Am frühen Abend des 22.6.2017 hat der Deutsche Bundestag unter nur geringer/mäßiger Beteiligung von Bundestagsabgeordneten einen Gesetzentwurf durchgewunken, das das staatliche Hacken von Computern und Smartphones legitimiert.
Nicht nur, dass das Gesetz in übelster Weise in einem formell ganz wesensfremden Gesetzpaket („Fahrverbot als Nebenstrafe“) versteckt worden ist, zusätzlich enthielt der für den einfachen Mensch undurchschaubare und unverständliche Brocken (unter anderem!) auch noch eine Erweiterung des Repressionsarsenals der Polizei:
Mittels einer Änderung des § 163 StPO darf die Polizei nun (vermutlich nach recht eigenem Belieben) Menschen dazu zwingen, zu einer Vorladung als Zeuge persönlich zu erscheinen. Das war bislang nur dann der Fall, wenn so eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft im Zuge eines Ermittlungsverfahrens ausgesprochen worden war. (Zu weiteren Details dieser weitgehend von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommenen Verschärfung siehe den lesenswerten Kurzbeitrag in der CILIP Nr. 113 vom September 2017, Seite 93f.)
Aber wer hat eigentlich für und wer gegen dieses antifreiheitliche Gesetzesmonstrum gestimmt?
Weder Bundestagsverwaltung, noch die SPD-Fraktion noch die CDU/CSU-Fraktion haben uns bei der Lösung dieses Rätsels, das aus unserer Sicht kein Rätsel sein darf, weitergeholfen. Die Bundestagsverwaltung konnte uns nicht helfen, die SPD-Fraktion wollte uns nicht helfen, die CDU/CSU-Fraktion fand es noch nicht einmal notwendig, auf einer Anfrage dazu überhaupt zu antworten, selbst auf erneute Nachfrage hin stellten sich die Menschen der „christlichen Union“ einfach weiter stumm.
Das war alles im Juni dieses Jahres. Auf dem Herbsttreffen des letzten Wochenendes haben wir diskutiert, wie wir damit umgehen sollen. Da die Abstimmung öffentlich war, und sogar als filmische Aufzeichnung seitens des Bundestags angeboten wird haben wir uns in der Redaktion dazu entschieden, die von uns angefertigten Screenshots dieses öffentlichen Materials samt der von bislang dazu herausgefundenen namentlichen Benennungen der anwesenden Abgeordneten von CDU/CSU- und SPD-Fraktion zu veröffentlichen und damit allen Interessierten zugänglich zu machen – vielleicht können uns andere Leser*innen bei der Ergänzung namentlicher Feststellungen von anwesenden Bundestagsabgeordneten weiterhelfen:
Man kann also immerhin anmerken, dass neben den ablehnenden Oppositionsparteien (Bündnis90/Die Grünen und Die Linke) sogar zwei einzelne Abgeordnete der SPD-Fraktion wenigstens soweit Haltung gezeigt haben, gegen das Gesetzespaket zu stimmen. Wenn wir das richtig erkannt haben, handelt es sich um Lars Klingbeil und Elke Ferner:
Der (derzeitige) SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann hat (bei einem anderem, der SPD opportunen) Thema übrigens selber mehr Transparenz gefordert. Im Vorfeld der Abstimmung über die „Ehe für alle“ sagte er am 27.6.2017, also nur fünf Tage nach der Staatstrojaner-Abstimmung:
„Ich will das gerne namentlich abstimmen lassen, damit die Wählerinnen und Wähler auch wissen, wer hinter der Ehe für alle steht“, sagte Oppermann am Dienstagabend dem ZDF-„heute-journal.“
Dieses Wissen will die SPD offenbar nur dann den Menschen in der Bevölkerung zugestehen, wenn es ihr günstig erscheint. Wir würden jedenfalls sehr gerne wissen, wer in der noch amtierenden Regierung hinter dem Staatstrojaner steht und wer nicht, wer also dafür und wer dagegen gestimmt hat … und wer an dieser Abstimmung gar nicht teilgenommen hat!
Wir finden es schändlich (aber irgendwie auch den Zustand dieser Demokratie bezeichnend), dass man als Wähler und Mensch in diesem Land nicht erfahren kann, wer (bzw. ob der/die eigene Wahlkreisabgeordnete) bei nicht-geheimer Abstimmung für oder gegen ein bestimmtes Gesetzespaket gestimmt hat. Und dass die Suche nach dieser Parlamentarismus-Wahrheit zum mühsamen und nicht bewältigbaren Detektivspiel wird. Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit geht anders.
Die gesamte (Nicht-)Kommunikation mit den Regierungsfraktionen und der Bundestagsverwaltung sowie die Gesamtheit aller von uns angefertigten Screenshots findet man auf unserer Wikiseite zum Thema.