdem hervorhebenswert: Deutschland (mutmasslich unterstützt oder getrieben durch die deutsche Rüstungslobby) hat in der EU ein „Rahmennationen-Konzept“ eingebracht und durchgesetzt, wonach die deutsche Armee bezüglich ihrer Ausrüstung den Standard für sehr viele andere EU-Mitgliedsstaaten setzt.

Das bedeutet nicht nur eine so gut wie sichere und weitreichende Absatz-Garantie für deutsche Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, sondern wird auch – nach Aussagen des Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger – zum „Nukleus für eine europäische Armee“!

Eine unserer Ansicht nach bislang völlig unbeachtete und in ihrer Dimension unterschätzte Entwicklung aus/in Brüssel, wo Rheinmetall übrigens seit letztem Jahr ein eigenes Lobbybüro mit drei Festangestellten betreibt.

 

Anhang: Dokumentation der Antworten aus dem Büro von Herrn Jung vom Juli 2017

1.

Betreff: Ihre Anfrage an Dr. Franz Josef Jung
Datum: Tue, 18 Jul 2017 09:06:25 +0000
Von: Jung Franz Josef Mitarbeiter 01 <franz-josef.jung.ma01@bundestag.de>
An: redaktion@freiheitsfoo.de <redaktion@freiheitsfoo.de>
Kopie (CC): D…, S… <S….D…@cducsu.de>, Jung Franz Josef <franz-josef.jung@bundestag.de>, Franz Josef Jung <…@gmx.de>

Sehr geehrter Herr E…,

im Auftrag von Herrn Dr. Jung teile ich Ihnen auf Ihre Anfrage hin mit, dass es sein Aufsichtsratsmandat bei der Rheinmetall AG erst NACH seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag wahrnehmen wird.

Mit freundlichen Grüßen

A… D…
Wiss. Mitarbeiter
Dr. Franz Josef Jung MdB

2.

Betreff: AW: Ihre Anfrage an Dr. Franz Josef Jung
Datum: Fri, 21 Jul 2017 07:50:19 +0000
Von: Jung Franz Josef Mitarbeiter 01 <franz-josef.jung.ma01@bundestag.de>
An: redaktion@freiheitsfoo.de | hier: M… E… <redaktion@freiheitsfoo.de>

Sehr geehrter Herr E…,

im Auftrag von Dr. Jung teile ich Ihnen seine Antwort auf Ihre Fragen mit:
1. Ja, er nimmt bis zu seinem Ausscheiden im Bundestag nicht an Aufsichtsratssitzungen teil und erhält keine Interna.
2. Nein, er nimmt bis dahin an keinem Treffen teil.
3. Er erhält bis zum 1.11.2017 auch keine Entschädigung oder sonstige Zuwendungen von der Rheinmetall AG.

Mit freundlichen Grüßen

A… D…
Wiss. Mitarbeiter
Dr. Franz Josef Jung MdB

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